Der Liberale Beobachter Und Berks, Momgomery und Schuylkill Camtties allgemeiner Anzeiger.^ M.e avln g, Venn. Gedruckt und herausgegeben von Arn o l d Pnwe l! e, in der Snd 6ren Straße, zwischen der Franklin- und Cbrsnnt - Slraße. Jahrg. ganze Nnm. ASS. Scdinaunaen : Der liberale tlcob.iclrtcr erscheint jeden Dienstag aus einem großen Äcuperial - Bogen mit schonen Lettern gedruckt. Der SubscriptionS - Preis ist Ei n Th.rler de? Jahrs, welcher in halbjährlicher Vorausbezahlung erbeten wird. Wer im Laufe des Zahres nicht bezahlt, dem werden Hl 5N angerechnet. Für kürzere Zeit als tt Monate wird kein Unterschreiber angenommen, und etwaige Aufkündigungen werden nur dann angenommen, wenn sie einen Monat vor Ablauf des Lubseriptions-Termins geschehen und gleichzeitig alle Rückstände abbezahlt werden. Bekanntmachungen werden dankbar angenommen und sür den gewöhnlichen Preis ein» gerückt. Unterschreibern in hiesiger Stadt wird die Zeitung portofrei geschickt, weitere Versendungen geschehen durch die Post öder Träger, auf Kosten der Unterschreiber. Briefe und dergl. müssen postfrei eingesandt werden. Die Seeräuber. Aus dem Tagebuche eine Vielgereisten. (Von Wilhelm Schröder.) Es war ein schöner Aprilabend. Die, Sonne warf das Bild der großen Schif fe, die im Mississippi lagen, in langen Schatten. Durch das dumpfe Geräusch der Menge auf dem Verdeck tönte der Ge sang der Matrosen, zwischen den rollenden Wagen und galloppirenden Pferden gin gen wechselweise der Havannese in seinem bunten Mantel, Sclaven von allen Far- ben, Kaufleute aus allen Nationen und aus allen Weltgegenden. Am Ufer be streute eine Allee chinesischen Hollunder's die Erde mit vielen Blumen; in prangen - dem Grün glänzten die Gärten ohne Zahl, die Neu Orleans umgeben, über den Dä- chern der niedlichen Häuser wiegte der Palmbaum sein stolzes Haupt, wie einen ungeheurer Sonnenschirm, mitten unter blühenden Magnolien, und während am Horizont Geier und Adler in ihrem schnel len Fluge die Lüfte durchzogen, hüpften unter Orangengebüschen und Feigenbäu ! men summende Kolibri's. Amphitheatralisch lag Neu Orleans da, mit seinen niedrigen, alignirten Häusern, seinen Kirchen und größeren Gebäuden. Auf allen Seiten erstreckten sich eine Rei he herrlicher Gärten bis hinter den weiten Umkreis hinaus, den der Fluß an beiden äußersten Enden der Stadt bildet. Noch rauchten die Zuckersiedereien am andern U fer und die Eypressenbaume auf dem dum pfigen Boden, die die Aussicht um die Wo hnungen herum benahmen, bildeten den Rahmen zu diesem großen Gemälde. Ei nige Meilen unterhalb des Hafens hörte man in Pausen Kanonendonner. Viel leicht war es nichts, als daS gewöhnliche Signal eines von Europa erwarteten Schif fes. Doch fortwährend brüllte der Ka nonendonner. Das Feuer schien von ei ner Segelgruppe herzukommen, die man allmählig seitwärts vom dichten Gehölz unterscheiden konnte. Jedermann lief nun nach dem Damme hin; die Seeleute hör ten auf zu arbeiten, der Gesang verstumm te und langsam sah man zwei große Schif fe heraufsteigen, deren weiße sich in den vom letzten Sonnenstrahl gerötheten Fluthen spiegelten. Bald konnten die Augen der Neugierigen sie ganz ersehen. Das eine, mit einer Reihe Kanonen, führ te die amerikanischen Farben, und ein lan ger, mit Sternen besaeter Wimpel flatter te am Hauptmast ; das andere hatte man ins Schlepptau genommen; es war eine jener schmalen Galeassen, die in den Hä fen der Ver. Staaten oft gebaut und an die Corsaren der neutralen Inseln verkauft werden. Von seinem Marssegel herab wehte eine große scharze Flagge. Schon seit langer Zeit war die Küste von Piraten beunruhigt worden; zu Ba lize stationirtePiloten versicherten, sie hät ten Schiffe weggenommen, die schon bis in die Gewässer des Mississippi gelangt waren. Nur mit Zittern konnte man den Golf beschissen. Ein Matrose, der bei dem Verluste seines Schiffes wie durch ein Wunder entkommen war, berichtete Un glaubliches von der Kühnheit der Räuber. Man rüstete daher bald eine Corvette aus, um die Seeräuber aufzusuchen, und sie war es, die jetzt mit ihrer Beute zurück kam. Hinter ihr her beeilte sich eine gro ße Menge kleiner Segel von allen Gestal ten, den vertheidigungslosen Feind zu es kortiren, gleichwie die Kinder zitternd dem Wolfe folgen, der mit einem Maulkorbe versehen durch die Straßen gezerrt wird. Die Nacht nahte heran, die großen Segel wurden nach und nach herabgelassen, um die schweren Segelstangen gewickelt, und das Kriegsschiff warf Anker. Bei Anbruch des Tages versammelte sich eine ungeheure Menschenmenge auf dem Damme; eine doppelte Reihe bewaffn neter Matrosen führte die Piraten insGe fängniß, das nur einige Schritte vom Lan dungsplatze entfernt war. Ihnen folgte der Haufe. Mit gebundenen Händen ging der Hauptmann an der Spitze. Sei- ne Farbe war gelb; Härte und Trotz spie gelten sich in seinen Zügen, aus seinem Blicke strahlte das Feuer eines spanischen Auges. Ein rothes Taschentuch bedeckte seinen Kopf, und über die braunen Wan gen träufelte das Blut einer großen Wun de, die er im Gefechte erhalten hatte. Hinter ihm kam sein Lieutenant, den Kopf trug er aufrecht, sein Blick war ruhig und gefühllos, nur von Zeit zu Zeit zuckte sein schwarzer Schnurrbart und verrieth die innere Wuth. Hierauf kamen die Ban diten je zwei und zwei, und schleppten ih re Ketten mit großem Geräusch. Wie sie den Haufen durchtheilten, hörte der Lärm auf; still, mit einer Mischung von Schauder und Furcht, betrachtete man sie, bis sie dem Blicke entschwanden, und man hörte, wie die schweren Riegel des Ge fängnisses hinter ihnen zugeschoben wur den. Die Richter versammelten sich bald, und der schreckliche Todesspruch, der mit einer donnernden Stimme dreimal verlesen wur de, lief so zu sagen über die Gesichter der Verurtheilten, ohne den geringsten Ein druck zu erregen. Der andere Morgen war der zur Hinrichtung festgesetzte Tag. Alle Schiffe im Hafen hatten die Flag gen aufgezogen. In drei Reihen am U fer liegend, hatten sie die Rhede ganz frei gelassen. Nur die Eorvette lag mitten im Flusse, einige Klafter davon entfernt die zerschossene und ihrer Segel beraubte Galeasse des Corsaren, und vom halben Mast herab wehten die schwarzen, mit Todtenköpfen übersäeten Flaggen. Von den beiden Enden der großen Segelstan ge herab hingen lange, an Kolben befe stigte Seile, die durch ein doppeltes Ge gengewicht gehalten wurden. Aus dem Gefängnisse traten die beiden Anführer, um zum Tode zu gehen. Der Haufen versperrte den Zugang zum Ha- fen, Fenster und Dächer waren mit Men schen aller Farben und jeden Alters über-1 laden, Kinder hatten die Mauern erstie gen und waren an Schiffsseilen oderßäu men hinaufgeklettert. Der Haufe stieß und drückte sich. Das Geschrei, die er stickten Stimmen, die wellenförmigen Be wegungen, diese Menge Köpfe glichen ei nem Getraidefelde, das der Nordwind be wegt. Bis an die Fenster des Gefäng nisses erstreckte sich die Menge, wo die Ge sichter der Gefangenen sich an das enge Gitter anklammerten; auch sie wollten, bevor sie selbst ihre Strafe erlitten, das Recht genießen, das ihnen noch blieb, ei nen Menschen sterben zu sehen. Gegen Mittag stiegen die Anführer in das Boot Tiefe Stille, Todtenruhe herrschte überall. Nicht zu athmen schien man, nur überall glänzten die Augen, blos das Plätschern der Ruder ertönte aus den Fluthen. Plötzlich erschütterte eine heftige Bewegung die Schaluppe, ganz ungebunden stürzt sich der Hauptmann in die tiefen Wellen, und ein großer Wirbel zeigt wo er verschwunden ist. Ungeheu res Geschrei erschallt vom Ufer. Das Volk brüllte wie der Tiger, dem man sei ne Beute entrissen ; aber bald kam der Pi rat wieder zum Vorschein, suchte sich auf den Fluthen zu erhalten, und kämpfte ge gen den Tod, der ihn schon umringte; man sah, wie er sich gegen die Schiffshaken wehrte, die die Matrosen von allen Sei ten auf ihn warfen. Endlich ward er be wußtlos an Bord geworfen. Sein Ge fährte, der auf einer Bank angebunden war, warf traurige Blicke auf seinen Hauptmann, der wider seinen Willen ei nem grausamen Tode entflohen war, um einen schimpflichen zu sterben. Das Volk aber jauchzte Beifall vom Ufer her. Als man hierauf den Kanonier mit der bren nenden Lunte kommen sah, wurde es wie der still, beim Anblicke des erwarteten Signals. Als der Pirat an Bord geworfen, war er wieder zu sich gekommen; seine Augen irrten einige Sekunden auf seinem Schif fe umher, wo er so lange als Herr befeh ligt hatte. Seine Gefährten standen in "wittig zu loben und ohne Furcht zu tadeln." Dienstag den 14 Deeember, Reihe und Glied, und warteten auf die Hand des Henkers. Alle neigte ihr ge beugtes Haupt vor der erhabenen Stirn des Führers, der im Augenblicke aus ei nem Gefecht zu kommen schien. Den Henker, der sich ihm nahte, stieß er mit dem Fuße fort, steckte den Kopf selbst in die Schlinge, und während sein Gefährte noch einen letzten Blick auf ihn warf, der Knoten schon seinem Halse nahe war, schrie der Corsar: "Feuer!" der Kano nenschuß ertönte wie ein Donnerschlag, die Gewichte ließen nach, und zwei Leiber hingen an der großen Segelstange und krümmten sich in der letzten Angst des Todeskampfes. Hierbei erinnere ich mir der Geschichte des Seeräubers Cavacilla, dem das schreckliche Ende durch Henkershand nicht wnrde. In einer stürmischen Oktobernacht, nur sparsam von dem Schimmer des Mondes durch zerrissene Wolken erhellt, kreuzte der Seeräuber Cavacilla mit seiner erprobten Goliote von fünfzehn Kanonen, auf dem Meere in der Gegend der englischen Kü ste, um von der zurückkehrenden spanischen Silberflotte etwas zu erbeuten, derer, un ter Begünstigung des Sturmes entgegen harrte. Wild, wie die schäumenden Wogen, tob te die Mannschaft des Schiffes durch Kampflieder und Jauchzen, da sie tapfer gezecht hatten. Dadurch pflegte Cavacil la bei den Seinen Muth und Tollkühn heit aufzuregen, während er nüchtern und kaltblütig sich an den krachenden Haupt mast lehnte, im Aufruhr der Natur, der einem Aufruhr in seiner Seele, so wie dem der Schiffsmannschaft entsprach. Da erhellte der Mond die nächtlichen Gewässer und ein auf den Wogen tanzen des Segel ward in nicht weiter Entfernung sichtbar. „Hallo! die Spanier!" rief Cavacilla und dieser Ruf brachte die Matrosen in ! doppelte Thätigkeit, die Segel beizusetzen und Ader war an seinem Platze. Alles machte sich schlagfertig und im Kampfe mit'den Wogen erreichte man das Schiff, !dem ein vorgesandter Kanonenschuß ver kündete, was man im Schilde führe. Die Spanier, durch den Sturm von ihrer Cor ! voy getrennt, entmuthigt durch die crlit , tene Noth mit den Elementen, erwiederten diesen Schuß nicht und nur Lebensrettung bedingend, strichen sie die noch erhaltenen i Segel und der Seeräuber machte wider ! Erwartung, ohne viele Anstrengung, ei 'ne große Beute. Das spanische Schiff ! ward bestiegen, entwaffnet u. ins Schlepp tau genommen. So lavirte man gegen die englische Küste zurück. Bei anbrechendem Morgen, als sich der Sturm gelegt hatte, meldete man dem Hauptmanne, es befänden sich Damen auf der spanischen Prise, deren eine, wahr scheinlich die Vornehmste, am trostlosesten schien. Cavacilla, dem ritterliche Galan terie nicht fremd war, kleidete sich sogleich auf das sorgfältigste an und eilte auf das spanische Schiff. Er erstaunte, als er in der ihm unter den Frauenzimmern als die Vornehmste bezeichnete Miß Baltimore erkannte, die einzige Tochter des schottischen Lords Baltimore, nebst ihrem Kammermädchen. Im ersten Augenblick war er so verlegen, daß er keine Silbe sprechen konnte, er wur de leichenblaß, dann wieder etwas sich fas send, äußerte er seine Verwunderung mit wenigen Worten, sie hier zu finden. „Das wundert mich weniger!" versetz te sie mit feurigen Blicken, „als daß ich Sie hier finde, Lord Cinnamoni!" Diese Frage beruhigte ihn, er sah dar aus, daß sie in ihm nicht den Seeräuber erblickte, sondern den früheren Freund, der damals auf ihr Herz Eindruck gemacht hatte. Der Pirat führte die Lady mit ihrer vertrauten Freundin Betty in das Schiffs zimmer, das er in Stand setzen und dann Erfrischungen bringen ließ; dann entfern- te er sich einige Minuten, mit der listigen Entschuldigung: er wolle nachsehen, was der Seeräuber Cavacilla treibe, aber ei gentlich in der Absicht, um solche Befehle zu geben, dass er bei seiner Rückkehr in seiner Unterhaltung nicht gestört werde. Es drängte sich aber ein ältlicher Mann heran, der sich als der Beschützer der Da men und als bewährter Freund d.s Lord Baltimore ankündigte, und verlangte Ein tritt in das Zimmer. Cavacilla trat bald darauf ganz unbefangen zu dem Kleeblat te ein. Er hatte sich aus dem Seeräuber in den Lord Cinnamoni metamorphosirt. „Ich bin ein Gefangener, sprach er, so wie Sie, meine Damen, wie Ihr Beschüt zer. Ich habe mich aber schon ausgelöset und so hat mich das Schicksal zn Ihrem Schutzgeist gemacht, um Sie wohlbehal ten auf meine Besitzung zu bringen; von dort aus kann ich für Ihre weitere Reise nach der Heimath sorgen." „Ach! seufzte Lady Baltimore, wenn nicht der Seeräuberhäuptling, dessen An denken mich schon mit Schrecken erfüllt, die Freude zerstört, die in diesem Augen blick mein Herz belebt." Sie beschrieb ihm hierauf, welche große Schrecken und Gefahren sie bei derWuth des Sturmes ausgestanden habe, wie sie bei jedem furchtbaren Krachen der Masten, bei dem zuvor noch nie gehörten donnern den Anschlagen der Wogen einer Ohnmacht nahe, und bei jeder Verwüstung, welche der Sturm unter Masten und Segeln an gerichtet, wirklich bewußtlos niedergesun ken sei. Nur Hr. Lincol n— auf den ältlichen Mann deutend habe ihr Bei stand geleistet, sie immer wiederaufgerich tet und ihr Muth eingeflößt, bis bei dem ersten Kanonenschuß des Seeräubers, mit ten in einem Kampfe der Elemente, auch er mit der ganzen Mannschaft muthlos geworden sei. Lincoln bestätigte dies und fügte hinzu: „Bei dem Angriffe des Piraten schüt telte mich gar ein Fieberfrost, aber My lord! nicht um meinetwillen, sondern we gen meiner Schutzempfohlenen. Ein kal ter Angstschweiß trat auf meine Stirne. Auf dem Meere vertraute ich noch Gott und hegte Hoffnung um der Unschuld Wil len ; was war aber von Seeräubern zu hoffen? Doch ich schäme mich jetzt dieses Kleinmuths. Der Mensch denkt, Gott lenkt." „Wie kommen Sie aber auf dies spa nische Schiff, Milady?" fragte der Lord Cinnamoni die Lady Molly Baltimore. „Davon ist viel zu sagen, mein werther Herr," nahm Lincoln das Wort: „Wir kommen eigentlich von den Azoren, und zwar von Terceira, wo wir bei einer alten lieben Verwandten, die nun gestorben ist, beinahe drei Vierteljahre uns aufgehalten haben." „Meine Tante von mütterlicher Seite, siel Lady Molly ein, „war dort verheira tet, und besaß ansehnliche Güter. Seit mehren Jahren Wittwe und hoch betagt, hatte sie fortwährend in ihren Briefen an meinen Vater den Wunsch geäußert, mich noch vor ihrem Tode zu sehen. Mein Va ter wollte sich immer nicht zur Erfüllung dieses Wunsches ver stehen, aber ihre Brie fe wurden immer dringender, so rührend, und drückten eine so große Sehnsucht nach mir aus, daß ich selbst eine solche theilte, und ihn bat, mich reisen zu lassen. So furchtbar auch mein Vater mir die Schrek ken des Elements und die Gefahren einer Seereise schilderte, so machte es doch kei nen Eindruck bei mir, es lebte in meinem Herzen nur ein Wunsch, meine gute Tante zu sehen und möglichst zu pflegen und aufzuheitern, denn in ihren Briefen sprach sie die mütterlichste Zärtlichkeit ge gen mich aus. Sie wissen es ja zu gut, wie wir Weiber uns von unserm Gefühl beherrschen und hinreißen lassen! Meine Mutter, die auch gegen meine Reise war, ließ sich von mir umstimmen. Ich erreich te mein Ziel. Mein Vater traf die sorg fältigsten Anstalten zu meiner Reise. Herr Lincoln, ein geprüfter Freund unse- Laufende Nummer I« res Hauses, wurde mein Begleiter und Beschützer. Unsere Uebei fahrt nach Ter ceira wurde durch keinen Unfall getrübt. Unser Empfang war wechselseitig reich an Freude, und zwölf Wochen verflossen in der ungetrübtesten Heiterkeit, da erkrank te meine Tante gefährlich, vielleicht von den ungewohnten Anstrengungen und der unei warteten, freudigen Ueberraschung, mich vor sich zu sehen, und wurde zuse hends schwächer. Die letzten Wochen wa ren wahre Jammerwochen. Sie starb in ineinen Armen; ich küßte ihren Segen noch von ihren Lippen. Sie hatte mir ihr ganzes Vermögen vermacht; aber ich freute mich nicht. Ich dachte mit keiner Silbe daran, mich in den Besitz meiner Erbschaft zu setzen, hätte mein guter Lin coln nicht dafür gesorgt, Alles zu Gelde gemacht und es in einen Koffer gepackt-" „Unnütze Mühe! rief Lincoln : der ist nun die Beute eines schändlichen Piraten geworden." „Das soll nicht geschehen! riefCinna moni und ging mit Lincoln auf das Ver deck. Hier ließ er sich von ihm im Rau me den Koffer zeigen. „Fassen Sie an," sprach er zu Lincoln, indem er die eine Handhabe desselben er griff, Lincoln erfaßte die andere und Bei de trugen den Koffer in das Zimmer und setzten ihn zu Molly's Füßen nieder. Lady Baltimore, überrascht und ge rührt brach in Freudenthränen auö, und sie sowohl als Lincoln konnten nicht Wor te genug finden, des Lords Großmuth zu preisen, ohne daß ihnen daß Räthselhafte seines Betragens aufsiel. „Ja ja!" sprach Lincoln: „es war ei ne Fügung des Himmels, daß die spani sche Flotte in Terceira einlaufen mußte, um uns aus dem Lande der Trauer heim zuführen, und der Pirat mußte uns auf bringen, um in Ihnen, Mylord, einen so edlen und wichtigen Beschützer zu finden." Es wurde an die Eajütenthür gepocht und der Lord ging hinaus; die Damen bittend, ruhig zu oerweilen und sich reise fertig zu halten. Zurückgekehrt, war er in einen Reise mantel gehüllt, und ihm folgten zweiMa trosen, die auf seinem Befehl den Koffer und das kleine Reisegeräth der Damen u. Lincoln's wegtrugen. Er selbst bot Miß Baltimore den Arm und eröffnete ihnen, daß sie im Angesicht der irländischen Kü ste und die Schiffe vor Anker gelegt wä ren, um die Ueberfahrt nach seinem Land sitze vorzubereiten. Das Schiff stand auch bald still und als sie auf das Verdeck traten, machte das Schiffsvolk dem Lord und seiner Beglei tung achtungsvoll Platz, damit sie an die Schifföseite gelangten, wo das herabgelas sene Boot mit den Reisegeräthschaften versehen, und mit rudernden Matrosen bemannt, bereit lag. Die Dcumn wur den auf einem Sessel langsam ins Boot herabgelassen; Lincoln, nebst dem Lord, und dessen Bedienung folgten auf der Strickleiter nach. Ein lautes Hurrah be gleitete sie bei der Abfahrt, welches der Lord durch Schwenkungen seines Hutes erwiederte. Die nun ruhige See begün stigte die Landung im neuen Kanal, ser des Lords Landsitz bewässerte; die Schif fe hatten indeß die Anker gelichtet und entschwanden dem Gesichte. Lady Baltimore und ihre Begleitung überließen sich der lebhaftesten Freude, als sie, auf heimathlichen Boden angelangt waren, und der Lord trug seinerseits Sor ge, Alles zu veranstalten, um ihnen den Aufenthalt in der herbstlichen Natur an genehm zu machen und sie für eine so mühselige Reise zu entschädigen. Unter diesen Verhältnissen erwachte die frühere Neigung für den Lord in Lady Baltimore s Herzen aufs neue Dies ver riethen Blicke und Benehmen. Auch auf des Lords Antlitze sah man einen wehmü thigen Ernst, der einen großen Kampf in seinem Innern verrieth. (Fortsetzung folgt.)
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