ll» Aml-Mme. ,4. AtMsepuiig.) „Beruhige Dich doch Johanne!" suchte Herr Wurm seine Gattin zu trö sten Allein Frau Heinzelmann sprach ge „Schweigen Sie, Herr Schwieger sohn!" Dann schüttelte sie ihre rastlos in ein großes Taschentuch hineinweinenve Tochter ziemlich unsanft an der Schul' ter unb sagte mit harter Stimme: „Mach- mir keine Faxen vor, Jo- Wirkung diesn Aufforderung blieb nicht aus. denn Frau Johanne trocknete sich sofort die Thränen, rich tete sich aus ihrer liegenden Stellung auf unb ächzte fortan nur noch wenig kaum der Rede werth. Frau Heinzelmann war gewöhnt, daß ihren Befehlen augenblicklich Ge horsam geleistet wurde und wunderte sich daher nicht im mindesten über die so rasch und auf so einfache Weife er zielte Heilung der „Weinkrämpfe." Sie wendete sich vielmehr sofort dem Man ne zu, der das Glück genoß, eine so ge waltige Frau zur Schwiegermutter zu haben, warf demselben zunächst einen wahrhaft vernichtenden Blick zu und sprach sodann bas große Wort gelas „Sie sind an Allem schuld!" Der arme Wurm knickte sichtbar zu sammen, und vor bodenlosem Staunen über diese durch nichts gerechtfertigte Anschuldigung blieb ihm der Mund of fen stehen, was umso komischer aussah, als der Grocer zugleich mit Kinn und Hals in seiner Halsbinde verschwand. Endlich brachte er hervor: „Ich wäre an —" „Sie und Niemand anders!" unter brach ihn Frau Heinzelmann in einem Tone, der jeden Einwand vorneweg ab schnitt. „Wer heißt Sie auf bieStraße hinausgehen und mit dem groben Painter anbinden? Schweigen Sie! Und dann, wenn Sie schon so un vorsichtig sind: warum bewähren Sie sich dann nicht wenigstens als Mann? Man muß sich schämen, was Sie sich alles von dem Menschen an den Kops werfen lassen." „Aber, mein Himmel, Sie werden doch nicht verlangen, daß ich mich in eine Rauferei einlasse?" „Das hätten Sie nicht nothwendig, wenn Sie mannhafter auftreten wür den," sagte Frau Heinzelmann, „Sie haben gesehen, wie ich ihn bezähmte." Daß der wilde Hopser gegenüber seiner Schwiegermutter den Kürzeren gezogen hatte, konnte Wurm nicht in Abrede stellen. Seine Haltung war da her ziemlich unsicher, als er zu beden ken gab: „Ja, sehen Sie das ist ganz et was anderes!.... Sie sind eine Frau.... er wird sich hüten, eine Frau zu prü geln!...." „Das ist es nicht!" sprach Frau Heinzelmann äußerst majestätisch. „Aber er sieht, daß ich mich nicht vor ihm fürchte das ist Alles... Das ist der Weg, wie man solchen Leuten im ponirt, Herr Schwiegersohn. Vor einem Hasenfuß wie Sie hat freilich Niemand Respekt." „Ich möchte um mehr Rücksicht ge beten haben, Frau Schwiegermutter," sagte Herr Wurm mit einer Stimme, in welche er vergebens Festigkeit und Würde zu legen versuchte. „Rücksicht für Sie!" rief aber die > Heinzelmann bohnvoll. ..Haben Sie et wa Rücksicht für uns? Sehen Sie nicht, wie Ihre Frau leidet?" „Ach Gott! ach Gott!" stöhnte Frau ren?" fuhr Frau Heinzelmann un barmberzia fort, „wissen Sie Ihrer Familie Achtung zu verschaffen? Schü tzen Sie sie etwa vor boshaften Nach barn? Benehmen Sie sich wie ein Frau Heinzelmann hatte ihren Stoff noch lange nicht erschöpft, ja, sie ge dachte diesmal dem armen Wurm ganz besonders hart zuzusetzen, einestheits, weil ihr dessen unrühmliche Haltung wirklich Anlaß dazu gab, anberntheils aber auch, weil sie sich für die mehrtä gige Friedenspause entschädigen wollte, welche ihr die Heimkunft des Dr. Ju lius Wurm abgezwungen hatte. Be dauerlicherweise wurde sie jedoch hier im Texte ihrer Predigt durch den klei nen Charley unterbrochen, der, mit dem ganzen Gesichte lachend, in's Zimmer Unb was schwang der ahnungslose Knabe in der Hand? Nichts Geringe res als ein längliches Ding, das Vater Wurm auf den ersten Blick händerin gend als den Bogen erkannte, von wel chem aller menschlichen Berechnung nach jener verhiingnißvolle Pfeil nach des Nachbars Nase abgeschnellt worden war. Und er, Wurm, hatte die Exi stenz dieses Bogens vor aller Oeffent lichkeit auf das Bestimmteste bestritten! So war also Nachbar Hopser mit sei nen Beschwerden eigentlich völlig im Rechte, und die Familie Wurm mit Arminius Wurm an der Spitze saß, wenn man so sagen darf, bis an den Hals hinan im heillosesten Unrechte. „Unglückskind!" rief Charleys Va ter niedergeschmettert. Doch Frau Heinzelmann gebot ihm mit einem einzigen strengen Blicke Stillschweigen. Mit der feinen Diplomatie, die sie ihren Enkeln gegenüber in allen schwie rigen Fällen herauszukehren liebte, i beugte sie sich, das zärtliche Großmut» auf den Lippen, zu dem Jun- nieder und fragte, mit einem Fin ger auf den Boden tippend: „Woher hast Du das, mein Herzens kind?" „Aus der Aard," antwortete Char ley, der Wahrheit gemäß. „Das lugt der Schlingel/ warf der Vater zornig ein, doch brachte ihn ein Blick der Frau Heinzelmann sofort wieder zum s-chweigen. „Dort hat es ein anderer Junge ver loren weiht Du vielleicht wer, mein süßer, kleiner Charley?" fragte die Großmutter wieder, Charley zögerte ein wenig mit der Antwort! er hatte hinter dem Bretter zäune hervor gesehen, daß Gusting mit dem Bogen geschossen und diesen dann plötzlich weggeworfen hatte. Instinktiv, und ohne zu wissen, was geschehen, hatte auch er, Charley, Reißaus genom men, als er seinen Bruder so thun sah. Im Besitze eines reineren Gewissens als Gusting war er aber bald wieder zurückgekehrt und hatte nun den Bo gen „gefunden". Der Junge fürchte te jetzt, man würde ihm seinen Fund abnehmen, wenn er die Frage der Gro ßmutter so beantwortete, wie die Wahr heit es eigentlich erheischte; dann aber überlegte er, daß die Großmutter ihr Nesthäckchen schon auf irgendein« Art vor dem Verluste des Bogens, für des sen gegenwärtigen rechtlichen Besitzer er sich natürlich hielt, beschützen werde, und so antwortete er: „Gusting hat es weggeworfen." „Ah also Gusting!" sagte Vater Wurm, von dieser Nachricht scheinbar recht befriedigt, und dabei sah er um her, ob nicht im Bereiche seiner Hand etwas wäre, womit man Gusting ein dringlicher als es mit Worten möglich war, klar machen konnte, baß aus ei nem friedlichen Chicagoer Bürgerhaus« nimmermehr ein Jndianerlager aus dem fernen Westen werden dürfe. „Gusting hat es weggeworfen?" in quirirte inzwischen die Großmutter weiter, „und warum das, mein Herz?" „Weiß es nicht," sagte der Kleine, „Gusting schoß in die Luft und rannte davon und warf das Ding weg weiß nicht warum." Papa Wurm wollte vor Aerger fast ersticken. „Na, so will ich dem miserablen Nichtsnutz aber doch einmal das Le derzeug gehörig anstreichen!" brach er los! dabei faßte er nach dem unheil vollen Geschenke des dicken Lipps und riß die als Sehne dienende Schnur „Geh' und suche Gusting er soll sogleich herkommen," wandte er sich an Charley. Doch dieser war durch die üble Be handlung, welche seinem Bogen wider fahren war, so tief in seinen heiligsten Gefühlen verletzt, daß er nicht um eine Million dem Befehle des Vaters ge horcht hätte. Ihn faßte bes Lebens ganzer Jammer an und so warf er sich, mit den Beinen strampelnd zu Boden und schrie dabei wie ein Zahnbrecher. „Ich will Dich gehorchen lehren, nicht in der Laune, des Jungen Unboi mäßigkeit zu dulden, legte den Trotz kopf kunstgerecht über das Knie und es zu Gunsten Charleys in's Mittel. Sie kleine Menschenkind und beschützte es in ihren Armen. Recht anzüglich sagte sie dabei: „Es ist keine Heldenthat, Herr Schwiegersohn, kleine Jungen durch zuprügeln." welche es nicht vermeiden konnte, herz brechend zu seufzen: „Ach Gott, ach Gott er erschlägt die Kinder!" sondern faßte den aus Lipps Bogen einer finstern Wetterwolke vergleich bar, aus der Thüre, um sich selbst auf die Suche nach Gusting zu begeben. Wenige Minuten später fiel denn auch Gusting. der das Haus umschlich, Hände seines erzürnten Vaters und alsbald belehrte ein weithin gellendes Geschrei die Mitwelt darüber, daß Lipps prophetisches Wort von der Wandelbarkeit eines Vogens und des sen Anwendbarkeit als Züchtigungs mittel zum Wahrwort geworden sei. Während dieses sich im Hinteren Theile des Wurm'schen Wohnsitzes be gab, trat in der Wohnung selbst, wo die Frauen mit dem durch Naschwerk endlich wieder beruhigten Charley zu rückgeblieben waren, ein anderes, sehr fälschlich genannt Pomponius, Er war von feinen: Gebieter, Meister Hopser, beauftragt, der Frau Heinzelmann Straße angethane schwere Beleidigung „öffentlich und schriftlich" das hieß also wohl auf dem Wege einer in die ! Zeitungen eingerückten Erklärung Abbitte leisten, oder sich gewärtig hal , ten, vor Gericht geschleppt zu werden. > Zum Glück lvrach man bei Wurm «in ziemlich geläufiges Englisch, sa I daß Pomponius sich dieses seines Auf trages nicht nur mit Geschick, sondern auch mit dem gebührenden Anstand« zu entledigen vermochte. In diesem wichtigen Momente zeigte sich Frau Heinzelmann in der ganzen bzwundcrungswüroigen Größe ihrer Seele. Der Gedanke, als Angeklagte vor einem Friedensrichter erscheinen zu müssen, war ihr über alle Beschreibung unangenehm; allein, wenn auch zu be fürchten gestanden hätte, daß der Rich ter am Schlüsse des Beweisverfahrens sich erheben würde, um feierlichen To nes etwa zu sprechen: „Frau Barbara Heinzelmann! Da Sie erwiesenerma ßen dem hier geg«nwärtig«n Balthasar H. Hopser, Painter, aus geringfügigen Ursachen auf offener Straße eine derbe Maulschelle versetzt haben, verurtheile ich Sie, kraft der mir verliehenen rich terlichen Gewalt dazu, daß Sie am Halse so lange aufgehangen werden sollen, bis Sie tobt sind" wenn auch wie gesagt, so Schreckliches, oder auch noch Entsetzlicheres in Aussicht gestan den wäre, Frau Heinzelmann würde doch die demüthigende Zumuthung Hopsers, ihm Abbitte zu leisten, rund weg zurückgewiesen haben, denn: olle Achtung vor der Unbeugsamkeit ihres Charakters. Sie antwortete demgemäß dem freundlich grinsettden Neger: „Sagen Sie Mr. Hopser, er soll thun, ivas ihm beliebt. Uebkr die Zu muthung, ihm Abbitte zu leisten, kann ich nur lachen. Es ist ihm nicht mehr geschehen, als er verdient hat." Die Mission Pomponius' war damit endgiltig gescheitert, und der Schwarze mußte sich zurückziehen. Wurms Geschäftsladen, stieß Pompo nius auf Arminius Wurm, der ebm von der an Gusting in aller Form Rechtens vollzogenen Exekution zu rückkehrte. Wurm hätte gar zu gerne mit Pomponius über die Ereignisse des Tages gesprochen und bei dieser Gele genheit vielleicht so etwas wie eine an Hopser gerichtete Entschuldigung an gebracht. Darum lud er den Schwar zen freundlichst ein, in den Laden zu treten und mit ihm ein Gläschen „Old Gin" zu trinken, von welchem Stoffe er „für den Hausgebrauch und für gute Freunde" Borrath halte. Allein so sehr hatte Hopser es verstanden, selbst dem gutmüthigen Pomponius tiefge wurzeltes Mißtrauen gegen Wurm und Zugehör einzuflößen, daß der Schwar ze. wenn auch mit seinem gewöhnlichen zurückwies, wobei ihn der heimliche Hintergedanke leitete, es sei besser, der maleinst an Altersschwäche zu sterben, als etwa schon innerhalb weniger Stunden an einer Messerspitze voll „Pariser Grün" oder einem Tropfen Vorrath hatte, wenn auch niibt „für den Hausgebrauch", so doch „für gute fsreunde".... So dachte man von dem mit Absicht keiner Fliege ein Leides that! V. Der „glorreiche Vierte." Man kann nicht leicht ausgezeichne ter gestimmt sein, als es der, seiner ganzen Charakter-Anlage zufolge im Grunde keineswegs zu einer vorwie gend heiteren Lebensanschauung hin neigende Dr. Julius Wurm an jenem Abende war, da er von dem wie wir wissen, gemeinsam mit Helene Hopser unternommenen Besuche bei „Tante Newman" nach Hause zurückkhrte. Er wußte selbst nicht warum: aber die Welt erschien ihm damals plötzlich in einem gewissen zosenrothen Schimmer, das ganze Leben lachte ihm fröhlicher entgegen, «ls je, und schien jedenfalls weitaus begehrenswerther, als noch wenige Stunden vorher. Und doch war das „Vergnügen" bei Tante Newman ein überaus bescheidenes gewesen; al lein man darf eben nicht vergessen, daß ein Arzt in der Regel in seinen An sprüchen an Unterhaltung weitaus mäßiger ist, als andere Sterbliche denn wer den ganzen Tag mit Kranken, oder gar am Sezirtische mit Leichen zu thun hat, der ist für em bischen Heiter keit weit empfänglicher als Leute, die sozusagen ihre ganze Zeit mit Lachen und Scherzen hinbringen können Mit äußerst vergnügten Sinnen betrat also damals der Doktor das väterli che Haus. Aber da wurde ihm, als ob man ihn plötzlich mit kaltem Wasser übergössen hätte: Verweinte Augen nen Geschwister, ängstliche wie auf ganz unerhört schreckliche Dinge ge spannte Mienen des Vaters und ein wahres Gletschergesicht dort, wo Frau Heinzelmann thronte. Endlich machte mit einem Male das stattliche Lust gebliebin, als die gewaltsam sich aus drängendeUeberzeugung, daß der Frie de jetzt schwerer herbeizuführen sein werde, als zuvor. Allein kinv üw" sagt ein altes, gutes Sprichwort und Dr. Julius Wurm war der Mann, sich da ran zu halten. Er war keiner von De nen, die sich «rollend in ihr Schnecken haus zurückzögen, wenn just ein widri ger Wind Staubwolken vorübertrieb. Hatte er sich einmal ein Ziel gesetzt, so konnte ihn keine Zufälligkeit, und war Nackt sich mit dem festen Entschlüsse vsn feinem Lager erhob, bei Hopser eig nen Besuch abzustatten, wiewohl das, in Anbetracht der Gemüthlichkeit des Painters, zum Müdesten ein gewagtes Unternehmen genannt werden muß. Selbst Helene, welche doch die Dinge mit anderen Augen ansah, als ihr in seinem Hasse verbohrter Vater, war auf's Höchste überrascht, ja erschrocken, als sie von ihrem Fenster cms den Sohn des Nachbars in's Haus treten sah. Sie eilte an die Thüre, um den Dot daneben Dr. Wurm in das Zimmer des VaterS. Unheil, nehme deinen Lauf! Spur von Befangenheit bei sich ein treten sah, als sei nicht das Geringste passirt. 112 D W nen des Hausherrn angemessen. „Halloh!" rief Hopser, „was soll's?" gendes Farbenlineal an sich heran, um für alle Eventualitäten vorgesehen zu sein. Dr. Wurm hatte sich, als er sich zu keinen Eindruck auf den jungen Mann. Hopser saß beim Eintritte des Dok tors in der Nähe des Fensters und machte Eintragungen in ein vor ihm liegendes großes Rechnungsbuch. Selbstverständlich kam es ihm nicht im Entferntesten in den Sinn, seinem Be sucher einen Stuhl anzubieten; wenn er aber gehofft hatte, sich dadurch den ungebetenen Gast eher vom Halse zu schaffen, so war er übel berathen, denn Dr. Wurm rückte sich ohne weitere Auf forderung einen Stuhl herbei und nahm auf demselben so ungemrt Platz, als wäre es das natürlichste Ding von der Welt, seinen erbittertsten Gegnern langwierige Besuche aufzudrängen. „Lassen Sie uns ernsthaft mitein der sprechen," sagte Dr. Wurm, nach dem er sich gesetzt. „Nein, lassen Sie uns nicht gar nicht," platzte aber allfogleich Hopser los. „das fehlte mir noch, daß mir die zeichnetes Vergnügen fein!" Der Doktor lächelte und dieses Lächeln verdroß den Painter über alle Beschreibung. Es war ihm ein sicheres Zeichen dasür, daß seine Grobheit nicht imponirt hatte und so etwas schmerzt einen richtigen Grobian. »Daß Ihnen mein Besuch lein Ver gnügen bereiten würde," sagte Dr. sein: mich hat gerade auch nicht die Sichnsucht, Ihre Bekanntschaft zu ma chen, hierhergeführt." Hopser witterte, sozusagen, Mor genluft. In dieser kurz angebundenen, che war etwas, was ihn, ohne daß er es sich eingestand, ja, vielleicht ohne daß er sich selbst darüber klar wurde, ent schieden sympathisch berührte. ES lag unverkennbar ein Zug herzerfrischender Grobheit in dieser Art, sich zu geben und sich auszudrücken. Aus dem jun gen Menschen hätte offenbar etwas Ordentliches werden können, wenn er wäre. Dr. Wurm inzwischen ebenso ruhig wie früher fort: fache ist, baß Sie sich mit Ihren Nach barn nicht vertragen können?" „Und was geht das Sie an?" knurr te Hopser. „Verzeihen Sie: das geht mich ganz bedeutend an, da ich doch auch zu Ihren Nachbarn gehöre." „Das thut mir leid aber ich kann's nicht ändern." „Sie können das nun allerdings nicht ändern," bestätigte der Doktor, und dabei flog wieder ein leichtes Lä cheln über seine ernsten Züge. „Das ist aber auch gar nicht nöthig. Es genügte schon vollständig, wenn Sie selber sich ein klein wenig änderten." „Das nenne ich unverschämt!" sagte Hopser, und dies bedeutend ruhiger, als man dem Sinne seiner Worte nach hätte erwarten dürfen. Das kam aber daher, weil ihm die geringste Grob heit, wo immer sie sich auch fand, stets eine gewisse Befriedigung verschaffte. „Nennen Sie es, wie Sie wollen," fuhr Dr. Wurm fort, „aber ich versiche re Sie: es entspricht den Thatsachen. Ich habe, seit ich hier bin. mit den ver schiedensten Leuten von Ihnen gespro chen, und wissen Sie, was man mir allerwärts sagte?" „Nun?" fragte Hopser, jetzt wirklich Dauer mit ihm aushalten kann," ant wortete der Doktor. Hopser lachte daraufhin vergnügt auf, als hätte man ihm die größte Schmeichelei gesagt. „So spiecht man von mir?" „Genau so." „Nun. ich sage Ihnen: das freui mich, freut mich aufrichtig." Dr. Wurm zuckte die Achseln. „DaS freut mich herzlich," wied«r yolte Hopser, „denn sehen Sie, die Welt ist nur durch diese sogenannte Höflichkeit, dieses verdammte Herum schwenzeln so sehr auf den Hund ge kommen. Davon können Si« überzeugt sein. Da sagt Einer dem Anderen die blühweißesten Schmeicheleien, bittet wegen jedem Quark und entschuldigt sich auf's Höflichste wegen Sachen, die nicht die Hälfte von den dabei aufge wendeten Worten werth sind. Und was kommt bei all' dem heraus? Daß die Leut« einander die Haut vom Leibe Es ist ekelhast,' sage"ich Ihnen. Zu meiner Zeit, da warf man sich gegensei tig die Grobheiten an die Köpfe, baß es nur so klatschte aber dabei herrschte Treue und Redlichkeit, Ja war Ja, und Nein blieb Nein in alle Ewigkeit." „Und so möchten Sie die Welt ge wissermaßen durch Grobheit wieber re gsneriren?" warf der Doktor ein. „Ne fällt mir nicht ein! Meinet halben mag Alles aus benFugen gehen; ich bin ein alter Kerl und werde den Trödel nicht mehr lange mit anzusehen haben. Aber vor den Höflichen da hüte ich mich weil ich eben weiß, wie der Hase läuft." „Demnach können Sie meinen Vater nur darum nicht leiden, weil er zu höf lich mit Ihnen ist?" fragte Dr. Wurm erstaunt. „Da müßten Sie ja aber dann Frau Heinzelmann folgerichtig auf bas Aeußerste hochschützen." Der Painter bekam bei der Erinne rung an Frau Heinzelmann einen ro then Kopf. „Donnerwetter!" rief er, „die schießt Wieber llber's Ziel hinaus! Denken Sie, wenn immer gleich Einer auf den Anderen mit den Fäusten einHauen wollte, wenn ihm etwas nicht recht wäre?" „Und denken Sie, wenn Ihre geprie sene Grobheit allgemein würbe!" gab der Doktor zu bedenken, „wenn man überall statt „Guten Morgen" sagte: „Hängen Sie sich auf!" oder statt: „Le ben Sie wohl!" „Hol' Sie der Teu fel!" „Man muß nichts übertreiben," brummte der Painter, „derlei fällt mir nicht ein.... Der Mittelweg, bas ist das Rechte. Nicht viel Redereien, aber ehr liche Meinung-, und kann man Einem nicht mit gutem Gewissen die Hanb reichen, so soll man ihm in Gottes Na ,men die Faust unter die Nase halten. "'er sie in der Tasche ballen das fiHe ich schuftig!" ' n dieser Weise ging die sonderbare Unterhaltung zwischen dem Doktor und dem Painter noch längere Zeit hin und her, und beide trennten sich schließ lich ganz srieblich, zum Staunen, aber auch zur unaussprechlichen Erleichte rung von Helene, die, was wir trotz aller angeborenen Galanterie gegen Damen nicht verschweigen können, mit klopfendem Herzen an der Thüre ge horcht hatte. Der Painter versprach so gar aus eigenem Antriebe, er wolle „die Sache mit der rabiaten Frauens person" womit natürlich Frau Heinzelmann gemeint war auf sich beruhen lassen, eine Nachgiebigkeit, zu welcher er weniger durch das diploma tische Geschick bes Doktors als viel mehr dadurch bewogen wurde, daß ihm der Gedanke höchst unbequem war, je ne Ohrfeigen-Geschichte vor der Öf fentlichkeit eines Gerichtszimmers und insbesondere vor den neugierigen Oh ren der Gerichtssaal-Reporter mit al len Einzelheiten enthüllen zu müssen. Im Uebrigen aber erklärte der alte Dickkops, er wolle von Wurms nichts wissen und gewärtiae von dieser Seite nach wie vor das Schlimmste. So war denn der erste Schritt des Dr. Wurm, den endlichen Frieden anzubah nen, mißlungen. Mehrere Wochen verstrichen, ohne daß sich an Western-Avenue viel er eignet hätte, was ausführlicher erzählt werden müßte. Nicht ganz unerwähnt darf indessen bleiben, daß Dr. Wurm während dieser Zeit wiederholt den Drang in sich fühlte, „Tante Newman" mit seinem Besuche zu erfreuen. Es ge schah dies angeblich hauptsächlich da rum, weil die alte Frau neuestens wie der arg an ihrem alten Fußübel zu lei den hatte, wogegen der Doktor bie wirksamsten Mittel in Bereitschaft hatte. An den Tagen, da Dr. Wurm bei ber Leidenden erschien, war immer auch Helene dort zu finden? man würbe aber dem Zufall diesmal entschieden Unrecht thun, wollte man dafür ihn reichungen nicht entbehren zu können, bie bei der Behandlung eines Kranken so unumgänglich nöthig sind. Weit weniger nothwendig, ja, vom allgemein menschlichen Standpunkte aus betrach tet, geradezu überflüssig, war aller dings, daß der Arzt bei diesem gemein samen Samaritanerwerke keine sich bie ohne die zierliche Hand des jungen Mädchens zu berühren, öder, wenn es irgendwie sich machen ließ, möglichst nahe an ihr herrliches Blondhaar her anzukommen, oder doch wenigstens an das zierliche Persönchen heranzustrei fen. Das Alles geschah indessen auf so diskrete Weise, daß Helene nichts davon merkte. Mrs. Newman, trotzdem sie kalb blind war, sah freilich in solchen Schultern streifte, in ihrer berben Weile: solcher Art Flirtation!" Dabei zwinkerte sie trotz aller Schmerzen lustig mit den Augen und freute sich an der ersichtlichen Verle genheit der Beiden. Es ist selbstverständlich, daß die Hun gen Leute nach derartigen Besuchen ge meinsam den Heimweg antraten. Doch führten sie während der Fahrt st«tS di« unverfänglichsten Gespräche von d<r Welt, und fast niemals war die Red» von ihn«n selber. Schon an Milwaute»- Avenue trennten sie sich, um dem allen Hopser keine Ursache zum Aerger zu geben, da er von Wurms noch immer „nichts wissen wollte" und daruin ganz gewiß kein Verständniß für bie Wohl thaten bekundet hätte, welche Helene zusammen mit dem Doktor an der Tante Newman übte. Was den alten Wurm anbetrifft, so war er, seit er Besitzer eines Spiegel- Teleskops geworden war, auf der Lei ter der irdischen Glückseligkeit um ein beträchtliches Stück vorgerückt. Jeden klaren Abend verbrachte er auf dem Dache seines Hauses und musterte von hier aus durch das Rohr seine glän zenden Lieblinge am dunklen Himmels zelt, wie ein General seine in „zerstreu ter Gefechtsart" aufgestellten Truppen. Manchmal leistete ihm auch sein Sohn Julius in solchen Stunden Gesellschaft. Doch bewaffnete dieser sodann sein Auge nur höchst selten mit dem Spie gel-Teleskop. Ihm genügte vollständig der bescheidenere Tubus, und auch durch diesen betrachtete er seltener den Himmel, der sich über der unwürdigen Menschheit wölbt, als jenen anderen, der hinter einem gewissen Fenster des Hopser'sche« Hauses für ihn allmäh lich aufzusteigen begann. Da indessen die astronomischen Studien dieser Art meist nur dann stattfiinden, wenn ber Vater eben den Rücken kehrte, so blieb diesem solch' ungebührliches Verhalten verborgen, unb er konnte sich der vollen, ungetrübten Freude darüber hingeben, baß der Sohn, gleich ihm, hohe Theil nahme für die edelste der Wissenschaf- Je mehr sich aber der alte Wurm sol chergestalt mit wissenschaftlichen Din gen beschäftigte, desto geringer wurde fein Interesse für die schlichten Angele genheiten des gewöhnlichen Lebens. Daß dies seinem Grocer-Laden nicht zum Vortheile gereichte, ist nur selbst verständlich. Denn daß Wurm die sämmtlichen Sternbilder der nördlichen Halbkugel, vom großen Bären ange fangen bis herunter zum Delphin, mit Namen kannte und mit allen in densel ben enkhaltenenFixsternen auf vertrau testem Fuße stand, war den profanen Gemüthern jener Hausfrauen, welche bei ihm ihren Bedarf an Mehl, Eiern, Butter, Hülsenfrüchten und dergl. deckten, äußerst gleichgiltig; dagegen nahmen sie es aber sehr ungnädig auf, daß Wurm sich nicht selten von seinen Lieferanten unverantwortlich schlechte Waare anhängen ließ. Leiber war auch Toby in dieser Lage keine auch mir halbwegs brauchbare Stütze für seinen Prinzipal, denn Toby war. was Hop ser längst festgestellt hatte, wirtlich ein „Grünhorn", und das eines von der unverbesserlichsten Sorte. Außerdem strebte er nach „Höherem" und war sich in seinem dunklen Drange des rechten Weges keineswegs bewußt. Denn er suchte seiner allerdings sehr vernach lässigten Bildung durch das Lesen von schlechten Romanen aufzuhelfen und erhitzte damit seine Phantasie so sehr, daß er zu Zeiten zwischen Mehlsäcken und Zuckerfässern ganz in der Rolle seiner Romanhelden lebte und dachte. Manche Frauen lachten über den lä cherlichen Kerl und sprachen von ihm als von einem „Cranky". Als aber ei nes Tages Frau Hushek, die Gattin eines Schmiedes, kam, um Fett zum Einschmieren der hohen Stiefel ihres Gatten zu kaufen, und Toby in der Haltung eines Knappen aus der Rit terzeit fragte: „Edle Dame, nach welchem Schlosse zieht es den Raugrasen?" Da nahm Frau Hushek diese Albernheit für eine Spötterei, schimpfte weiblich und kam nicht wieder. So aber verhielten sich viele Frauen. Weder Frau Johanne noch Frau Heinzelmann fühlten den Bertis in sich, sich um das Geschäft zu bekümmern, und da sich zu allem Ueberflusse noch ein Konkurrent in der Nähe von Wurm festsetzte, der keiner weiteren Wissen schaft nachhing, als der, Geld zu ma- Clerk unbarmherzig an die Luft gesetzt hätte, so kam Wurms Geschäft weit rascher herunter, als eS je emporge anerkannten Thatkraft dieser Dame vielleicht ein Glück für den unbehilfli chen Wurm gewesen. Leider aber hatte zu eben derselben Zeit der unglückselige Lipps, der nun einmal, trotz all' seiner Menschen gemacht, der sich als Mr. Brozen in Chicago umhertrieb. Dieser Mr. Brozen hatte dem dicken Lipps, der von Geschäften mü> damit zusammen ner" von der Währungsfrage, bei einer gut gekühlten Flasche Sekt mit einer geradezu überwältigenden Sicherheit einen riesigen Geschäftsplan > in welchem es von gewaltigen Ziffern nur so wimmelte. Während seiner Dar stellung schwor Mr. Brozen eine Reihe von Eiden, daß man bei der Sache im Handumdrehen Millionär werden müsse. Und der Mann sah in der That so auS, als habe er ein Endchen, von den zu erwartenden Millionen schon in der Tasche: er war völlig dude inäßia gekleidet. trug eine schwere, au- Finger der rechten Hand, überdies trank er seinen Sekt mit vielem An stand« und versicherte g«kegentkich, das, drei Dollars koste. (Forts, folgt.) Zur die KUche. Gebratene Zunge. Erst wird die Zunge geklopft, eine Stunde lang gesotten, dann ausgehoben, in eine Bratpfanne gelegt und wie ein Braten angerichtet; so bald als mög lich nimmt man die Haut ab und läßt die Zunge unter öfterem Begießen vol lends braten; wenn sie einbratet, gibt man Wasser und Salz nach. Beim Anrichten wird sie der Länge nach schöa getheilt, so, daß sie ein Herz bildet, und mit Petersilie verziert. Warmes Hamburger Rauchfleisch. Ein schönes Stück Rauchfleisch legt man den Tag vorher in Wasser. Beim Kochen bindet man es in ein reines Leinentuch, setzt es mit frischem Wasser zu Feuer und kocht e» ganz langsam vier bis siins Stunden. Man schneidet es glatt zurecht und dann in Scheiben, schiebt es wieder auf heißer Schüssel zusammen und glastrt es mit kräftiger Jus. Man servirt es mit dem folgenden Brei. Sech» Aepfel kocht man weich, zerdrückt sie. thut eine Stange geriebenen Meerret tich dazu, reibt von drei grünen Oran gen die Schale auf Zucker ab, preßt den Saft von sechs Orangen aus und thut dies zu Aepseln und Meerrettich. Wenn noch Zucker nöthig ist. so thut man diesen nebst etwas Salz noch da zu. streicht den Brei durch, rührt ihn wieder heiß und thut ihn in eine sil berne. kleine Kasserolle, in der man ihn zum Rauchfleisch servirt. DaS Gericht ist von eigenartig seinem. Pi kantem Geschmack. Falscher Salin oder Kalb st eis ch i n Gel ö «. Ein schone« Stück Kalbfleisch (Oberschale) wird mit Salpeter und Salz eingerieben und einige Tage in Essig gelegt. Man gibt Zwiebel, Lorbeerblatt, Nelken und PfesserkSrner bei und wendet es tag lich einmal um. Nun kocht man daö Fleisch langsam weich in der Beiz», gießt die Brühe ab und stillt sie bei seite. Andern Tags wird dieselbe ent fettet und wie Gelöe fertig gemacht. Würde sie nicht gut sulzen. so nimmt man einige Blätter Gelatine dazu. Mittlerweile hat man das Fleisch in schöne Scheiben geschnitten, 'in eine tiefe Platte gelegt und mit gewiegten Kapern. Sardellen und etwas Peter silie zierlich bestrichen. Ganz sachte wird die erwärmte Brühe darüberge gössen, um in kurzer Zeit zu geliren. Rothe Gelatine gibt dem Gericht em eigenartiges, hübsches Aussehen. Italienischer Salat. Man legt vier schöne Heringe über Nacht in Fleisch behutsam ab. entfernt Haut und Gräten, schneidet es in dünne Scheiben, die man aufeinanderlegt, und in Streifen zertheilt. Ebenso zerschneidet man ein Pfund kalten Kalbsbraten, ein halbes Pfund ge kochte rothe Rüben, vier Aepfel und vier Salzgurken, zwei Neunaugen und sechs Sardellen und mischt alles nebst drei Löffeln Kapern und zwei Löffeln kleinster Perlzwiebeln durcheinander. Aus fünf Eigelb und einer halben Flasche Olivenöl rührt man eine dicke Mayonnaise, vermischt sie mit Estra gonessig, einem Löffel Fleisckextratt bouillon. etwas Weißwein, Mostrich und gehackten Kräutern und verrührt damit die zerschnittenen Zuthaten. Der Salat wird in einerKrystallschüs sel angerichtet und mit harten, gewieg ten Eigelb und -weiß, rothen Rüben. Olvien, aufgerollten Sardellen und Cornichons garnirt. Rühr ei von gekochten Eiern. Man koche pro Person 2 Eier hart, schäle sie ab und hacke sie. Weißes und Gelbes zusammen, ziem lich sein; zerlasse in einem Tiegel ein Stück gute, frische Butter, die aber durchaus nicht braun werden thue die gehackten Eier hinein, dia aber nur darin heiß werden dürfe» Dazu Salz und Schnittlauch, oiM grüne Petersilie. Das Ganze recht warm gegessen werden. Herings drei. Man Heringe, wässere sie, gräte hacke sie fein; ein Pint, am besten saure dann die gehackten der Größe einer lössel Reibebrot, das sein darf, hinzu., einmal tüchtig Man gibt geröstete Zimmtwasfeln. auf dem Backbrett ein halbes WWD Butter, ein halbes Pfund Zucker. eW halbes Pfund Mehl, etwak Zjmmt und 3 Eier. Wenn es gut verarbeitet ist, forme man davon kleine Kugeln, drücke sie zwischen das gut bestrichene heiße Waffeleisen und backe, sie schön gelb. Altdeutsche Paftetrk. Eine runde, tiefe Form belegt man inktßut terteig, bestreicht den Boden imt einer pikanten Kalbfleischfarce., belegt diese Farceschicht mit zertheilten Geflügel stücken (das Geflügel in girier Fleisch »xtract-Brühe gar gedünstet),. Kalbs milchscheiben, Zungenstiickchm, ge dämpften Pilzen undSemmevlößchen. streicht nochmals eine Schicht Farce darüber, beträufelt sie mit Krebsbut ter, leg!t einen Teigdeckel aus die Pa stete und bäckt sie im Ofen «neStunde. Die Brühe; in der man das Geflügel, dämpfte, verdickt man, würzt st« mit Citronensast und Sardellenbutter u»d zieht sie mit 3 ab, um sie als Sauce zu der Pastete zu reichen. Wer di« Pastete einfacher Herrichten will, nimmt einen Nudelteig und Ileine gedämpfte Kalbsfricandeaux statt Ge flügel. Gewissenhaft. C««poral: Wenn dem Posten große Gefahr droht, hat er sogleich einen Alarnv-Tchitß ah» zuseuern. Soldat: Wie viel SchM« muß ich abfeuern, da» ganz« Dynamit - Magazin w di« Luft fliegt, 3
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