Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, February 17, 1893, Page 2, Image 2

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    2 Haberf«ld»re!»»n.
D«n alten.Volksbrauch" des Haber
frldtreibens, der in letzter Zeit auffal
lend oft wieder aufgetaucht ist, rückt
folgende Mittheilung des „Münchener
Jremdenblattes" in neue Beleuchtung.
.Wer sind die Haberer bezw. Veran
stalter der Haberseldtreiben, wer die
Redigirer ihrer Schand - Pamphlete?
Dem Ton und Stile nach sind diese
Plakate keine Erzeugnisse von Bauern
burschen, sondern sind vielmehr ganz
anderswo zu suchen, nämlich größten
theils in München und zwar in der
Person von zweiselhasten Sommer
frischlern, Bergfexen, Sonntagsjägern,
von Leute ohne Berus, welche sich im
Sommer und Herbste aus dem Lande
aufhalten, alle dortigen Vorkommnisse,
Verleumdungen, üble Nachreden. ».s.w.
der Landbewohner ausforschen, diesel
ben nach dem Maßstabe der großstädti
schen Berworsenheit und Schlechtigkeit
in Knittelverse kleiden, sich dann mit
dem Abschaum der ländlichen Bevölke
rung ins Vernehmen setzen, und auf
diese Weise kommen dann solche Schand
thaten zu Stande.
Früher wurden die Haberseldtreiben
nicht in dem srcchen Stile und Tone
gehalten, weil eS lauter Landbewohner
waren. Jetzt insccnircn halbstudirte
und verbummelte Städter die Haber
feldtreibcn in der Weise, daß dieselben
in Trupps per Bahn in eine an
nähernde Station des beabsichtigten und
verabredete» Haberfeldtreibens fahren,
wo dann auf der ausgemachten Stelle
die ländlichen Haberer ihre Dirigenten,
die Haberfeldmeister im Frack, erwar
ten. Nach Beendigung verschwinden
die ländlichen Theilnthmer im Dunkel
der Nacht, während die städtischen Ha
berer ost einige «stunden weit auf eine
entfernte oder gar entgegengesetzte Sta
tion gehen oder eine weitere Tour ma
chen, um dann gemüthlich nach Mün
chen zu fahren, sich über die „Hetz"
freuend, die sie gemacht haben, auf Ko
sten und Namen der Landbevölkerung
und zum Aerger der ihnen verhaßten
Geistlichen. Diese städtischen Haberer
werde» von keiner Gendarmerie oder
sonstigen Patrouille controllirt. auch
um die kritische Zeit nicht, denn sie sind
ja „Münchner", die nur Landpartieen
rtlachen, und kein Mensch vermuthet in
thuen Haberer. Wären nicht solche
Herren im Spiele, nie wäre es möglich,
daß ein Bauernbursche solche Plakate
drucken lassen tönnte, ohne Gesahr zu
laufen, denuncirt zu werben.
Sckianspieler-Ehcn.
In einem seiner Vorträge im „Play
goerS' Club" hatte der genaue Kenner
des englischen Theaters, HerrT. Grein,
vor kurzem behauptet, daß unter den
Schauspielern Englands eine ganz ex
ceptionelle Anzahl srüher und unglück
licher Ehen abgeschlossen würde, und er
suchte die Ursache davon in dem Um
stände, daß junge Schauspieler un
Schauspielerinnen so oft Licbesfcen
mit einander aufzuführen hätten. Ein
unternehmender Reporter hat nun,
wie man aus London schreibt,
eine Reihe von Bühnenkünstlern und
Künstlerinnen über ihre Erfahrungen
in diesem Puntt interviewt, er erhielt
aber von Allen eine Antwort, die dem
LiebeSicenen-Äpielen alle Gefahr ab
stritt und im Allgemeinen die Theorie
vom Unglück der Schauspieler-Ehen al
ein Märchen bezeichnete. So erklärte
Miß Zessic Bond, „sie sei eher geneigt,
zu denken. Schauspieler und Schau
spielerinnen sahen so viel von ihren ge
genseitigen Schwächen, daß dies, ver
bunden mit ihrer Kenntniß von der
precären Natur alles Bühnenverdien
stes. sie vorsichtiger, als gewöhnliche
Sterbliche mache."
Mr. Warner, ein Hekd im Melo
drama. versichert, „daß Liebe aus der
Bühne in den meisten Fällen rein vom
Geschastsstandpnnkte aus betrachtet
werde. Die Heirathen von Schauspie
lern mit Schauspielerinnen i'eien meist
glücklich." Herr Charles Wyndham,
der Director oes Eritcrion-Theaters.
meinte, „daß infolge der Reibereien
und Eifersüchteleien, die nothwendig
entstehen, zwei junge Leute, die „Lie
bende" mit einander spielen, selten
Freunde sind." Herr Henri Neville
glaubt weder, daß es so viele Unglück
licht Schauipielerehen gebe, als Herr
Grein versichert, noch hält er etwas von
dem angebtichen Grund. „Ein rechter
Künstler", sagt er, „wird immer in
seine jeweilige Heldin so sehr verliebt
sein, als ihm nur möglich ist, aber er
wünscht keineswegs, sie alle zn heira
then." Und zum Schluß höre man
noch Herrn Edward Eompton- „Ich
erinnere mich taum an ein Beispiel von
jungen Künstlern, die sich deshalb hei
ratheten, weil sie mit tinander Liebcs
fctnen auftührten. Ehen aber unter
Leuten desselben Beruss und derselben
Gesellschaft sind nach meiner Erfahrung
sthr glücklich gewesen—darunter auch
meine eigene.-"
Doppelsinnig. Dame:
.Wissen Sie. ich habe jetzt ein Dienst-
Mädchen, das ist schrecklich. Abgesehen
von ihrer Faulheit, ist sie auch wider
spenstig und namentlich sehr tlatschsüch
tig!" Herr: „Ach, gnädige Frau, da
haben wir's besser wir habe» gar
kein Dienstmädchen; das besorgt
meine Frau Alles allein!"
Aus der Mädchenschule.
Lehrerin: Johanna, nenn' mir 'mal
tinige Verhaltnißwort«! Johanna:
Soldat. Köchin, Liebhaber, Schatz!
»- Für die stürmischsten
Empfindungen gibt es meist keiiit
Wort« nur Thränkn, Kusse Lhc
seiaen.
Sehr schmeichelhaft. Für?
(zu einen, Bürgermeister der vor Auf
regung halb ohnmächtig. ktlnWort sei
ner einstudirteii Rede herausbringt):
„Es scheint Ihnen übel geworden' zu
jein " Bürgermeister: „Ihr An
blick, Durchlaucht "
Eine Sompagnie.
Er hatte bisher von der Firma, die
ihm das Circular gesandt, noch nie
etwas gehört. Das Circular war mit
Hilfe einer Remington-Schreibmaschine
und zwar mit den reizendsten kalligra
phischen Verzierungen ausgeführt; es
empfahl sich darin cine Firma unter
dem Namen „Schreib-Compagnic" zur
Ausführung aller Arten von Abschrif
ten, gerichtlicher Documente und lite
rarischer Manuscripte zu einer Mark
für hundert Worte, sowie von Ab
schristen dramatischer Arbeiten zum
Preise von slliif Mark für tausend
Worte. Das war sehr billig! Die
Firma erklärte auch, ihre Beamten niit
der Maschine für sieben Mark täglich
in's Haus schicken zu wollen.
Hugo Lindmann, der begabte Lust
spieldichter, vyn dem in dieser Geschichte
die Rede ist, nahm in der Regel keine
Rücksicht darauf, ob er fünfzig Pfennige
mehr oder weniger bezahlen mußte, abei>
er war in Verlegenheit, da die erste
Leseprobe seines neuen Lustspiels schon
in süns Tagen stattsinden sollte. So
nahm er seine Zuflucht zu der Schreib
compagnie und ersuchte diese durch eine
Postkarte, ihm am folgenden Tage einen
ihrer Beamten mit der Maschine zu
senden, ein dreiactiges Lustspiel
nach seinem Dictat aufzunehmen.
Am kommenden Morgen faß er schon
zeitig am Schreibtisch uud erwartete die
Ankuiist des schreibmaschinisten.
Seine Wohnung besand sich in einer
der Straßen, die an der Spree liegen.
Seine Zimmer lagen in der oberen
Etage. Die Aussicht über die Gärten
uud den Laus des Flusses war sehr
hübsch. Der Schreibtisch hatte seinen
Platz am Fenster nnd war mit Papier
bedeckt, denn unser Dichter hatte begon
nen, die einzelnen Blätter des Entwur
fes zu einem neuen Lustspiel zu nume
riren.
„Es wird wohl nichts Andere? übrig
bleiben, als zu diktircn," murmelte er.
„DaS ist eine herrliche Aussicht, seine
Gedanken einem wahrscheinlich roth
nasigen und verschnnpften alten Schrei
ber vorlesen zu müssen !"
Es tlopste an die Thür. Auf sein
„Herein !" zeigte sich auf der Schwelle
eine Erscheinung, über die Lindmann
sich nicht sofort klar werden konnte.
Was mochte wohl auch ein hübsches
junges Mädchen, das einen sonderbar
geformten Blechkasten unter dem Arm
trug, zu ihm führen? Die junge
Dame war klein uud sicherlich noch sehr
jung; eS unterlag auch keinem Zwei
fel, daß sie sehr hübsch aussah mit
ihren scheuen, dunkeln Augen, den fei
nen Zügen, dem zarten Teint und dem
schwarzen gekrauselten Haar.
„Herr Lindemann?" fragte das
junge Mädchen. Dieser erhob sich und
machte eine Verbeugung, während sie
mit ihrem Kasten näher trat und den
selben auf einen Stuhl stellte.
„Entschuldigen Sie," sragte Lind
mann, „was ist das?"
„Das ist cine Reinington-Maschine,"
antwortete das junge Mädchen.
„Remington-Maschine?" wiederholte
Lindmann.
„Schreibmaschine," erklärte das junge
Madchen.
„Sie wollen doch nicht damit sagen."
fuhr Lindmann sort, „daß Sie von
der Firma gesandt sind? Doch wenn ich
es recht bedenke," fügte er hinzu, „ist
cine Schreibmaschine eigentlich auch eine
Beschästigung sür Damen." Er hielt
iiinc und betrachtete die Kleine mit
einem gewissen komischen Wohlwollen.
Lindmann war eine etwas excentri
sche Person von ziemlich ungeschliffenen
Manieren. Seine Feinde beschuldig
ten ihn, ein wenig verrückt zu sein, aber
selbst seine schlimmsten Widersacher hät
ten nicht beweisen tönnen, daß er sich
jemals unritterlich gegen eine Dame
benommen hatte.
„ES sollte mich wundern, wenn Sie
dieser Art Beschästigung gewachsen wä
ren," suhr er sort.
„Haben Sie einen Herrn erwartet?"
fragte das junge Mädchen erröthend.
„Entschuldigen Sie, mein Fräulein,"
gab er zur Aniwort, „um die Finessen
in einem Lustspiel, welches das moderne
Studenlenleben behandelt, richtig aus»
fafjcn zu tönnen, ersordert es doch eini
ger Kenntniß der Redensarten, die
man bei einer so jungen Dame nicht
Voraussetzen kann."
Die junge Dame lächelte.
„Ich verstehe mich nicht auf da? Stu
dentcnteben, aber ich glaube, daß ich es
mit dem Lustspiel, von dem Sie spra
chen, versuchen tann, und wenn einige
schwierige Worte vorkommen sollten,
sind Sie vielleicht so liebenswürdig, sie
mir vorzubuchstabiren. Ich schreibe
sehr schnell." fügte sie hastig hinzu.
„Haben Sie die Cirlulare angefer
tigt" sragle Lindmann.
„Ja, natürlich, es ist ja Niemand
anders da."
„Es ist ein sehr hübsches Cirkular,
ja sogar ein kleines Kunstwerl. Wenn
Sie mein Lustspiel so drucke» wollen,
dürfte Ihnen der Soussleur seinen tief
gefühltesten Dank abstatten."
Das junge Mädchen jah verlegen,
fast ängstlich aus.
„Wäre es nicht am richtigsten, wenn
wir jetzt beginne»?" fragte sie.
„Das ist eS freilich," antwortete
Lindmann; „wo wollen Sie fitzen?"
„Hier am Fenster, wenn Sie nichts
dagegen haben. Da ,st das Licht um
besten."
Sie legte Hut, Handschuhe und Ja
quet ab. ojfiiclc den Blechtaste» und
»ahm ihr Werkzeug hervor- Gummi,
ein Fcdcrinejjer, Papier u. s. w.. Alles
Mit dir größten Genauigleit. Dies
gab Lindmann Gelegenheit, ihre zier
liche Gestalt und ihr hübsches Haar,
das in entzückenden kleinen Locken über
ihre Sliru herabfiel, zu betrachten.
Nunmehr, nachdem ihr Erröthen ver
schwunden war, bemerlte er die wachs
artige Blasse ihrer Haut und den Schat
ten niitcr de» Auge», der diese »och
größer und fanfter machte. Es würd,
ihm ganz weich nm's Herz. „Mein
Gott," dachte er, „sie sieht gerade so
aus, als ob sie nichi genug zu essen be
käme das arme Kind!"
Dann sagte er in seiner kurzen Ma
nier: „Sie sehen aus, als wären sie
müde; ich nehme an, daß Sie sehr früh
gefrühstückt haben. Darf ich.. Ihnen
ein Glas Portwein anbieten?"
„Nein, ich danke Ihnen," antwortete
sie, „ich trinke niemals Wein. Ich bin
bereit zu beginnen."
Sie sah noch immer ein wenig scheu
aus.
Lindmann bemerkte dies, wurde plötz
lich ernst und war ganz mit der Arbeit
beschäftigt. Er nahm die einzelnen
Blätter seines Lustspiels hervor und
fing an zu diktiren. während sie die
Tasten des Apparats zu schlagen be
gann. Und so fuhren sie fort, sie an
fangs mit peinlicher Sorgfalt, er mit
der Beforgniß, daß sie verwirrt oder
gestört werden könnte.
Es war ein gutes Stück, mit Witz
und Laune geschrieben, und Lindmann
las nichts so gut vor, wie seine eigenen
Arbeiten. Das junge Mädchen ließ
sich oft zu Ausbrüchen von Heiterkeit
hinreißen. Manchmal bei einem schwie
rigen Wort sah sie aus und sragte:
„Entschuldigen Sie, wie war das?"
„Mhrmldonen, mein Kind, M—y—
r—m—i—d—o—n—e—n."
„Ah, ich hatte mich verhört ich
glaubte, Sie sagte» Marmelade."
Lindmann sah über ihre Schulter,
und richtig, sie hatte begonnen Ma—.
Da lachten sie Beide.
„Hm, hm." murmelte Lindmann.
„stets <in wenig in Gefahr, bei den
Frcmdwörtcrn Schiffbruch zu leiben!"
Die Thür, die zu dem kleinen Speise
zimmer Lindmanns sührte, wurde ge
öffnet und sein Diener meldete, daß das
Frühstück servirt sei.
„Hören Sie nun, meine Liebe",
sagte Lindmann kurz, „wir haben keine
Zeit zu verlieren, da wir zusammen ar
beiten müssen; ich bin hungrig und Sie
werden es auch sein. Ich lade Sie
nicht gern wieder ein, aber kommen Sie
jetzt und nehmen Sie mit mir das
Frühstück ein. und dann sahren wir mit
unserer Arbeit fort."
Die' Kleine erhob sich'bereitwillig. sie
hatte sichtlich ihre Scheu verloren und
zeigte sich bereit, aus die Manieren des
Dichters einzugehen, denn es lag etwas
in LindmannS Reden und Betragen,
was Frauen leicht veranlaßte, ihm mit
Vertrauen zu begegnen.
Er össneie ihr die Thür, ließ sie am
Tische Platz nehmen, bediente sie und
unterhielt sich mit ihr auf die harm
loseste und sreundschastlichste Weise,
ganz, als ob sie eine Dame seiner Be
tanntschasl wäre. Und daß sie eine
wirkliche Dame bis in die Fingerspitzen
war, bewies sie durch eine Menge klei
ner Züge, sowohl bei der Mahlzeit als
auch beim Gespräch.
Als das Frühstück beendet war, fragte
er sie, sobald sie an die Arbeit gingen:
„Sagen Sie mir nun. wie Ihnen mein
Lustspiel gesällt."
„Es ist ganz, als ob man im Thea
ter säße, wen» man Sie dictiren hört.
O, ich würde bei der Aufführung Ihres
Stückes gern zugegen seil,."
„Das solle» Sie. Ich werde Ihnen
ein Billet zur ersten Aufführung sen
den."
„So war es nicht gemeint," sagte
sie! aber Lindmann nahm sei» Notiz
buch zur Hand und schrieb etwas hin
ein.
„Ich werde das Billet an die Adresse
Ihrer Firma Hermann ck Co. senden.
Ich möchte Alles über Hermann »k
Co. wissen, und Sie müssen mir auch
Ihren Namen nennen. Sie sind also,
wie ich vermuthe, dort angestellt?"
„O nein, ich heiße Hermann."
„Aber wenn Sie Hermann sind,
wer bildet denn die Compagnie?"
„Ich bin die Compagnic. ich ganz
allein."
Lindmann brach in heiteres Lachen
aus, uud >r erhob sich in seinem
Lehnstuhl, um mit einem seltsam mil
den Ausdruck in seinen Augen die
Klein? anzuschauen, die über ihre Ma
schine gebeugt ein neues Blatt Papier
in dieselbe schob.
„Sie ganz allein die Firma He»
mann Co. Crtläre» Sie mir das
Räthsel."
„Das ist sehr leicht. Aber ich bitte
Sie, lachen Sie nicht. Ich lebe ganz
allein mit meiner Mutter, diese ist
schwächlich, sie kann das Sopha nicht
verlassen, und wenn Hermann >k Co.
nicht gewesen waren, glaube ich. dag
wir verhungert waren."
„Armes Kind!" rief Lindmann.
.Sie hoben leinen Pater mehr?"
„Alles ging gut. so lange der Va
ter lebte, der Buchhalter bei einem
Bankier war." antwortete das junge
Mädchen, „aber der Banlier sallirlc,
und in seiner Verzweiflung ertränkte
mein Vater und starb: meine Mutter
brachte der Kummer dem Tode nahe.
Ich war siebzehn Jahre alt. und van
Unterricht konnte nicht mehr die Rede
sein. Sie sehen ja, das; man nur
nicht viel beigebracht hat."
„Aber man scheint Sie jedenfalls
Selbstvertrau n gelehrt zu haben, und
das ist vielleicht d»K Beste, was eine
Frau lernen tann."
„Sie sahen, das; es mir so schwer mit
den Fremdwörtern sällt, aber ich stndire
noch, ich arbeite jeden Abend, ich pro
bire es, das Fremdwörterbuch auswen
dig zu erlernen."
Lindmann lachte wieder und sagte.
„Glauben Sie, daß Ihnen das etwas
Helsen wird? Aber fahren Sie sort.
Was brachte Sie dazu, gerade diese
Beschäftigung zu wählen?"
„Gouvernante tonnte ich nicht wer
den, und außerdem mußte ich ja auch
bei meiner Mutter bleiben. Da las
ich in der Zeitung, daß Damen mit der
Maschine schreiben lernen könnten, und
eine Freundin meiner Mutter ver
schaffte mir eine Maschine. Ich „ahm
Unterricht, und dann kamen wir nach
Berlin—und da versandte ich das Cir-
eular. Ich schrieb „Compagnie", weit
das mehr Effect macht, und so habe ich
auch Arbeit bekommen."
..Pflegen Sie nach Dictat so. wie
hier, zn schreiben?"
~Ncin," aniwortetc sie geradezu,
~ich habe bisher noch nicht außerhalb
des Hauses gearbeitet. Auf der Treppe
hier wäre ich fast wieder umgekehrt, be
sonders da es der Mutler wenig zu
sagte, daß ich hierher ging."
„Also Ihre Mutter wünschte nicht,
dasz Sie hierher gehen sollten?"
„Sie sagte, daß ts wenig paisend
Wäre, wenn ein junges Mädchen den
ganzen Tag bei einem dramatischen
Schriftsteller zubringe."
„Dann waren Sie wohl sehr ängst
lich, hierher zu gehen?"
„Nein, nur anfangs. Sie werden
wohl einsehen, daß ich diese Chance nicht
verlieren durste. Circulare und Brief
adrefsen zu schreiben, ist nicht die schönste
Arbeit. Manuscripte von Schriftstel
lern zu schreiben, ist cine, dic mehr ein
dringt. Ich dachte, daß Sic viellcicht
zusneden mit mir sein und mir Helsen
würden, das Ausschreiben von Rollen
zu bekommen. Es würde schon sehr
viel werth sein, festen Fuß an einem
Theater zu fassen."
„Wenn ich einigen Einfluß besitze,
sollen Sie dic Rollen bekommen. Also
Glück aus, kleine Compagnie!"
Lindmann erhob sich und ging im
Zimmer ans und ab.
„Erzählen Sie weiter, mein Kind,
lassen Sie mich Alles wissen. Ich bin
ja fast alt genug, um Ihr Vater sein
zu können. Und ich, —na ja, ich
fühle Theilnahme für Sie. Sie kön
nen auch Ihrer Mutter sagen, daß ich
einst eine Schwester besaß, und daß ich
den Wunsch hege, Ihnen in Zukunft
nützlich sein zu können."
Er sah sie mit seinen ehrlichen grauen
Augen, die von cincm seltsamen Aus
druck strahlten, fest an. Ihre dunkeln
Augen begegneten den seinigcn, sie
scnite den Blick und beschäftigte sich
wieder damit, Papier in die Maschine
zu legen.
Dann trat eine Stille ein. Unbe
stimmte Gedanken und Wünsche hatten
sich Lindmanns bemächtigt. Weshalb
dieselben gerade in diesem Augenblicke
Form und Gestakt bekamen, war und
blieb für immer ein Geheimniß sür
ihn.
Plötzlich sagte das junge Mädchen -
„Wäre es nicht am richtigsten, wenn
wir die Arbeit sortsetzen?"
„Ich habe nicht im Sinne, meinen
Kopf heute noch weiter anzustrengen,"
sagte er ruhig, „jedcusallS uicht in den
nächsten zwei Stunden."
„Aber wir haben noch nicht einen Akt
fertig," erwiderte sie.
„Das thut nichts," antwortete er
gleichgillig. „Wir haben fünf Tage,
die wir auf die drei Akte vertheilen
können."
„Aber ich kann mit Leichtigkeit zwei
Akte an einem Tage ausführen," ant
wortete sie.
„Aber ich nicht. Gestatten Sie mir.
zu bemerken, daß. während Sie nur
nach meinem Diktat kopircn, ich meine
innersten Gedanken aussprechen muß,
und ein Lustspieldialog ist stets eine
anstrengende Arbeit. Deshalb will ich
der Erholung jetzt eine oder zwei Stun
den widmen. Sehen Sie nichts hier
imZimnicc, daß Sie interessircn könnte,
um etwas von mir darüber zu hören?
Es gibt Leute, die meinen, daß ich eine
ganz interessante Sammlung von allen
möglichen Dingen besitze."
Es besanden sich wirklich viele Ge
genstände im Ziinmcr, über die sie gern
etwas wissen mochte. Die Erzählung,
ans welche Weise und wann sie in sei
wieder znr Mittheilung oon Begeben
heiten ans seiiiem Leben. Die Stunden
verflossen schnell, und mit einem kleinen
Schrecken hörte Fräulein Hermann die
Uhr füns schlagen.
„Wir müsse» unsere Arbeit wieder
aufnehmen," sagte sie. „Bedenke»
bei!"
Ihre Besorgnis; erheiterte ihn, und
er begann wieber zu dittire». Um 6
Uhr war der Akt vollendet.
„Jetzt ist die Schule sür heute aus,"
sagte Lindmann. „Sie können nun
»k (»0.. Ih'.er Mutter Thee bereiten
und deren Gemüth von aller Unruhe in
Bezug aal diesen merkwürdigen dra
manichcn Schiistst.ller bcsrcien."
Er hatte jetzt Alles über dir leidende
Mutter zu wisjen bekommene es war
uns ihr Garten nicht gefüllt »on herr
lichen Rosen? War es nicht das natür
lichste Ding von der Welt, daß eine
solche Sendung gerade kam, während
die Kompagnie in «einem Arbeitszimmer
just beschäftigt war? Und was lonnte
dann woht natürlicher sein, als daß sie
von diesen Geschenle» etwas mit heim
mei bei Kraulen zu veibrcite»?
„Kompagnie!" sagte der Dichter am
fünften Tage, als die Arbeit nahezu
Lindmann, Sie, der Sie so gut gegen
meine Mutter und mich gewesen sind?"
„Ach. papperlapapp! ich will gut
sein und will auch haben, daß Sie gut
gegen mich sind. So stehe» die Sa
chen."
„Ich weiß wirklich nicht, wie ich mich
.gut" gegen Sie zeigen könnte! ich
weiß gar nichts, was ich inöglichcr Weise
sür Sie zu thu» vermöchte."
,Meinen Sie? lind doch b»ben Si«
bereits so viel für mich geihan! Sie
haben mich viel gelehrt, kleine Com
pagnie"—er hielt plötzlich inne, sah
sie an. während sie sich über die Ma
schine beugte, und fügte lächelnd hinzu:
„Mein liebes Kind, nennen Sie mich
Nicht unverschämt, aber ich hege manch
mal den Wunsch, meine Hand durch
Ihr gekräuseltes Haar gleiten zu lassen,
um zu sehen, ob nicht Funken heraus
fprühen. Nein, nein," fügte er hinzu,
als sie erröthete und mit einem er
schreckten Blick sich zu ihm wandte, „ich
habe durchaus nicht die Absicht, etwas
so UnehrerbietigeS zu thun; nicht um
Alles in der Welt würde ich etwas
thun, das mich in Ihren Augen un
ehrerbietig erscheinen lassen tönnte."
„Ich danke Ihnen," sagte die Com
pagnie nngenirt und schien wieder
ganz beruhigt zu sein.
„Ja, Sie haben mich viel gelehrt,"
fuhr er sort. „in diesen Tagen, wäh
rend wir hier zusammen gearbeitet ha
ben und Sie meine dürstigen Scherze
zusammengeschrieben und mitunter iiber
die Komödie des Lebens gesprochen ha
ben; in diesen vier Tagen haben Sie
mich gelehrt, wie eigennützig und werth
los das Leben eineK Mannes sein kann
eines Mannes, der nicht schlimmer
ist als die meisten. Sie haben mich ge
lehrt. welchen Einfluß zum Bcfferii ein
reines, aufrichtiges, edles Weib aus
eiiieii solche» Mann auszuüben vermag.
Sic haben mir gezeigt, daß es noch der
Mühe werth ist. zu leben, —etwas,
das mehr als Vergnügen ist mehr
sogar als die Kunst,"
„Mehr als die Kunst!" wiederholte
das junge Mädchen. „Und das sagen
Sie, ein großer Schriftsteller, mir. ei
ner armen Kopistin! Das kann nicht
der Fall sein.
„Und dennoch ist es so. Und soll ich
Ihnen sagen, was es ist, was größer
ist als die Kunst?"
»Ja. sagen Sie mir das," erwiderte
sie sanst.
„Das ist die Liebe, kleine Compag
nie! Als Sie hierher kamen und in
all Ihrer Hilflosigkeit vor mir standen
und zugleich in Ihrer Stärle, da ging
mir ein neues Licht auf in meinem Le
ben. und ich glaublc zu verstehen, was
es bedeutet, ehe wir noch sechs Worte
mit einander gewechselt hatten. Und
dann, als wir Freunde wurden, als
Sie mir Ihr Vertrauen schenkten und
in Ihrer natürlichen, liebenswürdigen-
Weije von Ihrer tranken Mntter er
zählten, von Ihren Kämpscn und Ih
rem geduldigen, aber starken Geist...."
„Ich. geduldig und stark!" unter
brach sie ihn. „Aber das habe ich ja
nie gesagt, Herr Lindmann."
„Nein, gesagt haben Sie es nicht,
aber ich las eS aus Ihrem Gesicht und
hörte es aus Ihre» Worten heraus.
Und ich, der unzufrieden, und unver
wöhnt war, habe eine Lehre von Ihnen
empfangen, eine Lehre, die ich nie ver
gessen werde."
„Eine Lehre, Herr Lindmann?"
„Eine Lehre, die von Mulh und
rcchischafscncn Vorsätzen spricht, von
Glauben an ein Weib, gesandt von
Gott, denn Sie sind mir von Gott ge
sandt worden. Wollen Sie meine Lehr
mtljtenn sür immer sein, Klara?"
„Klara!" wiederholte sie in großer
Verwirrung. „Ach, ich weiß nicht, ob
ich Sie anhören darf. Was wird die
Mutter dazu sagen?"
„Ihre Mutter wird sagen wenn
siezso ist, wie Sie sie mir beschrieben ha
ben. und daraus verlasse ich mich
sie wird jagen: „Höre ihn ruhig an und
laß Dein Herz sprechen!" Ist das so
schwierig, ävlara?"
„Nein, aber wir kennen uns ja erst
seit vier Tagen."
„Hören Sie mich, Klara, Sie kom
men uni zehn Uhr und gehen um sechs
Uhr, das ist eine regelmäßige Zeit, nicht
wahr, für sieben Mark täglich einschließ
lich des Gebrauchs der Maschine. Auf
diese Weise hat jeder Tag acht Stunden,
und acht Stunden machen oierhiuidert
undachtzig Minuten ans; jede Minute
auf diese Weise „uns kennen zu lernen",
ist ebenso gut wie ein ganzer Monat
unter den gewöhnlichen coiiventioiiclle»
daß wir nach dieser Berechnung nns
schon vierzig Jahre lang leniie». u»d
mehr brauchten die Israeliten auch nichi,
um in das gelobte Land zu komme».
„Halten Sie ein. Halle» Sie ein!"
rief sie nnd lachte.
Er lachte ebensalls und wurde dann
plötzlich ernst.
„Ist es denn eine so schwierige
Sache?" begann er wieder. „Mein
Herz hat sich schon längst entschieden,
ich tann Ihne» genau die «stunde, ja
„Wie das?"
„CS war am allerersten Tage nn>
halb zwei Uhr deu» ich horte die
Augenblick aus dieselbe als eine ge
wisse junge Dame aus meine Frage be
fcheide» bemerktem „Ich bin sa die Com
pagnie. ich ganz allein."
Da siel mir ein und deshalb
lachte ich auch daß iu der großen
Firma „Lindmann bo.. Dramati
ker" ich ganz allem inbegrivcn sei, und
daß eine Schreibmaschine ein sehr werth
voller Zuwachs in diesem Geschast sein
wurde. Kurz uud gut. ich gab mir
selbst das Versprechen, daß es nicht mein
Fehler sein solle, wenn die „Eom
pagine" i» Zukunft bedeuten sollte- ich
ganz allein. Wir sind Beide allein ge
wesen, Klara, und vielleicht war von
uiis Beiden ich am meisten allein."
„Sie! O, »ein, Sie können nicht so
einsam gewesen jein wie ich. Als wir
nach Berlin lainen, schien eS mir, als
hätte ich keinen einzige» Freund iu der
ganzen Weit u»d ich durfte über meine
vergeblicheii Versuche über Abweisun
gen uud noch schlimmere Dinge gar
nicht zur Mutter sprechen, denn sie
wurde dadurch nnr noch kränker ge
worden sein. Dann Nichte ich ei»
fröhliches Gesicht zu zeigen, wenn ich
htimlam. aber wenn ich i» diesen end
loien Straßen aus und ab wanderte,
geschah es oit. daß ich im Gefühl mei
ner Verlassenheit laut weinte." »
Er trat zu ihr hin und ergriff ihre
Hände.
„Arme? Kind!" sagte er. „Und kei
ner von unK wußte etwas von dem an
dern, während wir warteten und uns
nach einander sehnten! Willst Du Dich
jetzt mir anvertrauen, meine liebe Com
pagnie?"
„Ich glaube, daß ich vom ersten Au
genblick an Vertrauen zu Ihnen gehabt
habe," antwortete sie leise.
„Willst Du nun zur Mutter gehen
und ihr sagen und mich mitnehmen,
jetzt gleich?"
„Aber das geht doch noch nicht an!
Wir haben jetzt keine Zeit; das Lustspiel
soll morgen ans Theater abgegeben
werden, und im fünften Akt ist noch eine
Scene zu kopiren. Später "
„Später beginnen wir ein neues
Stück, es soll ein Lustspiel sein, und
darin treten nur zwei Personen ans
Du und ich."
Mit diesen Worten zog er sie an sich
und küßte sie.
Dt« Sprache der Thicrc.
Die von Herrn Prof. Garner. dem
Assensprachforfcher, angestellten Unter
suchungen sind im Wesentlichen keines
wegs neu. Schon zu Anfang dieses
Jahrhunderts so schreibt E. P.
Evans in der Münchener „A. Z."
ist ein „Neue aus Vernunft und Er
fahrung gegründete Entdeckungen über
die Sprache der Thiere" betiteltes Büch
lein zu Wien erschienen, in dem Gott
fried Immanuel Wenzel behauptet, daß
die Thiere die Fähigkeit haben, sich ein
ander durch Töne verständlich zu ma
chen und datz diese mit den Buchstaben
und Silben der menschlichen Sprache
sehr ähnlichen Töne durch Schriftlichen
wiedergegeben werden können. Wenzel
verfertigte auch ein Verzeichnis der
Buchstaben uud silbenähnlichen Laute,
die er in den Sprachen einiger Thier
arten am häufigsten wahrgenommen
hatte, nnd verfaßte ein aus zwanzig
Seiten bestehendes Wörterbuch dersel
ben, dem er ei» paar Uebersetzungeii
aus verschiedenen thierischen Mundarten
beifügte.
Er gibt zu, daß selbst die vollkom
mensten Thiersprachen sehr einfach und
voll Wiederholungen seien und dnrch
Geberden vielfach ergänzt und ersetzt
werden müsj n. Am allcrgespräch g tcn
seien die Ganse, die selbst bei Nachl den
Schnabel nicht halten könnten. Unter
andere» Geschichtchen erzählt Wenzel,
wie er einigen von einem Jäger im
Stall eingesperrten Füchsen ihre Ab
sicht, aus der Gefangeiischast zu ent
weichen, abgehorcht und dem Jäger
mitgelhkilt, der ihn aber nur ausge
lacht habe. In derselben Nacht sühr
ten die Füchse ihr Vorhaben aus und
machte» sich davon.
Mcrscnne in seiner „Harmonie Uni
verselle" stellt die Behauptung auf, daß
die Thiere ihre Stimme nicht aus freiem
Antrieb, sondern unter dem Einfluß
einer gewissen Naturnothwendigkeit ge
brauchen; aber Radau in seinem l8ti!»
erschienenen Bnche „Die Lehre vom
Schall" verwirft diese Theorie als allzu
spitzfindig und glaubt, sie ließe sich
ebenso gilt aus manchen Schwätzer an
lvendtn. der den Mund nicht halte»
könne.
Radau ist überzeugt, daß anhaltende
Beobachtungen uns in den Stand set
zen würden, mit den verschiedenen
führt als Beispiel den folgenden Vor
fall an: Als InleS Richard einen de
freundeten Kraulen in eine,» Hofpilal
öfter besuchte, machte er die Betaunt
schaft eines alten aus Südsrautreich
gebürtige,,, äußerst lhier>re»»dliche»
Beamte» der Anstalt, der ihm ver
sicherle, er spreche die Katze»- uud
Hiiiidtsprachc und verstehe die Assen
sprache besser, als die Affen selbst. Herr
Richard lächelte ungläubig über diese
seltene linguistische Keiiutniß nnd
zur Probe zu loinmen.
Er fand sich pünktlich an Ort nnd
Stelle ein uud winde vor das Asscn
hans gesührt, ioo der Maun sich auf
das äußere Geländer stutzte und die
sonderbarsten Laute hervorbrachte, wie
lirruu, kirruli, turuki. uud ähnliche
Gurgeltoue, die nicht leicht wiederzuge
ben sind. Unterdessen versammelten
sich die Affen uud faßen um Boden in
mehreren Reihen, die Vorderpfoten auf
ihren Kuieeu gekieiizt. lachte», gestitu
lirten uud »»livortcte». Dieses Ge
spräch, a» dem die Asfen lebhaften An
theil zu uehiiic» schienen, dauerte eine
Viertelstunde. Als der alte Mann die
Balustrade verließ und fortgehen wollte,
geriet!,.',, die Affen in große Aufregung
und erhoben ein wahres Aiigstgcschrei;
wenn Du » cht wiederlouimst, so vergiß
»icht zu schreibe»!"
Aus Gefälligkeit. Eine
Dame triult auf Verordnung des Arz
tes Mineralwasser. ES hat sich fchon
eine ganz beträchtliche Menge leerer
Flasche» angesammelt und die Tainc
laßt sie daher znm Apotheker tragen,
nm sie demselben zu verlausen. „Nun,
hat der Apotheker die Flaschen ange
nommen?" „Eigentlich, gnadige
Frau, nimmt der Herr Apotheker keine
leeren Flaschen, aber diesmal wollt'
er sie ausnahmsweise und aus beson
derer Gefälligkeit nehmen!" „So!
Und was hat er Dir dafür gegeben?"
—„Ja gegeben hat er mir nichts
dafür!"
Versalzene Freude.
Junge Frau- „Herzlichste Gratulation,
liebes Männchen, zu Deinem Geburts
tage! Als Geschenk erhältst Du diese
Meerscha»mipitze, dann diese Pantof
feln. die ich Dir selbst gestickt habe und
schöne seidene Atlas-Kostüm, in dein ich
Dir aewiß gefallen werde."
Eine grausige Erinnerung.
Der 1. Fcbrnar 1710 so crzählt
eine historische Skizze von Dr. R. in
der „Leipz. Ztg." sah ganz Venedig
in ungtheurer Ausregung. Es war
kein Fest, weder in den Lagunen, noch
auf dem herrlichen Platze von San
Marco, das die Menschenmenge in Be
wegung gebracht, ein grausiges Schau
spiel sollte dem Volke geboten werden.
Am größten war das Gedränge drau
ßen vor der Stadt in der Nähe der
dreieckige» Insel Campo di Marie, dem
heutigen Erercirplotze.
Gruppen von Männern, Weibern
und Kindern drängte» an den Straßen
ecken, süllle» die engen Gassen und Vi
coli, versperrten den Eingang der Brül
len. Fensler und Dächer waren von Zu
schauern dicht besetzt. Alle sprachen sie
von den kleinsten Uniständen eines un
längst verübten Mordes, dessen Opser
und Vollbringer fast jedem der Zu
schauer bekannt waren.
Der Mörder sollte hingerichtet wer
den. Am Schweife des Pferdes sollte
er erst geschleist werden, einen langen
Weg von aer Kirche „St. Johannis
Enthauptung" bis zur Richistätte
CanipoMarte. Plötzlich ertönen Trom
petenstöße und diiinpse Trommelschläge.
Einen Augenblick Todlenstille dann
beginnt das Sichdrängcn und Wogen
vvn Neuem. Einige wollen sort, wei
ter! sühieii nicht mehr den Mnth,
das Schreckliche mit anzusehen. Andere
machen sich mit Gewalt Raum, sie stür
men vorwärts, der Schanderscene ent
gegen. Endlich naht sich der schreckliche
Zug: ein stämmiger Sgherro (Henker)
schreitet voraus, am Zügel einen riesi
ge» Hengst sührend.
Sche» gemacht durch das Rufen und
Schreien des sich anstauenden Volkes,
stolpert das Thier aus den glatten
Steine» des Pflasters, macht unruhige
Sprünge, wehrt und sträubt sich, die
an seinen Schweis gesesselle Last weiter
zu schleppen. Dann schüttelte es wild
die lange Mähne, rollt geängstigt dic
Augen, bäumt sich hoch empor und
schlägt wüthend mit den Hinterfüßen
nach oem Menschen, den es zum Tode
schleifen soll. Der Unglückliche, mit
de», link.» Fuß am Schweife des Pfer
des befestigt, wird elend aus dem Boden
hcruingcwnrsen. Ein einziger Fetzen
umhüllt ihn. Straßenschmutz und
Wunde,i machen ihn zum Jammerbilde.
Verzweifelnd irren seine hervortreten
den Augen hin und her. Er fühll sich
allein, verlassen von Gott uud den
Menschen, allein in seiner Angst und
Qual, allein im Angesicht des sürchter
lichsten 2 ödes. Gepeitscht, in Sätzen
stürmt das wüthcndc Thier iiber die
zahlreichen. Brücken des Martcrweges.
roth särlien sich die Stuscnlantc» und
Ticjcsstillschwcigen herrscht überall,
nur unterbrochen von dem Gestampfe
des Hengstes vergessen ist das Ver
brechen. jcdeS Antlitz zeigt Grauen und
Mitleid. Der Zug nahi sich der Kirche
San Panlalconc. Wenige Schritte
noch nnd er muß abermals eine h»he,
hohe Brücke passiren, die Ponle di San
Pantaleone. Eine Frau aus dem Volke,
sie sieht auch unter ihrer Hausthür;
Entsetzen und Mitleid liest man in ihrem
traurige» Antlitz. Schon tieibt der
Sgherro das Pserd an zu schnellerem
Gange da blitzschnell fliegt das Weit
ins HauZ nnd erscheint ebenso rasch
wieder ans der Straße mit einem Kissen
in dcn Väiiden.
Im Nu durchbricht sie die drängende
Menge und wirft mit sicherer, muthiger
Haud das bissen aus die unterste Stuse
der Brücke. Die ungehcuie Volk-masse
hat diesen Beweis eines edlen Frauen
herzenS gesehen nnd verstanden
Niemand wagt ein Wort dagegen zu
äußern. irnc hat es verstanden! Denn
sosort zieht ei» andercsWeib d-'»Schawl
von ihre» Schnllrr». sallet ihn eiligst
zusammen u»d legt ihn nieder ans die
zweite Slusc der Biücke. Dies Iva,
das Zeiche» zum Sireite des Mitleids,
zum edelsten Streite, der vielleicht ,e in
Veiicbigs Strafen ausgesochten ward
zu», seltenen Wettstreite, wer am
»leisten „Mensch" sei.
Der Eine tritt kühn näher, wartet,
bis der >iorper des Unglückliche» über
das Kiste» hinweggeschleist. um es dann
zu erhajche» und weiter vorwärts wie
der »lerierziiwcrfcn der Andere eill
ins Hans und erscheint mit einer Decke.
Nerdui'.l schiiue» die Henker darein.
Auch on ih>e Herzen pochle die Mensch
lichten. U»d lebhafter wurde die Be
wegung der Menge. Nicht nur die
Brückenstoffel». »ein. der ganze Weg.
den der Armesündcrznq nehmen mußte,
war in inenden Minute» bedeckt von
Kissen. Peckr». Zrppichrn und Schawls
milder Es war ein Schau
spiel, iui> es w»hl wenige gcgebe» hat-,
es war der Sieg der „Meiischlichlkit"
im Menschen. OK dieser Alt edelsten
Gefühls de» Vei brecher gerührt? Ob er
durch ih» zu, heilsamen. Alles tilgenden
Reue ge>l,,n„>l wurde, die weder das
ernste Wort des Richters, noch die
Strenge oer Strafe, noch die Nähe
eines ichaiierlichen Todes in seiner Seele
heriiorgeriise» hatten? Wer vermöchte
es zu sage»! Vielleicht war es auch zu
spät, vielleicht ahnte der Unglückliche
nicht, seine, Sinne beranbt. wie ein
menschlich sühlendes Volt sich gegen
ihn, den Angestoßenen, mitleidsvoll
gezeigt. Aber sei es diese edle Her
ensäußernnu einer erst unerbiltlichen
Menge, sei es die fortschreitende Gesit
tung Giovanni Piantetla dies der
Name des unglücklichen NerbiccherS
war der letzte zur Njchtstatte Geschleifte
,n Venedigs Machtgcbict.
Richtige Folgerung.
„Wenn ick ta'n Schnaps getrunken
habe, denn fühle ick mir wie neugebo
ren! Und eeu neugeborener Mensch ist
iininer een bislen schwach uss die Becne,
drum muß ick gleich »och eenen trin
ken!"
Malitiöse Frage. „Glau-
Ruf: „Ja, aber ist denn der so
schlecht?!"