6 Unter m tp«nt»lf«l. Pantoffelheld ist eigentlich eine total Unrichtige Bezeichnung; denn wir untci dem Pantoffel, d. h. im schlimmen «icht im guten Sinne des Wortes, steht, der »st eigentlich kcin großer Held, wenn auch die alten, ewig durstigen Ritter, das Wohl ihrer Schönen aus deren Oantoffeln getrunken haben und trotz dem Helden blieben. Doch heute ist das Alles anders, was wahrscheinlich daher kommt, daß die Füßchen unserer Damen so klein geworden sind, daß sie keinen Humpen «dien Rheinweines, sondern höchstens Än Gläschen parksit ä'amour-Likör halten. Wie immer das sein, d. h. ob eS cii« dcr Größe dcr Pantoffel oder an den Männern liegen mag. die meisten der heutigen Pantoffelmänner sind keine Held«» mehr, sondern Ritter von der traurigen Gestalt. Um nicht einseitig zu werden, wollen wir hier gleich beifügen, daß ihre Zahl leider mindestens erreicht, wo nicht be deutend übertroffen wird durch Män ner, welche aus ihren Fraucn, um bei dem Vergleich mit Fußbekleidungs aegenstäudcn zu bleiben, —wahre Stic' ffelwichzheldinnen machen. Dic Frauen, wclchc das Unglück ge habt haben, an brutale Männer zu ge rathen, verdienen den Titel „Heldin nen" meist im vollsten Maße; denn es gihörl ein wahrer Hcldcnmuth dazu, um zur Vermeidung von Skandalen oder aus Rücksicht auf die Kinder zu trugen, was solche Haustyraune» ver» langen. Der Pa»toffelheld wird, eben weil cr «in Mann ist und sich nicht ganz von der Gesellschaft ausschließen kann, bald genug als solcher erkannt und von sei nen Freunden ausgezogen und gehän selt und über die ganze Sache, die doch eigentlich nur das betreffende Ehepaar angeht, wird so viel Lärm gemacht, daß man zuweilen denken muß,«die Welt sei voll von „Simandeln", wie man diese Sorte in Wien nennt. Die Stieselwichzheldin dagcgcn tritt naturgcmäß wcnigcr an die Öeffentlich teit. Ihr Loos, welches sie meist mit dewundcrswcrthcr Geduld erträgt, wird daher such weniger bekannt uud die Holge davon ist. daß man in der Regel aiinimmt.es gäbe mehr tyrannische Ehe männer, als Frauen, während das Verhältniß gerade umgekehrt ist. Einc kluge Frau kommt mit ihrcm Manne, wenn cr nur halbwcgs rück sichtsvoll und freundlich gegen sie bleibt, so wie cr cs bci der Berheirathuug ge schworen hat, fast immer zurccht. wcnn «S auch Anfangs keine Reibereien geben »nag. Und ebenso kann cin vernünfti ger Mann seine Frau, wenn sie ihm init dem in dcr Ehe unumgänglich nothwendigen gutcn Willen entgegen kommt, mit der Zeit zu seinen eigenen Anschauungen heranziehen, wenn sie «uch gewisse Dinge in ihrem elterlichen Haufe anders und besser gewöhnt war. «ine tiefe, ernstc Neigung, gegenseiti ges sveundlichcS Entgegenkommen uud «n vc n nstige Rüclsich i »' dicbereä» tigteu Wunsche dcs andern Theils sind jedoch unvcrläßliche Bedingungen zu «mei guten. Ehe nnd in Maße, in welchem sie sehlcn, vermin dern sich auch dic Aussichten auf ei» glückliches Zusammenleben. Das Unglück ist in den meist?» Fäl le» mir das, daß die Quantität, in Welcher die genannten Eigenschaften Vorhanden find, sich erst nach der Bcr- Geirathung herausstellt, also nachdem es spät ist, den folgenschweren Schritt Mckgängig zu mschuu E» tilgt dies natürlich cincsthcils in der Natur dcr Sache, auderentheils könnten sie die Leute, welche eine Verbindung sür'S Lebe» eingehen wollen, doch genau genug prüfen, wen» sie nur wollen, so die Gefahr einer unglücklichen Ehe wenigstens aus ein Minimum reducir' wurde. Mit absoluter Sicherheit zu vermei den ist sie natürlich nicht. Denn eS gibt srominc Taubenaugen mit einem Madonna-Gesicht, welches sich nach der Hochzeit in ein wahres Medusen-Antlitz derwaudelt. und süßholzraspclndc Gi gerl,die-als Bräutigam sogar dcm Mops der Großinutter Candi) kaufen, später «der ihrer Frau ein paar Cents sür ein Band oder was sie sonst brauchen mag, derweigcrn. Gegen eine solche hochentwickelte Heuchelei vor der Hochzeit ist natürlich «in Kraut gewachsen. Auch wollen >«r nicht von Geld-, Konvenicnz-, Ver sorguugs- u. s. w. Heirathen sprechen. Denn die meisten derselben sind einfache Hecheiiexempel. „Soviel Hunderttau lvid Dollars zu soviel mehr gibt ein Vermögen von dem nnd dem Betrag, hon dessen Zinsen Ihr sehr bequem «den könnt. Das Kapital wird sür die <twa sich clnstellcnden Kinder festgelegt «nd mit Euch selbst könnt Ihr machen, »as Ihr wollt." So ungefähr schickt man zwei reiche iungc Menschenkinder in die Welt uud «ie Resultate davon können wir sast an tsdcm Tage des Jahrcs unter dc»i Ehe fchcidungs-Bcrichten in den Zeitungen lesen. Die Vcrsorgungs - Heirathen, sei cs, daß ei» Mädchen sich an einen reichen Mann oder ein junger Mensch pch an eine wohlhabcndc verkauft, redcn oft genug iu derselben Weise, wie dic anderen Geldheirathen, welche uns, wic gesagt, nicht wcitcr intcrcssiren. Was uns aber intercssirt und eine Frage, die nicht genug vcutilirt werden k«nu, ist dic, wie die große Mehrzahl dcr nicht mit großen GlückSgülcrn ge segneten Mcnfchcn hcirathet. Und da «findn: wir vor Allem ciuen Uebel stand, der sehr viel dazu beiträgt, spätere Pan toffklmänncr und Stieselwichsheldinmn zu mache», und das ist das übcrhastcte und unübcrlegtc Hcirathcn. Wir sind durchaus nicht dafür, daß man, wie es in Deutschland vielfach Mode ist, zwei bis drei Jahre ~mit ein «tdcr gehen" soll, ehe man hcirathet. Auch ist dies hier, wo die jung« Leute sehr viel früher, als drüben, ge nügcnd Geld verdienen, um eine Fa> milie zu gründen, kaum nölhig. Aber eine gewisse Zeit, sagen wir dreiviertel oder wenigstens ein gutes halbes Jahr sollte dem Verlobtenstande doch gegeben werde». Bei der Heiratherei,sechs oder acht Wochen, nachdem man sich aus dem Picnic oder einer Tanzgesellschaft u. s. w. kennen gelernt hat, kann doch unmöglich auf ein dauerndes Glück ge rechnet werden. In den meisten Fällen beginnt der Kampf schon kurz nach der Hochzeit und nach dem alten Naturge setz „dcr Stärkere siegt," geht eS dann auch in der Ehe. Ist die Frau die' Stärkere, so gibt es einen Pantoffel mann, und ist es umgekehrt, eine Stiefelwichsheldin. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß diese Eventualität nicht gelegentlich auch nach langer Bekanntschaft eintre ten kann. Ja, wir gehen noch weiter und geben zu, daß sich solche Fälle selbst dann ereigne» können, wenn die beiden jungen Leute im Brautstände nicht, wie oben erwähnt, sich gegenseitig anheucheln, sondern verhältnißmäßig aufrichtig gegen einander uud vollkom men überzeugt sind, daß sie gut mit einander auskommen werden. Es mag ansangt ja auch Alles gut gehen, bis sich schließlich doch eine bedeutende Cha rakterverschiebenheit zeigt, welcher die eine Ehehälfte in Nachtheil gegen die andere bringt. Wie gesagt, dies kann Passiren. Wo jedoch genügende Vorsicht gebraucht und hinreichende Zeit gegeben wird, gehört e?» gründliches Verrechnen in dem Cha rakter des cine» oder des anderen Thcils doch zu den Seltenheiten, wäh rend es fast gewiß ist, daß dieser Fall bci einer überstürzten Handlungsweise fast mit Sicherheit eintreten wird. Die beste Art, der Gefahr eines Pan toffel? vorzubeugen, ist cine möglichst gründliche und volle Klarheit beider Theile über ihr künftiges Leben und unverbrüchliches Festhalten c>n dem, was sie einander für alle Zeiten ver sprochen haben. Wir haben kcin sehr großes Ver trauen in die Aussprüche der Leute, welche man Frauenkenner nennt oder vielmehr, die sich als solche ausspielen. Denn das weibliche Herz hat noch kein Mann auSstudirt und wird auch keiner je auSstudiren, nur diejenige», welche sich vielleicht ei» Urtheil erlauben dürs ten, schweigen. Immerhin ist et was Wahres daran, daß cine an Geist und Körper gesunde Frau sür gewöhn lich eine höchst geringe Meinung von einem Pantoffelhelden hat. Die Frau verlangt vor Allem Cha rakterfestigkeit von dcm Manne ihrer Wahl uud wciß gut gcnug. daß gerade diese Hauptcigenuhastnicht ohne gewisse Wen und Harten ist. Ist sie klug, so wird sie die letzteren allmälig abzu schlcifcnHsuchen, ohne an der Hauptsache zu rütteln. Ist der Mann klug, so wird cr das stillschweigend dadurch an erkennen, daß er seincr Frau in Allcm, was in ihren Wirkungskreis gehört, ihren Willen läßt und sie nicht als seine Haushälterin oder gar Stieselwichshel din, sondern als seine beste Freundin und sein ..Ein und Alles" behandelt. Wenn der Mann jedoch schwach ist und von keinem Tag auf de» andern weiß, was er will, so nimmt ihn ei» kluges Mädchen überhaupt nicht. Hat sie sich jedoch, wie es zuweilen geht, von ihren Verwandten und Freunden dazu überreden lassen, es doch zu thun, so beherrscht sie ihn natürlich. Ob sie aber ihren erstcn Unterthan und angeb lichen Herrn in den tiessten Tiesen ihres Herzen» achtet oder nicht. das Zöllen un» jene Frauenkenner sage». Wic es den Frauen mit ihren Män nern, so geht es dem Mann mit seincr Frau. Der richtige Mann, dcr den Namen eines solchen sieht sich die sogcnanntcn emancipirten Frauen als eine Art von Wunderdinge» an, d. h. cr wundert sich im Stillen, was mit der Zeit aus den Dingern werden wird, aber er—hcirathct sie nicht, wenn er nicht desselben Geistes Kind ist. Ein vcrnünstigcr Mann will aber auch keine Puppe, die zu Allem Ja sagt, sondern ein Mädchen mit einem festen Charakter und klarem Kopf, und bringt sie einen sich in den Schranken der Weiblichkeit haltenden, dabei abcr ent schiedenen Willen mit in die Ehe, so wird er ihn achten und chrcn. Und dann, aber auch nur dann wird es mit der Zeit zu dem schönsten Ver hältniß kommen, welches in der Ehc überhaupt erreicht werden kann: daß nämlich ein Theil dem anderen das Le ben nach Kräften zu verschönern sucht. Glück und Unglück treu mit ihm theilt und Beide sich stillschweigend in ihre Eigenarten schicken. ES wird eine Art von gegenseitigem Pantoffel sein, aber einer, den sich ein Jeder gern gefallen läßt. Seine Mittel erlanben eS. Tom: Aber wic in aller Welt, Sam, lommst Du denn dazu, Deine Pfeife so verrückt im Munde zu halten? Sam: Wie Du siehst, ist die Pfeif« schon ein bischen kurz geworden, und wenn ich sie jetzt so schräg zwischen die Zähne nehme, kann ich mir nicht mehr die Lippen verbrcnncn! Die kleinst« o««anyacht. Einer der kühnsten und erfahrensten Seeleute der Ver. Staaten ist Capitän Wm. I. Andrews in Boston. Er stammt nicht nur aus cinerFamilie, deren nränn liche Mitglieder seit einem Jahrhundert fast ausnahmslos dem Seemannsderuf gelebt haben, sondern zeichnet sich auch durch ein besonderes Glück in seinen Unternehmungen aus. Wenn der rus sische Dichter singt: „Mit vermorschten Brettern gebt mir, gebt mir, ach! ei» schwankes Boot, Dessen Segel von den Wettern Tausendfältig sind bedroht!" so trifft das mit Ausnahme der mor schen Bretter wörtlich auf Eapitän Andrews Fahrzeuge zu, mit denen er kühn den Schrecken und Gefahren des atlantischen Oceans trotzt. Wcnn der alte römische Dichter, der ooch gewiß selbst keine furchtsame Land ratte war und auf vielen Meerfahrten und im Seekriege großen persönlichen Muth bewiesen hatte, seine Bewunde rung der Kühnheit des ersten Seefah rers mit den charakteristischen Worten ausdrückt, „daß seine Brust mit Eichen holz und dreifachem Erze gepanzert ge wesen sein muffe", so kann Eapitän Andrews dieses Lob für sich mit vollem Recht beanspruchen, um so mehr, als der selige Hofpoet des Kaisers AugustuS an den Atlantischen Ozean gar nicht dachte, sondern nur an das Mittellän dische Meer, aus welchem sich die Schiffs kunst der kaukasischen Culturvölker, wahrscheinlich auf dem Boden ihrer be rühmten phönizifchen Vorgänger, ent wickelte. Bereits drei Mal hat Andrews den Atlantic glücklich hin und her gekreuzt, und zwar auf kleinen Schnellfeglern eigener Construction. Das erste Mal, als er im Sommer 1876 aus seiner Dacht „Nautilus" die Reise machte, be schäftigten sich alle Zeitungen mit dem kühnen Wagniß, und seitdem ist An drews ein berühmter Mann. Sein neues Segelschisschen, „Der fliegende Holländer" genannt, ist nicht länger als 144 Fuß und besitzt eine größte Breite von 5 Fuß. größte Segelfläche beträgt 15 NardS. Der eigentliche Ballast besteht aus ZVO Pfund Blei, welches auf dem tief sten Theile des Bootes genau im Schwerpunkte niet- und nagelfest ver staut ist. Der „fliegende Holländer" verjüngt sich auf .beiden Enden zu einer scharfen Spitze, und ist mit einem völ lig wasserdicht gefügten Deck von halb zölligen Brettern aus dem besten Gc birgStannenholz verschen. Aus dem felbcnMatcrial besteht der Schiffsruinps. Das Ganze ist mit einem straff gespann ten Ueberzuge von getheerter und mit Oelsarbe angestrichener Leinwand ver sehen. Für die Wahl dieses UeberzugeS war der Umstand entscheidend, daß Ka pitän Andrews auf seinen früheren Fahrten üble Erfahrungen mit See tang und Schmarotzern Bohrmu scheln, Krebsen u. f. w. gemacht hatte, welche den Schiffsboden dicht be deckten und die Schnelligkeit der Fahrt außerordentlich beeinträchtigten. Ge thecrte Leinwand soll dagegen von die sen unliebsamen Anhängseln ganz frei bleiben. Im Deck ist nur eine Oeffnung an gebracht, gerade groß genug, um einen Mann durchschlüpfen zu lassen. Der Proviant besteht ausschließlich auS Con serve» in versiegelten Blechbüchsen und ist unter Teck in wasserdichten Abthei lungen fest verstaut. Natürlich bildet Andrews selbst die einzige Bemannung. Er steht jetzt im 4S. Lebensjahre, und es ist beinahe überflüssig, zu bemerken, daß er ein Manu von muskulösem, sehnigem Kör perbau ist und mit dcr Führung seines kleine» Fahrzeuzes, 'owie dem Ge brauche der nautischen Hülssmittel Kompaß, Sextant und Seekarte völlig vertraut ist. Die Dauer der Fahrt ist auf vierzig Tage berechnet. von Boston bis nach QueeiiStown. Vor wenigen Tagen ist der kühne See mann aus dem Bostoner Hasen bei schönstem Wetter und gutem Fahrwinde abgesegelt. Immer gewissenhaft. Zwei Gäste trete» in ein Restaurant nd lassen sich an verschiedenen Tischen nieder. „Kellner," rust der erste, „bringen Sie mir eine Portion Brat fische!" „Mir ebenfalls," ruft der zweite Gast, „aber gut und frisch, hören Sie wohl, Kellner?" Der gewissenhafte Kellner eilt an das unmittelbar zivi schcu den beiden Fischsreuuden bcsind liche Sprachrohr und rust in die Küche hinunter: „Zwei Bratfisch, eine davon gut und frisch!" Zurßererbungstheorie, Jüngling (zum Friseur): Glauben Sie, daß ich je einen starken Bart betommcn werde? Friseur: Schwerlich! Jüngling: Aber, mein Vatcr hatte cincn starkcn Bart! Friseur: Das beweist nichts, vielleicht sind Sie nach der Mutter gerathen! Der Glückliche. Bettler: Ach. lieber Herr, helfen Sie doch einem armen. Tcufcl, dcr kein Heim, keine Familie und keine Freunde bat! Älter Herr: Und da bcltagcn Sie sich noch, Sie Glücklicher! Seien Sie froh! Sie wissen gar nicht, was Sie bei den jetzigen Zeiten dadurch ersparen! Die Schlacht. Wir schlichen dahin, matt und müde, die verrosteten Gewehre geschultert. Wir glichen mehr Gespenstern, als menschlichen Wesen, unsere Gesichter waren mit Schmutz und Staub über klebt—Schmutz und Staub lag aus den Uniformstücken.... Der Major, ein dicker, rothhaariger Mann, ritt auf seinem Braunen an der Spitze des Bataillons. Aus der Ferne ließ sich ein dumpfes Rollen, ähnlich einem sich beständig nähernden Gewitter, vernehmen. Die Leute wußten, daß sie der Schlacht ent gegengesührt wurden, darum waren die Gesichter auch so bleich geworden. Kein Witz erklang, kern Lachen, man sprach nur mit gedämpfter Stimme. Eine drückende Schwüle lag über dem Ba taillon. Einige der Mannschaften schienen heimlich zu beten, andere langten die zerknitterten Spielkarten aus dem Brot beutel hervor und warfen sie in den Ehausseegraben. Eine reitende Batterie jagte vorüber, sie protzte ab und eröffnete das Feuer. Jetzt erblickten wir auch die ersten Todten: in den verschiedensten Stellun gen lagen sie, auf dem Rücken, aus dem Bauch, die Bcine herausgezogen, die Hände in die Erde gekrampst: Blut auf den Waffenröcken, Blut aus dem Boden überall Blut! Mit ihren weit offenen, unheimlichen Augen schienen sie uns anzustarren, als wollten sie sagen: „Nur Geduld, heute Abend ruht Ihr Alle mit uns in einem großen, kühlen Bette, mit etwas Staub bedeckt!" Die erste Granate schlug in das Ba taillon ein. Ein augenblickliches Stocken und Drängen entstand. „Ruhig, Kinder, ruhig!" ries der Major. Die Granate hatte Franz Wohlqe muth getroffen und ihn getödtet, ohne weiteren Schaden zu thun. Armer Kerl! Gestern noch hatte er mir von seiner kleine» Anna erzählt, und daß ' sie, wcun der Krieg beendet sei, Heirathen werde aus, Alles aus> sür immer aus! Und Anna! Doch daran zu denken ist keine Zeit! Vorwärts! vorwärts! Das Pferd des Majors erhält einen Schuß. Es Häumt hoch auf und über schlägt sich mit seinem Reiter. Einige Soldaten zerren den Officier unter dem im Todeskampf wild um sich schlagen den Thiere hervor. Vorwärts! vorwärts! Die Verluste mehren sich: Granate auf Granate schlägt in die Glieder ein, auch das Kleingemehrfeuer macht sich schon bemerklich. Die beiden ersten Compagnien werden auscinandcrgczo gen, während die beiden anderen als Halbbataillonc sormirt folgen. Wir laufen und ducken uns hinter Steinen, selbst niedere ErdvcrUefungcn sind uns willkommen. Dann feuern wir wie der. Der Pulverdampf quirlt und qualmt vor uns. hinter uns, um uns. Die Schüsse vereinigen sich zu einem ohrenbetäubenden Ganzen: mir ist. als befände ich mich in einem riesigen Kessel kochenden Wassers, das siedet, und brodelt, und schäumt überall. Ein leichter, trockener Schlag, etwa wie das Klopfen eines Spechtes an der Baumrinde, dicht neben mir, läßt mich umschauen. Johannes Grau dreht sich einmal um sich selbst und fällt dann todt nieder, eine Kugel hatte ihn mitten in den Kops getroffen. Seine arme, kranke Mutter! und er trug doch einen Himmelsbrief! Doch vorwärts! vorwärts! zum Grübeln ist keine Zeit! Wir dringen in das Dorf ein. Der Feind will es auf alle Fälle be haupten. er führt neue Truppen vor. aber auch wir erhalten Verstärkung. Im Dors entspinnt sich ein erbitter ter Kamps. Unsere Pioniere schlagen die Wände der auf's Zäheste vertheidigten Gebäude ein und werfen Fackeln in dieselben; überall Rauch und Staub, Gluth und Verwüstung, und in dieser Hölle käm pfen die Mensche» wie rasende Bestien, Haß und Mordlust in den Blicken, zit ternd vor Aufregung und Wuth. Ein Schuß, aus dem oberen Fcnstcr eines großen, stattlichen Hauses abge feuert, durchschlägt mir den Helm und wirft meinen besten Freund Emil Wassow blutend zu Boden. Unsere Kolben zertrümmern die Thür. Hinauf die Treppe! Ei» bleiches, junges Mädchen stürzt uns händeringend entgegen, am offenen Fenster lehnt ein junger Mau», die rauchende Flinte in der Hand, ein Greis liegt mit durchschossener Brust in der Mitte des ZimmerS. ~Erbarmen! Erbarmen!" kreischt das Mädchen. Wir aber kannten kein Erbarmen mehr, unsere Bajonette stießen den juugen Mann vor ihren Augeu nieder. Mit einem Aufschrei, der selbst in unserer Wuth und Erregung uns erbeben machte, warf das Mädchen sich über die verstümmelte Leiche. Ich glaube dicfcu Schrei noch oft in bangen Träume» zu höre», es war ei» Schrei wahnsinniger Verzweiflung uud Oual. o! ich werde den Schrei niemals vergessen! „Vorwärts! vorwärts! Wieder auf der Gasse bin ich. Dicht »cbe» inir ptatzt eine Granate und ei» Splitter derscll-cu zerschlägt mir das in meiucn Handen, ich nehme mir das ciucS Todten und feuere weiter. Uebcrall erklingt der Sturmmarsch, das Signal: Avancircn. Ueberall lärmen die Trommeln und Hörner, krachen die Salven, schallt da» heisere Hinrah! ! Au der Wand eines HauseS lehnte > ein schwervcr'vundcter Füsilier. Ein Granatsplitter hat ihm den Leib aus gerissen, aus der zersetzte» Uniform quillen die Eingeweide hcrvor. „Kamerad, erschieß mich." flehten seine Augen, „ich kann cs nicht längcr ertragen, aus Erbarmen erschieße mich!" Vorwärts! vorwärts! kein Zaudernl Jede Kugel gilt dem Feind! Das Dorf ist erstürmt Die Gegner weichen ihnen nach! Die wenigen noch kampffähigen Fü siliere des Bataillons brechen aus dem Dorf hervor, wir müssen durch Blut lachen. iibcr verstümmelte Menschen und Pserdcleichen, über zerschlagen« und fortgeworfene Gewehre und Uni formstücke schreiten. Hinter einem Eisendahndamm, den ver Feind besonders hartnäckig verthei digt hatte, lagen die Todten und Ver wundeten zu dreien und zu vieren aus einander geschichtet, einen Wall bildend; an'den Böschungen des Dammes rann das Blut in kleinen, trägen Bächen hcrab, um am Fuße desselben cine schmutzige Lache zu bilden. Wir mußten über die zuckenden Mcn schcnlcibcr sortklcttcrn... Etwas wei ter nach rechts von uns konnten wir verfolgende Kavallerie erblicken; sie jagte in rasendem Karriere dahin, uud die Huse der Pferde zerstampsteu dic am Boden liegenden Verwundeten, gleichmäßig Freund oder Feind., auch Geschütze sahe» wir dahcrrollen. und sahen die verzweifelte» Bemühungen dcr Verwundeten, nm den Rädern der selben auszuweichen: vergebens— über sie sort ging cs und ihr Blut spritzte in die Speichen... Es ward Abend. Dic Wuth uud Aufregung des Kam. pses legten sich, und eine stumpfsinnig! Erschlaffung, ciuc dumpfe Müdigkeit trat ein. allc Gedankcn schienen abgcstor ben, alles Fühlen. . wir warscn nnS, wo wir gerade waren, zwischen Todten und Sterbenden zur Ruhe nieder. Es mochte Mitternacht sein, als ich vom Hunger gequält, erwachte... Dcm Tornister eines gefallenen Feindes cnt> nahm ich ein Stückchen Brod und ver schlang es gierig. Die Gluth der brennenden Dörfer warf einen rothen, schaurigen Schein durch die Nacht und in diesem Augenblick sah man dunkle Gestalte» lautlos sich hin- und herbewegen, oft blitzte ein Licht auf, um gleich daraus wieder zu erlöschen.... Waren das Krankenträger? oder di« schrecklichtn Hyänen des SchlachlscldeS? Halbgeflüstcrte Worte verwehen im Wind. Es ist ctwaS Unheimliches in diesem lautlosen Treiben, das man mehr ahnt als hört, mehr sühlt als sieht —cs ist. als sichren Irrlichter einen Hexentanz über cincm großen düstern M00r.... Endlich wird eS hcll! Der schwache, gelbe Streifen dori fern im Osten ist der Tag. Wie viele Taufende blühende Lcben, die cr gestern noch wach geküßt, wie cr nie wieder ihre starren Augcn schcn ihn nie mehr, ihre kalten Leibcr fühlen nie mehr feine belebende Wärme - vor bei vorbei sie sind verwelkt wic Blume» und können vergehen und zer fallen in ihre Urbestandthcilc,... Nur cinige Schritte von mir entfernt erblickte ich einen erschossenen Feind, dessen kalte Hand eine Rose an die Brust drückte.. .war es ein Geschenk der Mut ter? oder dcr Braut?.... „Sammeln! Sammeln!" lärmten die Hörner, rasselten dic Trommeln. „Sammeln! Füsiliere hier! Jäger hier! Sammeln!" erscholl cs von alle» Sciten.... Und die Sonne kam hervor, so schön, so schön Prompt« Antwort. Bauer: „Aber, Babctt', wie kanr Sic nur so Ihren Mann prügeln?" Bäuerin (läßt ihren Mann IoS und legt de» Fragenden über'S Knie): „So, das sür die Fragerei!" Ironischer Beschet». Baron: Hcda, Herr Wirth, Ihr Wein schmeckt ja verdammt wässcrig. Wirth: Nun, Hcrr Baron, das muß ten Sie doch schon gewohnt sein; Sit trinkcn ja stets gepumpten- Dic Gegensätze. Hand wertsbursche: Bitte um eine Gabe, mir sehlt es an Geld wcilerzulommcn. Student: Eigenthümliches Zusammen treffe»! Mir sehlt es an Geld, hier zu bleibe». Aerien» Mit welcher Sehnsucht und Ungeduld haben mir in unserer Jugend um diese Zeit des Jahres die Wochen und Tage gezählt, welche uns noch vom Beginn der glücklichen Ferienzeit trennten. Und wenn endlich dcr gefürchtetc und doch so heiß herbeigesehnte VrüsungSlag vor über war, wie schnell wurden Schul bücher und Alles, was an die Schule criuucrtc, in die Ecke gelegt, um daselbst bis zum Herbit zu schlummern. Wir abcr stürmten hinaus in'S frische, lebendige Grün, in die würzigen Wälder, auf unsere majestätische» Bcrgc mit ihrer herrlichen Aussicht über die reichen Thäler zu unseren Füße» und a» unsere lachenden Seen, nm cntivc dcr im flinke» Boot darüber hinwcgzu rndcrn oder in kühlen, klaren Finthen mit dcn'fischen um die Wctte zu schwimmen. Mit jedem Blick über unser schönes Heimathland, mit jedem Athemzug der frischen, rcincn Lust, mit jedem Herz schlag der Freude über unsere momeu tauc Unabhängigkeit, kurz mit jeder Faser unseres Daseins gcnicßen wir die reichen Gaben dcr Natur. Vcrgcsscu sind all' die klciucn Leiden des dumpseu Schulzimmers, die strengen Censuren des wohlmeinenden, aber zuweilen doch rccht langweiligen und uuangenchm scharf bcobachtcudcn Herrn Lehrers uud vorläufig trübt unser Gemüth »och leine Vorahnung, daß all' diese Schrecken im H.rbst wiedcrkchrcn. Ohne Erinnerung an die Vergan genheit, ohne Furcht vor der Zukunft erfreue» wir uns uuter dem schützciidcn Tach dcs Vaterhauses der Gunst d.S Augenblicks mit der ganzen Sorglosig keit uud Schnelltrast der Jugend. Uud das Zusammenwirken aller dieser glück lichcn Verhältnisse ist cs. was die Fe rienzeit in nnseren Schuljabreu zu dem macht, was sie sein soll; eine Erholung von gethaner und Krastansammtuuq für neue Arbeit. Je mehr das Schick sal oder wir selbst uns von jenen GlückS umständen cntscrncn. desto geringer wird der geistige nud körperliche Vor lbcil, welche» wir aus unsere» Ferien ziehen. Was »nS in de» meisten Fälle» zuerst von unscrem damaligen Glucksbestand genommen wird, ist das Vaterhaus. Die treuen uud sorgsamen Eitern ha be» leine Mühe» und Opfer gescheut, um uns für das praktische Leben vor zubereiten. und behielte» uns wohl am liebsten auch fernerhin bei sich. Abcr einmal muß da- Küchlein doch flügge werde» und selber fliege», und so geht es denn, von de» heiße» Zegenswünschen von Vater und Mut ter begleitet, hinaus in die große, weite Welt. Wohl dcm. dem cs auch dann noch gegönnt ist, in jedem Jahre wenigstens .'iiiige Wochen glücklicher Ferien im El ternhause zuzubringen und die Freu dcn seiner Jugend wieder zu genießen. Doch nicht Jedem ist dies Glück gegönnt und bei so Manchem bedeutet das erste Scheiden vom Vaterhaus einen Ab schied sür immer. Gleichzeitig damit sind wir in Bezug auf dic Ferien- und so manche andere Freuden auf unsere eigene Spannkraft angewiesen, mittelst denen wir, bis zu einem gewissen Grade wenigstens, die Art und Maß un serer Gemüthsbewegungen bestimmen können. Daß ein Mensch, welcher während des ganze» JahreS, sei es mit der Hand öder mit dem Kopf, arbeitet, Ferien braucht, refpective haben sollte, ist eben so sicher, als daß man die Sehne eines BogenS nicht immer gespannt lassen dars, wenn die Waffe nutzlos werden soll. Die Sonntags ruhe allein genügt nicht, denn dic Zeit ist zu kurz, um sich die Erinnerungen au die jüngstvergangene und dic An forderungen der kommenden Woche, wie man zu sagen pflegt, total aus dem Kopfe zu schlagen. Sowohl die ver gangene, wie die kommende Woche wer fen ihre Schatten über den Sonntag, welcher zwar als eine kleine Paufc in dcr Tretmühle des Alltagslebens, abcr kein vollkommener Ruhetag bezeichnet werden kann. Um die Ferien voll zu genießen, so daß sich nicht allein der Körpcr, sondern auch dcr Geist gründlich erholt, dazu gehört nicht allein das, wie eS dcr Ber liner nennt, „süße Nichtsthun", son acrn auch geistige Ruhe, namentlich dic größtmögliche Freiheit von trüben Er innerungen an die Vergangenheit uud Sorgen -für die Zukunft. Glücklich derjenige, dessen Ferien von keinem dcr beiden getrübt werden. Aber auch wenn sich weder die Erin nerungen, noch die Sorgen bannen las sen, sind die Ferien nützlich, denn sie nehmen wenigstens für eine kurze Zeit die Last der Arbeit von dem ohnehin schwer genug Bedrückten, vorausgesetzt, daß eS keine erzwungenen, d. h. mit dem Verlust des täglichen Brodes glcich bedcntcndcn Ferien sind. Unsere Freudc an den Ferien, möge» wir dieselben zu einer kleinen Reise oder einem kurzen Landausenthalt benützen, hängt wesentlich von dem Grade ab, in welchem wir uns in unsere Jugendzeit zurückversetzcn, d. h. wieder jung wer den können. Je besser cs uns gelingt, Kummer und Sorgen sür den Augen blick wenigstens bei Seite zu lassen; dic Ratur zu genießen; uns über jede schöne Aussicht :c. zu freyen; uuS so viel wie möglich im Frnen herumzutummeln; alle Unterhaltungen »nd Spiele, ja so gar die cinc odcr andere kleine Tumm t>eit dcrl)icrzu immer ausgelegten Ju gend mitzumachen: gelegentlich auch cin miserables Countrysutter mit gutem vumor zu verzehren und, wcnn wir zum schöncn Geschlecht gehören, über cincn verregneten Hut odcr ein dito Kleid lciue Woche lang Gesichlcr zu schneiden: desto mehr Genuß werden wir von unseren Fcrien haben. ! Wer abcr an einen der sogenannten .sajhionablen" Geldprotzen-Plätzc geht. der sich durch nichts Anderes auszeichnet, als dadurch, daß cr zehnmal theurer ist, als andere ebenso schön gelegene Orte, und der Gigerl-Gesellschast Gelegenheit gibt, sich gegenseitig zehnmal per Tag in anderen Affcnkostümen zu bewun dern, dem —wünschen wir viel Vergnü gen: er wird's brauchen. Wir wollen damit nicht sage», daß Ncwport, Saratoga und die anderen Nester, welche sich des Prädikats „fashio nabcl" erfreuen, keines fliegenden Be suches werth sind. Im Gegentheil, sie sind sür einen kurzen Aufenthalt ebenso interessant, wie Ostende, Wiesbaden. Nizza und alle anderen Plätze, an wei chen sich die reichen Leute zusammen finden; aber um daselbst unsere Ferien nach guter alter deutscher Weise zuzu bringen,— lieber nicht, liebe Taube! Dazu wünschen wir uns ein sauberes deutsches Farmhaus, von einer saube ren deutschen Familie bewirthschaftet; Mit frischer Milch, Bntter. Käs«!, Eier. Obst, Geflügel u. f. w., (notabene zum eigenen Gebrauch, uud nicht, um „nach der Stadt" geschickt zu werden); mit einfachen, aber schmackhaft und gut ge kochtem Essen; schön gelegen in einer wirklich moskito- und wauzcnfreicn ge birgigen Gegend; Wald, See und Fluß in der unmittelbaren Nähe, und ein paar gleichgesinnt?, einfache deutsche Familien als Mitbewohner. Fünden wir einmal ein solches HauS, wir wären im Stande, die Adresse für uns und ein paar gute Freunde zu behalten. SluS dem Leben eines Zaren. Es ist gewiß nur wenig bekannt, daß einer der machtigsten und reichsten Fürsten Europas sich gegen die Mitte dieses Jahrhunderts veranlaßt sah, „in Kost" zu gehen. Das war thatsächlich, wie ein Petersburger Hisloriograph meldet, mit dem Zaren NilolauS der Fall. Die Sache hat sich folgender maßen zugetragen: Eines Tages ließ sich die Gemahlin des Zaren in einer Anwandlung von HauSsrauenlaune die Sonder-Rechnun gcn über den Hoshallungselat vorlegen. Zu ihrem außerordentlichen Erstaunen begegnete sie gleich auf der ersten Seite einem Posten, der lautete: eine Flasche Rum für den Thronfolger. Die Zarin hatte keine Ahnung davon, daß sich ihr jugendlicher Sohn soweit dem nationa len Laster hingegeben haben sollte, daß er bereits bei dem stärksten Getränk angelangt war. Ihre Verwunderung wuchs, als sie zurückblätterte und einen Tag wie alle Tage die fürchterliche Alasche Rum für den Thronfolger ge wi'sciibast gebucht fand. Das ging zu rück bis in die Kindheit, ja, bis zum Tage der Geburt ihres ältesten Soh nes. Die Zarin war völlig verblüfft und forschte nun weiter. Sie sah. daß auch ihr Gemahl dem unseligen Trank ge huldigt habe» mußte; ocnn auch vor seiner Thronbesteigung fand sich auf jeder Tagesrechnung die Flasche Rum für den Thronsolger. Nach eifrigem Suchen fand die Kaiserin schließlich den Tag. wo ver Rum zuerst angeschrieben war— Mitte der neunziger Jahre deS vorige» Jahrhunderts! Da stand aber auch die Erklärung, denn eine Margi iialnole bemerkte zu dem Postein „We gen heftigen Zahnschmerzes aus Anord nung des K. Hosmedikus einen Thee löffel voll mit Zucker zu nehmen!" Das ging der Zarin denn doch über den Spaß und sie theilte ihrem Gemahl die seltsame Geschichte mit. Zar Nikolaus hörte aiismcrksam zu, ließ sich die ge summte» Hoshaltungsrechiiuugen der letzten Jahre vorlegen und unterzog sie einer genauen Prüfung. Das Ergeb niß war überwältigend. Derselbe Zar, der später einmal er klärte, cr sei der einzige ehrliche Mann in ganz Rnßland. faßte seinen Ent schluß dahin zusammen: „Das ist star ker als ich; geht's so fort, muß ich mein Land versetzen, bloß um die Kosten meiner Tafel zu bestreiten. Dem Dinge will ich ein Ende machen: ich gebe mich in Kost!" Am folgenden Tage bestand keine Kaiserliche Küche mehr. Ein Pächter übernahm die gesammte Hof haltung und versorgte den Hof vom Zaren bis zum letzten Stalljungen. Die Beköstigung wurde in „Stationen" eingetheilt. Der Zar zahlte für sich und seine Gemahlin je fünfzig Rubel, für die Großfürsten und Großfürstinuen sowie für Alle, die an der Kaiserliche» Tafel initaßen, je fünfundzwanzig, für die niedrigste Station je drei Rubel Berpflegnngsgelder. Im Ganzen waren sieben Stationen vorgesehen. Die Maßregel bewährte sich ausgezeichnet. Nie hätte der Hof so vorzüglich gespeist: so reichhaltig und so gut. So volle Gesichter, so rundliche Formen wie da mals soll es nie wieder am Petersbur ger Hose gegeben haben und so viel Ersparnisse solle» ebenfalls niemals ge macht sein; Und das Alles wegen der Alasche Rum für den Thronfolger. Aber alles Gute hat seine Zeit. All mählich wurde der Pächter dicker und die Hofgesellschaft magerer. Das Esten fing an schauderhaft zu werden, und der Zar mußte sich wieder zur Selbstbekösti gung entschließen. Die Geschichte tlingt kaum glaublich. Aber sie hat in allerneucster Zeit doch eine Art Seiten stuck erfahren. Auch der jetzige Zar war, als cr zur Regierung kam. als sparsamer uud ehrlicher Mann empört über die ungeheuerlichen Ausgaben für den Hof. Er ließ eine so einfache Haus haltung einführen, daß sie den Spott der ganzen Petersburger Gesellschaft herausforderte. Zudem verbot das Trauerjahr die Abhaltung jeder Hof festlichkeit. Als aber das Jahr zu Ende war, zeigte es sich, daß der spar same Alexander 111. um eine Million, mehr ausgegeben hatte, als sei» prunt- Uedender Vater im Jahre zuvor. Nach sorgfältigen wis» senschaftlichen Ermittelungen pflanzen sich die Erdbebenstaße in der Secundt um Iv.OW Fuß weit fort.
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