2 «tn Vrlginal. Von Kahle, dem alten Jenenser Hellen, werden unzählige Geschichten erzählt. Der Biedere wollte einmal einen Studenten abfassen, der sein Heil in der Flucht suckte. diese auch nicht unterbrach, als ihm der Pedell drei Mal die verhängnißvollen Worte: „Im Namen des Prorectors, halt!" zuge-! rufen hatte. Vor dem Universitätsamt sahen sie sich wieder. Der Amtmann begann: „Warum sind Sie nicht stehen geblieben, als Ihnen der Ped<V im Namen Prorectors Halt zurief, Sie wissen, daß daraus die schwersten Strafen stehen?" „Ich werde den Deibel thun," erwiderte der Student, eS war ein »oller Hund hinter mir her, ich wollte nur mein Leben retten." „Ein toller Hund," fragte der Amtmann erstaunt, „wie kam der dahin?" „Ja, das weiß ich nicht; er kam mit dem Pedell, es war ein ganz abscheu liches Thier, mit Triesaugen und einem ruppigen Sckwanz." Das erzählte er mit dem Ausdruck tiessten Ekels im Gesicht lind begleitete seine Aussagen mit en! brechenden Gesten. „Ich bin sehr nervös und habe eine ange borne Angst vor tollen Hunden." „Kahle, haben Sie einen Hund, und war der damals bei Ihnen?" Jawohl, Herr Amtmann." Bringen Sie ihn einmal hierher." Da das treue Thierchen seinem Herrn bis an die Thür gesolgt war, konnte es bald erscheinen; es war ein kleiner Pinscher, der allerdings weit sichtbare Zeichen der Räude an sich trug. Der Amtmann betrachtete das Sckeusal eine Zeitlang schweigend, und, offenbar hoch ersreut, einen Grund gesunden zu haben, den Studenten freisprechen zu können, sagte er:„Allerdings, Kahle, schaffen Sie daS Thier ab." Der Herr Schinder erschlug den Hund noch an demselben Tage; der Student aber wurde außer Versolgung gesetzt. Als dies bekannt wurde, frag ten die Studenten bei jeder Gelegen heit: „Herr Kahle, wo ist denn Ihr Hund?" „Na, hinüber!" „Ol Wie ist denn das gekommen?" Kahle legte dann die geballte Faust an die Seite seines Halses, und sagte: Na, der da ...!" Damit wollte er sagen, er habe ihn auf Befehl deS Herrn Universitäts amtmannes abschaffen müssen. Dieser liebenswürdige Herr war nämlich In haber eines gewaltigen Kropfes, womit Kahle, indem er die Fanst an seinen Hals legte, ihn ebenso drastisch wie un verkennbar bezeichnet«. Galgenhumor. Die letzten Wünsche der zum Tod» derurtheilteu Verbrecher sind oft schwer erfüllbar. So bat sich in Cartwright ein »um Strick verurtheilter Verbrecher als letzte Gunst aus, daß man ihm den Htrick nicht um den Hals, sondern um die Achseln lege, da er zu kitzlich wäre. Bekannt ist auch der Wunsch eines lebenslustigen TodeScandidaten, der an Altersschwäche zu sterben wünschte. Weniger bekannt ist da« Factum, daß der berüchtigte, albanesische Räuber- Hauptmann Hadschih Pill»,an als Hen tersmahlzeit einen Hammelgoulafch mit Remoulade verlangte. Da der türkische Koch aber die Zubereitung des Goulasch nicht verstand, so schob der TodeScan didat den Teller mit den Worten zu rück: „Das esst ich nicht, davon kriegte ich mindestens acht Tage lang Leib schmerzen!" . * Ein Mordbrenner in Newcastle, der früh um 7 Uhr gehängt werden sollte, verlangte Abends um 8 Uhr als Hen kersmahlzeit einen Teller frische Wald erdbeeren. „DaS ist ein unbillige» Verlangen", erklärte ihm der Gesängmßdirector, „wir haben jetzt November und vor Juli gibt es keine Walderdbeeren." „Na, ich kann ja warten!" erwiderte der Delinquent gelassen. * Sensationelles Aussehen erregte vo» Kurzem die Begnadigung eines jugend lichen Verbrechers. Die Hinrichtung desselben mußte nämlich so lange aufge schoben werden, bis fein letzter Wunsch erfüllt war. Der strebsame junge Mann, der kaum lesen und schreiben kann, verlangte vor seinem Ende noch die englische Sprache zu erlernen. Die sem Wunsche wurde gewillfahrt, leider besitzt aber der Delinquent einen so ge ring anschlägigen Kopf, daß die Er füllung seines Wunsche» in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Vom Cylinder. Aus Pari» fchreibt man Wiener Blättern: Ein Pa riser, der im Winter keinen Cylinder trägt, existirt ebensowenig wie ein Mai ohne Poesie. Nun aber ist der Cylin der bekanntlich nichts weniger als poe tisch in seiner Gestaltung, und die Phantasie der Gigerln arbeitet unab lässig daran, das ungraciöse Thema schwungvoll zu variiren. So hatten wir im Vorjahre die zugespitzten Cylinder, die sich in ihren K onturen immer mehr und mehr den persischen Lammsellmützen näherten und in den Herzen braver Hausfrauen freundliche Erinnerungen an die in der Speisekammer Wacht hal tenden Zuckerhüte wachriefen. Doch Alles nimmt bekanntlich hienieden ein Ende, so auch die spitzigen Cylinder, and wir halten jetzt vor einer neuen Wandlung: dem halben Cylinder! So und nicht anders muß man nämlich jene seltsamen Dinger nennen, die nun auf den Boulevards des Italien» das Bür aerrecht zu erwerben fuchen. Es sind die« regelrecht „gebaute" Cylinder, nur halb so hoch gehalten wie ihre Vorgän ger. Auf dem Kopfe älterer —mit unter sehr gealterter Herren zwischen 20 und 30 Jahren wirkt der halbe Cy linder unwiderstehlich komisch. Der Praktiker. DirtÄir: Hür welche Rolle suchen Sl- i:«ntt eigentlich Engagement, Fräulein? «elt liche Schauspielerin: Am liebsten spiele ich Naive. Director: Naive Großmüt ter werden nicht oelckrieben. Met« Urcu»d Asrtunatu». Ich reiste mit meinem Freund For tunatuS von Novara bis Genua zu sammen. Obgleich das nur eine kurze Strecke ist, so währt diese Fahrt sehr lange, denn solch ein italienisches Dampiroß bat den Rheumatismus in allen Gliedern, und die Eilzüge stehen nicht, wie bei uns, nur auf dem Fahr plan. sondern vor jedem Sechshundert seelenstädtchen. Da lobe ich mir doch mein liebes Vaterland wenn man das Glück hat, wird man aus der Eisen-' bahn schneller vom Diesseits inS Jen seits besördert, al» hier von Novara und Genua. Mein Freund FortupatuS, mit dem ich nach Genua fuhr, ist ganz ander» geartet als ich. Er hat im Leben und in der Liebe nie lange aus einem Stuhl sitzen können; wenn er einen Berg hinaufsteigt, will er unterwegs zwölf Mal umkehren, und Karten spielt e? auch nur so lange, als er gewinnt. Da» Unangenehmste aber für mich war, daß er Glück bei Frauen hatte. Wir steigen in Genua in dem be rühmten Hotel am Hasen ab, in dem einst Fiesco, der bekannte Verschwörer, gewohnt haben soll. In den reich auf geputzten Zimmern, in denen die Ver schwörer zusammenkamen, wohnen jetzt meist Hochzeitsreilende. So erzeugt ein Geschäft das andere. Daß man aus dem Palast des Gra sen von Lavagna ein Hotel gemacht hat, finde ich sehr entschuldbar. Wie viel Aehnlichkeit zwischen dem Damals und dem Heute! Die Hausknechte und Stubenmädchen mit den geöffneten Händen, das sind die Unzusriedenen Genuas, die Schiller uns zeigt. Und Oberkellner haben mit Verschwörern die peinliche Eigenschaft gemeinsam, daß sie sich manchmal ve/rechnen. Es war gerade Allerseelentag, als wir ankamen, und es war ein merkwür diges Drängen und Treiben in der Stadt. Aus der Piazza Deserrari, wo die Wagen der OmnibuSgesellschasten halten, schlug man sich um ein Plätzchen in diesen schmutzigen Gefährten, wie man sich bei uns in Berlin vor dem Zoologischen Garten am „billigen Sonntag" schlägt. Und in all' den enge» Straßen war ein Gedränge von Leuten mit Festtagsgesichtern, Blumen kränze:' und Wachskerzen, daß man die Arme einstemmen mußte wie ein Höker weib, um hier durchzudringen. Und das alles lies nnd fuhr und humpelte hinaus nach dem Campo Santo, dem großen Kirchhos Genuas, der draußen sich hindehnt vor der Stadt. ES lag eine abscheuliche Luft über der langen Chaussee, eine graue bustenerrc gende Luft. Nie habe ich eine so stau bige Stadt gesehen und niemals ist'mir des alten Predigers Wort wahrheits voller erschienen, als an diesem seclentage, das Wort, daß Alles nur Staub sei auf Erden. So wie die Genueser im Leben woh ne», in der terrassenförmig an den Ber gen emporkletternden Stadt, so wohnen sie auch im Tode. An dem Berge stei gen die Gräderreihen empor, eine Rie sentribüne, von der die Todten ihre Vaterstadt grüßen. Lange, endlos lange MulenhaUen bergen dort die Gräber der Reichen, aber über den klei nen Hügeln der Armen lacht der blaue Himmel. . In jenen Säulenhallen, die unten den Berg umschließen, die sich an ihm hmaufwinden oder in ihn hineingebaut sind, ist all' das vereinigt, was Genua an moderner Kunst aufweisen darf. Und vielleicht gibt es keinen Ort in der weiten Welt, wo der Schmerz so viel gestaltige künstlerische Verklärung ge sunden, wo daS Märchen von dem Kinde, das Vater und Mutter verloren und mit deni Thränenkrüglein suchend durck's Land irrt, so Hundertsach von Künstlerhand variirt worden ist, wie hier. Es sind marmorne Hymnen des Leids, marmorne Bitten um Trost, marmorne Schwüre, nie zu vergessen, ewig zu gedenken. Dort sitzt der Tod als alter bärtiger Pilger gedanken schwer auf dem Sarge, hier tritt er als mildleuchtender Engel mit liebendem Kuß an das Bett des Kranken und es ist immer wieder der Tod und ewige Uns warmorarmen Deutschen aber, uns rauscht dieses Lied von Leid gar zu gewaltig. Wir, die wir immer noch die alten poetischen Stimmungen mit uns herumschleppen, die wir von unse rem lieben Heine geerbt haben und von Eichendorss und den Andern, wir sind solche gottsjämmerlich unverstän digen Barbaren, daß uns der schweig samen Trauerweide leiser Todtengruß schöner dünkt, als die verschwenderische Pracht dieser Todtenpaläste. Und in dem leichten Dust unserer purpurnen GrabeSrosen ahnen wir mehr von der Zaubermacht der Göttlichkeit, als in der dochaussteigenden Verkündigung aus den Grüften Genuas. Aber an diesem Allerseelentage huschte aus tausend Lichtern und Lämp ckcn der matte Flammenschein über all' den bleichen Marmor, er huschte hinaus zu den Engeln der Liebe und de» Todes und ging streichelnd über die Wangen der Trauernden und Büßenden, wie ei» einziger Schein von dem großen, strahlenden Himmelslicht in der andere» Welt. Aber die Trauernden und Büßenden richieten sich nicht auf, wie aus den stillen Gräbern in der Heimath die rothen Rosen gläubig sich aufrichten, wenn der Sonne wärmender Strahl zu /hnen niedersteigt, und die festlich ge kleideten Leute schoben sich langsam hindurch zwischen diesen Gräberrechen und nannten sich die Namen der großen Künstler, die daS Alles geschaffen, und Alle», wir Kei uns die Leute aus der Provinz im Panoptikum. Sonderbar, wie verschieden die Völ ker geartet sind! In Genua hat man aus dem Friedhof einen Tempel der Kunst gemacht und nun ,st man bei un« am Werk, den Tempel der Kunst in einen Friedhof zu verwandeln! Aber während ich so mit lehrreichen Vergleichen mich besaßte und bei diese» genuesischen Marmorgräbern der freud lose und doch so duftumsponnene Hügel mir in's Gedächtniß kam, unter dem aus dem sernenMontmartre mein armer, verkannter und verlästerter Sänger des nenen Frühlings modert, so ein echte, Dichterhügel während ich so die un vernünftigen Gedanken in weiter Fremd, spazieren wandern lieh, hatte ich ganz vergessen, meinen guten Freund Fortu natuS. der zwischen Marmorbildern noch niemals glücklich war. Ich suchte ihn und bald fand ich ih« hoch oben, auf der Spitze des Berges, wo der kleine Tempel mit dem Sarko phag Mazzinis steht. Dort sah ich meinen FortunatuS, in den Eingang deS Tempel» gelehnt, lauernd, wartend. Ich begriff sofort, daß ihn Mazzini ei gentlich weniger interessirte, als di« kleine Engländerin mit dem blonden Lockenköpschen, die dort drinnen mii andächtiger Neugier vor dem todter Mazzini stand, vor diesem Mazzini, von dem man ihr vor einer Viertelstund, gesagt hatte, daß er ein großer Mar.» gewesen war. Ich aber machte meinen Freund da raus auimerksam, daß sie sehr verheira thet schien, und Italien bekanntlich das Land der sauren Trauben sei. Dai leuchtete ihm seltsamer Weise ein unt wir gingen. Dicht hinter dem Fried hof saß die Wahrsagerin mit verbünde nen Augen, ganz wie Kassandra i« Troja. In der That, es mußte ein hölzernes Pferd fein, das zu diese, Kassandra kommen konnte! Der Fremde findet Genua schön, son derbar schön, weil es vom blauen tyrre nischen Meer so gar wirksam wie aus Treppenstufen emporsteigt. Aber si« waren doch nur Barbaren, diese Genue sen, und sie sind es geblieben. O, si« baden nie etwas besessen von dem köst lichen Kunstsinn ihrer Nachbarn in Oberitalien, sie haben eS me verstan den, wie herrlich eS ist, seine Stadt, sein Reich in ein rauschendes Götterland der Kunst umzuwandeln, sie haben im mer mit kaltem Lächeln zu jenen hinü bergeschaut, die zu der großen Meiste, Herrlichkeit den Duft aus güldenen Weihrauchkesseln emporsteigen ließen. Wie selten ist ein Hauch von jenein hohen Geist zu ihnen gekommen, der zu Raphaels, zu Lionardis, zu Tizzians Zeiten durch das jubelnde Italien ging, und während das verhaßte Venedig in einem Künstlertaumel schwellte und längs des Kanals eine Zauberwelt auf erstehen ließ in Formen und Farben, malten Genueser wie die meisten Indianer in ihren bunt bcklecksten Dörfern, in den Festsälen ihrer Paläste, ihres Palazzo Rosso, ihres Fiesco-PalasteS, Säulen und Kamine mit schlechter Oelsarbe an die Wand. Ueberall diese miserable Farbe, hineingetragen in die Renaissancebauten deS alten verständigen Meisters Alessi. Nichts ist da drinnen echt "tut tc> iinita-icmo", wie der Führer in der Villa Pallavicini in Pegli sagt, nach dem er all' die denkwürdigen Ereignisse erzählt hat, die dort sich zugetragen haben sollen tut to alles Schwindel! Nur der eine alte Doria, dieser brave Andreas, den man im Doriapalast zu sammen mit der treuen Lieblingskatze auf dem Bilde sieh', dieser tüchtige Greis hat in seinem vielvergitterten Hause hübsch Alles aus Marmor und echtem Stuck Herrichten lassen. Das kann man wenigstens in den sünf oder fechsZimmern konstatiren.die denFreun deii sür gewöhnlich gezeigt werden in den andern wohnen jetzt Verdi und ei nige viel weniger berühmte Leute. Aber was man sieht, ist echt, und darum rufe ich „es lebe Doria und nieder mit dem Grasen von Lavagna!" In dem Hotel traf ich eine von den alten Damen, die ich liebte, eine von jenen alten Damen mit grauem Haar und klugen Augen, die wie jene prächtige Herzogin in der „Welt, in d sicher man langweilt" nicht leugnen, daß sie auch einmal jung gewesen sind und daß sie noch die Jugend in sich verspüren. Ach, es ist sehr selten, daß die alten Frauen noch jung sind, heutzutage, wo die jungen Frauen so oft schon alt sind! „Wo haben Sie denn Ihren Freund?" sragte mich die alte Dame mit den klugen, jungen Augen „Ih ren Freund FortunatuS?" Richtig, ich hatte ihn wieder ver loren ! „Ich will es Ihnen sagen, wo er ist", sagte meine Herzogin wieder denn ich dachte immer.es müßte die Herzo gin aus der französischen Komödie sein „er schmachtet. Ja, er schmachtet vor der jungen englischen Schönheit, die auch einen Mann hat und oben in FiescoS Zimmern wohnt". „Ah, die ist also hier?" „Ja. Und ihr Gatte ist sehr trau rig sehen Sie ihn nur an, dort kommt er". Ich sah ihn an. Er sah wirklich sehr traurig aus. So ungesähr wie ein Kaninchen, dem man ans Leben will. „WaS sehlt ihm?" fragte ich mit leidsvoll. „Er wünscht sich einen Nachkommen. Einen Erben. Nun, er wird ihn schon bekommen, seien wir beruhigt. Der gleichen kommt manchmal überraschend schnell wie der Wind, bei dem auch Niemand weiß,wober er plötzlich kommt. Und bei diesem Klima ist Alles mög lich. ES läulet wollen wir zu Tisch gehen?" Mein Freund FortunatuS saß einige Plötze entsernt von der kleinen Engländerin. Sie war wirklich rei zend; sie hatte ein wunderhübsch feine» Köpschen mit einer blonden Frisur, der Thusneldafrisur ganz ähnlich, ober auf gelöst in lauter einzelne, goldschim ziernde Löckchen. Hinter allen Schüsseln und in »llen Blumenvasen auf dem Tisch saßen die kleinen Liebesgötter und schössen ihre Pfeile hinüber und herüoer. Und sie sah, daß mein guter FortunatuS drei Schüsseln vorübergehen l»eß, und wußte, daß er daS that, um sie besser anblicken zu können. O, sie bemerkte das Alles! Die Andern am Tische aber bemerkten Vichts, sie ließen sich all« Schüsseln zwei mal reichen, denn da» Diner war seh» theuer. Er halte wirklich Glück, dieser ver verteufelte FortunatuS! Er fand ein, Schleife der kleinen blonden Englände rin und schrieb es der Angebeteten ir einem Briefchen, dessen letzte Worte lau teten. „Darf ich sie behalten? Ich wil Sie immer verehren. (Nein, ich hab, mich geirrt—nicht „Sie" mit einen großen „S". nur „sie" mit einem klei nen „s")." Und sie antwortete umgehend: „Di, Schleife war mir werth. Ich möcht, Sie wiedersehen. (Nein, ich irrte mick nicht „Sie" mit einem großen „S". nur „sie" mit einem kleinen „i")." , Da er nun glücklich war, überließ iä ihn seinem Schicksal und ging mit mei ner Herzogin hinaus zu dem Balkon, um die Sonne niedersteigen zu sehen weit hinter dem Mastenwald des Haseni in den blauleuchtenden Finthen dei tyrrhenischen MeereS. Rechts sah man hinunter bi» zun Palast des alten Doria, dem die demo kratischen Genuesen den herrlichen Gar ten zerstört haben, um ihre Bahnlini, hindurchzufühlen, dem Einspruch unt den Bitten des Prinzen Doria zuni Trotz. Es war die letzte Verschwörung gegen die Doria. Und man sah an den Bergen die bun ten Häuser emporklettern und hoch ober aus dem dunklen Wald der Berge di« weißgrünen Mauern der Festungswerk, heraustreten. ES war ein ewiges Hin und Her ii dem Hasen, ein ewiges Lärmen unt Rufen, ein Knarren der Taue, ein Pfei fen der Dampfschiffe. Dort drüben ir derDarfena, dem einstigen KriegShasen, an der Stelle, wo gerade jetzt die klein, Dampsbarkasse vorwärtspustet, dort isi vor dreihundert und sünszig Jahre» Fiesco sammt seiner Verschwörung in'« Wasser gefallen. Ich habe einmal einen Schauspielei gekannt, einen tüchtigen und liebens> würdigen Schauspieler. Der konnt« nie den Fiesco spielen, denn um einen Bühnenausdruck zu gebrauchen er schwamm zu gut. Der Arme einmal hat er doch ir einer französischen Posse nicht weiter ge konnt. Ich erinnere mich, es war ein« gewagte Situation, bei der viele Da men hinausgehen würden, wenn daS nicht so störend wäre. Da konnte e» nicht weiter. Er war plötzlich im Koth stecken geblieben. Aber nun sitze ich in Genua auf dem Balkon amZHasen und denke an Deutsch land und seine sranzösischen Possen. So wandern manchmal die Gedanken mit den Worten über die Berge, sie ver irren sich —sie gehen gern zu den sran zösischen Possen, aber eS ist immer eine Verirrung. „An was dachten Sie?" fragte di« kluge Herzogin. Und ich sagte ihr, daß ich an Meilhac und Hennequin gedacht hatte. Sie nickte: „Ja, der arme Himmel sieht wunderliches Zeug aus dieser Erde." „Aber halten Sie den Himmel sür moralischer?" „Gewiß; haben Sie e» denn noch nicht bemerkt das Erste, was er thut, wenn er Morgens die Erde sieht, ist, daß er erröthei. Und dann Abends wieder sehen Sie nur dort!" Wirklich, er erröthete in wunderbarer Pracht, Feuerströme flutheten herrlich an ihm entlang, als stünden dort hin ten im Hafen verborgene Riesenflotten in Brand. Und zwischen den schweren Schissen schössen diese glühenden Bäche über das Wasser des Hafens hin, aus dem die kleinen Barken schaukelten und die Matrosen fluchten und die Damps barkassen pusteten. „Ja", sagte die alte Herzogin, wi« traumverloren, „er erröthet. Viel leicht steht Ihr Freund hier über uns und giebt ihm Recht." Ich sah unwillkürlich hinauf. „Sie meinen?" sragte ich. „Ich meine garnicht?. Ich denk« nur, daß die kleine Frau im nächsten Jahre vielleicht wieder hierherkommt, daß wir sie dann sehen. Aber dann wiederum nicht „Sie" mit einem gro ßen „S" sondern sie mit einem kleine« .s." Ballspiel. Wo seid ihr Zeiten geblieben, Ihr Jahre der Jugendzeit, Da ich mich als sröhlicher Knabe Am lustigen Ballspiel erfreut! Das Ballspiel ward immer verweg'ner, Es drehte mich wirbelnd im Kreis, Staub schluckt ich auf manchem Balle Und Flüssiges kalt und heiß. So ist es schließlich gekommen, Daß ich mit taumelndem Sinn Dem Schicksal im Laufe der Jahre Ein Spielball geworden bin. Röllingho ff Schuldlosen Seelen sei da» in der Pfalz gelegene Dorf Dahn als busn rsliro empfohlen. In die sem, durch seine Eselzucht berühmten Oertchen überlassen die 1400 biederen Bewohner die Wahlen vertrauensvoll der hohen Obrigkeit. An einetn der letzten Montage sollte dort wieder ein mal die Stimme des Volkes zum Aus druck kommen. Die „Münch. N. N.", denen wir die Kunde von diesem Bor gange verdanken, erwähnen nicht, ob es sich um eine Ersatzwahl zum bayrischen Landtag, oder um eine Provinzial- oder Kreisangelegenheit gehandelt. Aber die Sache war die: Bei der Wahl der Wahlmänner mußten, um den Ausschuß zu Stande zu bringen, die Feldschützen und Straßenwärter herbeigeholt wer den. Nachdem so der Ausschuß gebil det war, wurde durch die Ortsschelle be kannt gegeben, daß bis ein Uhr die Wahl geschlossen wird. Dann wartete man, bis die Wählcr'kamen.eS kam aber Niemand und so vollzogen die Mitglie der de» Wahlausschüsse» auch die Wahl. Der Sletne. «u» »e «-»»»sson«. Lemonnicr war als Wittwer mit ei nem Kinde zurückgeblieben. Er hatte «eine Frau wahnsinnig gern gehabt, sie während der ganzen Zeit ihrer Ehe init ingeschwächter, überschwänglicher Zärt lichkeit geliebt. Ein herzensguter, ehren hafter Mann, schlicht, ausrichtig, ohne eine Spur von Bosheit oder Miß trauen. Von Liebe zu einer Nachbarin, einem armen Mädchen erfaßt, hatte er ihr 'eine Hand angetragen. Er betrieb da zumal einen einträglichen Tuchhandel, verdiente ein hübsch Stück Geld und war keinen Augenblick darüber im Zweifel, daß er, um seiner selbst willen, von dem jungen Mädchen nicht angenommen worden wäre. Aber sie machte ihn glücklich. Nu» fie war für ihn auf der Welt, er dachte nur an sie und betrachtete sie unaufhör lich in demüthiger Bewunderung. Wäh rend der Mahlzeiten beging er tausend Ungeschicklichkeiten, nur um den Blick nicht von dem geliebten Antlitz abwen den zu müssen; er goß den Wein in sei nen Teller, da» Wasser in'S Salzfaß, und dann begann er zu lachen, herzlich v- ein Kind, und wiederholte immer: „Ich bin doch recht ungeschickt! Aber ich habe Dich gar zu lieb, weißt Du!" Sie lächelte, sanft ergeben: dann wandte sie den Blick ab, als setzte sie die Bewunderung ihres Gatten in Ver legenheit, und versuchte daS Gespräch auf irgend etwas Anderes zu lenken, ihn plaudern zu machen. Aber er faßte über den Tisch hin nach ihrer Hand, hielt sie in der seinigen und flüsterte: „Meine süße kleine Jeanne, meine süße kleine Jeanne!" Endlich wurde sie ungeduldig und sagte: „Nun also, jetzt sei vernünftig! Iß und lass' mich essen " Er seurzte, brc ch ein Stückchen Brod herab und kaute cS langsam. Fünf Jahre blieb ihre Ehe kinderlos. Da pli>tzlich ward sie guter Hoffnung. DaS war ein unsinniges Entzücken! Er wich nicht mehr von ihrer Seite, so daß seine Dienerin, eine alte Magd, die ihn ausgezogen hatte und im HauS das große Wort sührte, ihn öfter gewaltsam hinausdrängen und die Thür hinter ihm abschließen mußte, damit er srische Lust schövie. Er hatte mit einem jungen Mann, der seine Frau seit ihrer Kindheit kannte, und der jetzt SouS-Ches »m Präfectur Bureau war, innige Freund schaft geschlossen. Herr Duretour di nirte dreimal die Woche bei Herrn Le monnier und brachte der Gnädige» Blumen, manchmal eine Loge in'» Theater. Und oft beim Nachtisch wandte sich der gute Lemonnier gerührt zu sei ner Frau: „Mit einer Lebensgefährtin wie Dich und einen Freund wie ihn,hat man das vollkommene Glück auf Erden." Sic starb im Wochenbett. Fast wär« auch er vor Schmerz vergangen. Aber der Anblick des Kindes gab ihm Muth. Ein armes, hilfloses Wesen, daS wim mernd nach Hilse verlangte. Er liebte eS mit einer leidenschaft lichen, schmerzlichen, krankhasten Liebe, mit der sich das Andenken an den Tod mengte, aber auch etwas von der Ver götterung fortlebte, die er sür die Todte gehegt hatte. ES war ein Theil ihrer Selbst, ihr sortlebendes Sein, wie eine Quintessenz ihres Wesens. Es war, als wäre ihr Leben in einen andern Körper, in de» Körper dieses Kindes übe, gegangen, sie war verschwunden, damit es zum Dasein erwache. Und der Vatcr umarmte den Knaben mit wilder Leidenschaftlichkeit. Aber dieses Kind hatte sie auch ge tödtet.es halte dieses angebeteteLeben au sich gerissen, geraubt, es hatte sich davon genährt, seinen Daseinsodem daraus geschöpft. Und Herr Lemonnier legte den Kna ben in die Wiege und setzte sich zu ihm und Hinz tausend traurigen oder süßen Gedanken nach. Dann, als der Kleine schlief, deugte er sich über fein Gesicht chen und weinte in seine Kissen. « « « Der Knabe wurde größer. Der Vater konnte keine Stunde mehr ohne ihn zubringen; er schlich sich um ihn, sührte ihn spazieren, zog ihn selbst an, wusch ihn, gab ihm zu essen. Sein Freund, Herr Duretour, schien den Kna ben auch zärtlich zu lieben; es überkam ihn manchmal, daß er ihn umarmen, an sich drücken mußte, mit jener frenetischen Zärtlichkeit, wie sie Eltern eigen ist. Er hob ihn hoch in die Luft, bis zur Zimmerdecke, ließ ihn stundenlang aus den Bnnen reiten, dann legte er ihn plötzlich aus den Knieen um und küßte seine dicken Schenkel und die kleinen runden Waden. Herr Lemonnier stam melte cntzückt: ~ :>t er nicht allerliebst,ist er nicht al lerliebst !" Uno Herr Duretour schloß das Kind in dieArine und vergrub seinen Schnurr bart in den weißen Hals. Nur Celeste, die alte Magd, schien sür den Kleinen gar keine. Zärtlichkeit zu fühlen. Seine Schelmenstreiche mach ten sie ärgerlich, die Schmeicheleien der b.'iden Männer schienen sie außer Rand und Band zu bringen. Sie rief: „Wie kann man nur ein Kind so schlecht erziehen! Sie werden einen schöne.« Thunichtgut aus ihm Machen!" Jahre vergingen und der kleine Jean war inzwischen neun Jahre alt gewor den. Er konnte kaum lesen, so sehr war er verzogen worden, so sehr mußte Alle» nach seinem Kopfe gehen. Er hatte sei nen hartnäckigen Willen, Ansälle von wüthendem Zorn und hartnäckigstem Widerstand. Der Vater gab immer nach, erlaubte Alle». Herr Duretour kaufte und brachte unaufhörlich Spiel zeug, daS der Kleine begehrte, und füt terte ihn mit Kuchen und allerhand Dann war Celeste immer zornig und schalt: „Eine Schande ist'S, Herr, eine Schande! Sie machen diese» Kind u» l glücklich, vcr'tehen Sie wohl, unglücklich Aber das muß ein Ende nehmen! ja, das wird ein Ende nehmen, ich sag's Ihnen, ich verspreche es Ihnen, und da» bald!" Herr Lemonnier erwiderte lächelnd: „Was willst du haben, meine Liebe? Ich habe ihn zu gern, ich kann ihm nickt widerstehen; darein wirst du dich wohl ergeben müssen." . * Jean fühlte sich etwas unwohl und schwach. Der Arzt constatirte Blut leere und verordnete Eisen, halbgebra tenes Fleisch und kräftige Suppe. Aber der Kleine wollte nur Kuchen habe»; er wies jede andere Nahrung zurück, und der verzweifelte Vater stopfte den Kleinen mit Cremetörtchen und Chocoladekrapfen. Eines Abends, al» sie sich zu Tische setzten, brachte Celeste die Suppenschüssel mit einer Zuversicht und einem bestimm ten Anstreten herein, wie eS ihr sonst nicht eigen war. Rasch nahm sie den Deckel ab, tauchte den Schöpflöffel ein und erklärte: „DaS ist eine Suppe, wie ich noch keine gekocht habe; heute muß aber der Kleine davon essen." Herr Lemonnier senkte den Kops. Er sah wohl, daß das schlecht ausgehen werde. Celeste nahm seinen Teller, füllte ihn selbst und stellte ihn dann rasch vor ihm nieder. Er kostete die Suppe und sagte: „Sie ist wirklich vortrefflich!" Nun packt- die Magd den Teller de« Kleinen und füllte ihn ebenfalls mit Suppe. Dann that sie zwei Schritte zurück und wartete. Jean roch an dem Teller, stieß ihn zurück und machte eine Geberde des Ekels. Celeste war bleich geworden. Heftig näherte sie sich, ergriff den Löffel und steckte ihn, mit Suppe gefüllt, ge waltsam in den halbgeöffneten Mund des Kleinen. Er bekam die Suppe in die unrechte Kehle, hustete, räusperte sich, spuckte und faßte heulend nach seinem Wasserglas, das er mit aller Kraft gegen die Magd schleuderte. Es flog ihr gerade an den Bauch. Da faßte sie erbittert den Kops deS kleinen Bengels und begann ibm die Suppe Löffel auf Löffel in die Kehle zu gießen. Er spie sie immer wieder aus, stampfte mit den Füßen, wand sich, verlor den Athem, fuchtelte mit den Händen in der Luft umher, al» ob er ersticken wollte. j Der Vater war erst so verblüfft, daß er bewegungslos dastand. Dann stürzte er urplötzlich mit der Wuth eines rasend gewordenen TollhäuSlerS auf die Magd IoS, packte sie bei der Kehle, warf sie ge gen die Mauer und rief: ! .Hinaus! Hinaus! Hinaus! Un geheuer!" Aber mit einem Ruck stieß sie ihn zu rück, ihr Haar löste sich, die Haube lag im Nacken, die Augen glühten und sie - schrie: „Was glauben Sie denn? Sie wol len mich schlagen, weil ich dem Kinde, daS Sie mit Ihrer Nachgiebigkeit töd ten werden, ein wenig Suppe zu essen i gebe?" j Er wiederholte, vom Kopf bis zu den Füßen bebend: „Hinaus! Pack' dich pack' dich, Ungeheuer!" l Wie rasend kam sie wieder auf ihn IoS und Aug' in Aug' mit bebender Stimme: „Ah, Sie meinen.... Sie meinen, daß Sie mich so behandeln dürfen, mich, mich? O nein! Und das Alles wegen dieses Grünschnabels, der nicht einmal Ihr Kind ist! Nein, nicht Ihr Kind!, l Nicht Ihr Kind, nein, nein! Alle Welt weiß es ja, potztausend, außer Ihnen! Fragen Sie nur den Krämer, den Bäcker, den Fleisch:r, Alle , Alle!" Sie stotterte vor Zorn und Auf regung, dann schmieg sie und sah ihn an. Er stand bleich und regungslos mit herabhängenden Armen da. Dann, nach einigen Secunden, stammelte er mit erloschener, bebender Stimme, in der dennoch eine gewaltige Erregung zitterte: „Was sagst du? Was sagst du? Was?" Sie schwieg, erschreckt von seinem Gesicht Sarsdruck. Er machte einen Schritt nach vorwärts und wieverholte: „Was sagst du? Was?" Da erwiderte sie mit beruhigterer Stimme? „Ich sage, wa» ich weiß, was alle Welt weiß, meiner Treu!" Er erhob seine beiden Arme, warf sich auf sie mit thierischer Wildheit und versuchte sie zu würgen. Aber sie war kräftig und beweglich trotz ihre» Al ter». Sie entschlüpfte ihm, lief rings um den Tisch und kreischte in erneutem Zorn: „So sehen Sie ihn doch an, blicken Sie bin, Dummkopf, der Sie sind, ob er nicht ganz das Ebenbild de» Herrn Duretour ist. Sehen Sie doch seine Naie an, seine Augen! Haben Sie solche Augen ? und die Nase? und die Haare? Oder hatte sie etwa solche? Alle Welt, lag' ich Ihnen, weiß e» ja, alle Welt, Sie ausgenommen! ES ist das Gelächter der ganzen Stadt! Sehen Sie ihn nur an —" Sie kam an der Thür vorbei, schloß sie auf und verschwand. Jean blieb entsetzt und unbeweglich vor seinem Suppenteller sitzen. . Nach Verlauf einer Stunde kam sie wieder herein, um nachzusehen. Der Kleine war nun, nachdem er die Kuchen und das Compot verspeist hatte, daran, den Confilurentops mit seinem Suppen löffel zu leeren. Der Vater war ausgegangen. Celeste umarmte das Kind, trug eS leisen Schritte« in sein Zimmer und legte eS zu Bett. Und sie kehrte in'S Speisezimmer zurück und brachte Alles in Ordnung. Sie war sehr beun ruhigt. Man vernahm gar keinen Lärm im Hause, gar keinen. Sie horchte am Zimmer ihres Herrn. Nichts rührte sich. Sie l-gte das Äuge an'S Schlüsselloch. Er schrieb und schien ruhig. Dann ging sie in die Küche und setzte sich nieder, um sür jeden Fall bereit zu > sein: denn sie witterte wohl etwas Schlimmes. Sie schlief auf ihrem Stuhle ein und wachte erst des Morgens auf. Wie gewöhnlich des Morgens be sorgte sie den Haushalt; sie kehrte, staubte ab und bereitete gegen 8 Uhr den Kaffee für Herrn Lemonnier. Aber sie wagte es nicht, ihn in'S Zimmer zu bringen, da sie nicht reckt wußte, wie er sie empfangen würde, und sie wertete ab, b>S geläutet werde. Er ! läutete nicht. Es ward g Uhr, 10 ! Uhr. Celeste richtete bestürzt ihr Plateau zurecht und machte sich klopsenden Her zens aus den Weg. Bor der Thür blieb sie stehen und lauschte. Nicht» regte sich. Sie klopft». Keine Ant wort. Da nahm sie ihren ganzen Muth zusammen, öffnete, trat ein und ließ mit einem entsetzlichen Schrei das Frühstück zur Erde sollen. Herr Lemonnier hatte sich an einem mitten am Plasond befestigten Lampen- Haken erhenkt. Die Zunge hing ,hm entsetzlich heraus. Sein rechter Pan toffel lag aus dem Boden. Der linke war am Fuß geblieben. Ein umge worfener Stuhl war bis zum Bett ge rollt. Celeste ergriff beulend und fast be sinnungslos die Flucht. Alle Nach barn liefen herbei. Der Arzt consta tirte, daß der Tod gegen Mitternacht eingetreten sein müsse. Ein an Herrn Duretour adressirter Brief wnrde auf dem Tisch des Selbst mörders vorgesunden. Er enthielt nur diese Zeile: „Ich scheide, sorgen Sie sür den Kleinen." Ter Talai Lama. In Murrans Magazin findet sich ein interessanter Artikel über den Hxrrjcher und das Volk von Tibet, dem wir Fol gendes entnehmen: Der gegenwärtige Dalai Lama so heißen TibetS Herr z scher ist der siebente, der seit Beginn dieses Jahrhunderts den Thron bestie i gen hat. Keinem von ihnen ist es ver l gönnt gewesen, das zwanzigste Jahr zu erreichen. Mr. Sandborg, der Ver fasser des ArtilelS, erklärt offen, dah die Chinesen dafür verantwortlich se«,. „Um ihre Stellung in Tibet zu behaup ten," heißt e», „die Producte des Lan des zu ihrem Vortheil auszubeuten und andererseits wieder die alleinige Liese rantin desselben zu sein, trägt die chinesische Regierung kein Bedenken, dm Mord jedes einzelnen Landessürsten zu veranlassen, bevor er mündig wird. So sind wenigstens fünf der Dalai La mas während des laufenden Jahrhun derts aus geheimen Befehl von Peking aus mit Ueberlegnng zu Tode befördert. Man läßt den jungen Herrscher ruhig leben, bis er daS Alter erreicht, welches ihn berechtigt, die volle Souveränität auszuüben; dann kommt das Edict, daß er sterben muß. und irgend ein gefügi ges Werkzeug führt daS blutige Ende herbes Die hohen Würdenträger des Staa tes scheinen sehr wohl zu wissen, daß ihre geheiligten Herrscher das Leben aus verrätherische Weise verloren haben; aber Drohungen und Bestechungen der chinesischen Gejaßdten in Lhassa Hauptstadt) haben bisher jeden Ver such, das Leben eines der jungen Für sten zu retten, vereitelt." Die jetzige Lage der Dinge bietet der nationalen Partei günstigere Aussichten. DaS Volk ist von Unwillen ergriffen gegen die Anmaßungen Chinas, .der junge Herrscher ist geistig und körperlich nn voller Kraft und wird in achtzehn Mo naten das Alter erreichen, um anstatt des bisherigen Regenten die weltliche Macht zu übernehmen, wie er schon vor her von der geistlichen Gewalt Besitz ergriffen hat. „Man muß bedenken," fährt Herr Sandberg fort, „daß von der großen Masse des Volkes, den Mongolen horden von Khoko-Nur und der chinesi schen Tatarei, den Kalmüken und Bur jaten deS asiatischen Rußlands, dieser geheiligte Jüngling als eine Gottheit betrachtet wird, die über allen Göttern steht. Alle diese Völker, fromme und « eifrige Buddhisten bis auf den letzten Mann, würden auf jeden Ruf von dem höchsten Haupte ihres Glaubens zum Religionskrieg herbeieilen. Der Dalai Lama, der Vertreter Buddhas auf Er den, von dem Fremden bedroht, sein Leben in Gesahr, daS würde in der That ein Schlachtruf von zauberhafter Wirkung sein. Bisher ist bei den er gebenen Anhängern deS Dalai Lama niemals der Gedanke an einen Kampf ihres Oberhauptes gegen den chinesi schen Kaiser erweckt worden; aber die wenigen, die darüber zu urtheilen ver mögen, können nicht daran zweifeln, daß dieser Kampf bevorsteht. Di- Excesse, welche neuerdings von Chinesen in Ti bet begangen sind, haben eine Krisis herbeigesührt, die nur auf das Erschei nen eines gläubigen Vorkämpfers war tet. um einen bluligen Kreuzzug zu er öffnen. Wohl zu merken! Du magst darüber glücklich sein, Wenn dich deS Fürsten Gunst bescheint. Doch immer präg' dir Dieses ein: Daß er der gürst und du der Freund. „Aber, Lina, ich erfuhr, daß gestern Jemand bei Ihnen ,n der Küche gesessen und Sie wissen doch, daß ich Fremde in meiner Wohnung nicht dulde." „Aber, gnädige Frau, mein Bräutigam ist mir doch kein Frem der mehr!" Doppelsinnig. Braut: „Nicht wahr, Oskar, wenn wir verhei rathei sind, bleibst Du immer zu Hause und ich singe und spiele Dir was vor?l" Bräutigam: „Jawohl, theure Olga, ich hab' mir ohnehin nie etwas aus Vergnügungen gemacht."
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