2 Haberf«ld»re!»»n. D«n alten.Volksbrauch" des Haber frldtreibens, der in letzter Zeit auffal lend oft wieder aufgetaucht ist, rückt folgende Mittheilung des „Münchener Jremdenblattes" in neue Beleuchtung. .Wer sind die Haberer bezw. Veran stalter der Haberseldtreiben, wer die Redigirer ihrer Schand - Pamphlete? Dem Ton und Stile nach sind diese Plakate keine Erzeugnisse von Bauern burschen, sondern sind vielmehr ganz anderswo zu suchen, nämlich größten theils in München und zwar in der Person von zweiselhasten Sommer frischlern, Bergfexen, Sonntagsjägern, von Leute ohne Berus, welche sich im Sommer und Herbste aus dem Lande aufhalten, alle dortigen Vorkommnisse, Verleumdungen, üble Nachreden. ».s.w. der Landbewohner ausforschen, diesel ben nach dem Maßstabe der großstädti schen Berworsenheit und Schlechtigkeit in Knittelverse kleiden, sich dann mit dem Abschaum der ländlichen Bevölke rung ins Vernehmen setzen, und auf diese Weise kommen dann solche Schand thaten zu Stande. Früher wurden die Haberseldtreiben nicht in dem srcchen Stile und Tone gehalten, weil eS lauter Landbewohner waren. Jetzt insccnircn halbstudirte und verbummelte Städter die Haber feldtreibcn in der Weise, daß dieselben in Trupps per Bahn in eine an nähernde Station des beabsichtigten und verabredete» Haberfeldtreibens fahren, wo dann auf der ausgemachten Stelle die ländlichen Haberer ihre Dirigenten, die Haberfeldmeister im Frack, erwar ten. Nach Beendigung verschwinden die ländlichen Theilnthmer im Dunkel der Nacht, während die städtischen Ha berer ost einige «stunden weit auf eine entfernte oder gar entgegengesetzte Sta tion gehen oder eine weitere Tour ma chen, um dann gemüthlich nach Mün chen zu fahren, sich über die „Hetz" freuend, die sie gemacht haben, auf Ko sten und Namen der Landbevölkerung und zum Aerger der ihnen verhaßten Geistlichen. Diese städtischen Haberer werde» von keiner Gendarmerie oder sonstigen Patrouille controllirt. auch um die kritische Zeit nicht, denn sie sind ja „Münchner", die nur Landpartieen rtlachen, und kein Mensch vermuthet in thuen Haberer. Wären nicht solche Herren im Spiele, nie wäre es möglich, daß ein Bauernbursche solche Plakate drucken lassen tönnte, ohne Gesahr zu laufen, denuncirt zu werben. Sckianspieler-Ehcn. In einem seiner Vorträge im „Play goerS' Club" hatte der genaue Kenner des englischen Theaters, HerrT. Grein, vor kurzem behauptet, daß unter den Schauspielern Englands eine ganz ex ceptionelle Anzahl srüher und unglück licher Ehen abgeschlossen würde, und er suchte die Ursache davon in dem Um stände, daß junge Schauspieler un Schauspielerinnen so oft Licbesfcen mit einander aufzuführen hätten. Ein unternehmender Reporter hat nun, wie man aus London schreibt, eine Reihe von Bühnenkünstlern und Künstlerinnen über ihre Erfahrungen in diesem Puntt interviewt, er erhielt aber von Allen eine Antwort, die dem LiebeSicenen-Äpielen alle Gefahr ab stritt und im Allgemeinen die Theorie vom Unglück der Schauspieler-Ehen al ein Märchen bezeichnete. So erklärte Miß Zessic Bond, „sie sei eher geneigt, zu denken. Schauspieler und Schau spielerinnen sahen so viel von ihren ge genseitigen Schwächen, daß dies, ver bunden mit ihrer Kenntniß von der precären Natur alles Bühnenverdien stes. sie vorsichtiger, als gewöhnliche Sterbliche mache." Mr. Warner, ein Hekd im Melo drama. versichert, „daß Liebe aus der Bühne in den meisten Fällen rein vom Geschastsstandpnnkte aus betrachtet werde. Die Heirathen von Schauspie lern mit Schauspielerinnen i'eien meist glücklich." Herr Charles Wyndham, der Director oes Eritcrion-Theaters. meinte, „daß infolge der Reibereien und Eifersüchteleien, die nothwendig entstehen, zwei junge Leute, die „Lie bende" mit einander spielen, selten Freunde sind." Herr Henri Neville glaubt weder, daß es so viele Unglück licht Schauipielerehen gebe, als Herr Grein versichert, noch hält er etwas von dem angebtichen Grund. „Ein rechter Künstler", sagt er, „wird immer in seine jeweilige Heldin so sehr verliebt sein, als ihm nur möglich ist, aber er wünscht keineswegs, sie alle zn heira then." Und zum Schluß höre man noch Herrn Edward Eompton- „Ich erinnere mich taum an ein Beispiel von jungen Künstlern, die sich deshalb hei ratheten, weil sie mit tinander Liebcs fctnen auftührten. Ehen aber unter Leuten desselben Beruss und derselben Gesellschaft sind nach meiner Erfahrung sthr glücklich gewesen—darunter auch meine eigene.-" Doppelsinnig. Dame: .Wissen Sie. ich habe jetzt ein Dienst- Mädchen, das ist schrecklich. Abgesehen von ihrer Faulheit, ist sie auch wider spenstig und namentlich sehr tlatschsüch tig!" Herr: „Ach, gnädige Frau, da haben wir's besser wir habe» gar kein Dienstmädchen; das besorgt meine Frau Alles allein!" Aus der Mädchenschule. Lehrerin: Johanna, nenn' mir 'mal tinige Verhaltnißwort«! Johanna: Soldat. Köchin, Liebhaber, Schatz! »- Für die stürmischsten Empfindungen gibt es meist keiiit Wort« nur Thränkn, Kusse Lhc seiaen. Sehr schmeichelhaft. Für? (zu einen, Bürgermeister der vor Auf regung halb ohnmächtig. ktlnWort sei ner einstudirteii Rede herausbringt): „Es scheint Ihnen übel geworden' zu jein " Bürgermeister: „Ihr An blick, Durchlaucht " Eine Sompagnie. Er hatte bisher von der Firma, die ihm das Circular gesandt, noch nie etwas gehört. Das Circular war mit Hilfe einer Remington-Schreibmaschine und zwar mit den reizendsten kalligra phischen Verzierungen ausgeführt; es empfahl sich darin cine Firma unter dem Namen „Schreib-Compagnic" zur Ausführung aller Arten von Abschrif ten, gerichtlicher Documente und lite rarischer Manuscripte zu einer Mark für hundert Worte, sowie von Ab schristen dramatischer Arbeiten zum Preise von slliif Mark für tausend Worte. Das war sehr billig! Die Firma erklärte auch, ihre Beamten niit der Maschine für sieben Mark täglich in's Haus schicken zu wollen. Hugo Lindmann, der begabte Lust spieldichter, vyn dem in dieser Geschichte die Rede ist, nahm in der Regel keine Rücksicht darauf, ob er fünfzig Pfennige mehr oder weniger bezahlen mußte, abei> er war in Verlegenheit, da die erste Leseprobe seines neuen Lustspiels schon in süns Tagen stattsinden sollte. So nahm er seine Zuflucht zu der Schreib compagnie und ersuchte diese durch eine Postkarte, ihm am folgenden Tage einen ihrer Beamten mit der Maschine zu senden, ein dreiactiges Lustspiel nach seinem Dictat aufzunehmen. Am kommenden Morgen faß er schon zeitig am Schreibtisch uud erwartete die Ankuiist des schreibmaschinisten. Seine Wohnung besand sich in einer der Straßen, die an der Spree liegen. Seine Zimmer lagen in der oberen Etage. Die Aussicht über die Gärten uud den Laus des Flusses war sehr hübsch. Der Schreibtisch hatte seinen Platz am Fenster nnd war mit Papier bedeckt, denn unser Dichter hatte begon nen, die einzelnen Blätter des Entwur fes zu einem neuen Lustspiel zu nume riren. „Es wird wohl nichts Andere? übrig bleiben, als zu diktircn," murmelte er. „DaS ist eine herrliche Aussicht, seine Gedanken einem wahrscheinlich roth nasigen und verschnnpften alten Schrei ber vorlesen zu müssen !" Es tlopste an die Thür. Auf sein „Herein !" zeigte sich auf der Schwelle eine Erscheinung, über die Lindmann sich nicht sofort klar werden konnte. Was mochte wohl auch ein hübsches junges Mädchen, das einen sonderbar geformten Blechkasten unter dem Arm trug, zu ihm führen? Die junge Dame war klein uud sicherlich noch sehr jung; eS unterlag auch keinem Zwei fel, daß sie sehr hübsch aussah mit ihren scheuen, dunkeln Augen, den fei nen Zügen, dem zarten Teint und dem schwarzen gekrauselten Haar. „Herr Lindemann?" fragte das junge Mädchen. Dieser erhob sich und machte eine Verbeugung, während sie mit ihrem Kasten näher trat und den selben auf einen Stuhl stellte. „Entschuldigen Sie," sragte Lind mann, „was ist das?" „Das ist cine Reinington-Maschine," antwortete das junge Mädchen. „Remington-Maschine?" wiederholte Lindmann. „Schreibmaschine," erklärte das junge Madchen. „Sie wollen doch nicht damit sagen." fuhr Lindmann sort, „daß Sie von der Firma gesandt sind? Doch wenn ich es recht bedenke," fügte er hinzu, „ist cine Schreibmaschine eigentlich auch eine Beschästigung sür Damen." Er hielt iiinc und betrachtete die Kleine mit einem gewissen komischen Wohlwollen. Lindmann war eine etwas excentri sche Person von ziemlich ungeschliffenen Manieren. Seine Feinde beschuldig ten ihn, ein wenig verrückt zu sein, aber selbst seine schlimmsten Widersacher hät ten nicht beweisen tönnen, daß er sich jemals unritterlich gegen eine Dame benommen hatte. „ES sollte mich wundern, wenn Sie dieser Art Beschästigung gewachsen wä ren," suhr er sort. „Haben Sie einen Herrn erwartet?" fragte das junge Mädchen erröthend. „Entschuldigen Sie, mein Fräulein," gab er zur Aniwort, „um die Finessen in einem Lustspiel, welches das moderne Studenlenleben behandelt, richtig aus» fafjcn zu tönnen, ersordert es doch eini ger Kenntniß der Redensarten, die man bei einer so jungen Dame nicht Voraussetzen kann." Die junge Dame lächelte. „Ich verstehe mich nicht auf da? Stu dentcnteben, aber ich glaube, daß ich es mit dem Lustspiel, von dem Sie spra chen, versuchen tann, und wenn einige schwierige Worte vorkommen sollten, sind Sie vielleicht so liebenswürdig, sie mir vorzubuchstabiren. Ich schreibe sehr schnell." fügte sie hastig hinzu. „Haben Sie die Cirlulare angefer tigt" sragle Lindmann. „Ja, natürlich, es ist ja Niemand anders da." „Es ist ein sehr hübsches Cirkular, ja sogar ein kleines Kunstwerl. Wenn Sie mein Lustspiel so drucke» wollen, dürfte Ihnen der Soussleur seinen tief gefühltesten Dank abstatten." Das junge Mädchen jah verlegen, fast ängstlich aus. „Wäre es nicht am richtigsten, wenn wir jetzt beginne»?" fragte sie. „Das ist eS freilich," antwortete Lindmann; „wo wollen Sie fitzen?" „Hier am Fenster, wenn Sie nichts dagegen haben. Da ,st das Licht um besten." Sie legte Hut, Handschuhe und Ja quet ab. ojfiiclc den Blechtaste» und »ahm ihr Werkzeug hervor- Gummi, ein Fcdcrinejjer, Papier u. s. w.. Alles Mit dir größten Genauigleit. Dies gab Lindmann Gelegenheit, ihre zier liche Gestalt und ihr hübsches Haar, das in entzückenden kleinen Locken über ihre Sliru herabfiel, zu betrachten. Nunmehr, nachdem ihr Erröthen ver schwunden war, bemerlte er die wachs artige Blasse ihrer Haut und den Schat ten niitcr de» Auge», der diese »och größer und fanfter machte. Es würd, ihm ganz weich nm's Herz. „Mein Gott," dachte er, „sie sieht gerade so aus, als ob sie nichi genug zu essen be käme das arme Kind!" Dann sagte er in seiner kurzen Ma nier: „Sie sehen aus, als wären sie müde; ich nehme an, daß Sie sehr früh gefrühstückt haben. Darf ich.. Ihnen ein Glas Portwein anbieten?" „Nein, ich danke Ihnen," antwortete sie, „ich trinke niemals Wein. Ich bin bereit zu beginnen." Sie sah noch immer ein wenig scheu aus. Lindmann bemerkte dies, wurde plötz lich ernst und war ganz mit der Arbeit beschäftigt. Er nahm die einzelnen Blätter seines Lustspiels hervor und fing an zu diktiren. während sie die Tasten des Apparats zu schlagen be gann. Und so fuhren sie fort, sie an fangs mit peinlicher Sorgfalt, er mit der Beforgniß, daß sie verwirrt oder gestört werden könnte. Es war ein gutes Stück, mit Witz und Laune geschrieben, und Lindmann las nichts so gut vor, wie seine eigenen Arbeiten. Das junge Mädchen ließ sich oft zu Ausbrüchen von Heiterkeit hinreißen. Manchmal bei einem schwie rigen Wort sah sie aus und sragte: „Entschuldigen Sie, wie war das?" „Mhrmldonen, mein Kind, M—y— r—m—i—d—o—n—e—n." „Ah, ich hatte mich verhört ich glaubte, Sie sagte» Marmelade." Lindmann sah über ihre Schulter, und richtig, sie hatte begonnen Ma—. Da lachten sie Beide. „Hm, hm." murmelte Lindmann. „stets <in wenig in Gefahr, bei den Frcmdwörtcrn Schiffbruch zu leiben!" Die Thür, die zu dem kleinen Speise zimmer Lindmanns sührte, wurde ge öffnet und sein Diener meldete, daß das Frühstück servirt sei. „Hören Sie nun, meine Liebe", sagte Lindmann kurz, „wir haben keine Zeit zu verlieren, da wir zusammen ar beiten müssen; ich bin hungrig und Sie werden es auch sein. Ich lade Sie nicht gern wieder ein, aber kommen Sie jetzt und nehmen Sie mit mir das Frühstück ein. und dann sahren wir mit unserer Arbeit fort." Die' Kleine erhob sich'bereitwillig. sie hatte sichtlich ihre Scheu verloren und zeigte sich bereit, aus die Manieren des Dichters einzugehen, denn es lag etwas in LindmannS Reden und Betragen, was Frauen leicht veranlaßte, ihm mit Vertrauen zu begegnen. Er össneie ihr die Thür, ließ sie am Tische Platz nehmen, bediente sie und unterhielt sich mit ihr auf die harm loseste und sreundschastlichste Weise, ganz, als ob sie eine Dame seiner Be tanntschasl wäre. Und daß sie eine wirkliche Dame bis in die Fingerspitzen war, bewies sie durch eine Menge klei ner Züge, sowohl bei der Mahlzeit als auch beim Gespräch. Als das Frühstück beendet war, fragte er sie, sobald sie an die Arbeit gingen: „Sagen Sie mir nun. wie Ihnen mein Lustspiel gesällt." „Es ist ganz, als ob man im Thea ter säße, wen» man Sie dictiren hört. O, ich würde bei der Aufführung Ihres Stückes gern zugegen seil,." „Das solle» Sie. Ich werde Ihnen ein Billet zur ersten Aufführung sen den." „So war es nicht gemeint," sagte sie! aber Lindmann nahm sei» Notiz buch zur Hand und schrieb etwas hin ein. „Ich werde das Billet an die Adresse Ihrer Firma Hermann ck Co. senden. Ich möchte Alles über Hermann »k Co. wissen, und Sie müssen mir auch Ihren Namen nennen. Sie sind also, wie ich vermuthe, dort angestellt?" „O nein, ich heiße Hermann." „Aber wenn Sie Hermann sind, wer bildet denn die Compagnie?" „Ich bin die Compagnic. ich ganz allein." Lindmann brach in heiteres Lachen aus, uud >r erhob sich in seinem Lehnstuhl, um mit einem seltsam mil den Ausdruck in seinen Augen die Klein? anzuschauen, die über ihre Ma schine gebeugt ein neues Blatt Papier in dieselbe schob. „Sie ganz allein die Firma He» mann Co. Crtläre» Sie mir das Räthsel." „Das ist sehr leicht. Aber ich bitte Sie, lachen Sie nicht. Ich lebe ganz allein mit meiner Mutter, diese ist schwächlich, sie kann das Sopha nicht verlassen, und wenn Hermann >k Co. nicht gewesen waren, glaube ich. dag wir verhungert waren." „Armes Kind!" rief Lindmann. .Sie hoben leinen Pater mehr?" „Alles ging gut. so lange der Va ter lebte, der Buchhalter bei einem Bankier war." antwortete das junge Mädchen, „aber der Banlier sallirlc, und in seiner Verzweiflung ertränkte mein Vater und starb: meine Mutter brachte der Kummer dem Tode nahe. Ich war siebzehn Jahre alt. und van Unterricht konnte nicht mehr die Rede sein. Sie sehen ja, das; man nur nicht viel beigebracht hat." „Aber man scheint Sie jedenfalls Selbstvertrau n gelehrt zu haben, und das ist vielleicht d»K Beste, was eine Frau lernen tann." „Sie sahen, das; es mir so schwer mit den Fremdwörtern sällt, aber ich stndire noch, ich arbeite jeden Abend, ich pro bire es, das Fremdwörterbuch auswen dig zu erlernen." Lindmann lachte wieder und sagte. „Glauben Sie, daß Ihnen das etwas Helsen wird? Aber fahren Sie sort. Was brachte Sie dazu, gerade diese Beschäftigung zu wählen?" „Gouvernante tonnte ich nicht wer den, und außerdem mußte ich ja auch bei meiner Mutter bleiben. Da las ich in der Zeitung, daß Damen mit der Maschine schreiben lernen könnten, und eine Freundin meiner Mutter ver schaffte mir eine Maschine. Ich „ahm Unterricht, und dann kamen wir nach Berlin—und da versandte ich das Cir- eular. Ich schrieb „Compagnie", weit das mehr Effect macht, und so habe ich auch Arbeit bekommen." ..Pflegen Sie nach Dictat so. wie hier, zn schreiben?" ~Ncin," aniwortetc sie geradezu, ~ich habe bisher noch nicht außerhalb des Hauses gearbeitet. Auf der Treppe hier wäre ich fast wieder umgekehrt, be sonders da es der Mutler wenig zu sagte, daß ich hierher ging." „Also Ihre Mutter wünschte nicht, dasz Sie hierher gehen sollten?" „Sie sagte, daß ts wenig paisend Wäre, wenn ein junges Mädchen den ganzen Tag bei einem dramatischen Schriftsteller zubringe." „Dann waren Sie wohl sehr ängst lich, hierher zu gehen?" „Nein, nur anfangs. Sie werden wohl einsehen, daß ich diese Chance nicht verlieren durste. Circulare und Brief adrefsen zu schreiben, ist nicht die schönste Arbeit. Manuscripte von Schriftstel lern zu schreiben, ist cine, dic mehr ein dringt. Ich dachte, daß Sic viellcicht zusneden mit mir sein und mir Helsen würden, das Ausschreiben von Rollen zu bekommen. Es würde schon sehr viel werth sein, festen Fuß an einem Theater zu fassen." „Wenn ich einigen Einfluß besitze, sollen Sie dic Rollen bekommen. Also Glück aus, kleine Compagnie!" Lindmann erhob sich und ging im Zimmer ans und ab. „Erzählen Sie weiter, mein Kind, lassen Sie mich Alles wissen. Ich bin ja fast alt genug, um Ihr Vater sein zu können. Und ich, —na ja, ich fühle Theilnahme für Sie. Sie kön nen auch Ihrer Mutter sagen, daß ich einst eine Schwester besaß, und daß ich den Wunsch hege, Ihnen in Zukunft nützlich sein zu können." Er sah sie mit seinen ehrlichen grauen Augen, die von cincm seltsamen Aus druck strahlten, fest an. Ihre dunkeln Augen begegneten den seinigcn, sie scnite den Blick und beschäftigte sich wieder damit, Papier in die Maschine zu legen. Dann trat eine Stille ein. Unbe stimmte Gedanken und Wünsche hatten sich Lindmanns bemächtigt. Weshalb dieselben gerade in diesem Augenblicke Form und Gestakt bekamen, war und blieb für immer ein Geheimniß sür ihn. Plötzlich sagte das junge Mädchen - „Wäre es nicht am richtigsten, wenn wir die Arbeit sortsetzen?" „Ich habe nicht im Sinne, meinen Kopf heute noch weiter anzustrengen," sagte er ruhig, „jedcusallS uicht in den nächsten zwei Stunden." „Aber wir haben noch nicht einen Akt fertig," erwiderte sie. „Das thut nichts," antwortete er gleichgillig. „Wir haben fünf Tage, die wir auf die drei Akte vertheilen können." „Aber ich kann mit Leichtigkeit zwei Akte an einem Tage ausführen," ant wortete sie. „Aber ich nicht. Gestatten Sie mir. zu bemerken, daß. während Sie nur nach meinem Diktat kopircn, ich meine innersten Gedanken aussprechen muß, und ein Lustspieldialog ist stets eine anstrengende Arbeit. Deshalb will ich der Erholung jetzt eine oder zwei Stun den widmen. Sehen Sie nichts hier imZimnicc, daß Sie interessircn könnte, um etwas von mir darüber zu hören? Es gibt Leute, die meinen, daß ich eine ganz interessante Sammlung von allen möglichen Dingen besitze." Es besanden sich wirklich viele Ge genstände im Ziinmcr, über die sie gern etwas wissen mochte. Die Erzählung, ans welche Weise und wann sie in sei wieder znr Mittheilung oon Begeben heiten ans seiiiem Leben. Die Stunden verflossen schnell, und mit einem kleinen Schrecken hörte Fräulein Hermann die Uhr füns schlagen. „Wir müsse» unsere Arbeit wieder aufnehmen," sagte sie. „Bedenke» bei!" Ihre Besorgnis; erheiterte ihn, und er begann wieber zu dittire». Um 6 Uhr war der Akt vollendet. „Jetzt ist die Schule sür heute aus," sagte Lindmann. „Sie können nun »k (»0.. Ih'.er Mutter Thee bereiten und deren Gemüth von aller Unruhe in Bezug aal diesen merkwürdigen dra manichcn Schiistst.ller bcsrcien." Er hatte jetzt Alles über dir leidende Mutter zu wisjen bekommene es war uns ihr Garten nicht gefüllt »on herr lichen Rosen? War es nicht das natür lichste Ding von der Welt, daß eine solche Sendung gerade kam, während die Kompagnie in «einem Arbeitszimmer just beschäftigt war? Und was lonnte dann woht natürlicher sein, als daß sie von diesen Geschenle» etwas mit heim mei bei Kraulen zu veibrcite»? „Kompagnie!" sagte der Dichter am fünften Tage, als die Arbeit nahezu Lindmann, Sie, der Sie so gut gegen meine Mutter und mich gewesen sind?" „Ach. papperlapapp! ich will gut sein und will auch haben, daß Sie gut gegen mich sind. So stehe» die Sa chen." „Ich weiß wirklich nicht, wie ich mich .gut" gegen Sie zeigen könnte! ich weiß gar nichts, was ich inöglichcr Weise sür Sie zu thu» vermöchte." ,Meinen Sie? lind doch b»ben Si« bereits so viel für mich geihan! Sie haben mich viel gelehrt, kleine Com pagnie"—er hielt plötzlich inne, sah sie an. während sie sich über die Ma schine beugte, und fügte lächelnd hinzu: „Mein liebes Kind, nennen Sie mich Nicht unverschämt, aber ich hege manch mal den Wunsch, meine Hand durch Ihr gekräuseltes Haar gleiten zu lassen, um zu sehen, ob nicht Funken heraus fprühen. Nein, nein," fügte er hinzu, als sie erröthete und mit einem er schreckten Blick sich zu ihm wandte, „ich habe durchaus nicht die Absicht, etwas so UnehrerbietigeS zu thun; nicht um Alles in der Welt würde ich etwas thun, das mich in Ihren Augen un ehrerbietig erscheinen lassen tönnte." „Ich danke Ihnen," sagte die Com pagnie nngenirt und schien wieder ganz beruhigt zu sein. „Ja, Sie haben mich viel gelehrt," fuhr er sort. „in diesen Tagen, wäh rend wir hier zusammen gearbeitet ha ben und Sie meine dürstigen Scherze zusammengeschrieben und mitunter iiber die Komödie des Lebens gesprochen ha ben; in diesen vier Tagen haben Sie mich gelehrt, wie eigennützig und werth los das Leben eineK Mannes sein kann eines Mannes, der nicht schlimmer ist als die meisten. Sie haben mich ge lehrt. welchen Einfluß zum Bcfferii ein reines, aufrichtiges, edles Weib aus eiiieii solche» Mann auszuüben vermag. Sic haben mir gezeigt, daß es noch der Mühe werth ist. zu leben, —etwas, das mehr als Vergnügen ist mehr sogar als die Kunst," „Mehr als die Kunst!" wiederholte das junge Mädchen. „Und das sagen Sie, ein großer Schriftsteller, mir. ei ner armen Kopistin! Das kann nicht der Fall sein. „Und dennoch ist es so. Und soll ich Ihnen sagen, was es ist, was größer ist als die Kunst?" »Ja. sagen Sie mir das," erwiderte sie sanst. „Das ist die Liebe, kleine Compag nie! Als Sie hierher kamen und in all Ihrer Hilflosigkeit vor mir standen und zugleich in Ihrer Stärle, da ging mir ein neues Licht auf in meinem Le ben. und ich glaublc zu verstehen, was es bedeutet, ehe wir noch sechs Worte mit einander gewechselt hatten. Und dann, als wir Freunde wurden, als Sie mir Ihr Vertrauen schenkten und in Ihrer natürlichen, liebenswürdigen- Weije von Ihrer tranken Mntter er zählten, von Ihren Kämpscn und Ih rem geduldigen, aber starken Geist...." „Ich. geduldig und stark!" unter brach sie ihn. „Aber das habe ich ja nie gesagt, Herr Lindmann." „Nein, gesagt haben Sie es nicht, aber ich las eS aus Ihrem Gesicht und hörte es aus Ihre» Worten heraus. Und ich, der unzufrieden, und unver wöhnt war, habe eine Lehre von Ihnen empfangen, eine Lehre, die ich nie ver gessen werde." „Eine Lehre, Herr Lindmann?" „Eine Lehre, die von Mulh und rcchischafscncn Vorsätzen spricht, von Glauben an ein Weib, gesandt von Gott, denn Sie sind mir von Gott ge sandt worden. Wollen Sie meine Lehr mtljtenn sür immer sein, Klara?" „Klara!" wiederholte sie in großer Verwirrung. „Ach, ich weiß nicht, ob ich Sie anhören darf. Was wird die Mutter dazu sagen?" „Ihre Mutter wird sagen wenn siezso ist, wie Sie sie mir beschrieben ha ben. und daraus verlasse ich mich sie wird jagen: „Höre ihn ruhig an und laß Dein Herz sprechen!" Ist das so schwierig, ävlara?" „Nein, aber wir kennen uns ja erst seit vier Tagen." „Hören Sie mich, Klara, Sie kom men uni zehn Uhr und gehen um sechs Uhr, das ist eine regelmäßige Zeit, nicht wahr, für sieben Mark täglich einschließ lich des Gebrauchs der Maschine. Auf diese Weise hat jeder Tag acht Stunden, und acht Stunden machen oierhiuidert undachtzig Minuten ans; jede Minute auf diese Weise „uns kennen zu lernen", ist ebenso gut wie ein ganzer Monat unter den gewöhnlichen coiiventioiiclle» daß wir nach dieser Berechnung nns schon vierzig Jahre lang leniie». u»d mehr brauchten die Israeliten auch nichi, um in das gelobte Land zu komme». „Halten Sie ein. Halle» Sie ein!" rief sie nnd lachte. Er lachte ebensalls und wurde dann plötzlich ernst. „Ist es denn eine so schwierige Sache?" begann er wieder. „Mein Herz hat sich schon längst entschieden, ich tann Ihne» genau die «stunde, ja „Wie das?" „CS war am allerersten Tage nn> halb zwei Uhr deu» ich horte die Augenblick aus dieselbe als eine ge wisse junge Dame aus meine Frage be fcheide» bemerktem „Ich bin sa die Com pagnie. ich ganz allein." Da siel mir ein und deshalb lachte ich auch daß iu der großen Firma „Lindmann bo.. Dramati ker" ich ganz allem inbegrivcn sei, und daß eine Schreibmaschine ein sehr werth voller Zuwachs in diesem Geschast sein wurde. Kurz uud gut. ich gab mir selbst das Versprechen, daß es nicht mein Fehler sein solle, wenn die „Eom pagine" i» Zukunft bedeuten sollte- ich ganz allein. Wir sind Beide allein ge wesen, Klara, und vielleicht war von uiis Beiden ich am meisten allein." „Sie! O, »ein, Sie können nicht so einsam gewesen jein wie ich. Als wir nach Berlin lainen, schien eS mir, als hätte ich keinen einzige» Freund iu der ganzen Weit u»d ich durfte über meine vergeblicheii Versuche über Abweisun gen uud noch schlimmere Dinge gar nicht zur Mutter sprechen, denn sie wurde dadurch nnr noch kränker ge worden sein. Dann Nichte ich ei» fröhliches Gesicht zu zeigen, wenn ich htimlam. aber wenn ich i» diesen end loien Straßen aus und ab wanderte, geschah es oit. daß ich im Gefühl mei ner Verlassenheit laut weinte." » Er trat zu ihr hin und ergriff ihre Hände. „Arme? Kind!" sagte er. „Und kei ner von unK wußte etwas von dem an dern, während wir warteten und uns nach einander sehnten! Willst Du Dich jetzt mir anvertrauen, meine liebe Com pagnie?" „Ich glaube, daß ich vom ersten Au genblick an Vertrauen zu Ihnen gehabt habe," antwortete sie leise. „Willst Du nun zur Mutter gehen und ihr sagen und mich mitnehmen, jetzt gleich?" „Aber das geht doch noch nicht an! Wir haben jetzt keine Zeit; das Lustspiel soll morgen ans Theater abgegeben werden, und im fünften Akt ist noch eine Scene zu kopiren. Später " „Später beginnen wir ein neues Stück, es soll ein Lustspiel sein, und darin treten nur zwei Personen ans Du und ich." Mit diesen Worten zog er sie an sich und küßte sie. Dt« Sprache der Thicrc. Die von Herrn Prof. Garner. dem Assensprachforfcher, angestellten Unter suchungen sind im Wesentlichen keines wegs neu. Schon zu Anfang dieses Jahrhunderts so schreibt E. P. Evans in der Münchener „A. Z." ist ein „Neue aus Vernunft und Er fahrung gegründete Entdeckungen über die Sprache der Thiere" betiteltes Büch lein zu Wien erschienen, in dem Gott fried Immanuel Wenzel behauptet, daß die Thiere die Fähigkeit haben, sich ein ander durch Töne verständlich zu ma chen und datz diese mit den Buchstaben und Silben der menschlichen Sprache sehr ähnlichen Töne durch Schriftlichen wiedergegeben werden können. Wenzel verfertigte auch ein Verzeichnis der Buchstaben uud silbenähnlichen Laute, die er in den Sprachen einiger Thier arten am häufigsten wahrgenommen hatte, nnd verfaßte ein aus zwanzig Seiten bestehendes Wörterbuch dersel ben, dem er ei» paar Uebersetzungeii aus verschiedenen thierischen Mundarten beifügte. Er gibt zu, daß selbst die vollkom mensten Thiersprachen sehr einfach und voll Wiederholungen seien und dnrch Geberden vielfach ergänzt und ersetzt werden müsj n. Am allcrgespräch g tcn seien die Ganse, die selbst bei Nachl den Schnabel nicht halten könnten. Unter andere» Geschichtchen erzählt Wenzel, wie er einigen von einem Jäger im Stall eingesperrten Füchsen ihre Ab sicht, aus der Gefangeiischast zu ent weichen, abgehorcht und dem Jäger mitgelhkilt, der ihn aber nur ausge lacht habe. In derselben Nacht sühr ten die Füchse ihr Vorhaben aus und machte» sich davon. Mcrscnne in seiner „Harmonie Uni verselle" stellt die Behauptung auf, daß die Thiere ihre Stimme nicht aus freiem Antrieb, sondern unter dem Einfluß einer gewissen Naturnothwendigkeit ge brauchen; aber Radau in seinem l8ti!» erschienenen Bnche „Die Lehre vom Schall" verwirft diese Theorie als allzu spitzfindig und glaubt, sie ließe sich ebenso gilt aus manchen Schwätzer an lvendtn. der den Mund nicht halte» könne. Radau ist überzeugt, daß anhaltende Beobachtungen uns in den Stand set zen würden, mit den verschiedenen führt als Beispiel den folgenden Vor fall an: Als InleS Richard einen de freundeten Kraulen in eine,» Hofpilal öfter besuchte, machte er die Betaunt schaft eines alten aus Südsrautreich gebürtige,,, äußerst lhier>re»»dliche» Beamte» der Anstalt, der ihm ver sicherle, er spreche die Katze»- uud Hiiiidtsprachc und verstehe die Assen sprache besser, als die Affen selbst. Herr Richard lächelte ungläubig über diese seltene linguistische Keiiutniß nnd zur Probe zu loinmen. Er fand sich pünktlich an Ort nnd Stelle ein uud winde vor das Asscn hans gesührt, ioo der Maun sich auf das äußere Geländer stutzte und die sonderbarsten Laute hervorbrachte, wie lirruu, kirruli, turuki. uud ähnliche Gurgeltoue, die nicht leicht wiederzuge ben sind. Unterdessen versammelten sich die Affen uud faßen um Boden in mehreren Reihen, die Vorderpfoten auf ihren Kuieeu gekieiizt. lachte», gestitu lirten uud »»livortcte». Dieses Ge spräch, a» dem die Asfen lebhaften An theil zu uehiiic» schienen, dauerte eine Viertelstunde. Als der alte Mann die Balustrade verließ und fortgehen wollte, geriet!,.',, die Affen in große Aufregung und erhoben ein wahres Aiigstgcschrei; wenn Du » cht wiederlouimst, so vergiß »icht zu schreibe»!" Aus Gefälligkeit. Eine Dame triult auf Verordnung des Arz tes Mineralwasser. ES hat sich fchon eine ganz beträchtliche Menge leerer Flasche» angesammelt und die Tainc laßt sie daher znm Apotheker tragen, nm sie demselben zu verlausen. „Nun, hat der Apotheker die Flaschen ange nommen?" „Eigentlich, gnadige Frau, nimmt der Herr Apotheker keine leeren Flaschen, aber diesmal wollt' er sie ausnahmsweise und aus beson derer Gefälligkeit nehmen!" „So! Und was hat er Dir dafür gegeben?" —„Ja gegeben hat er mir nichts dafür!" Versalzene Freude. Junge Frau- „Herzlichste Gratulation, liebes Männchen, zu Deinem Geburts tage! Als Geschenk erhältst Du diese Meerscha»mipitze, dann diese Pantof feln. die ich Dir selbst gestickt habe und schöne seidene Atlas-Kostüm, in dein ich Dir aewiß gefallen werde." Eine grausige Erinnerung. Der 1. Fcbrnar 1710 so crzählt eine historische Skizze von Dr. R. in der „Leipz. Ztg." sah ganz Venedig in ungtheurer Ausregung. Es war kein Fest, weder in den Lagunen, noch auf dem herrlichen Platze von San Marco, das die Menschenmenge in Be wegung gebracht, ein grausiges Schau spiel sollte dem Volke geboten werden. Am größten war das Gedränge drau ßen vor der Stadt in der Nähe der dreieckige» Insel Campo di Marie, dem heutigen Erercirplotze. Gruppen von Männern, Weibern und Kindern drängte» an den Straßen ecken, süllle» die engen Gassen und Vi coli, versperrten den Eingang der Brül len. Fensler und Dächer waren von Zu schauern dicht besetzt. Alle sprachen sie von den kleinsten Uniständen eines un längst verübten Mordes, dessen Opser und Vollbringer fast jedem der Zu schauer bekannt waren. Der Mörder sollte hingerichtet wer den. Am Schweife des Pferdes sollte er erst geschleist werden, einen langen Weg von aer Kirche „St. Johannis Enthauptung" bis zur Richistätte CanipoMarte. Plötzlich ertönen Trom petenstöße und diiinpse Trommelschläge. Einen Augenblick Todlenstille dann beginnt das Sichdrängcn und Wogen vvn Neuem. Einige wollen sort, wei ter! sühieii nicht mehr den Mnth, das Schreckliche mit anzusehen. Andere machen sich mit Gewalt Raum, sie stür men vorwärts, der Schanderscene ent gegen. Endlich naht sich der schreckliche Zug: ein stämmiger Sgherro (Henker) schreitet voraus, am Zügel einen riesi ge» Hengst sührend. Sche» gemacht durch das Rufen und Schreien des sich anstauenden Volkes, stolpert das Thier aus den glatten Steine» des Pflasters, macht unruhige Sprünge, wehrt und sträubt sich, die an seinen Schweis gesesselle Last weiter zu schleppen. Dann schüttelte es wild die lange Mähne, rollt geängstigt dic Augen, bäumt sich hoch empor und schlägt wüthend mit den Hinterfüßen nach oem Menschen, den es zum Tode schleifen soll. Der Unglückliche, mit de», link.» Fuß am Schweife des Pfer des befestigt, wird elend aus dem Boden hcruingcwnrsen. Ein einziger Fetzen umhüllt ihn. Straßenschmutz und Wunde,i machen ihn zum Jammerbilde. Verzweifelnd irren seine hervortreten den Augen hin und her. Er fühll sich allein, verlassen von Gott uud den Menschen, allein in seiner Angst und Qual, allein im Angesicht des sürchter lichsten 2 ödes. Gepeitscht, in Sätzen stürmt das wüthcndc Thier iiber die zahlreichen. Brücken des Martcrweges. roth särlien sich die Stuscnlantc» und Ticjcsstillschwcigen herrscht überall, nur unterbrochen von dem Gestampfe des Hengstes vergessen ist das Ver brechen. jcdeS Antlitz zeigt Grauen und Mitleid. Der Zug nahi sich der Kirche San Panlalconc. Wenige Schritte noch nnd er muß abermals eine h»he, hohe Brücke passiren, die Ponle di San Pantaleone. Eine Frau aus dem Volke, sie sieht auch unter ihrer Hausthür; Entsetzen und Mitleid liest man in ihrem traurige» Antlitz. Schon tieibt der Sgherro das Pserd an zu schnellerem Gange da blitzschnell fliegt das Weit ins HauZ nnd erscheint ebenso rasch wieder ans der Straße mit einem Kissen in dcn Väiiden. Im Nu durchbricht sie die drängende Menge und wirft mit sicherer, muthiger Haud das bissen aus die unterste Stuse der Brücke. Die ungehcuie Volk-masse hat diesen Beweis eines edlen Frauen herzenS gesehen nnd verstanden Niemand wagt ein Wort dagegen zu äußern. irnc hat es verstanden! Denn sosort zieht ei» andercsWeib d-'»Schawl von ihre» Schnllrr». sallet ihn eiligst zusammen u»d legt ihn nieder ans die zweite Slusc der Biücke. Dies Iva, das Zeiche» zum Sireite des Mitleids, zum edelsten Streite, der vielleicht ,e in Veiicbigs Strafen ausgesochten ward zu», seltenen Wettstreite, wer am »leisten „Mensch" sei. Der Eine tritt kühn näher, wartet, bis der >iorper des Unglückliche» über das Kiste» hinweggeschleist. um es dann zu erhajche» und weiter vorwärts wie der »lerierziiwcrfcn der Andere eill ins Hans und erscheint mit einer Decke. Nerdui'.l schiiue» die Henker darein. Auch on ih>e Herzen pochle die Mensch lichten. U»d lebhafter wurde die Be wegung der Menge. Nicht nur die Brückenstoffel». »ein. der ganze Weg. den der Armesündcrznq nehmen mußte, war in inenden Minute» bedeckt von Kissen. Peckr». Zrppichrn und Schawls milder Es war ein Schau spiel, iui> es w»hl wenige gcgebe» hat-, es war der Sieg der „Meiischlichlkit" im Menschen. OK dieser Alt edelsten Gefühls de» Vei brecher gerührt? Ob er durch ih» zu, heilsamen. Alles tilgenden Reue ge>l,,n„>l wurde, die weder das ernste Wort des Richters, noch die Strenge oer Strafe, noch die Nähe eines ichaiierlichen Todes in seiner Seele heriiorgeriise» hatten? Wer vermöchte es zu sage»! Vielleicht war es auch zu spät, vielleicht ahnte der Unglückliche nicht, seine, Sinne beranbt. wie ein menschlich sühlendes Volt sich gegen ihn, den Angestoßenen, mitleidsvoll gezeigt. Aber sei es diese edle Her ensäußernnu einer erst unerbiltlichen Menge, sei es die fortschreitende Gesit tung Giovanni Piantetla dies der Name des unglücklichen NerbiccherS war der letzte zur Njchtstatte Geschleifte ,n Venedigs Machtgcbict. Richtige Folgerung. „Wenn ick ta'n Schnaps getrunken habe, denn fühle ick mir wie neugebo ren! Und eeu neugeborener Mensch ist iininer een bislen schwach uss die Becne, drum muß ick gleich »och eenen trin ken!" Malitiöse Frage. „Glau- Ruf: „Ja, aber ist denn der so schlecht?!"
Significant historical Pennsylvania newspapers