2 <>«hmann« erste« Rohsteifchesscn. Lehmann ist einer der wenigen Be» lliner, die wirklich Berliner sind. Das !ist fein Stolz, und wen'n daher irgend etwas „los ist", ist Lehman» dabei. Selbstverständlich hat er auch den Di -stanzritt mitgemacht, d. h. soweit von Mitmachen bei einem Zuschaner die Rede sein tonnte. Aus Schusters Rappe» war er jede» Morgen an'S Steuerhaus gekommen uud spät des Nachts mit Hitfe einer Rosiuante 11. Aüte heimgekehrt. Seit diesen denk würdigen Tagen hatte Lehmann plötz lich einen kolossalen Pferdeverstand be kommen. Er besuchte abwechselnd jeden Abend den CircuS Renz und Corty Althoss und constatirte mit wich tiger Kennermiene, daß'keines der Pserde hinke. An der Uhrketle trug er als Berloque nur noch ein Hufeisen, als Cigarren abschneider hatte er sich einen Sporn gekauft, als Parfüm benutzte er nur noch Jockey-Klub und für die Bearbei tung seines Haupthaares hatte er sich eine Bürste in Form eines Striegels anfertigen lasse». Seit einiger Zeit hatte er leider keine besondere Gelegen heit zur Bethätigung seiner Pserde liebhaberei mehr finden können. Er war deshalb außerordentlich erfreut, als an ihn eine Einladung zu eincm Roßfleischcssen gelangte, das in einem Restaurant am Grünen Weg um 8 Uhr Abends beginnen sollte. Es siel ihm angesichts dieser Einladung wie ein Alp aus die Brust, daß er «och nie da ran gedacht halte, Roßfleisch zu essen, und er erwartete daher, selbstverständ lich mit zügelloser Ungeduld, de» Abend. Pünktlich um H 8 Uhr startete er von seimr Wohnung nnd kam kurz vor 8 Uhr an'S Ziel. Er wurde von den bereits zahlreichen Anwesende» mit «incm verständnißinnigen Gewieher be grüßt. Wirth und Kellner waren in Jockey-Anzüge gekleidet, die Wirthin trug ein Reitkleid, dessen Schleppe sie als Serviette leicht über den rechten Arm gelegt hatte. Teller und Schüs seln hatten die Form von Sätteln, die Gläser solche von Pserdeköpsen. Die Speisekarte war auf Roßleder ge druckt. Messer und Gabel» zeigte» die Form vo» Reitgerten. Im llebrigen war das Restaurant durch schwarze, braune und weiße Roß- Schweife anmuthig geziert. Lehmann fand sich sogleich in den Geist der Si tuation verletzt, nahm Platz und als er glaubte, daß er sest im Sattel sitze, rief er den Kellner herbei, indem er zwei Mal „Ks, Ks" machte, einen Laut, den er beim Antreiben der Pferde oft gehört hatte. Da der Kellner nicht sofort her beikam, rief er „Na 'n Bischen Trab, bitte." Die Uinsitzenden stainpften unwillig mit den Füßen. Den heran- Kellner herrschte er mit denk Worten an: „Bringen Sie mir ei« Gottfried-Snppe." was meinen Sie damit?" entgegnete der Kellner - Jockey. „Na nu ! Selbstverständlich eine von Bouil lon !" „Oh. Sie neckischer Hengst," lächelte der Kellner und trabte davon, um alsbald wieder mit einer Tasse Bouillon zu erscheinen. Als zweiten Gang bestellte sich Lehmann einen Schmorbraten: kaum hatte er den ersten Bissen gekostet, als er den Kellner zurückrief und wüthend meinte: „Sie, der hat ja gar keine Kondition mehr, der ist ja bereits umgestanden, wenn ich den vertragen soll, muß ich mir erst etwas Cognac einflößen. Also bringen Sie mir einen." Lehmann erhielt das Gewüiischle. Kaum hattcer den Schmo rbraten verspeist, bestellte er ein Beef steak. Doch als ihm der Kellner das Gewünschte vorsetzte, sprang er erregt ans und schrie: „Wenn ich Beefsteak esse, will ich selbstverständlich eins mit Hindernissen." Der Kellner verzog sein Gesicht zu einem anmuthigen Grin sen und meinte: „Verehrter Herr, die sind innen." Neugierig schnitt Leh mann das Fleisch auseinander, als er gerade den ersten Bissen in den Mund stecken wollte, redete ihn ein Nachbar an. „Verzeihen Sie, »nein Herr, schließen Sie sich uns zu einer kleinen Nachfeier aus dem Kreuzberg an ; von dort hat man eine brillante Aussicht aus das Steuerhäuschen !" „Pardon, fuhr Lehmann auf, wenn «ch einen Berg besteige, so lönnte es nur die Roßtrappe sein!" Ganz ver blüfft schaute ihn der Nachbar an, Leh mann hatte einen großen Happen in den Mund gesteckt, in de» er heftig hin einbiß. „An, verflucht!" schrie er gel lend aus; er sprang von seinem Sitze, hielt sich mit der Hand krampfhaft das rechte Ohrläppchen und hüpfte von einem Bein ans das andere. Erstaunt blickten ihn die Nachbarn an. Leh mann war in dem Beassteak auf das erste Hinderniß gestoßen, einen großen Hufnagel, der ihm in den Gaumen ge fahren war und an dem er sich seinen schönsten Backenzahn ausgebissen hatte. Leise stöhnend verließ er seinen Platz, den Kellner, der Zahlung begehrte, titulirte er „Sie Pferd", dann rannte er hinaus und zum ersten Zahnarzt. Dieser that, was er thun konnte. Mit etwas geschwollenem Gesicht langte Leh mann in seiner Wohnung an, entfernte alle pferdefreundlichen Abzeichen von feiner Kleidung, zog sich aus und legte sich ins Bett. Am anderen Morgen, als seine Wirthin ihm den Kaffee brachte, sragte sie, wie ihm der gestrige Abend bekommen sei. Wehmüthig lächelnd entgegnete Lehmann: „Gar nicht, liebe Frau, für'S Roßsleifchefsen habe ich noch nicht das richtige Trai ning." Eine englische Wahl geschichte. Oberst Ehester Master, der unionistische Candidat sür Biencester, vertheidigte sich gegen den Vorwurf, er fei sür die Prügelstrafe im Heere n. f. N>. mit der Bemerkung: „Ich bin ost geprügelt worden in der Schule und einmal sogar dasür, daß ich die Wahr heit gesagt hatte!" „Und das hat Sie gründlich kurirt!" rief ein Radika ler dazwischen. Die erste» Tricot». Aus den Erinnernnge» einer Sängerin. Der Noth gehorchend, nicht dem eig nen Triebe, war ich auf die weltbedeu tendeu Bretter gelangt. Zwar hatte mir die Natur eine schöne, umfang reiche Gefaugsstimme und musikalisches Talent verliehen nnd beides war sorg fältig ausgebildet worden, allein kei neswegs zu Berufs- und ErwerbS zmecken, sondern lediglich, um als herr lichster Schmuck des Lebens zu dienen. Der plötzliche Tod meines Vaters, eines höhern Beamten, hatte einen jähen Wechsel in den Verhältnissen seiner zu rückgebliebenen Familie herbeigeführt, die sich plötzlich in bedrängten Umstän den sah. Vermögen war nicht vorhan den und die schmale Wittwenpension meiner Mutter erwies sich als unzu reichend, um sie und ihre drei Kinder außer mir waren noch zwei jüngere Geschwister vorhanden zu erhalte»' und zn erziehen. AIS die einzige Erwachsene empfand ich es lebhaft, daß es meine Pflicht war, meiner kränkelnden Mutter nach Kräf t.'U beizustcben und ihre Sorgen zu er leichtern. Dies konnte auf wirksame Weise nur durch die Verwerthung mei nes musikalischen Vermögens geschehen, indem ich entweder Musiklchrerin oder Bühnensängerin wurde. Als Lehrerin würde ich kaum genug für mich selbst erworben haben, als Opernsüngcrin aber durste ich, wenn ich nur ein wenig Glück hatte, hoffen, meinem Mütterlein einen sorgcnlosen Lebensabend zu berei ten. Dieses beglückende Ziel ließ mich über mancherlei Bedenken gegen die Bühnenlaufbahn und namentlich auch über meine große Schüchternheit hin wegsehen. „Bei Jhree Stimme, Ihrer Erscheinung muß es Ihnen auf der Bühne glücken," sagte man mir von allen Seilen, nnd so war denn mein Entschluß bald gefaßt und ich studirt-- eine Anzahl von Opernrollen ein. Das Glück war mir günstig. Die Empsehlungen meiner Lehrer und ein zusriedensteileudes Probesingen ver schafften mir ein für eine Anfängerin recht günstiges Engagement am Stadt theater in L., wohin ich mit Mutter und Geschwister übersiedelte. Nun ging'S an s Auftreten, und da erwies sich nun doch meine unüber windliche Schüchternheit als ein be ängstigendes Hinderniß. Singen konnte ich, uud wenn ich sang, fühlte ich mich geborgen, aber desto schlimmer stand es mit dem Spiel. Wie gelähmt war ich, sobald ich mich aus der Bühne befand und Huudcrlc von bewaffneten und un bewasfnelen Augen auf mich gerichtet wußte. , Ich ging und bewegte mich wie ein Automat, und selbst mein Gesang, obschon sehr corrcct, wurde kalt unv ausdruckslos. Wieder einmal „kühl bis an s Herz hinan!" rief mir der alte originelle Oberrcgisseur oft ärgerlich nach dem Abgange zu. „Loslegen, mehr in's Zeug gehen, Fräuleinchen! Jammerschade ist's um Ihre schöne Stimme und Ihre schönen Augen! Das ganze Parterre könnten Sie damit in Flammen setzen, wenn Sie sie nur zu gebrauchen wüßten. Aber anstatt Feuer, gießen Sie kaltes Wasser aus. Hat Ihnen der liebe Gott die strahlenden Sterne gegeben, damit Sie sie beständig niederschlagen, anstatt leuchten zu lassen? Haben Sie die schöne Bühnenfigur dazu, um wie ein Stock dazustehen? Wenn Sie, aka demisch correct, aber kühl und gleich giltig, vom Himmel hoch jauchzender Freude der Todesverzweiflung singen, glaubt Ihnen kein Mensch ein Wort von der ganzen Geschichte. Wein'S aus den Brettern glücken soll, daß muß nun einmal den gewissen Bühnenteusel im Leibe haben uud verstehen, ihn im rechten Moment loszulassen. Ja, la chen Sie nur es ist so und nicht an ders, und ich meine es gut mit Ihnen, wenn ich Ihnen die Wahrheit sage und Sie ein bisset ausschelte." Wohl wußte ich, daß er recht hatte und es guiiu einte, der alte, brave Pol terer, uud wenn ich auch lachen mußte, so lag mir doch eigentlich das Weinen viel näher. Hatten mir doch meine Mängel, die ich selbst nur zu genau kannie uud um so bitterer empfand, als ich wußte, daß sie nur aus meiner albernen, doch unüberwindlichen Schüch ternheit hervorgingen, schon so manche heimliche Thräne erpreßt. Ich empsand lebhast, verstand es. mich ganz in die Personen und Borgänge zu versetzen, die ich darzustellen hatte, leider aber verließ mich diese Fähigkeit und die richtige Stimmung stets da, wo ich sie am nöthigsten brauchte auf der Bühne. „O Erna, warum singst unz spielst du nicht im Theater wie hier zu Häufe?" sagte ost genug seuszend mein Mütterlein. Ja, warum? Zuerst hatte die Kritik Nachsicht mit der „Anfängerin", dann aber hieß es immer häufiger: „Es ist zu beklagen, daß es Fräulein S., die nach Stimme, musikalischer Sicherheit und vortheil haster Erscheinung zur dramatischen Sängerin berufen wäre, so völlig an Temperament und Leidenschaft ge bricht." Ein anderer Recensent nannte mich sogar „eine zweibeinige Stimme", worüber ich bitterlich weinte. Ja, sie hatten recht, ich sang der Bühne wenigstens nicht wie ein fühknder Mensch, sondern wie' ein todtes Instrument. „Sie singt gut, aber wie ein Eis» zapfen", hörte ich einst, nachdem ich eine Arie beendet, einen Herrn in der kleinen Prosceniumsloge dicht an der Bühne zu seinem Nachbar sagen. Alle diese tadelnden Stimmen, die ich vernahm, machten das Uebel nur ärger, meine Angst wuchs mit jedem Auftreten und nicht ohne Zittern ver mochte ich mehr die Bühne zu betreten. Bereits dachte ich mil Schieten daran, daß ich die Bühnenlaufbahn würde aus geben müssen, wenn das so weiter ginge. Aber was sollte dann aus mei- nein Mütterlein, aus Bruder und Schwester werden? Nein, ich mußte ausharren, auf alle Fälle ausharren. Da trat ein Ereigniß ein, das mich vollends aus allen Fugen zu heben drohte. Die Direction hatte beschlösse», Glnck'S erhabene Oper „Orpheus und Enrydice" neu einzustudireu und mir die Partie des Orpheus anvertraut. Eine herrliche Rolle, aber—o Ent setzen! eine Männer-, eine Hosen rolle, wovor ich von jeher eine beson dere Abneigung gehabt hatte. Mußte meine Blödigkeit, meine Angst sich nicht verdoppeln, wenn ich zum ersten Mal in meinem Leben —in Tricots austrat? An eine Ablehnung war nicht zu denken; sie würde mich meine Stellung gekostet haben. Der Gedanke an die Meinen machte mich stark, und ich suchte mich mit guter Miene in das Unabänderliche zu fügen. Zudem be geisterte mich die geniale Musik uud die Rolle eignete sich vorzüglich für meine Stimme. In dieser Hinsicht wenigstens branchte ich nicht die geringste Furcht zu haben uud hatte sie auch i^jcht. In den Proben ging denn auch Alle ganz gut, ja, man war sogar besonders befriedigt von meiner niusikalischen Leistung und fand, daß ich die elegischen Klagen des griechischen Sängers sehr angemessen wiedergäbe. Die viel schwierigere Aufgabe abe» sür mich war die, mich an die griechi sche Männertracht zn gewöhnen, die mich entsetzlich genirte, obgleich sie trotz der Tricots eigentlich viel de cent er war als die moderne, tief deeol lettirte Balltoilelte und mir, wie mir der Spiegel sagte, gar nicht übel stand. Täglich verbrachte ich bei sorglich verriegelter Thür Stunden damit, mich an das ungewohnte Costüm zu ge wöhnen, und endlich lernte ich es, mit einiger Freiheit darin zu stehen, zu gehen und mich sonst zu bewegen. Wie es aber aus der Bühne damit sein würde daran wagte ich kaum zu denken. In der Costümprobe ging eS so leid lich; nur wünfcyte man im letzten Act ein leidenschaftlicheres und ergreifende res Spiel, um Orpheus' Verzweiflung überzeugender auszudrücken. Ich ver sprach, obwohl mit nicht viel Selbst vertrauen, mein Möglichstes zu thun. So kam denn der Abend der Vor stellung heran; das HauS war >. usver kanst, da die Oper seit langen Jahren nicht gegeben worden war. Mit Herzklopfen betrat ich die Bühne, suchte mich aber zu fassen, mich völlig in meine Aufgabe zu versenken und das Publikum zu vergessen. Ich sühlte, daß es mir trotz Tuniea und Tri cots besser gelang als je, und meine Antritisarie brachte mir ermunternden Beifall. Fast noch besser verlief der zweite Act. in dein ich die Entrissene, dein Schrecken der Unterwelt zum Trotz, be freite und auf die Oberwelt zurück führte. Die herrliche Musik, der sich stets steigernde Beifall des Publikums dies alles riß mich so hin, daß ich des ungewohnten CostümS fast vergaß und mich freier auf der Bühne bewegte, als ich es sonst in Frauentracht gethan. Heute schalt der alte Regisseur nicht, wenn ich abtrat, sondern nickte mir zufrieden schmunzelnd xu. So sah ich den» ohne Bangen dem dritten nnd letzte» Act entgegen. Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Die entseelte Gattin lag zu meinen Füßen und ich drückte meinen Schmerz in der berühmten Arie aus: „Ach, ich habe sie verloren!" Den erste» Vers hatte ich stehend zu singen, während des zweiten mußte ich mich, von Verzweiflung überwältigt, auf den leblosen Körper der Geliebten niederwerfen. Ich that es; aber hierbei geschah et was, was mich mit Schrecken erfüllte. Bei der heftigen Bewegung des Nieder stürzen? vernahm ich ein gewisses Kra chen und glaubte deutlich zu fühlen, daß der Gurt, der die Tricots in der Taille festhielt, nachgab. Blitzschnell übersah ich die Folgen, die dieser boshafte Zusall herbeiführen konnte. Zwar reichte die Tuniea über das Knie hinab, allein trotzdem konnte das Mißgeschick bemerkt werden und ich war dem Spott und Hohn ausgesetzt. Hätte ich wenigstens bis zum Schluß des Actes liegen bleiben können! Aber ich mußte ja wieder ausstehe», wenn Amor als Retter nahte, und mit ihm und der wieder in's Leben gerusenen Gattin ein Terzett singen und diese da bei in meinen Arme» halten. Glücklicherweise verlor ich. obgleich alle dieje Gedanken »nd Vorstellungen blitzschnell durch meine Seele zogen, doch nicht den musikalischen Faden und ich sang mit Todesverachtung weiter: Wär', o wär' ich nie geboren, Weh. daß ich auf Erden bin! Ich fühle eS sie rutschen Ach, mir leuchtet leine Hoffnung Und lein Trost in diesem Leben! Vor Angst schrie ich förmlich. Doch was war das? Welch' ein Ge ,öse erhob sich? War eS Hohn »nd Spott? Nein—eS war stürmischer, an haltender Applaus. Und doch wußte ch selbst nicht, wie und was ich gesun gen halte. Nun erschien Amor als Nsu» «x msdiioit »nd es half nichts ich mußte aafstehen schrecklich! Ganz langsam und mit äußerster Vorsicht die unheilvollen Tricots, so gut es anging festhaltend, erhob ich mich. Dem Himmel sei Tank—ich stand und sie saßen noch! Nun war die größte Gefahr vorüber und ich faßte neuen Muth. Euridice fest an mich pressend —wurden dadurch doch zugleich die Tricots festgehalten jubelte ich im Dankgefühl glücklich überstandener Gefahr das „Triumph. Triumph!" im Finale hinaus. Darauf fenkie sich der Vorhang; ich war erlöst. Mit Ungestüm wurde ich hecausge- rufen, doch bevor ich nochmals vor dem Publikum erschien, schlüpfte ich schnell in die Garderobe, um mir die treulosen Tricots befestigen zu lassen. Aber, Fraulein, was wollen Sie venu? sagte bald beleidigt die Garde robiere, nachdem sie nachgesehen. Es ist ja gar nichts geplatzt und Alles in Ordnung. So was kann überhaupt bei mir garnicht vorkommen. Nicht ohne Beschämung sah ich nun. das! ich niir alles bloß eingebildet hatte. Von allen Seiten wurde ich zu mei nem Ersolge beglückwünscht und der alte Regisseur sagte, mir die Hand drückend- Hente, im letzte» Act hatten Sie wirklich den bewußten Bühnenteu fel im Leibe. Das war das Richtige! Ja, wenn du mir wüßtest, dachte ich, hütete mich aber wohl, etwas zu ver rathen. Lächeln mußte ich, als ich am näch-- .sten Zage die folgende Stelle in der Recension über die Vorstellung las: Fräulein S. hat uns im Orpheus eine Leistung geboten, die uns wahr hast überrascht hat. Daß wir eine technisch correcte musikalische Darbie tung zu erwarten halten, wußten wir vorher, aber diese innerliche Beseelung des Gesanges hätten wir nach den bis herigen Proben keineswegs erhofft. Na mentlich im letzten Act war ihre Dar stellung, auch nach der schauspielerischen Seite bin. eine wahrhast meisterhafte. Die erschütternden Klagen an der Leiche der geliebten Gattin kamen aus einem von Angst und Verzweiflung durch wühlten Herzen nnd wurden in ihrer Wirksamkeit noch erhöht durch das er greifende Spiel. Das mühsame Er heben vor dem entseelten Körper, die schnicrzgebrochene Haltung, dann der Uebergang zu triumphirender Freude dies alles kann überzeugender und ergreifender kaum dargestellt werden. ES war in Gesang und Spiel eine hoch dramatische Leistung " So waren mir denn die gefürchtetcn Tricots zum Segen geworden, den» jetzt wußte ich aus eigener Erfahrung, wie inan fingen und spielen muß, um das Publikum hinzureißen. Das Eis war gebrochen, nnd wenn ich je wieder in meinen alten Fehler zurückfallen wollte, so brauchte ich nur an meine er sten Tricots zu denken, hm ihn zu ver meiden. Gegenseitige Kritik. Das Berliner Fremdenblatt ent nimmt einer englischen Fachzeitschrift folgende humoristische Beleuchtung der Kritik, die sich die Presse bisweilen ge fallen lassen muß: Kommt da zn einem beschäftigten Artikelschreiber ein Mann, der sich ihm als Schuhmacher A. vor stellt; nachdem er sich'S im besten Lehn stuhle der Osficin behaglich gemacht, beginnt er: „Ihr Blatt ist der Verbes serung im höchsten Grade bedürftig. Sie brauchen mehr Lokalnotizen. das Ve mischte sollte in größerer Schrist gesetzt werden und dann mehr Ori ginal-Depeschen, und vor Allem besseren Druck und stärkeres Papier. Sie bieten nicht genug Stoff und das, was Sie geben, ist nicht das Richtige, außerdem ist die Zeitung viel zu theuer. Ihre Stellung zu der Judenfrage ist eine absolut verkehrte und Ihre Position mit Bezug auf den McKinley-Tarif absurd. Ich sage Ihne» das alles, weil ich Ih rem Unternehmen Erfolg wünsche und ich.spreche zu Ihnen als ein Frennd. Ich selbst bin auf Ihr Blatt nicht abon nirt, aber ich sehe dasselbe gelegentlich bei einem Freunde, und da eine Zei tung ein öffentliches Unternehmen ist, so sehe ich nicht ein, weshalb ich nicht ein Recht haben sollte, Kritik zu üben. Ich verschmähc niemals Rathschläge, im Gegentheil, dieselben sind mir immer willkommen."—„lhr Urtheil freut mich ganz außerordentlich," sagte der Redak teur, seinem Besucher eine Cigarre rei chend. „Ich habe zwar längst gewußt, daß ich nicht vollkommen bin, jedoch sind mir meine Schwächen noch nie mals so klar und überzeugend darge stellt worden. Ich fühle'mich außer Stande, Ihnen meinen Dank gebüh rend dafür abzustatten, daß Sie sich die Mühe genommen haben, meine Fehler aufzufinden und in so liebenswürdiger Weise mich aus dieselben aufmerksam machen." Der Schuhckacher verließ das Re daktionsbureau in gehobener Stim mung, glücklich darüber, daß seine Vor stellungen ein so geneigtes Ohr gesun den. Den folgenden Tag, als der bieder, Mann gerade dabei war, einen Stiefel feiner Vollendung zuzuführen, erhielt er den Besuch des - Redakteurs. „Ich bin gekommen, um Sie auf einige Mängel aufmerksam zu machen", be gann derselbe. „Da ist zunächst das Leder, welches Sie zu Ihren Stiefeln verwenden; eS ist sehr schlecht, sodann sind die Sohlen zn dünn nnd die Stiche viel zn weitläufig. Es ist ferner ein entschiedener Fehler, geringes Material zu Absätzen zu verwenden. Jedermann klagt über Ihr Schuhwerk; meistentheils sind auch noch die Schafte zn kurz und die Spitzen zu schmal. Und bei solchen Eigenschaften verlangen Sie ganz un verschämte Preise. Sie verstehen mich wohl, ich spreche zu Ihnen als ein Freund, weil ich Ihr Wohl wünsche. Ich verstehe zwar nicht mehr von der Schuhmacherei als Sie von der Her ausgabe einer Zeitung, aber ich nehme ein großes Interesse an Ihnen, weil Sie so freundlich mit mir waren. Ja, in der That, ich Der Mann der Feder kam nicht wei ter uud erreichte die Straße, begleitet von Pfriemen, Hammer und anoerem Geräth. welche ihm nachgeworfen wur den. Der biedere Schuhmacher schwor hoch und theuer, es solle ihm keiner die ser Idioten wieder über die Schwelle kommen, um ihn über sein Geschäft zu belehren. Nur derjenige sollte sich eine Frau nehmen, der sie auch zu nehnien weiß. Die neue »Schtn. Jeremias Senfmehl war Jung geselle geblieben. Er hatte kich nie sonderlich für die Frauen zu begeistern vermocht, freilich auch die Frauen nicht sonderlich sür ihu. Als Philosoph lialte sich Jeremias leicht über den Mangel einer Frau hinweggesetzt ja. mit zunehmenden Jahren war ihm gerade dieser Mangel sehr willkommen geworden. Seine Geliebte war seine Bibliothek, und mit Grausen dachte er ost daran, wenn er über seinen alten Schmökern saß, wieviel seiner kost baren Zeit, die er nun ungetheilt sei nem Studium widmen tonnte, ihn eine Frau mit ihren tausend kleinen Ansprüchen an die Zeit und die Ge danken eines Mannes gekostet haben würde. Wäre unser Jeremias Senfmehl ein antiker Philosoph gewesen, er hätte sich wie weiland Diogenes mit einer Tonne »iio Brod »nd Wasser begnügt. Aber die Philosophen der Jetztzeit, selbst wenn sie im Allgemeinen so anspruchs lose Juiigesellen sind, wie unser Jere mias einer war, accepliren die Tonne nur dann, wenn sie dem Trank a»S Malz uud Hopse» als Behälter dient, verlangen zum Brod auch Fleisch uud Gemüse und weisen dem Wasser im Allgemeine» ii»r das Waschbecken »nd die Badewanne als berechtigten Auf enthaltSort an. So auch unser Jeremias Senfmehl. Sein kleines Vermögen reichte gerade aus, ihm ein sorgensreies und bescheide nes Leben zu ermöglichen. Von seiner seligen Mutter her war die Küche in dem kleinen Häuschen, das er bewohnte, noch bis aus den letzten Quirl intact— aber aus dem Heerde war seit langer Zeit der letzte Funke verglimmt. Jere mias Scnsmchl nahm seine Mahlzeiten im „Rothen Löwen" ein. Als aber seine Bibliothek einen Zuwachs und ein paar Dutzende» alter Folianten er hielt und unser Freund mit der Be gierde eines HciShungrigcn sich anf den geistigen Inhalt seiner neue» Schweins lederne» stürzte, da stieg i» seiner Seele der kühne Gedanke auf, eine eigene Köchin zu nehmen, die seinen Tisch wohl versorgen nnd die alte oben drein sehr redselige Aufwärterin über flüssig machen könnte. Welcher Ge winn an Zeit alSdann! Der Gedanke entschied nnd eines TageS stand im Wochenblatt daß ein alleinstehender Junggeselle eine tüchtige Person suche, die ihm die Führung seines Haushalte-' besorgen könne. Es liefen eine solche Menge Gesuche ein, daß unserem Jeremias ganz schwül wurde bei dem Gedanken, aus dieser Fülle seine Wahl treffen zu sollen. Er nahm de» ersten Brief zur Hand. Er war entsetzlich unorthographisch geschrie ben, aber trotzdem behielt ihn unser wackerer Philosoph sinnend in der Hand. Die Schrciberin des Brieses, Laura Hühnerbein, bat in demselben ganz kurz und verständig um die Stelle und fügte hinzu, daß sie drei Jahre aus dem Rittergut Grünweiler gewesen sei. Dies letztere war es, das Jeremias bestimmte, den ganzen übrigen Briefen ein jähes Ende zn bereiten. Grün weüer—der Rittergutsbesitzer war weit in» Lande als ein Gourmet erster Güte bekannt die Person mußte etwa? verstehen. Und so hanlirte denn am anderen Tage eine nicht mehr ganz junge, aber ganz saubere Person in der Küche herum, putzte mit erstaunlicher Geschick» lichkeit die Casserolle» und Schüssel» »nd war im Reiiimachen der alten Auf wärterin um mindestens eine doppelt'' Besenlänge überlegen. Als Jeremias, von seinem Frühspa» ziergange heimkehrend, einmal prüfend in die Küche schaute, nickte er völlig be friedigt, er schien die richtige Person sür seinen Haushalt getroffen zu ha ben. Mit großen Erwartungen fetzte e» sich des Mittags zu Tisch. Dieser war sauber gedeckt. Da brachte Laura Hüh nerbein die Suppe herein einen Rie scntopf voll, so daß Jeremias ganz ängstlich anf dies gelblich-braune Meer schaule, in dem Bradstückchen herum schwammen. Er nghm sich einen Teller voll und kostete. Brrr! Was war denn das für eine Suppe? Ohne Salz und Schmalz, ganz gehaltlos und so fad schnicckend. daß es ihn schon reute, seinem Magen ve» ersten Lössel davon zugesührt z,' habe». „Laura!" rief er. Diese erschien, mit einer Riesenschüf sel in der Hand, aus welcher eine Menge ganz klein zerkochtes Fleisch lag. Jeremias entsetzte sich. „Aber Laura, was kochen Sie de»» da? Das Zeng ist ungenießbar!" „Na, auf dem Rittergut blieb nie was davon übrig!" gab Laura schlag fertig zur Antwort und Jeremias schwieg im Gefühle seiner Unwissenheit in solchen Dinge». Als aber Laura zur Fleischschüsseleinen Bottich mit ein sach zerstampsten Pellkartoffel», a» de-! «eil »och die Schale klebte, aus de» Tisch setzte, da suhr sogar die philosophische Ruhe aus unserem Jeremias und an ihre Stelle trat eine dumpfe Wuth. „Laura Was soll das? Das ist ein unerhörtes Gericht! Ich beginne, in Ihrer Kochkunst zu zweifeln!" „Oh," machte Laura gekränkt. „Sagen Sie. haben Sie den» wirk lich aus dem Rittergute drei Jahre ge kocht?" „Sogar dreimal täglich!" „Und man hat Ihr Essen gegessen?" „Aber Herr Sensmehl gefressen habe» sie'S wie nichts gutes!" Jeremias schüttelte verwirrt den Kopf. Soweit konnten seine Ansichten von Gourmandise sich doch nicht von denen des Grünweiler Rittergutsbesitzers ent fernen! Stumm sah er auf die ge quetschten Kartoffeln, das Bröckelfleiich und aus die Terrine mit namen- und inhaltloser Suppe, während Laura Hiihnerbein im Gefühle ihrer culinari' scheu Tüchtigkeit triumphirend auf ihre» Herrn herabschaute. Endlich brach dieser das Schweigen. „Aber Laura Sie müssen doch .roch etwas anderes gekocht haben für so verwöhnte Esser —" „Nein, da aab's nichts! Der alt« Bakonyer wollte freilich nicht 'ran, aber er mußte!" „Um GotteSwillen," stieß Jeremias hervor „uud solch ein Futter gab's alle Tage?" „Im Sommer ja! Im Winter kam noch Kohl 'mang!" Jeremias Senfmehl sprang auf. Der Löffel Suppe drehte ihm schon den ganzen Magen um. Die Aussicht auf den Winterkohl rief sein ganzes Ent setzen wach. „Aber" die Stimme versagte ihm fast. „Es ist doch ganz unmöglich, daß der Herr von Grünweiler solches Futter ißt?" „Der Herr!" Laura Hiihnerbein trat mit einer Miene zurück, die deutlich be kundete, daß sie ihren Herrn für reif hielt, in die Zwangsjacke gesteckt zu wer den. Der Herr der hatte ja seinen Koch!" „Und was kochten Sie denn eigent lich?" „Das Viehfutter, Herr Senfmehl!" Nach einer halben Stunde war Laura Hühuerbeiii mit ihren Sachen auf der Straße und unser Jeremias im „Rothen Löwen," um mit wahrer Jnniglei! ei» Lendenbeaf mit Röstkartoffeln zu essen. Eine Köchin hat unser Philosoph nicht wieder genommen! -Scriiymte Dichterg riiver in Paris Am Allerheiligentag wendet sich in der französischen Hauptstadt die liebe volle Pietät ganz besonders den Pariser Dichtergräbern zu. In diesem Jahre sand die allgemeine Gräberwallfahrl erst am 2. November statt, denn der am 1. November strömende Regen gestattet« keinerlei Ausflüge nach den -imposanten Nekropoleu des Pere-Lachaise und des Moiituiatre-FriedhoseS. Um so groß artiger war die Wallfahrt am 2. No vember. Die Ruc de la Cloche betitelt« Friedhofgafsc des Montmatre beherberg! wie bekannt die Reste Heinrich Heine's nnd seiner Frau Mathilde, und man kann, wie dem „Pester Lloyd" geschrie ben wird, mit Genugthuung die That sache bezeichnen, daß im Gegensatze zu früheren Jahren sowohl die steinerne Decke des Grabdenkmals, wie die Eisen stäbe der Umfassnng mit Kränzen und Blumen so übersäet sind, daß die In schriften und Ornamente der Grabdecke von jenen Zeichen der Pietät ganz ver hüllt werden. Ein prächtiger Palmenkranz initßo> fen, von welchem die Pariser fest über zeugt sind, daß dessen Spenderin eine edle fürstliche Frau (die Kaiserin von Oesterreich. Am», d. Red.) alljährlich ein gleiches Exemplar auf Heine's Grab niederlegen läßt, trägt keinerlei In schrift, während ein anderer Kranz, dessen Blätter schon gänzlich verwittert sind, nur die ziemlich intacte Jnschrist zeigt, daß dieser Kranz im Jahre I88!1 von den zum internationalen Sociali stencongreffe nach Paris getommcnen deutschen Socialisten auf das Grab „ihres Bruders" Heinrich Heine nie dergelegt wurde. Ju die zahlreichen Grabkränze aus Glasperlen oder Metall, die an den Stäben der Eifemimfassnng hängen, haben die Spender oder sonstige Besu cher, zumeist fremde Gäste aus Ländern deutscher Zunge, ihre Visitenkarten ge legt als ungewöhnlichste Mani festation des Heine-Cultus läßt sich sogar constatiren, daß einzelne Besu cher die nach israelitischem Friedhoss rituale üblichen Steinchen ans das Grabdenkmal ihres berühmten Ex- GlaubenSgenoffen gestreut haben. Es ist kein bloßer Zufall, daß die Fried hosswächter des Montmartre aus die Frage »ach Heines Grab sosort Bescheid wissen, de»» eS sind zumeist Elsüsser und des Deutschen kundig. Der beste Freund Heines unter den französischen Schriststellern. Theophile Gautier, mit welchem Heine so viele Jahre in Montmorency gemeinsame Sommerrvohnuug hielt, liegt »ur we nige Schritte von seinem chemaligen guten Nochbar begraben, und Gauliers künstlerisch ausgeführtes Grabdenkmal ist wohlgepflegt'und mit frischen Krän zen bedeckt, die seine Tochter, die be kannte dramatische Schriftstellerin ge spendet hat. Ein im letzten Jahre plötzlich in vollster ManneSkrast aus dem Leben gernsener Musitdichter, Leo Delibes, der Töne lieblicher Meister, liegt ebenfalls im Poetenwintel des Montmartre begraben, und die schönen Blumenjpcndc» auf feinem Familien grabe, welches wir von Frauen in Traucrkleidern umstanden sahen, zei gen. wie lebhaft die Seinen den Schmerz um den Frühbeweinten em pfinden. Die höflichen Stadtlent'. Ein Bauer wandert mit seiner Frau in die Großstadt und dort besehen sie sich die Sehenswürdigkeiten. Alles er regt ihre Bewnnderung: aber das Er staunen erregt seine» höchsten Gipset, als er vor eincm Hause ein Plakat mit ein Wort „Feuermeldestelle" sieht. „Nein, sür so höflich und zuvorkommend hätt' ich die Stadtlent' doch nicht gehal ten! Haben sogar Häuser bestimmt, wo mau sich melden tonn, wenn einem das Feuer in der Pseise ausgegangen ist!" Ein stolzer Sänger. Äber. Herr Pipser. der Vogel hier, den Sie mir nenlich verkaust haben, sollte doch ein guter Sänger sein er singt indeß überhaupt nicht!" „Das ist eben ein sehr stolzer Vogel! Er weiß, däß er noch nicht bezahlt ist und aus Borg singt er nicht!" . Zweideutige Frage. Rich. »er: Sie haben also dem Schmalz bauer zwei Ohrseigen gegeben! Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?" l «ebertragunft de» E»»l«ra durch Lebensmittel. ! Die Uebertragung der Cholera durch Lebensmittel behandelt Dr. Kassel vom Koch'schen Institut in der neuesten „D. Med. Wchschr." Der Bersasser sagt in der Einleitung: „Dank den ergriffenen Maßregeln ist Teutschland der Gesahr entronnen, welche ihm von Hamburg drohte. Aber die Befürchtung liegt nahe, daß wir im kommenden Frühling abermals gegen den kaum überwundenen Feind in'S Feld ziehen müssen. Je mehr wir die Ueberzeugung haben, daß wir mit den rechten Nüttel» und auf den» rechten Wege gegen die Seuche vorgehe», desto besonnener werden wir handeln, desto sicherer wirtk der Erfolg sein." Als Zwischenträger der Jniektion habe» wir in der diesjährigen Epidemie das Wasser noch mehr als je fürchten gelernt. Daß aber auch durch Eßwaa ren die Cholera selbst aus weite Ent fernungen verschleppt werden kann, zeigt ein Fall, dessen Mittheilnng der Verfasser Herrn Dr. Schnapauff zu Tessiu in Mecklenburg verdankt. Am 28. August kehrte die Frau eines Ar beiters von einem Besuche iu Hamburg »ach Tessin zurück. Die Reise hatte zehn Stunden gedauert. Die Frau wiirde bei ihrerÄnknust sofort in Qua rantäne uuter ärztliche Beobachtung gebracht. Das Gepäck wurde ihr zum Zwecke der Desiiisektion abgenommen. In den Taschen hatte sie jedoch Butter brot aus Hamburg uud vielleicht noch andere Lebensmittel behalten. Die' übrigen Bntterbroed waren schon auf der Reise ver-ehrt. Am Abend des 29. August wurde die Frau, da sie keinerlei Kraiitheikserscheiiiungen darbot, aus der Quarantäne entlassen. Nach ihrer Angabe haben ihr Mann und ihre beiden Töchter das mitge brachte Butterbrot »ach dieser Entlas sung verzehrt. Andere Personen, welche gleichzeitig mit ihr in Quaran täne waren, behaupten jedoch, daß die Fran ihrer Angehörigen die Stnllen heimlich zugesteckt habe. Am 1. Sep tember erkrankte der Ehemann an schwerer asiatischer Cholera, nachdem gewisse Vorboten schon am 31. August sich eingestellt hatten, und starb in der folgende» Nacht. Zu gleicher Zeit er krankte die eine Tochter unter Cholera erscheinungen, die am 10. Tage zum Tode führten. Die andere Tochter er krankte erst am 4. September nnd ge nas; hier dürfte wohl Sekundärinfek tion vorliegen. Die Mutter blieb gesund, ebenso ihre Angehörigen in Hamburg. Weder vor, noch nach diesen Erkrankungen sind Cholerafälle in Tessin vorgekommen. Die von der Frau mitgebrachten Le bensmittel stammten aus dem Laden ihres Schwiegersohnes, der zu Ham burg in der Straße Rutschbahn 12 ein Delikatessengeschäft betreibt. Es ist nun sehr lehrreich »nd bezeich, nend, daß auch in der Rutschbahn in denselben Tagen, an welchen die Per sone» z» Tessin erkrankten, die Cho lerafülle sich hünsten. Vielleicht war auch hierfür das Delikatessengeschäft der Ausgangspunkt. Jedenfalls be steht die Thatsache, daß durch einen ge funden Menschen die »leime auf Lebens mitteln nach einem anderen Orte, wel cher zur Zeit frei von einer' Epidemie war und in dessen Umgebiing in weiten» Umkreise keine Cholerasälle vorgekom men sind, verschleppt wurden, nnd daß diejenigen Personen, die von jenem Nahrungsmittel genossen, an asiatischer Cholera erkrankten. Es ist kaum mög lich, einen deutlicheren Beweis für die Verschleppung durch Eßwaare» zu lie fern. Der Fall hat den Werth eines gut ausgedachten und fehlerlos durch gesührten Experiments. Er zeigt, wie richtig es ist, daß vor dem Gebrauch vou Eßwaaren aus verseuchten Orten ohne vorheriges Abkochen bezw. Erhitzen derselben gewarnt wird." Von Gustav Nachtigal erzählt mau folgende Geschichte: Ein -Hamburger Ordensjäger. der durch Handelsverbindungen mit afrikanischen -veirlcher» zu Geld, aber »och zu keinem Orden gekommen war. kam eines Ta ges. als der Forscher sich in Hamburg aushielt, höchst ausgeregt zu diesem uud rief: „Denken Sie sich, ich habe vom Sultan vo» .... eine» Ordeu er hallen. Brauch ich nun eine Erlaub niß, de» Orde» zu tragen?" „Ge wiß," antwortete Nachtigal lächelnd, Sie wisse» doch auch, wie man den Orden trägt?" „Nein, Herr Generalconsnl. Bitte, erklären Sie eS mir!" —„Nun." sagte Nachtigal. „Sie wissen doch, daß Ihre Dekoration kein Orden im europäischen Sinne, sondern nur ei» goldener Ring ist, in den ein Halbmond gravirt ist?" „Ja wohl, und wie ist dieser Ring zn tragen? Aus der Brust, am Halle oder im Knopfloch?" „Keineswegs," erwi derte Nachtigal würdevoll. „Der Ri«g Sr. Majestät des Sultans kann nur richtig als Dekoration getragen wer den, wenn man" „Wenn man," un terbrach der neugierige Ordensjäger er regt „Wenn man ihn durch die Nas« ucbt." Schlagfertig. Vater: Franz, die Mutter meint, Du würbest nicht versetzt werden! Franz: Abwarten! Sagt doch Schiller schon: Mütter rren! Der kluge Sohn. Mutter: Sich, denk' nur, Karl, Vater ist schon wieder betrunken, das ist nun schon das vierte Mal in dieser Woche und heute ist erst Dienstag. Sohn: Mutter, ich begreife aber auch nicht, wie Du ben zum Manne hast nehmen können. uevervore». «a/acuiausel K.: Unsinn, mit mir da kommt Keiner mit! In Amerika lies ich mit einem Eil zug um die Wette und kam früher an als er. Schncltläufer L.: Pah! Klei nigkeit, ich sah in der Wüste Sahara einen Samum heranbrauscn, da gab ich Fersengeld und ich lies so schnell, daß der Samum immer üvv Schritt hinter mir blieb!
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