Inge. (2. Fortsetzung.) IV. Die Klause war eine alte Besitzung der Heydens in Ostpreußen in der Nähe des Frischen Haffs. Einst, zu den Glanzzeiten des Geschlechtes, hatte be deutender Länderbesttz dazu gehört, aber das war lange her. Heute gehörte ihnen so viel Wald und Feld, daß die alte Frau von Heyden in anständiger Unabhängigkeit leben konnte und im Stande war, ihren Söhnen eine gute Zulage zu geben. Einer von ihnen sollte später die Besitzung übernehmen, aber das eilte nicht. Sie sollten sich erst tüchtig in der Welt uinsehen, ehe sie sich an die entlegene Scholle fesselten. Dort ging alles seinen ruhigen Gang; der Jnspector, dessen Familie ebenfalls seit undenklicher Zeit im Dienste der Heyden» stand, sorgte schon dafür, daß die alte Gnädige ruhige Tage hatte. Sie wurde verehrt wie eine Heilige von alle», die sie kannten, die alte Frau. Und doch kam sie schon seit Jahren nicht mehr in's Dorf hinab. An den Rollstuhl gefesselt, konnte sie an schönen Tagen nur im Garten spa zieren gesahrey werden, oder hinab bis zu dem kleinen Friedhof ihres Geschlechts mit der allen, epheuumrankten Kapelle. Die letzten Heydens ruhten nicht mehr in der dumpfen Gruft, sondern davor, unter den dunkeln Edeltannen, nnd schlichte Graiiitkreuze trugen ihre Na men. Der letzte in der Reihe mar der ihres Gatten, dem sie mit leidenschaft licher Liebe angehangen hatte. Nach seinem Tode hatte sie die schwere Krank heit durchgemacht, von der die theilweise Lähmung zurückgeblieben war. Wohl hatte das Schicksal in das Antlitz der alten Frau ernste Furchen gezogen, aber auf ihrer Stirn thronte der Friede, jener strahlende Friede, den das Bewußtsein bringt, eins zu sein mit Gott. Und wer immer sie auf suchte um Rath und Hilfe in geistiger und leiblicher Noth und solcher Bit tende» waren nicht wenig —, einen Strahl dieser Himmelssonne nahm er mit sich. Darum kamen nicht nur die Arme», auch die Gutsbesitzer der Nach barschaft verplauderten gern ein Stünd chen bei ihr, und gerade die jüngsten und lebensfrohesten Mädchen eiferten um den Borzug, ihr die kleinen Liebes dienste zn erweisen, die ihre Hilflosigkeit mit sich brachte. Wie kan» man nur so heiter sein, so zufrieden und so voll Theilnahme an anderen, wenn man so unglücklich ist! meinten sie wohl. Glückliche Jugend! Du ahnst noch nicht, daß die wahre Freudigkeit erst kommt, wenn das Herz durchglüht ist von dem Feuer des Schmerzes, gehäm mert von den schweren Schlügen der Verzweiflung. Dann aber wirft der stählerne Spiegel nicht mehr nur das eigene ichsüchtige Bild zurück dann sammeln sich in ihm, wie in einem Brennglase, die göttlichen Strahlen des Mitleids, der Barmherzigkeit, der Selbstlosigkeit und des Opfermuthes. Wohl muß es reines, edles Metall sein, das diesen LäuterungSprozeß durch macht, unreines verpflichtet im Feuer, springt auf dem Amboß und wird auf den Schutthausen des Lebens geworfen. ' Als Inge auf die Klause kam, lag dort, wie Frau Kauten richtig vermu thet, »och sußhoher Schnee. Das nicht sehr große, uralte Gebäude, das seinen Namen wohl nach einer »»Heu Kloiter ruiue hatte, lag in dichte Frühjahrs nebel wie in Wittweuschleier einge wickelt. Auf den Höhen des uralisch baltischen Zuges, umgeben von alten, hochstümmiacn Buchenwäldern, sah es auf das Dorf und die Aecker am Hass herab, nicht i» trotziger lleberhebung, sondern in liebender Wachsamkeit. Ueber dem Portal hing das alte Stein wappen mit dem Stern über einer Wolke und der Jnschrist: k'vr aspsr» ucl -tzti-» durch Nacht zum Licht! Aus de» Fenstern der kleinen, aber be haglichen Räume sah mau auf das Haff hinaus. Jetzt freilich eine trübe wo gende graue Wasjermasse, aber weuu die Aprilionne die Wollen durchdrang, dann glitzerte dahinter die zackige, schneeweiße Dünenkette der irischen Nehrung, nnd was dann dem scharfen Auge säst schon wie tiefer gefärbter Ho rizont erschien, waren die blauen Wellen der Ostsee. Stundenlang pflegten die beiden Frauen an diesem Fenster zu sitzen und hinaus zu blicken in die Ferne. Frau von Heyden hatte ihre Gesellschafterin für die Zeit von Inges Anwesenheit beurlaubt, nnd so kauerte die junge Frau zu Füßen der Allen, ihr Haupt ci» deren Schooß gelehnt, die Hände ge faltet und de» Blick hinansgerichtet auf den blauen Streifen der trügerischen See. Wer sie so in ihren einfachen schwarzen Wollkleidern sitzen sah, hätte sie wohl für Mutter und Tochter halten können, denn auch auf Inges zartem Gesicht sing jener Strahl von oben zu leuchten an, oft noch durch Schauer der Thränen, Stürme der Verzweiflung, aber immer wieder und immer länger durchbrechend, wie die Sonne am Him mel immer siegreicher durchdrang durch die letzten Deckungen des Winters. Wohl pflegte Inge noch ost die Hände der alten Frau zu fassen nnd mit gequälter Stimme ein: Mutter, warum? zu flüstern; aber diese hatte immer dieselbe Antwort: Ich weiß es nicht, Inge, aber Gott weiß es. Seine Gedanken sind nicht unsere Gedanken und seine Wege sind nicht unsere Wege. Und wenn Jngeborg klagte, daß ihr Leben noch so lang, ihre Jugendkraft so frisch und ungebrochen sei, dann stieg ein mildes Lächeln in das Gesicht der Greisin und sie mahnte an den leisen, linden Flügelschlag der Zeit, der auch den heißesten Schmerz kühlt. Und bis dabin? Heyden der Gesinnung nach, nimm ihren Wahlspruch zur Richtschnur. So gewiß ich weiß, daß die Sonne, die dort eben so blutigroth untergeht, morgen wiederkommt in strahlender Klarheit, so gewiß weiß ich. daß ich die Verlorenen wiederfinde, um sie nie mehr zu lassen. Durch Nacht zum Licht, durch Kreuz zur Krone. Als die grundlosen Wege etwas besser, die Witterung etwas milder wurde, mußte Inge manchen Botengang für ihre Mutter thun. Es zogen sich so viele LiebeSfäden zwischen der Klause und dem Dorse hin und her, es gab so viel zu helfen und zu sorgen sür andere. Und die Frühlingslust machte sie so müde, wenn man jedesmal wieder den Berg erklimmen mußte, wo der Fuß noch versank in dein braunen Laub des Vorjahres und die Aprilsonne so warm auf die Buchenstäiiime fiel. Todtmüde war Jngeborg am Abend und tief und traumlos schlief"sie auch während der Nacht. So konnte Hellmuth, als am I. Mai sein Urlaub zu Ende ging, die beiden Frauen getrost sich selber überlassen. Frau Kanten wollte den Sommer mit Inge zusammen in der Klause verbrin gen und ihn trieb es mächtig zur Stadt zurück. Wie oft hatte er sich nicht in diesen Wochen heimlich Vorwürfe gemacht, daß sein Herz nicht ganz der Trauer um den Bruder gehörte! Aber im Wache» und im Traum fühlte er, wie sich zwei weiche Arme um seinen Hals schlangen und eine süße Stimme: Komnie wieder, Geliebter! flüsterte. Er, der ernste zurückhaltende Mann, wurde hingerissen von dem doppelten Zauber, den er in Eora von Waldaus impulsive Bewegung legte: er sah darin die un gestüme Zärtlichkeit des Kindes, ver einigt mit der liebenden Hingebung des WeibeS. Ihr war sein und da mit war jedes Gefühl des Zweifels, ob sie sich in die Verhältnisse schicken würde, gehoben. Es gibt Männer, die den Reichthum ihres Empfindens vor der Ehe verzet teln in kleiner Münze. Wehe der Frau, die von einem solchen Manne Brod verlangt —er wird ihr einen Stein dafür geben. Aber dreimal wehe dem Manne, der das lautere Gold seines Herzens einem Mädchen zu Fü ßen legt, die aus solchem kostbaren Schatz nur blitzendes Spielwcrt sür Hals und Arme machen will nicht jenen gediegenen, altehrwürdigen Schmuck, der vererbt wird von Geschlecht zu Geschlecht, sonder» nichtigen Mode tand, den das Heute gebiert und das Morgen tödtet. V. Eora von Waldau ging unruhig im alten Garten vor dem Kantenschen Hanse auf und ab. Seit vorgestern war Heyden wieder da, sie mußte ihn sprechen, bald spre chen, und dazu boten ihr voraussichtlich die nächsten Tage keine Gelegenheit. So hatte sie denn aus den ersten gewagten Schritt einen zweiten solgen lassen und ihm ein Brieschen geschrieben, in dem sie ihn bat, um sechs Uhr im Garten seiner Schwägerin zu sein. Dieser liebe, thörichte Mensch war ja in seiner Idea lität der unglaublichsten Dinge sähig! Wer stand ihr dasür, daß er nicht mor gen zu ihrem Vater ging und in aller Form um ihre Hand anhielt? Höch stens die tiefe Traner um seinen Bruder hinderte ihn daran. Eora stand still und seufzte. ES schien das Schicksal dieser alten Linden zu sein, daß sie über ängstlich schlagen de» Menschenherzen rauschen sollten, nur spannten sie diesmal ihre zart grünen Zweige über ein Geschöpf, in dessen Seele gute und böse Kräfte »och ungeschieden lagen, wie die beiden Mag netismen in rohem Eise». Die ver theilende Wirluug war noch der Zeit vorbehalten. Eora von Waldau war ein Schooß kind des Glücks. Schooßiinder aber haben alle die gemeinsame Eigenschast, liebenswürdig in Gesellschaft und un liebenSwürdig daheim zu sei». Aus dem iwpielzeug der Eltern wird mit den Jahren ein Tyrann, und die Lust am Herrschen wächst, bis man nicht nur dem Hause, sondern auch dem Schicksal seine Vorschristen macyen möchte. Solchen Menschen muß der Begriff Schicksal immer den Begriff Gott ersetzen. Mit ersterem kann man hadern, und das wird kleinlichen Naturen leichter, als ein ergebenes Sich-Fügen. Eora also hatzerie mit ihrem Schick sal. Warum hatte es ihr diesen Mann in den Weg gestellt, den ersten, der alle Fibern iyres Seins vibriren machte in heißer Sehnsucht? Etwa damit sie aus alte stolzen Träume von Reichthum und Glanz verzichtete, mit denen eine eitle Mutter und ein schmeichelndes Spiegel bild ihre Seele großgezogen? Sie wollte doch wahrlich leine einfache Soldaten srau werden, die mit ihrem Manne von Garnison zu Garnison zog, ihren Ju gendreiz auf den Easinobällen von einem halben Dutzend Lieutenants be wundern ließ und dreimal in einer Saison dieselbe Toilette trug? Und nun mußte sie ihr Herz an die fen Hellmuth von Heyden verlieren, der sie hinführen wollte aus einen geraden, schattigen Lebensweg, aus dem man in Frieden wandeln konnte, sich an dem Grün der Bäume und den wogende» Kornfeldern zu beiden Seiten erfreuend! Eora sah in Gedanken diese ebenmäßige, langweilige Lebensstraße und zuckte mitieidig die Schultern. Wenn sie ihn nur nicht so toll geliebt hätte! Damals, als sie von ihrem Vater erfahren, er bekäme einen längeren Urlaub, war sie an seinen Hals geflo gen, getrieben von einer Macht, die Zärker mar als sie selbst, und heute, da 5e ihn erwartete—wie ungestüm klopfte chr Herz nicht! Da sah sie durch die Hecke am Wege :ine Uniform schimmern, jetzt ging das Kartenpsörtchen und nun eilte sie >ie Allee hinunter, ihm entgegen, daß hre helle Frühjahrstoilette um sie flat- terte wie die Flügel eines großen, glän zenden Fallers. Da lag sie an seiner Brust, hörte den stürmischen Schlag seines Herzens, sah das Entzücken in den ernsten Augen er war doch der einzige, der Geliebte, in dessen Arinen sie die Welt vergaß, und hingerissen von dieser spontanen Bewegung, flü sterte sie seinen Namen, bis er die frischen Lippen mit flammenden Küssen schloß. ES dauerte eine ganze Weile, ehe sie aus ihrem Glücksrausch erwachten, ehe er das glühende junge Geschöpf aus seinen Armen ließ. Meine liebe, kleine Braut, sagte er, und feierliche Rührung zitterte in seiner Stimme. Dann führte er sie zu einer Garten bant unter einem Jasminstrauch in der Nähe des Hauses. Die Knospen waren noch nicht erschlossen, aber das dichte Grün 'chützte sie hinreichend. Zudem war das Haus ja leer. Ein Zauberschloß für uns, Gelieb ter. Wir wollen denken, eine gute Fee habe uns zuliebe die Mensche» in Gras mücken und Buchsinken verwandelt. Belauschen können sie unser Glück wohl, aber ausplaudern können sie es doch nicht. Und sie schmiegte sich an ihn und lachte, so zärtlich und süß wie ein Kind, aber aus dem rosigen Gesicht strahlten ihn ein Paar heiße, verlangende Feuer augen an. Es sei! Für heute danke ich dem Zauberstabe der guten Fee aber morgen, Eora, will ich unserer Zukunft doch eine etwas solidere Basis geben. Sie könnte sonst zuviel Aehnlichkeit mit einem Luftschloß bekommen, und sie soll doch ein wetterfestes Gebäude sein, das uns Schutz und Schirm giebt auf Le benszeit. Morgen Vormittag konunc ich zu Deinem Vater. Erschreckt entwand ihm Eora ihre Hand und stand auf. Ein Schatten war über ihr strahlendes Gesicht geflo gen. Hellmuth bemerkte ihn und deu tete ihn aus seine Weise. Ja, Geliebte, sagte er, ihre Hand ergreifend und fast ehrfürchtig an seine Lippen drückend. Du mußt schon einige Wochen hindurch das Drückende einer heimlichen Verlobung tragen. Wenn ich auch Deinen Vater schon heute in aller Form um Deine Hand bitten kann, nie kann ich Inge und meine Mutter so schwer kränten, jetzt, in der tiefsten Trauer, meine Verlobung zu veröffentlichen. Ich hatte ja auch den ehrlichsten Willen, noch eine Weile zu schweigen.... Aber da warf sich Deine Eora Dir an den HalS, wie Wie uns ein großes, unverdientes Glück vom Himmel herniedersällt. Aber darum, Geliebter, meinte sie eifrig, alle Ueberrednng auf ihren Lip pen, alle Verführung in ihre Augen legend, darum laß uns auch wirklich heimlich verlobt sein. Niemand soll es jetzt wissen. Niemand als die alte Lin denallee! Und Deine Eltern? Haben sie nicht das erste Anrecht auf Dich? Es klang sehr ernst; aber Eora legte ihre kühlen, schmalen Hände auf seine vorwurfsvollen Augen. Gewiß, und mein Vater soll mich Dir geben in aller Form, Du über korrekter Mensch. Er wird es mit tau send Freuden, denn Du bist ja sein Liebling. Aber sieh, wenn wir es jetzt sagen, wenn Mama es erfährt, die so streng über die Dehors wacht, nicht ein Vierielstündchen werden mir allein sein, nicht einen Kuß wirst Du mir geben dürsen. Und dazu die rege Gesellig keit, der ewige Verkehr in unserm Hause, an dem Du Deiner Trauer wegen nicht theilnehmen kannst, den ich mitmachen muß o nein, nein, Hellmuth, gib nach, sei gut.... Sie bog sich tief zu ihm nieder. In den großen Augen standen Thränen, und als sie den Kamps in seinen Zügen ah, da liefen diese schweren Tropfen langsam herab und immer neue lamen und es perlte über das süße Gesichichcn, wie duftender Regen vom sonnenstrah lenden Maihimmel fällt. Und ich soll Dich also in den nächsten Wochen nicht sehen? Die Frage kam schwer und zögernd aus einem gepreßten Herzen. Eora suhlte den Sieg voraus, und sich innig an ihn schmiegend, flüsterte sie: Ich komme hierher, Geliebter, alle Tage, wenn Du willst, ich habe solch uner meßliches Vertrauen zu Dir. Nur noch eine kurze Zeit laß es so bleiben, wie es ist, ich kann es jetzt Niemand sagen, selbst nicht meiner Mntter! Es lag eine so leidenschaftliche In nigkeit in den letzten Worten, daß Heyden besiegt war. Sie hatte ja nicht ganz Unrecht, der Verkehr würde für die nächste Zeit wirklich lehr erschwert jtin, die Frau Oberstlieutenant liebte ihn nicht besonders, der Zustimmung des VaterS war er ohnehin sicher; und rr selbst? Ihm war seine Braut eine Heilige, die er in den Altarschrein seines Herzens stellte; je hingebender und vertrauender ihre Liebe war. desto sicherer und freier sollte sie sich in seinem Schutze fühlen. Es sei, Eora. Wieviel Zeit ver langst Du? Sie stand auf und schaute sinnend über den einsamen Garten in seiner Frühlingspracht. Dann bog si» einen der JaSminzweige herab, die Knospen waren groß und weiß, aber fest ge schlossen. Sieh hier, sagte sie langsam, ein Regen und die Blüthen springen auf. So lange dieser Zweig weiß überschneit ist von ihrer Pracht, so lange will ich einen Tag um den andern hier auf Dich warten. Wenn sie abfallen Sie erschauerte, wie unter plötzlichem Frost, und schwieg. Wenn sie absallen, dann schreibe ich meiner Mutter, sie soll ihre lieben Arme öffnen sür ein neues Töchterlein. Also vierzehn Tage höchstens. Vierzehn Tage, flüsterte Eora, vier' zehn Tage. Und ihre Arme um seinen Hals schlingend, fügte sie leidenschaftlich hinzu: Das ist eine Ewigkeit, nicht wahr, Geliebter? VI. Eora von Waldau war in ihrem Zimmer. Wenn man aus seiner Um gebung aus den Charakter schließen kann, so bot sich hier ziemlich viel Ge legenheit, eine» Einblick in das Innere des jungen Mädchens zu thun, die nachlässig in einem der niedrige», mit geblümter Seide überzogenen Sesselchen lag. ES sah alles so zierlich und modern aus. was dieses verwöhnte Prinzeßchen umgab, die geschweiften weißlackirten Rococco-Möbel mit den Goldleisten, der von Amoretten gehaltene Spiegel. ES paßte alles so zu ihrer Erscheinung, die modernen, nichts! Agenden Photo graphien an den Wänden, der Schreib tisch, der so voller Nippes stand, daß kaum Raum für die elegante Mappe mit großem goldenem Monogramm war. es sah alles so zart und dustig aus, wie Eora selber, die nach dem heißen Tage einen losen Frisirmantel übergeworsen hatte und mit einem Falzbein spielte. Sie wollte offenbar einen neuen Roman aufschneiden, der vor ihr auf dem Tische lag, aber so verheißungsvoll der Titel des franzö sischen Buches auch war, über denselben hinaus war sie noch nicht gekommen. Die rosa verschleierte Lampe erfüllte mit traulichem Schein das hübsche Ge mach, in dem die Jnngser jeden Mor gen tadellose Ordnung machte. Sie yatte auch den weißen Flieder in die Jardiniere des Ecktischchens gestellt. Eora kümmerte sich um Blumen nur, insofern dieselben den unerläßlichen Ab schluß einer eleganten Toilette bildeten, dann zeigte sie in der Wahl der duften den Blüthen aber auch einen nie fehlen den Geschmack uud sichere» Ehick. Da auf dem Boden lag noch der Strauß weißer Narcissen, der heute deu Seiien schluß ihrer rcsedafarbenen Straßen toilette gebildet. Jetzt vereinigten sie den letzten süßen Athem ihrer Blumen seele mit einem Strom von Duft, der zu deu geöffneten Fenstern die Grüße des Frühlingsabends und den weichen Gesang einer Nachtigall hereintrug. Und inmitten dieser Atmosphäre von Sehnen und Genießen träumte das schöne Mädchen mit einem verlangenden Lächeln um den Mund und einem ge währenden Schimmer in den großen Augen. Da öffnete sich die Thür und Frau von Waldau trat ein. Du, Mama, so spät noch? Es lag Erstaunen in dem Tone der Tochter, uud ein berechtigtes, denn so gut sich Mutter und Kind auch verstan den, zu einem innigen Aussprechen, vertraulichen Geplauder fühlten beide nie ein Bedürfniß. So mußte es etwas ganz Besonderes sein, was Frau von Waldau so spät noch herbeiführte. Wie sie so dastand, im matten Licht der Lampe, das die deinen Fältchen um Augen und Mund nicht deutlich erken nen ließ, war sie nicht nur eine impo nirende, sondern noch eine schöne Er scheinung. Die volle, gebietende Ge stalt trug sich grade und stolz, in dein schwarzen Haar zeigte sich kein Silber faden und die dunkeln Augen blitzten voll Selbstbewußtsein. Um den Mund lag ein überhebender Zug, nnd in der That hatte es die Frau Oberstlieutenant vorzüglich in ihrer Gewalt, die Unnah barkeit der Abkömmlinge eines der älte sten polnischen Adelsgeschlechter, die Verwandtschast mit einer Seitenlinie der Jagellonen ihre Umgebung fühlen zu lassen. Ja, Eora, ich habe noch Wichtiges mit dir zu besprechen. Sie setzte sich und betrachtete eine Weile äusmerksam ihre tadellos schönen Hände; dann sagte sie ohne besondere Betonung: Es ist mit der Abendpost ein Brief angekommen, in dem Baron v. Berger um deine Hand bittet. Eora rückte ihren Sessel ein wenig aus dem Lichtkreis und faßte das Falz bein fester, aber sie schwieg. Nun? fragte ihre Mutter nach einer Weile. Du hast sicher noch etwas hinzuzu fügen. Nein, ich komme nur, um deine Ant wort zu holen. Willst du dich im Äugenblick nicht entscheiden, so hat es auch Zeit bis morgen früh. Berger scheint seiner Sache allerdings ziemlich sicher zu sein. Er schreibt, du habest dich seinen dahin zielenden Andeutungen gegenüber nicht ablehnend verhalten, und er bittet, ihm das „Ja" mittels Draht zu übermitteln, damit er den Nachtkurierzug zur Reise benutzen und übermorgen dir persönlich—seine Mil lionen zu Füßen legen darf. Wieder das seine Lächeln der Frau, die wie eine geübte Schachspielerin ihre Figuren ordnete. Eora stand auf und trat an's offene Fenster. Ueber das niedrige Eisengit ter, das ihren Garten von dem Kan ten'schen trennte, sah sie im Mondlicht aus dem dunkeln Grün der Bäume eine silberweiß leuchtende Stelle. Es war der Jasminstrauch, der in voller Blüthe stand. Ich weiß wirklich nicht, sagte sie zögernd. Ob du nicht ein wenig zu dem ziem lich neugebackenen Edelmann herab steigst? Darum mache dir in dieser nivellirenden Zeit keine Sorgen. Er oietet dir ein bedeutendes Vermögen, du ihm deinen Namen, deine Schön heit, deine Formsicherheit und Eleganz. Ihr werdet euch vorzüglich ergänzen. Er bedarf keiner weiteren Mitgift, ver achtet im Gegentheil ganz ausdrücklich darauf. Was dir doch wohl sehr angenehm ist? Zum ersten Mal lag eine kaum ver hehlte Bitterkeit in Coras Frage. Ihre Mutter zuckte nur leicht die Achseln. Daß wir unseren Haushalt auf die sem Fuße nicht von der Gage deines VaterS unterhalten können, weißt du. Aber auch darin braucht für dich nichts Drückendes zu liegen, deine Ausstattung soll in jeder Beziehung den Verhält nissen entsprechen, in die du eintrittst. Und das sind andere, als die der Pro vinzstadt. fügte sie mit einem Seuszer hinzu. Sie warf einen Blick nach dem Fen ster. an dem Eora noch immer lehnte, und stand auf. Du kleines Glückskind! Weißt du auch, daß dir da in den Schoß fällt, wonach sich andere ihr Leben lang seh nen? Aber überlege eS dir und wähle zwischen Baron v. Berger und Hellmuth v. Heyden. Eora fuhr herum, mit Purpur über gössen. Du weißt? Jetzt lachte Frau von Waldau ganz amüsirt. Ich wäre doch eine schlechte Mutter, wenn eS anders wäre. Aber, Kind, traust du mir denn wirklich die Ge schmacklosigkeit zu, dir eine Scene zu machen, mit Verstoßung zu drohen und zu verlangen, daß du dein Herz opferst, wie in einem bürgerlichen Trauerspiel? Nein, grade jetzt will ich die Früchte meiner Erziehung genießen, sehen, daß ich mich ganz auf dich verlassen kann. Nicht mit einer Vorstellung will ich dich beeinflussen—wähle allein! Und wenn es Herr von Heyden ist, sür den du dich entscheidest mit vollendeter Freund lichkeit werde ich ihn willkommen hei ßen. Denn die romantischen Stelldich eins/»» Garten haben nun ein Ende, nicht wahr? Und füt mich wäre die Sache eigentlich noch einfacher —wieder lachte sie unbefangen. Dein Trousseau für die Klause würde sicher nicht so um fangreich zu sein brauchen. Aber nun gute Nacht, Kind. Also auf morgen früh. Mit einem flüchtigen Kuß auf die Stirn der Tochter ging sie so siegesge wiß, wie sie gekommen. Eora war allein. Wieder erfüllte Frühlingsduft und rosiger Däminer schein das Zimmer, aber in ihre Träume hatte mit rauher Hand die Wirklichkeit gegriffen. Nicht, daß sie sich in diesen vierzehn Tagen nicht immer gesagt: es ist ein Traum! Wie der Vogel Strauß hatte sie den Kopf versteckt, obgleich sie wußte, die Gesahr war da, kam mit Windes eile näher. Jetzt, wo sie ihr in's Auge sah, schauderte sie doch. Sie sollte mit kaltem Blut einem Herzen den Todesstreich vrrsetzen, einem Herzen, das sein Blut gern tropfen weise dahingegeben, wenn es ihr damit einen Kummer erspart hätte! Sie hätte kein Weib sein müssen, wenn die Ver ehrung. die andächtige Liebe, mit der Hellmuth sie überschüttete, nicht auch ihr Herz zu edlerem Leben wachgerufen hätte. Ihre Leidenschaft hatte die feine ent zündet zu einer mächtigen Flamme, aber seine Liebe, die wie eine Altarkerze rein und leuchtend brannte, hatte auch in ihre Seele ein Licht geworfen, das an fing, mit den Geistern der Finsterniß um den Sieg zu kämpfen. War es denn unmöglich, mit ihm glücklich zu werden? Wenn sie die Seine wurde —ein Schauer durchrieselte sie sollte sie dann noch den Tand entbeh ren, der allein sie beide trennte? Würde sie die Welt entbehren, wenn sie in seinen Armen lag, die Anerkennung ihrer Schönheit, das Entzücken darüber in den geliebten Augen las? Sollte sie denn nur eine hohle Modepuppe sein und nicht tausendmal lieber eines edlen Mannes geliebte Haussrau? Das war das böse Wort. Was es für einen bitteren Beigeschmack hatte! Sie sah sich Plötzlich in der Klause, wie er es ihr in seiner frommen Begeiste rung jetzt so oft ausgemalt, neben fei ner Mutter, die sie nie verstehen würde, in einem Kreis von Pflichten, den sie sich nie aneignen konnte. Sie ging in die schmutzigen, dumpfen Stuben der Armen, vor denen sie sich graute, sie pflegte Kranke, obgleich sie eine ästheti sche Abneigung vor allem Ungesunden und Unschönen hatte. Sonntags saß sie in der kleinen Dorfkirche und sah auf die blöden Ge sichter der Bauern und Fischer und am Nachmittag kamen Pastors oder Ober försters zum Besuch. Dann trank man den Kaffee unter den Bäumen, die der Urgroßvater selbst gepflanzt, die Frauen sprachen von dem Aerger, den die Mägde machten, und gaben sich vor zügliche Recepte zu Marmelade und Honigkuchen, die Männer spielten ihren Skat und sprachen über die Ernte- Aussichten. Eora ging heftig auf und ab. Ich kann nicht, Geliebter, ich kann nicht! Du und ich, wir beide würden unglücklich werden! Und lichtere Bilder kamen. Wie in einem Zauberspiegel sah sie sich, die schöne, viel beneidete Gattin des reichen Mannes, sah sich auf der Höhe des Le bens und Glücks, tonangebend in wei ten Kreisen, angebetet, nicht mehr nur von den simpeln Osficieren ihres Va ters—nein, der Adel des Geistes lag zu ihren Füßen, beugte sich ihrem Scepter, denn sie war nicht nnr die schöne, sie war auch die kluge, geistreiche Frau, sie besaß den Schlüssel zu den Herzen der Menschen, und diese wollte sie sich öffnen. Langsam schloß sie die Fenster. Lebe wohl, flüsterte sie, die Arme nach dem schimmernden Jasminstrauch aus streckend, lebe wohl, du schönes Traum bild. Du darfst nie Wirklichkeit wer den. der Preis, den ich zahlen müßte, wäre zu hoch! Als sie in ihrem spitzenbesetzten Bette lag, schluchzte sie wie ein Kind. Ge wöhnt, jeder Regung nachzugeben, hielt sie sich sür das beklagenswertheste Ge schöps. Wie schrecklich würden die Gratulationen fein, die Visiten, der Empfang! Bei den Visiten fiel ihr ein entzücken de» Modekupser ein, das sie heute ge sehen. Dieses korallenrothe Seiden l kleid mit den schwarzen Spitzen war eigens wie für sie erfunden. Dazu mußte sie dann freilich einen großen schwarzen Spitzenhut mit gleiche» Rosen tragen und über dem Gedanken an die mattrothe Foulardtoilette schlief sie ein. VII. Heyden wartete ungeduldig unter den Linden. Eora, sonst meistens die erste bei dem Stelldichein, kam nicht. Und doch hatte er ihr Wichtiges zu sagen. Am Morgen hatte er ein halbjähriges Eommando an die Gewehrfabrik in Spandau erhalten, in drei Tagen an zutreten. Nun mußte die Entscheidung komme», ohne die Einwilligung von Coras Eltern wollte er nicht fort. Selbst die Veröffentlichung ihrer Ver lobung war unter diesen Verhältnissen möglich. Und wenn auch nicht diese Heimlichkeit mußte so wie so ein Ende haben. Er litt furchtbar unter ihr, seine gerade, offene Natur empörte sich dagegen. Coras heiße, flammende Küsse be täubten freilich immer von Neuem seine Gewisscnsbedeuken, aber nach jeder Zu sammenkunst im Garten erhoben die selben doppelt drohend ihr Haupt. Es war seiner uud ihrer unwürdig, heute wollte er ein ernstes Wort mit Eora sprechen. Da kam sie die Allee hinunter. Sie ging langsam und trug das Köpschen ein wenig gesenkt, wie die Blumen um her, die sich auch beugten unter der drückenden Schwüle des Tages. Hellmuth eilte ihr entgegen. Ich habe gewartet, Geliebte, eS ist halb sieben und um sieben muß ich in der Jnstructionsstlinde sein. Ich weiß, aber wir haben Besuch, Lieber. Eben sind wir vom Diner aufgestanden, da konnte ich mich ein halbes Stündchen fortstehlen. Er sah erst jetzt, daß sie in voller Toilette war, in einem duftigen weißen Spitzenkleid mit einem Strauß gluih rother Rosen an der Brust. Er ächtete sonst wenig auf Äußerlichkeiten in der Kleidung der Damen, es hatte Eora schon oft gekränkt, wenn er nicht be merkte, wie sie sich für ihn eigens dop pelt schön gemacht. Gibt es doch Män ner, die im Stande sind, das undcfi nirbare Etwas einer modernen Toilette in seine Nuancen zu zerlegen, als hät ten sie einen Schneidercursus bei Worth durchgemacht. Es sind die, welche das Weib nie mit dem Auge der Seele, sondern immer nur mit dem der Sinne sehen Hellmuth von Heyden gehörte nicht zu ihnen. Heute zum ersten Mal prägten sich die Einzelheiten von EoraS Erscheinung in Hellmuths Gedächtniß, der goldene Kettengürtel, der die schlanke Taille umschloß, die langen weißen Marseiller Handschuhe, die sie eben abstreifte. Und von plötzlichem Gefühl überwältigt, zog er diese kleine, weiße Hand an seine Lippen und flüsterte leidenschaftlich: Wie schön du aussiehst, Eora, so hold nnd lieblich wie eine Braut. Das junge Mädchen zuckte zusam men. Ahnte er, wer noch eben vor ihm diese Hand mit heißen Lippen geküßt, sie seine strahlend schöne Braut ge nannt, drüben hinter den spitzenver hangenen Fenstern ihrer Villa, als man die Ehampagnerkelche zusammenklingen ließ auf ihr Wohl? Aber nein, wie sollte er? Und dann wallte es heiß in ihr auf. O, sich noch einmal satt trinken an seinen Lippen, sich noch ein mal berauschen in seiner Liebe—es gab ja kein Morgen mehr! Und willenlos ließ sie sich nach der Laube führen, schmiegte sie sich an ihn, trank sie den betäubende» Jasminduft zusammen mit seinen heißen Küssen und seinen Lieb kosungen. Da schlug die Glocke vom Kirchthurm sieben volle, laute Schläge. Ich muß gehen, Geliebte, es ist Zeit. Es ist Zeit. Wankend stützte sie sich auf die Lehne der Bank, so weiß wie die Blüthen, die über ihr hingen. Also morgen um 12 Uhr spreche ich mit deinem Vater, übermorgen mit dem Frühesten muß ich nach Spandau. Das war unser letztes heimliches Stell dichein. von morgen an wandeln wir im Licht des offenen Glückes und haben nichts inehr zu verbergen. Schwarze Gewitterwolken hatten sich am Himmel ausgethürmt, durch die Bäume zog der erste pfeifende Wind stoß, fast dunkel war es unter ihnen geworden. Hellmuth sah nicht die erschreckende Blässe der Geliebten, er fühlte nur das Zittern ihres Körpers und sagte bit tend : Geh schnell hinüber. Eora. Das Gewitter bringt Kühle mit und du bist so leicht gekleidet. Dann ging er eilig nach der großen Psorte. Als er sie hinter sich schloß, mußte er unwillkürlich an seinen Bru der denken. Von hier aus war er da mals geschieden, unter den Bäumen hatte er Inges weißes Kleid leuchten sehen, wie jetzt EoraS hinübersckiim mertc nur daß eS sür ihn der letzte Gruß der Liebe in diesem Leben gewesen war. Armer Paul! Wie furchtbar sieht uns das bleiche Bild des Todes an, wenn wir mitte» auf den sonnigen Auen des Glückes wandeln! Eora hörte das Klappe» des Schlos ses. mit einem Stöhnen preßte sie die Hände vor die Augen und sank auf die Bank zurück. (Fortsetzung folgt.> Auf de in Dorftanzsaal. A. (zu-einem Dorfmusikanten): Sag' mir mal. Heiner, wie Du nur die große Trommel schön schlägst! Musikant: Na, ich denk' halt immer, 'S is Fell von meiner Allen, da fällt mir'S leicht! Von allen Geschöpfen verwenden die Frauen, die Kazen und die Fliegen am meisten Zeit auf ihre .Toilette. < Zweideutige Annonce. Junger Schriftsteller fucht einen Gehil fen. der gut abschreiben kann. Eine Vrbschckft. Eamille Flammarion, der wohl bekannte französische Astronom, hat von einer Verehrerin ein sonderbare» Andenken erhalten. Eine junge deutsche Gräfin, die sich wissenschaMich beschäf tigte, las Flammarion's Werke beson ders gern. Sie bewog ihren Gatten, den französischen Gelehrten einzuladen, während der Sommermonate einige Tage in dem Schlosse, das das gräfliche Paar im Jura besaß, zuzubringen. Der Graf willigte ein, und so würd« Flammarioii ihr Gast. „Die Gräfin,- so erzählte Flammarion jüngst einem Berichterstatter des .Temps", „war achtundzwanzig Jahre alt, ihr Gatte bedeutend älter; Frau von H. war ebenso nervös als romantisch, sie war schwindsüchtig und man mußte stünd lich auf ihren Tod gesaßt sein. Sie giaubte an ein Jenseits nnd sprach des halb von ihre», bevorstehenden Ende mit philosophischer Ruhe. Eines Abends sagte sie zu mir: Ich werde Ihnen spä ter einmal etwas schenken, was Sie an nehmen müssen, wenn Sie mich nicht kränken wollen. Einige Monate waren verflossen und Flammarion hatte das geheimnißvolle 'Versprechen längst ver gessen, als er eines Tages mit einem Trauerbriefe ei» kleines Packet erhielt, in dem sich ein Stück blendend weißer, dicker Menschenhaut b'esand, das eisig kalt war uud dem Astronomen bei der Berührung eine Art elektrischen Flui dums auszuströmen schien. Der Begleitbrief war von den, Haus arzt der gröfliche» Familie geschrieben und enthielt die Mittheilung, daß die Gräfin gestorben sei „und war", so fügte der Arzt hinzu, „ihr letzter Wille, daß man Ihnen, verehrter Herr, nach ihrem Tode ein Stück Haut von ihren schönen Schultern, die Sie am Ab schiedsabend so sehr bewundert haben, zuschicke und daß Sie in dasselbe das erste Exemplar des ersten Ihrer Werke, das nach dem Tode der Gräfin ver öffentlicht werden wird, einbinden las sen mögen." Flammarioii crsüllte den sonderbaren Wunich, ließ die Haut von einem geschickte» Gerber verarbeiten und sein Buch ~'l'«rrs st (!i»l" in das weiße, zarte Mcnschenleder einbinden. Aus dein Deckel des Buches, das sich in Flammarions Observatorium zu Jn visy befindet, stehen in Goldlettern die Worte: „Erinnerung an eine Todte." An die Mittheilung, daß ihm die Haut bei der Berührung wie ein elektri sches Feuidum vorgekommen sei, knüpfte Flammarioii »och einige interessante Bemerkungen über menschliche Elektri cität. Er kenne eine Dame, auf deren Körper sich oft knisternde elektri sche Funken zeigten; die Dame trage stets seidene Leibwäsche und die Berüh rung der Seide mit der Haut bring« elektrische Erscheinungen hervor. Bei einer anderen Dame habe sich die Elek tricität stets bei Schneewetter gezeigt und zwar vornehmlich in den Haaren, die sich plötzlich ausstellten und mit Elektricität geradezu getränkt gewesen seien. Die „elektrischste" vo» alle» ihm bekannten Frauen aber sei Sarah Bernhardt, deren reicher Haarschmuck oft in überraschender Weise „zu Berge stehe." Lluch eine Armeevorlage. Als der Mjährige Krieg fein«,gewal tige» Opfer gefordert hatte und die Heere bedeutend zusammengeschmolzen waren, wurde am 14. Februar It>s<l zu Nürnberg folgender Kreistagsschluß gefaßt: „Demnach auch die unum gängliche deß heyl. Römischen Reichs Nothdürst erfordert, die in diesem 33 Jerig blutigen Krieg ganz abgenom mene, durch das «chwerdt, Krankheit und Hunger verzehrte Mannschaft wie der ainb zu ersetze» und in das khünfftig eben desselben Feinde», besonders aber dem Erbfeind des christlichen Namen, dein Türckhen, desto stattlicher gewach sen zu sein, aus alle Mitl, Weeg uud Weig zu gedenlhen, Als seinds us reiste llolibor-tiion und Beratschlagung sol gende 3 Mittel vor die bequembste und beyträgtichste erachtet und allerseits be liebt worden. I. Sollen hinsüro innerhalb den ncchsten 1U Jahren von Junger niann schast oder Mannßpersohnen, so noch unter 6V Jahren sein, in die Clöster uszuiiemmtn verboten, vor das 2te de nen Jeiiigen Priester», Pfarrherrn, so nicht orveiislcuth, oder auff den Slifs tern sich Ehelich zu ver heyrathcn; 3. Jedem Maiinßperfohner» 2 Weiber zu heyvathen erlaubt sein: dabei doch alle und Jede Mannßper soh» ernstlich erinnert, auch auf den Kanzeln öfters ermanth werden sollen. Sich dcrgejlulleu hierinnen zu verhal ten und vorzusehen, daß er sich völlig und gebürendtzr und versorg befleiße, damit rr als ei» Ehelicher Man», der ihme 2 Weiber zu nemmen getraut, beede Ehesrauen nicht allein nothwendig versorge, sondern auch un ter Ihnen allen Unwillen verhüette." Die Epigonen. Gegen Jupiter entbrannten Einsteiis in gewaltigem Streit Himmel stürmende Giganten Gigerln siud's in unserer Zeit. Gefährliche Drohung. Der gefertigte Gemeindvorsteher von Kannendorf erstattet der löblichen Staatsanwaltschaft hieniit Strafanzeige gegen Johann Schömmer wegen Be drohung. weil dieser bei seiner Arreti» rung ausrief: „Euch Kannendorfer werde ich schon noch gescheidt machen!'' wodurch die Gemeinde in große Angst versetzt wurde, da Schömmer ei» ver kommener Mensch ist, der sogar im Stande wäre, eine solche Drohung zu verwirklichen. Passender Moment. Frau Comm»rcie»rath: „Nach dem Brate» singt unsere Siegliude das Schubertsche „Am Meer!" Er: „Sehr gut! Dazu kannst Du ja dann de» Särinasinlat serviren laiien!" 3
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