2 üder di« d«,»tsch« Sprach«. Die Gesellschaft des „l'Ksatrs <iüso" wurde auf ihrer Gastreise nach Wien u. A. auch von Sareey begleitet. Der berühmte Kunstkritiker gibt in de» obachtunge» zum Besten, denen wir nach der „Neucn Freien Presse" Fol gendes entnehmen: Ich kenne die deutsche Sprache nicht. Hn meiner Jugend lehrte man diese Sprache noch nicht in den Lyecen. Es gab da wohl deutsche uud englische Professoren, aber es galt für unan ständig, sich mit einer dem Französischen nicht ebenbürtigen Sprache zu beschäf tigen. Der Director that nichts, um dieses Vorurtheil zu zerstreue», ja, er gab uuS zu verstehe», daß es für uns nützlicher sei, wenn wir unsere ganze Aufmerksamkeit dem Lateinischen und Griechischen zuwendeten, statt unsere Zeit dem lächerlichen Studium einer lebenden Sprache zu opfern. Ich er innere mich noch lebhaft eines guten Deutschen, welcher wahrscheinlich in der Grammatik sattelfest war, aber mit seinen Zöglingen nicht umzugehen wußte; Alles machte sich lustig über seinen ungeschlachten Accent und Jeder hielt sich verpflichtet, ihm einen Scha bernack zu spielen. Dem Director konnte dies Alles nicht verborgen blei ben; aber er bclümmerte sich grundsätz lich nicht um einen Unterricht, welcher in seinen Augen vollständig nebensäch lich war. Die damaligen Schüler sind zu Män nern herangereift; sie Alle waren das Opfer dieses lächerliche« Vorurtheils. Einige unter ihnen, welche das Glück hatten, reiche Eltern zu besitzen, hatten vielleicht Gelegenheit, in späteren Jah ren die Lücke auszusüllen; aber die mei sten von uns blieben sür ihr Lebenlang bezüglich der fremden Sprachen die alten Ignoranten. Da» Vorurtheil, von welchem ich fprecye, war so fest ein gewurzelt, daß es aus den Lyceen fast nicht auszurotten war. Es ist ein Fortschritt zu verzeichnen; aber ein äußerst langsamer, s<, unmerklicher. Noch heule läßt man es ruhig gesche he», daß die Zöglinge und Schüler sich über die Eigenheiten und uugewohnten Laute des fremden Idioms lustig ma chen, als ob die französische Sprache mit ihren Nasenlauten nicht ebenso viele Gelegenheit zur Bespöttelung böte! Ich fand in Wie» sofort Zutritt zu der guten Gesellschaft. An Einladungen sehlte es nicht. Aber Sie stellen sich kaum vor, wie unwissend ich mir vor kam in Gesellschaft von acht oder zehn Personen deutscher Nation, welche alle aus Eourtoisie gegenüber mir, dem Un wissende», Französisch sprachen. Ich schämte mich meines Lande» und meiner Unwissenheit. Alle ohne Ausnahme sprachen Fran zösisch; Einige sogar mit bcmcrkenSwer ther Reinhcit uud Leichtigkeit. Und auch diejenigen, welche sich etwas schwer fällig ausdrückten, verstanden mich doch. Und ich, ich sitze da und kenne kein deutsches Wort! Ich bin nicht ein mal im Stande, ans der Straße um irgend eine Auskunft zu bitten; meine College» wissen das und müssen sich dazu bequemen, mich in mein Hotel zu begleiten. Alle Tage bringen die Zeitungen Berichte über die Vorstellun gen der Comedie ich und die französischen Künstler möchten allzu gerne lesen, welche Beurtheilung die Gesellschaft und ihre Mitglieder durch die Wiener Presse erfährt. Aber wir stehe» vor Hieroglyphen; es bleibt uns nichts Anderes ührig, als uns gemeinsam über unsere Unwissen heit zu ärgern. Wie oft haben wir doch auf unserer Reise wiederhol! über dieses Mißgeschick gewettert. Wie dumin ist man doch, wenn man nicht Deutsch taun! Warum hat man uns denn dies« Sprache nicht gelehrt? Die Kinder bil den sich ein, und nur zu oft glauben eS die Eltern selbst, daß solches Studium Ulinlltz sei. Ist denn Deutschland s iveit cntsernt? Als ob eS heut- noch entfernte Länder gäbe! Ein Franzose, welcher nur seine Muttersprache spricht, ist, wie der Volksmuiid sich ausdrückt, -in im Topse Begrabener. Darum, Ihr Eltern, dringt darauf, daß Eure Söhne mit allem Fleiße die fremdeu Sprachen studiren. Aber das ist noch nicht genug. Was man in den Lyccen lernen kann, ist unbedeutend. Schickt darum Euer Kind in das Land, dessen Sprache es erlerne» soll, wenn Ihr wollt, daß es diese Sprache wirklich be herrsche. Ich sehe die Zeit komme», in welcher jeder junge Mann, der nicht Deutsch und Englisch kann, seiner Aus gabe nicht gewachsen ist.- Die junge Königin Wil »elmine von Holland lebte eine Zeit lang in beständiger Fehde mit ihrer englischen Gouvernante, über deren strenge sie sich ost beklagte. Eines Tages, nachdem die strenge ihrem königlichen ZögUng einen Ver weis ertheilt, gab sie der kleinen Maje stät als Aufgabe, die Karte Europas zu zeichnen. Die Königin Wilbelmine setzte sich gehorsam an den Arbeitstisch und überreichte nach einer halben Stunde zie gewünschte Karte. Alles war cor rect gezeichnet, »ur in den Größcn dimcnsionen hatte der Rachedurst der jungen Königin sich geäußert, und die Gouvernante fiel beinahe in Ohnmacht, als sie über einem übermäßig groß ge rathenen Holland eine kleine, winzige Insel erblickte, dessen Contnrcn deutlich England bezeichneten. Der Fall wurde der Königin-Regentin unterbreitet, sie lachte und verzieh der guten Ausfüh rung der Zeichnung wegen. Schreckliches Malheur, il.: Jenem dort ist die Gattin vo» Käubern entführt worden und diese »erlangen 5000 Gulden Lösegeld. v.: Ist er denn bei ihnen gewejen und jat er das Geld mitgenommen? A.: Za. Aber er hat «S den Räuber» nur anter der Bedingung gegeben, daß sie jeine Frau für immer behalten! Betrsge«. Auf dem schmale» Fuhrweg. web cher sich zu den hügeligen Feldern em> Porwand, schritten zwei junge Männer. Die steinhartgefrorenen Schollen klan gen hohl unter ihren hastigen Tritten. Graue Wolken, wie sestgesroren im eisigen Aether, überspannten die fahle Landschaft. „Höre 'mal. Fred, das ist ja abscheu lich lalt," sprach Jack, der Aeltere, zu sciuem Geführten, „im wünschte blos, es singe gehörig an zu schneien, dann könnten wir heimgehen." Fred autmorlete nicht. Sie erreich ten jetzt den Saum eines weilen Mais-' feldes. Aus de» ihrer Kolben beraub ten Stengel» ragten lange grade Reihe» junger Obstbäume empor. Die Stämme derselben mußten mit Maisstroh um hüllt werde» zum Schutze gegen die Hasen, welche, wenn Alles mit Schnee bedeckt ist, vom Hunger getrieben die zarte Rinde abnagen. Schneidend kalt fegte der Nordwind über das offene Feld, pfiff uud heulte durch die vereinzelt emporragender, ho he» kahle» Hikorybänme. und rauschte melancholisch zwischen den dürren Korn stengeln. Die Beiden versuchten ihr möglich stes. ihr Blut in Wallung zu bringen schlugen sich mit den Händen um die Rippe» und legten die Zwischenräume von einem Baum zum andern in schar fem Trabe zurück. Trotzdem wurden die roth und blaugefleckten Hände im mer steifer. u»d kaum noch vermochte» die Fiiigcr die Fäden fest zu knüpfe». Endlich ließ sich ein fernes Rolle» vernehmen, hinter dem dämmerige» Waldsaum am Fuße des Hügels flat terten die weißen Dampfwolten eines Zuges empor, welcher de» jungen Männern die Mittagsstunden verkün dete. In einer Niederung zwischen Hasel mißgesträuchcn und halbqermoderten Baumstämme» machte» sie sich ein gro ßes Feuer an. Der „Lunch" in den Blechkannen war hartgefroren, uud mußte aufgethaut werde». Nachdem sie gegessen hatten, thauten auch die Zungen ans. Ihr Gespräch bestätigte die Wahrheit des Sprichwortes: ..Wo von das Herz voll ist, davon geht der Muud über"; eS drehte sich »u» Lise, die Tochter ihres Brodherrn. „Ich will Dir 'mal was sagen. Fred," begann Jack nach einer Pause, „warum sollen wir uns einander was vormachen? D» liebst die Lise, und ich ebenfalls! Einer kann sie aber nur haben. Du bist am längste» hier, Dir verdanke ich die Stelle beim Köhler, also will ich Dir die erste „Chance" geben. Wirb um Lise! Erhört sie Dich, gut, dann trete ich zurück; wenn nicht — »a, dann kannst Dn nichts dagegen haben, wenn ich es versuche, sie zu gewinne». I» keinem Falle aber brauchen wir da rum Feinde zu werden, nicht wahr? Schlag ein!" Fred starrte eine Weile in die flak keriide Gluth. Ueber sein hübsches, et was blasses Gesicht flog eine dunkle Nö the. Dann ergriff er die ihm dargebo tene Rechte und sprach: „Du hast recht, Jack! So ist eS am besten! Dies Hangen und Bange» muß aufhören! Entweder Oder! —Also Du gibst mir die erste „Chance" ich danle Tir. Ich hatte mir schon einen Plan zurccht gelegt. I» drei Wochen ist Weihnachten. Dann überreiche ich Lise ei» kleines Geschenk mit meiner schriftlichen Erklärung. Ihr mündlich meine Gefühle mitzutheilen, fehlt es mir an Muth.—Bin ich der Glückliche, so hoffe ich, D» wirst mir den Sonnenschein gönnen, der nach langen Stürmen mit freundlichem Schimmer aus meinem Lebenspsad sollen wird. Hat ihr Herz aber an ders gewählt, so ihre Entscheidung ist unser Schicksalsspruch. Du mußt mir aber versprechen, daß Dn bis Weih nachten nichts unternehmen, mir nichts in den Weg legen willst!" „Das verspreche ich Dir, hier, meine Hand daraus!" ES waren noch zwei Tage bis Weih nachten. Fred war in Kansas City gewesen, und hatte kleine Geschenke eingekauft für die Kinder und sür Lise. Jetzl saß er beim Lampenlichte auf seinem Schlas zimmer. und las zum dritten Mal den Brief über, worin er mit glühende» Worte» der schönen Farmerstochter seine Gefühle gestand. Dann legte er den Brief in ein zierliches Äutograph- Album, uud wickelte dasselbe in einen Bogweißes Papier ein. Darauf schrieb er: „Für Lise." Ex stand aus und starrte in das trübe Lampenlicht. Es war kalt; an den Fensterscheiben bildeten sich feder sörmige Eisblumcn: trotzdem fühlte er eine seltsame Schwüle, seine Augen und Wangen brannten. Hoffnung und Zweifel schürten und dampften abwechftlnd die Liebesflammc in seiner Brust. Er trat an's Fenster und preßte die heHe Stirne gegen die kalte Scheibe. Draußen ruhte die Erde todt und stille unter schimmernder Schneedecke, und darüber hing wie ein duuller Schleier die stcrncnlose Nacht. An dein hinter dem Garten aussteigenden Hügel zeichneten sich die Baumstämme wie schwarze Gespenster auf dem fahl» weißen Hintergrund ab. Was war das? Bewegte sich einer von den Baumstämmen? Nein, es war eine Gestalt, die sich langsam zwischen den Bäumen fortbewegte, oder vielmehr waren es zwei nahe zusaniineiigehende Gestalten. Fred wußte, daß Lise zu einem Nachbarn auf Besuch gegangen war. sie mußte es sein, und ihr Be gleiter war ihr Bruder. Doch warum gingen sie so langsam und blieben so oft stehen? Fred drehte die Lampe aus, dam» er von draußen am F«-"er nicht gesehen werden koiAte. Die Beiden kamen näher. Plötzlich zuckte der Beobachter am Fenster zusammen. Die Gestalt, wo ran Life sich eng angeschmiegt hatte, war nicht ihr Bruder, es wcn Jack; er erkannte ihn an seiner Gestali und Kleidnng. Ein langer Holzschuppen entzog sie seinen Blicken. Er trat vom Fenster zurück. Ein höhnisch-schmerzliches Lächeln gellte durch den finsteren Ranm. Als er nach einer Weile die Lampe wieder anzün dete, fiel ihr Lichtschein aus ein todten blasses Antlitz. Wie abwesend starrte Fred eim Weile aus das weiße Packetchen, ergrifs es hastig, umwickelte es mit Zeitungs papier, und eilte die Treppe hinunter juni Wohnzimmer. Der Farmer saß am Ofen und rcinchte seine Pfeife, seine Frau strickte Strümpfe. Harry, der Sohn des Hau ses, und John, einer der Knechte, spiel ten Karten, wobei ihnen statt des Gel des, eine Anzahl Hosenknöpfe dienten. Fred trat an den glühenden Ofen, öffnete die quiekende Thür und warf das Packet hinein. Ein Puff, ein Säuseln und Knistern —Asche. Asche auch seine Hoffnung, sein Liebestraum. ..Willst Du mitspielen, Fred?" fragt? John. „Nein!" „Bist Du krank. Fred?" fragte Frau Köhler besorgt, „Du siehst ja so blaß aus?" „Nein!" Von draußen erscholl das Geräusch schncestanipfender Füße. Fred ent fernte sich eiligst. Im Rahmen der geöffneten Thür er schien Lise. Ihre blauen Augen leuch teten in feuchtem Schimmer, rosig erglühte das schöne Antlitz. Hinter ihr tauchte das lächelnde Gesicht Jacks auf. „Komm' 'mal einen Augenblick herauf, Jack," tönte es nach einer Wtile von oben. Das ~»Il von unten klang twas zögernd. „Was willst Du denn?" fragte Jack kurz, und versuchte seine Befangenheit hinter einem ärgerlichen Ton zu ver iitrgen. Fred antwortete nicht sogleich. Seine Augen hafteten glühend auf feinem Ge genüber. Dann lachte er rauh und verächtlich auf. „Was ich will? Dir sagen, daß ich unen Menschen, der sein Wort und versprechen gibt, nur um es zu brechen, iür einen Heuchler und Schurken halte!" „Wcn meinst Du damit?" „Ach, wie unschuldig! Mich täuschest Tu aber nicht. Gib mir doch Deine Hand darans, daß Tu es nicht warst, der vorhin Arm in Arm mit Lise den Hügel herabkam!" „Ha, ha. ha, also das war es!" Jack lachte aus vollem Halse, aber es klang gezwungen. „Also Du hieltest mein versprechen wirklich für ernst? Nein, das ist aber doch zu komisch! Mensch, weißt Du denn nicht, daß im Kriege and in der Liebe jede List erlaubt ist?" Fred konnte nicht gleich antworten. Die Adern an seiner Stirn schwollen an, seine Augen glühten, seine Hände bebten. „Geh', Schurke," kam eS endlich keu hend von seinen Lippen, „geh', sag ich Dir oder bei Gott es gibt ein Un glück!" Obschon Jack seinem jüngeren Mit arbeiter bedeutend an Körperkraft über legen war, hielt er es doch für gerathen, die Aufforderung zu befolgen, und ver schwand schleunigst. Am Silvesterabend nach dein Supper saß Mister Köhler mit seiner Frau allein in der Stube. Lise und die Kin der waren in der Küche beschäftigt, Harry, Jack und John fütterten die Bscidc und Fred war nach dem nahen Städtchen gegangen. „Weiß der Kukuk", sprach der Far mer auf eine vorhergehende Bemerkung sei,-.er Frau, „was mit den Beiden los ist. Seit Weihnachten reden sie kein Wort zusammen. Dabei ist der Jack immer lustig; aber der Fred macht ein Gesicht, als ob er Hufnägel verschluckt hätte, nnd wenn er den Jack blos von Weitem sieht, sollte man meinen, er in den Hut bohren. Und denk Dir nur, als ich gestern Abend von der Stadt wiederkomme, steht der verrückte Nensch an einem Telegravhenpsahl ge lehnt im Schnee, und schaut in die Lust 'inpor. Als ich ihn fragte, ob er die Sterne zähle, antwortete er, sie seien .ille untergegangen. Bei dem ist ein» Schraube IoS, sag' ich Dir." Hier wurde er durch das Oessnen der Thür unterbrochen und Fred trat her ein. Ohne ein Wort zu sagen, ging e? die Treppe hinauf. Eine Weile saß er. in tiefem Sinnen verloren, bei der trübbrennendcn Lampe. Tann trat er zum Kleider schrank. zog sich seinen Ueberrock an, packte die übrigen Garderobestücke in einen Koffer, versch'oß denselben und verließ das Zimmer. Unten war, nußer Jack und Lise, die ganze Familie versammelt. „Ich möchte gern meinen Lohn ha ben". sprach Fred zn dem Farmer, „ich will mir in der Stadt etwas kau fen!" „Mister Kohler machte ein erstauntes Gesicht, sagte aber nichts, Holle das Geld und zählte es bedachtig auf den Tijch nieder. „Gehst Tu mit zum Store, John?" sragte Fred. ~>VvII v«»! Warte, ich ziehe eben meinen Rock an! Noch einen langen, seltsamen Blick warf Fred durch das Zimmer und über die Anwesenden und schritt langsam hinaus. John folgte ihm. Sie ka. men durch die Küche. Die an der Wand hängende Lampe war ganz klein gedreht. In der Ecke hinter dem großen Kochofen aß Jack und dicht an ihn geschmiegt ?ts«. Fred blieb stehen. Seine Augen glühten durch die Dämmerung zu den Beiden hinüber. Dann wandte er sich hastig um und eilte hinaus in'S Freie. „John!" begann er, als sie den durch den Schnee führenden Spuren zum Städtchen folgten, „Du warst immer ein guter Freund zu mir; willst Du mir einen Gefalle» erweisen?" „Gewiß, Junge, baller nial los!" „John ich gehe fort von hier!" „Was?" „Ich reise ab mit dem nenn Uhr Zug!" „Ach, mach keinen Unsinn!" „Es ist mein Ernst!" „Aber, Menschenlind, wo willst Du denn hin so plötzlich?" „Vorläufig nach Topeka. Ob ich dort bleibe oder weiter westlich reise, weiß ich nicht. Ich werde Dir schreiben und was ich Dich bitten wollte, nicht wahr. Du schickst mir dann meinen Koffer nach?" „Gewiß! Aber die Geschichte kommt mir ungeheuer spanisch vor!" „Mir auch," versuchte Fred zu scher ze», „doch das verstehst Du nicht, in meinen! Brief werde ich Dir die Sache erklären. Es ist nicht nöthig, daß Du noch weiter durch den kalte» Schnee mit läuft; lebe wohl, alter Junge!" „(ic>o6 bvs. Fred;, verd es thut mir leid, daß Du fortgehst, eS war doch so gemüthlich; ich kann wirklich nicht begreifen " ~Schon gut, Johu, später wirst Du Alles ersahren. Gute Nacht!" ~Well gute Nacht, Fred; wün sche Dir ein recht glückliches neues Jahr!' ~Danke möge das Deine glücklicher werden!" Noch ein Händedruck und der Eine schritt langsam dem Hanse zu. Der Andere aber lehnte sich an den Stamm eines Baumes und starrte nach dem dunkeln Farmhause hinüber in den hel len Lichtschein, der durch die Fenster fallend einen mattglitzerndcn Streifen auf den Schnee malte. Auf einmal spürte er in seinen Augen etwas Heißes. Nasses, die lichten Fenstervierecke ver schwammcn zu rutheiiförmigen Strah len. Mit voller Wucht überkam ihn das Gefühl gänzlicher VAassenheit, ge täuschter Hoffnung, betreuen Glückes. Ein dumpfes Schluchze» entrang sich seiner Brust und er weinte, als müsse ihm das Herz zerspringen. Große Schneeflocken schwebten sachte nieder, schmolzen auf seinen heißen Wangen nnd vermischte» sich mit seinen Thrä n»n. Er spürte es nicht, Crst als in der Ferne der Zug heranrollte, erwachte er wie aus einer dumpfen Betäubung, rieb sich das Gesicht hastig mit einem Taschentnche und rannte der nahe» Station zu. Fünf Jahre sind* seitdem verflossen. Es ist im schönen Monat Mai. Eben hat der Zug nach Osten die Stadt Law rence passirt und rollt zwischen grünen Bäumen und Feldern dahin, zur Rech ten sanfte Hügelwellen, mit herrlichen Wäldern bekleidet, zur Linken das fruchtbare Kansas River-Thal, von dem blinkende» Flusse durchschnitte». In einem Pullman-Schlaswagen auf weichen Polstern ruht Fred. Seine Kleidung ist von feinem Schnitt nnd Stoff, an seiner Hand funkelt ein Dia mantring. Gespannt blickte er hinaus. Jetzt eine Lichtung gewährte ihm freien Blick über das Thal bis zu den jenseitigen Hügeln. Hinter blühenden Obstbäumen ragt dort das graue Schindeldach eines Farmhauses empor Eine leise Rothe stieg in seine Wange». Dort lag das HauS, unter dessen Dach? er einst als heimathloser Wanderer eine Heimath gefunden, wo er den Traum seiner ersten Liebe geträumt uud das er wieder in Nacht und Schnee verlassen hatte, unglücklich, mit Verzweiflung im Herzen, verlassener denn je zuvor. Füns Jahre waren seitdem verflossen, doch war es ihm, als lägen Jahrzehnte zwischen jener düstern, kalten Nacht und diesem sonnigen FrühlingSmorgen. Vieles hatte er seitdem erlebt. Vieles vergessen, gelernt und errungen. Die grüne Waldmaner verbarg ihm wieder die Landschaft. Er lehnte sein Haupt zurück, schloß seine Augen halb und träumte. Als er damals endlich die bittere Täuschung überwunden, hatte sich seiner eine trotzige Energie bemäch tigt. ihn zu unermüdlichem Streben angespornt. Anfangs zwar entsprang dieser rastlose Fleiß hauptsächlich dem Wunsche nach Vergessen, doch bald ko stete er das schöne Gefühl, welches im Bewußtsein treuer Pslichtersüllnng und des Erfolges liegt. In Topeka hatte er sich nur einige Tage aufgehalten und war dann nach Colisornien gereist. Dort hatte er in San Francisco in einer großen Wein haiidluiig Arbeit gefunden. Sein un ermüdlicher Fleiß, seine Gcwissenhas tigkeit und Intelligenz hallen bald du Aufmerksamkeit seines Chefs auf ihn gelenkt, dessen Scharsblick bald erkannte, welch' ein bedeutendes Talent er in dem jungen Manne befaß nnd er gab ihm Mittel und Gcleg»nheit, seine Kennt nisse zu vervollkommnen, sich das Man gelnde anzueignen. Nach drei Jahre» war Fred der vertraute Gehilfe seine- Principals und seit einen« Jahn Hcuiptvertreter seiner Firma. Jetz: hatte er im Interesse seines HanseS der Nordwesten bereist, Kansas City sollt« die letzte Station sein, dann wollte e> wieder nach seinem schönen Calijornien zurückkehren. , Noch etwas Anderes war e». das ihn mit Macht zurückzog Maja, sein« heißgeliebte Maja. Sie war die Tochter eines Professors, schön an Körper und Geist und besas jene warme HcrzenSgüte, welche de> unvergängliche Schmuck edler Frauen ist. Wenn ihre seelenvollen, dunklen Augensterne ihm tief in s Herz strahl, ten, überkam ihn ein berauschende! Gefühl glücklichen Friedens, und oft war e» ihm, al« müsse er zu ihre» Fü ßen niedersinken, zu ihr emporblicke» wie zu einer Gottheit und auSrufen> „Du bist mcin Glück, meine Heimath, mein Alles!"— Zehn Tage noch, dann sollte er sie wiedersehen, wie eine Ewig keit dünkte ihm die Zeit. Aber herrlich war der Lohn, sie sollte dann sein wer den sür'S ganze Leben, sein Weib. Eine warme Blutwelle strömte in sein« Wangen, eS war ihm, als hätte er ein solches Glück gar nicht verdient. Ein schrilles Pseifen der Lokomotive und das Vorüberrasseln langer Wagen reihen weckte ihn aus seinen Tränmen, Vor seine» erstaunte» Blicken tauchten die rauchumflatterten Kamine von Armstrong und Armonrdale auf und dahinter die dämmerigen Hänserkämme der jungen Riesenstadt am Missouri. Schou nach drei Tagen hatte Fred seine Geschäfte erledigt. Da der Calisornia Expreßzng erst um sechs Uhr Abends den Bahnhos ver lneß, hatte er noch zwei Stunden freie Zeit. Nachsinnend, wie er diese aus füllen sollte, schlenderte er die Straße entlang. Da fiel sein Blick «nf das Schild eines Lokales, in welchem er früher viel verkehrt hatte und welches das Absteigequartier des alten Köhler »nd feiner Lente war. Dort kehrte er ein. Der Wirth war nicht anwesend und der Barkeeper ihm fremd. Er bestellte sich ein Glas Wein, nippte daran, bezahlte und wollte sich wieder entfernen, als er die Gestalt eines jungen Farmers gewahrte, wel cher in einer Zeitung blätternd an einem Tische saß. Der Mann kam ihm be kannt vor. Um das Gesicht deutlicher zu sehen, trat er einige Schritte vor und eilte mit dem freudigen Rufe: „John, alter Junge ! wie geht's?" zu dem Ueberrafchten. John starrte den elegant gekleideten Herrn verblüfft an, dann flog ein Hel les Lachen über sein gutmüthiges, brei tes Gesicht, er sprang auf, ergriff die dargebotene Rechte und drückte sie kräf tig. „Ist's denn möglich? Fred? —Junge, Du hast Dich aber verdammt sein her ausgemacht !" Fred bestellte eine Flasche Wein ; die Bläser klangen zusammen uud dann sprach er: „Nun erzähle mal, John Du bist doch noch bei Köhlers ?" „Vou bst übrigens könntest Du schon längst Alles wissen, wen« Du öfters als einmal geschrieben hättest!" „Ich weiß eS, John. eS war Unrecht vo» mir, aber Du mußt entschuldigen, ich wollte vergessen, was hinter mir lag. In meinem Brief habe ich dir damals den Grund meines Plötzlichen Fortge hens ausführlich uütgetheilt doch nu» erzähle, was macht Jack und Lise? Kannst es mir getrost sagen, die Beiden sind mir völlig sremde Men schen." „Well sie sind ungefähr fünf Jahre verheirathet. die Hochzeit war gleich nach Ostern, die Geschichte hatte nämlich Eile und jetzt haben sie schon vier Kinder!" „So so und leben sie recht glück lich zusammen?" John lachte. „Jawohl wie Hund und Katze!" „Nicht möglich diese sanfte, blonde Lise?" „Ja, ja, es gibt auch sanfte Teu fel. Das heißt, allein trägt sie die Schuld nicht. Der Jack hatte dem Al ten vorgeschwindelt, er hätte noch 5000 Mark aus Deutschland zu kriegen. Er glaubte, wenn das Mädchen erst seine Frau sei, würde Papa Köhler schon Heransrücken, hatte sich aber gewaltig geirrt. Jener sagte ihm ganz trocken: „Arbeite, mein Sohn, wie ich es eben falls habe thun müssen, selbst wenn Deine 5000 Mark kommen, und wenn ich mal den letzte» Schnaufer thue, kommt Dir das Erbtheil meiner Toch ter immer noch zu statten." Da die. 5000 Mark aber ausblieben nnd der Jack keiner von Denen ist, die das Ar beiten ersunde» haben, so ging der Spektakel bald IoS. Lise wollte keine Dienstmagd spielen und er keinen Knecht. Dann fing er anch noch heim lich an zu trinken. Schon fünf Mal ist sie von ihm gelauseu, aber immer wieder zurückgekehrt. Ich sage Dir, wenn sich jemals zwei Menschen einan der das Leben verbittert haben, so sind es diese Beide»." Fred blickte sinnend in sein Glas und schüttelte bedauernd sein Haupt. „Merkwürdig, wie sich Alles rächt mich wollte er um mcin Lebensglück be trügen und hat sich selbst um das seine betrogen. Nun ein Jeder erntet, was er säet. Stoß an, Freund, cS lebe die wahre, echte Liebe!" Als der Zug am Abend in westlicher Richtung am Kansas River entlang brauste, saß Fred wieder am Fenster eines Pullman Schlafwagens. Doch feine Augen suchten diesmal nicht das Dach des Farmhauses hinter dem Blü thenschnee der Obstbäume, sehnsuchts voll hingen seine Blicke an den herr lichen Gewölken, die fern im Westen rosigglühend in der wunderreincn Bläue des Aethers schwammen nnd vo» seinen Lippe» tönte eS leise: „Maja!" —ln einem Dorfe naht oei Husum verlobte sich ein junger Mann, welcher als „zweiter" Sohn keine Aussicht hatte, den väterlichen Hos zu erben, mit der ältesten Tochtcr eines Bauer», der keine Söhne besaß. Etwa eine Woche vor dem für die Hochzeit festgesetzten Tage, als schon die ganze Aussteuer besorgt war, sragte oer Bauer den Verlobten seiner Tochtcr: „Na, wo wöt ji denn hintrekken?" „I", lautete die Antwort ~ick har dacht, ick kuu mi hier insrien (ein heirathen)." „Nee, min Stell kann ick nich asgeben." „Na, denn kann dor ja wull nix ut wardu." SprachS, ging mit aller Gemüthsruhe seiner Wege und mit der Verlobung wars vor bei. Passende Verwendung. Passen Sie aus. ich werde Ihnen jetzt einen Witz erzählen, über den sich Jeder halbtodt lacht! Erzählen Sie ihn «weimal meiner Sch»ieg»«iutt«rl Feu«rpr»»e. ES ist bald sieben Uhr, der Zuschauer raum des überaus freundlichen Thea ters beginnt sich zu füllen. Die Galle rien sind schon dicht besetzt, ParketS und Logen noch ziemlich leer. Die Musiker stimmen ihre Instrumente und mit den durcheinander klingenden Tönen ver mischt sich das Klappern der Sitze, die Stimme des die Plätze anweisenden Billeteurs und das undeutliche Gemur mel auf der Gallerie. Mit dem Rücken an die Wand ge lehnt, welche den Orchesterraum vom Publikum trennt, steht ein Herr. Die Hohe, elegante Gestalt trägt einen start prosilirten Kops, dessen Gesichtszüge auf ungewöhnliche Charakterfestigkeit deuten. Kühl und gleichgiltig schweifl der Blick über die Menge, dennoch sagt das schöne dunkle Auge, daß die Ruhe, welche in der ganzen Erscheinung sich ausdrückt, nicht Mangel an Tempera ment, sondern ein Product jahrelang geübter Selbstbeherrschung ist. Er hat manchem Gruß zu danken, gegen manche Loge verbindlich sich zu vernei gen. E» ist Ulrich von Paldberg. Sem Geschlecht hauste seit alten Zeiien im Lande. Ein energischer, ehrenhafter Zug hatte sich von dem Ahnherrn bis ans den Letzten seines Stammes ver erbt. Ulrichs Vorsahren waren stets sparsam gewesen, hatten beinahe immer reiche Frauen gefreit, und so kam es, daß ihr 'Nachkomme über ein schier mär chenhaftes Vermögen gebot. Ulrich, der schon in jciner Kind'ieit Vater und Mutter verloren, benutzte seinen Reich thum, um nach vollendetem Studium der Philosophie und abgelegtem Docto rat Reise» i» allergrößtem Stile zu unternehmen. Man hatte ihn einen Sonderling genannt. Philosophie stu dieren .... man fand das weder ol,ie, noch praktisch. Entweder Hütte er Offi cier oder Diplomat werden sollen, meinte man. Ulrich kümn»erte sich um die Meinung Anderer niemals, studirte, ritt und focht und begab sich dann mit tels einer eigens dazu ausgerüsteten Uacht aus Reisen. Dies n>at den Müttern und Töchtern der Gesellschaft sehr leid; den Müttern, denn er war Herr so vieler prächtiger, ertragsfähiger Besitzungen, den Töch tern, dcnn er versprach außerdem, ein schöner Mann zu werden. Er hielt auch dieses Versprechen wie jedes andere, daS er gab. Nach mehre ren Jahren kam er zurück und galt bin nen Kurzem sür eine» noch ärgeren Sonderling, als in seinem Jünglings alter. Die SportSwelt begriff nicht, daß er keine Neiinpferde hielt, uud die Schöngeister ärgerten sich über seine volllommeue Gleichgiltigkeit gegen Vir tuosen und Antiquitäten. Nichtsdestoweniger fand er auf schö nen und nicht schönen Lippe» immer ein süßes Lächeln, in feurigen und schmachtenden Augen verheißungsvolle Blicke. Aber bald schalt ein Theil der Gesell schaft ihn unerträglich: er hatte um keine der vielen weisen Hände angehal ten; und ebensallS beschäftigte sich die mit ihm. Er solle heiraten, meinten einige seiner Staiidcsgenossen. O ja. wann» nicht? Im Grunde genommen war ihm sein fahrendes Ritterthum selbst scho» zuwider geworden; die Garoo»- Wirthschaft behagte ihm nicht mehr, seinem Hanse, feinen Schlössern fehlte der Mittelpunkt. Aber keine unter den vielen Dame» der Gesellschaft genügte ihm. Gegen Häßlichkeit hatte er eine ebenso grnße Abneigung wie gegen Dummheit. Vor Allem haßte er schwache 'Nerven und Feigheit. „Tie Frauen meiner Ahnherren," agte er. „waren alle kräftig und nin chig. Sie sielen nicht in Ohnmacht, wußten nichts von Nerven nnd wichen weder dem körperlichen noch dem seeli schen schmerze aus, wenir eS galt. Tüchtiges zu leisten. Meine Frau muß mir zugleich Kamerad sein!" „Und unsere Tamen reiten und ge hen auf die Jagd," entgegnete man ihm. „Ah, so war es nicht gemeint!" Man bemühte sich nicht mehr, ihn zu verstehen, und der Sonderling sprach darüber nicht wieder.... Ulrich steht im Theater und betrach tet das Publikum. Nun haftet sein Blick auf einer jungen Dame, die in derselben Reihe mit ihm ihren Sitz hol. „Ein interessanter Kopf," denkt er. nnd dabei fällt ihm, dem Kenner, die anspruchslose Vornehmheit der lässig ruh.'nden Gestalt aus. Jetzt ertönt das Zeichen, die Musik beginnt die Overture. Ulrich setzt sich. Ter Vorhang geht in die Höhe und !der erste Akt spielt sich ab. Im Zu schauerräume herrscht tiefe Stille, a!S es mit einem Male unruhig wird. Ein brandiger Geruch hat sich verbreitn, und plötzlich sieht man aus der Bühne einen lichten Schein. „Feue.!" schreit entsetzt eine Stimme, vnd damit ist das Losungswort zu eine, ungeheuren Panik gegeben. Tie Schauspieler eilen von der Bühne, die Musiker flüchten ans dem Orchesterraume, das Publikum drängt mit wahnsinniger Hast den Ausgängen zu. Ein Stoßen, Drücken. Kreischen. Jammer» entsteht, vor den wenigen Thüren ballt sich die Menge, tobend und sinnlos vor Angst, in wirrem Knäuel. Einige stürzen, die Anderen, in blindem, rücksichtslosem, brutalem Selbsterhaltungstrieb«, trete» über sie hinweg. Aus der Bühne greifen die Flam men mit rasender Schnelligkeit um sich, erstickender Rauch wehrt den Athem da raffelt die eiserne Kourtine herab. Ulrich ist auf seinem Platzt geblie ben. Umsonst hat er versucht, die Menge,u beruhigen. Rings um ihn > her ist «» 1««r. Nur w«nig« Schritt« d»n ihm entfernt steht die junge Dame, dt« vorhin seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Ihr Antlitz ist bläh, doch ruhig, die schlanke Gestalt bebt nicht. Ulrich nähert sich ihr. „Sie fliehen nicht?" fragt er. Sie deutet auf die Menge. „Soll ich mich drängen, wie sie? Ueber Andere hinweg mein Leben ret ten? Nein!" Er bleibt neben ihr stehen und sieht sich nach Rettung um. Alle Thüren i>nd durch die Menschen versperrt. Einige erklettern die Logenbrüstungen. Andere stürzen dem Orchesterraum zu und übersteigen die Wand. Auch hier denkt Jeder nur an sich, stößt unbarm herzig den Schwächeren zur Seite. Un sanft prallt Einer an Ulrichs Gefähr tin, da» sie taumelt. Schützend legt Ulrich den Arm um ihre Schulter. Von außen hört man verworrenen Lärm, der aber fast übertönt wird von den wilden SchmerzcnSlauten derer, du noch immer dem todtbringenden Raum« nicht entronnen sind. Plötzlich ertönt ein gellender Schrei: „Die Galleric brennt!" Ulrich hat dem Tode oftmals furcht, los inZ grause Auge geblickt. Aber eS ist anders, ihn in der nächsten Sekunde n> erwarten, und anders, in unberechen barer Zeit ihn langsam auf sich zukam men zu sehen. Die Gestalt in seinem Arm ist zusammengezuckt, und er blickt hinab in ihr großes, klares Auge. ,ES heißt sterben, nicht wahr?" Ter starke Mann vermag nicht zu antworten. „Meine armen, armen Eltern!" flüsterte sie. und er zieht sie, fast unbe wußt, näher an sich. Unterdessen brennt eS auf der rechten Seite der Gallerie und gierig verbreiten sich die züngelnden Flammen: ersticken der Rauch erfüllt den Raum. Ulrichs Blick irrt, Rettung suchend, an den Wänden umher. Da durchzuck! ihn ein Gedanke. Vor der Loge des Intendanten, die er manchmal betreten hat, führt in das Parket ein Gang, dei durch eine Tapetenthür geschlossen ist. Ulrich eilt, seine Gefährtin mit sich ziehend, zur Wand und sein scharfes Zluge entdeckt den in einer Verzierung verborgenen Knopf. Dem Drucke weicht die Thür und tiefaufathmend stehen si« in dem dunklen Gange. Er reicht ihr den Arm, und ruhig, aber wortlos verlassen sie das brennende Gebäude. An der bewegten Menge von Schutzleuten, Militär und Lösch männern vorüber, geleitet er sie in eine stille Gasse. Sie blicken zurück. Aus dem Dacht züngeln die Flammen; das Theater ist unrettbar verloren. Nun durchbebt ein Schauer die Ge rettete und im Bewußtsein dessen, dem sie entronnen, erstickt Schluchzen ihre Stimme, wihrend sie ihr Haupt an seiner Schulter birgt. Leise küßt er ihr Haar. Als sie sich aufgerichtet hat, führt e» sie zu einem Wagen. Sie reicht ihm sie Hand, die er festhält. Dabei um faßt sein Blick nochmals die Gestalt, die in der Gefahr sich so tapfer gehalten hatte. Ter Wagen rollt davon. Ulrich sieht ihm lange nach. Er weiß, daß er seinen Kameraden gefun den hat. Vhcscheidnngsstatistir. Man ist geneigt, die von Jahr zu »ahr zunehmende Zahl der Eheschei düngen als ein Zeichen der Zeit und der zunehmenden sittlichen Entartung der Menschheit anzusehen. Mag darin !twas Wahres liegen, so muß indessen !in nicht unwesentlicher Einfluß darauf ,nlch den EhcscheiöungSgesetzen der neue rn Zeit zugeschrieben werden. So oald die Ehescheidung erleichtert ist, werden sich naturgemäß diejenigen Ehen sofort auch der Form nach lösen, wo die Ehegatten in Zerwürsniß schon ge trennt von einander lebten. Dies ffat sich auch thatsachlich in allen Ländern nach dem Inkrafttreten neuer Ehejchei dnngSgefctze ereignet, während einige Zeit daraus die Zahl der Scheidungen - wieder erheblich niedriger war. Seit dem ist dieselbe wieder beständig gewach sen. Im preußischen Staat ist nun nach der „Statistischen Corrcspondenz" seit dem Jahre 1880 unter Berücksichti gung gleichzeitigen Anwachsens der Be- , völkcrung eine nicht sehr erhebliche Zu- ' nähme der Ehescheidungen eingetreten, deren Zahl IBl>o 3So7betrug.' Frank- ' reich halte in demselben Jahr 5357 und die Vereinigten Staaten von Nordame» rila geschiedene Ehen. 4M Hier wie in Frankreich haben nach Erleichterung die Ehescheidungen be- stäiiU, und vi«! stärker als die Volks zahl zngenomme». Ein richtigeres Bild der Häufigkeit der Ehescheidungen, als xren Vergleich mit der jeweiligen . Kolkszahl liefert die Verglcichung mit» der Zahl der stehender Ehen. Aus je ? 100,000 stehende Ehen kamen in Frankreich 1885 57, IBVV 71 Eheschei- » dünge»; in den Ver. Staaten von ' Amerika wurden im Durchschnitie jähr- üch von derselben Zahl stehende Ehen vahrend des Jahrzehnts 1877 bis 86 z .'lB Ehen geschieden. In Preuße» fan den aus je 100.000 stehende Ehen von '-0 im Jahre 1881 ansteigend bis auf 77 Ehescheidungen im Jahre 1890 >Z statt. In den Ver. Staaten sind demnach l» jungsler Zeil Ehescheidungen unge- ? iähr dreimal so häufig wie in Preußen und Frankreich vorgekommen; in Preu» gen waren dieselben häusiger als in Ä Frankreich. was sich ans der verschiede nen Verlheitung der Bevölterung bei. > der Lander nach dem Religionsbe- lennlnisse erklart. In den prolestan- tischen Kantoncr der Schweiz kommen - ebenfalls Ehescheidungen häufiger vor, z als in den katholischen Kantonen. Auf 5 1000 Eheschließungen kamen in Frank eeich lv.S, in Preuzea lü.S Scheiduw»W »rn.
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