Sarah's llpser. Komi» von Wilhelm Bergcr. 1. Der Dampfer, zur Abfahrt nach Eng land fertig, lag bereits auf der Rhede, als Arno Wiedener im Hafenorte an langt«, begleitet von seiner Mutter und seinerßaseSarah Zurmühlen. Es mußt« «in Boot genommen werden, um den jungen Reisenden an Bord zu schaffen. Das Wasser war bewegt, und die Joll« schaukelte heftig unten an der Treppe. Arno sprang hinein und hob seine Mut ter herüber, die vorsichtig folgte. Sa üngstliäi betrachtend, „So keimn' doch !" rief Arno. „Oder fürchtest Tu Dch?" „Wir woll,« auf dem Lande Abschied nehmen," erklärte Sarah. Vorwurfsvoll sagte Frau Wiedener: ?ch wage! Hatten wir uns nicht vorge nommen, Arno bis zum letzten Augen blicke Gesellschaft zu leisten? Wer weiß, Ivann er zurückkehrt?" „Eine Viertelstunde mehr oder weniger ist nicht von Bedeutung," erwiedert« Sarah. „Was gesagt werden kann, ist längst gesagt worden. Und Arno selbst wird schwerlich Werth auf meine fernere Begleitung legen." Sie reichte dem Vetter die Hand hin : „Lebenohl, und bleibe der Heimath treu. Komme nicht wieder als ein Fremdling mit ausgewechfeltem Herzen!" „Ich danke sür die Ermahnung, Büs chen Vergünstig," rief Arno mrruler und schüttelte des Mädchens Hand. „Du bleibst Dir doch gleich bis zum Ende. Sei unbesorgt, Sarah; ich werde mich schleifen, aber nicht umformen lassen. Und Tu lebe glücklich, und pflege di« Mutter, so gut Du kannst!" Sarah nickte, ohne etwas zu erwiedern. Unten aus der Treppe blieb sie stehen und sah dem Bootc »ach, das sich rasch ent fernte. Unbesorgt soll ich sein um ihn, dachte sie bitter. Und wenn ich mi> Sorgen machte, was wäre cS ihm ? Er «cht und baut sich sein Leben; wenig kümmert ihn, was er hinter sich läßt, Tie Zukunft ist ihm Alles, die Vergan genheit nichts mehr. Und hat er jemals nach mir gefragt ? Hat er mich nicht im mer von oben herab behandelt, mein« „Altklughcir", wie cr'S nannte, verspot tend, mit leick'tein Sinn über mich hin wegsehe! d ? War ich ihm mebr als eine HanSginossin, die er aus Gewohnheit „eb.ii sich duldete mehr als eine gleich giltige Verwandte, die unter seincr El er's liicrlen wollte 5 Da fährt er hin, un ter Lachen und Scherze»; die letzte Tbra e der Mutter wird er mit ciiiem fährten anzuknüpfen. O wie gut ich ibn kenne in seiner Flüchtigkeit, seiner schil lernden Ob rflächlichkeit, seincr nnerschüt terlielen Selbstgefälligkeit! Und doch habe ich ihn so lieb ! Unterdessen war in deiji Boote, das, am Winde binsegelnd, stetig die kiuze» bl ebenc» die Rede. „Ein gutes Mädchen ist sie doch, die S.i rah, wenn ich auch nicht das Gluck «Schönheit so schlecht weggclonimen ist. Na, a.n Ende sindet sie doch einmal ei nen braven Man» ; >ch wenigstens will'S Ba>« aus seine» Gedanken entlasse». „Was ich Dir »och sagen wolltc, Mut ter," bcgann er, „erwartet nur nicht, daß ich häufig schreibe, oder gar regel mäßig. Und für weitläufige Ergüsse bin ich erst rccht nicht. Hin und ivicdcr müßt ihr zufricdcn sein. Das ist ja doch die Haupttache," „Freilich, Arno. Doch legt eine Mut ter auch Werth aus Nebensachen." Arno l .chte. „Ich weiß. Wenn Du „Tu wirst mehr halten, als Tu vcr, fprrchft, hone ich. Ich möcht-, gcrnc mit Dir weiterleben und fortfahren, theilzu nehmen au Allein, was Dich beschäftigt und bewegt. Bist Du doch mein einziges Kind!" „Nun ja. zuweilen will ich versuchen, D r ein« Generalbeichte abzulegen." Es war «in leichter Ton des Verdrusses in die/m halben Zugeständniß. Der junge Manu empörte sich innerlich gegen die Zügel, an denen die Mutterliebe ihn nvch immer halten wolltc, da er doch nun aus eigenen Füß.'n stand. „Du mußt Geduld mit mir habcn, Ulrich fernerhin. Das Bedürfniß, Tir zu rathen, werde ich behalten. Nimm «s wobl auf im fernen Indien, was «nein« Sorge um Dich mir in die Feder diktirt." N b d k Antwort überhoben, da eben das Boot mit gelösten, Segel und gehemmter ivahrt auf die Fallreeptreppe des Dampfers zu schoß. Ein Offizier ri«f von oben herab: „Die Dame kann nicht mehr an Bord kommen ; wir lichten sofort den Anker." „Wir müffen Abschied nehmen, Mut ter," sagte Arno hastig, als ob «r sich vor dem Offizier dcs mütterlichen Geleites schämte. Er umarmte und küßte sie. „Bleibe wie Du bist, wäbrend ich mich Aun« Nabob ausbilde; ich will später Staat mit Dir rnachcn." Noch cincn Augenblick hielt svrau Wie, t«»cr den ungeduldigen Sohn an den Händen sest. „Gott sei mit Dir und führe Dich zu mir zurück!" Es waren die letzten Worte, die cr sich noch die Zeit«wnnte, von ihr zu hören ; gleich darauf riß er sich los und kletterte an Teck emuor, Sche? trikb das Boot wieder voH Tamps?r c»> in t>a- straff gezogene Se.zel faßte der Wird; jede Se» luiide vermehrt: d e Entfernung zwischen in der Heiinalh, »i der Umgebung, die sie mit ihm getheilt, sollte sie ihr jchmerz hast zum Bewußtsein kommen. treppe. „Du hast geweint?" sagte Frau Wie dener erstaunt. „Ich hätte nicht erwar tet, daß Dir der Abschied s» nahe gehen würde." „Im Gegentheil, er ist mir leichter ge worden, als ich dachte." gingen langsam am Hasen entlang, auf die Häuser zu. Frau Wiedener schwieg, betroffen von der letzten Aeußerung ihrer Nichte; sie batte bisher geglaubt, Sarah eine geheime Abneigung gezenArno, den zu tadeln sie nie müde wurde. „Also Arno ist Dir nicht gleichgiltig ?" fragte sie cndlch. „Gleichgiltig ist mir Niemand, der eines Menschen Züge trägt," antwortete das Ma?che» ausweichend. „Tu wunderliches Kind!" rief Frau Wiedener. „Ihm selbst hast Du nie ge zeigt, daß er Dir werth ist." „Es mußte doch eine da fein, die ihm die Wahrheit sagte." „Das hast Du redlich gethan; ich bin Dir manchmal im Stillen böse darum ge wesen." „Ich danke Dir, Tante, daß Du cs mich nicht hast merken lassen." „Wie man sich täuschen kann," sagte. Frau Wiedener. „Also Du hast an Arno nicht blos Fehler geseben? Ich für nein Theil begreife nicbt, daß man Je nanden lieben kann, ohne zugleich die Nängel zu entschuldigen, die in seinem '.harerktcr liegen." „Man kann auch lieben mit offenen Augen," versetzte Sarah. „Es macht mehr Schmerz als Freude ; aber ändern läßt sich's nicht." Sarah sagte cs mit ruhiger Bestimmt heit, ohne eme Spur von innerer Be wegung, als ob sie eine gleichgiltige Thatsache feststellte. Die Entdeckung von Sarah's HerzenS >ustand erweckte ein gemischtes Gefübl in ivraii Wiedener. DaS Schwesterkind, daS sie als Waise ausgenommen, war 7.rm und besaß nur geringe Körperliche 'Heize. Es konnte nicht ihr Wunich sein, Saß ihres Sobncs dereinstige Wahl aus diese jung; Verwandte fiel ; er sollte sich du'ch eine Heirath den Zutritt zu böhercn zesclljchafilichen Kuc.sen erschließen; ilrno, der Kaufmann, der in die Welt doribe lhajten.nandel bedacht sein. An drersei s batte sie ihre Niche gern, und mit der natürlichen Gutmüthigteit, d>e ibr kigen war, gönnte sie dem Mädchen, wel chem ja reiche Eaben des Geistes und Herzens nicht abzustreiten waren, die al lerbeste Parthie nur ibren cigcncn ?ohil nicht. Und da sie sich nun vor stellte, daß Sarah auf den Erwerb dirfes Auwels Verzicht leisten müsse, wurde sie lon Mitleid ergriffen. TheilnabmloS sagte sie: „Du armes Kind l" versuchte, Zar ah's Hand zu fassen. Sarab indeß wich zur Seite. „Bitte, Tante, keine wcme auf offener Straße!" ivebcte sie ab. „Und wesbalb bin ich »nn? Ich halte mich nicht dafür ; ich be dauie mich durchaus nicbt selbst. Gestan den bab' ich, waS rch besser verschw gut hätte. Nun leihst Du mir die drittge», die Tu im g eichen Falle br en würoest. Ich versichere Dir, daß mir jetzt, nack'd m ich die kleine Schwäche aberwunden habe, die mich da draußen oor dem ferne verdämmernden Wasser spiegel ergriff, so getrost und sicher zu j)!uthe ist wie je. Die Erde ist doch »ur k ein, und in dem Gewimmel der Men jebril darauf Verl ert sich auch jo leicht Zrieinand. Scheinbar nur ist die Ferne, wenn das Herz Fäden hinüberzuziehen ver mag." „Tu baft von Deinem Vater diese Art icerbt, Dir die Dinge in besonderem Richte vorzustellen," bcmerlte Frau Wicde aer kopsschüttelnd. „Ich babe meinen Zchwager nie recht verstehen können. Sarab lächelte. „Bei mir wirst Du »ehr Glück taniit baben. Was wäre vobt an mir, das einem Paar guter ürigeii eiitzürge?" Der Bahnbof lag vor > den beiden ffraucn ; sie begaben sich in den Warte saal, um mit dem nächsten Zuge nach Haufe zurückkehren. Am Hugli, einem Mündungsarme des /eiligen Ganges, viele Meilen vom Ocecar entfern», liegt Kalkutta, diejenige Statt, ron welchcr Englands Herrschaft über Indien ausging, der erste feste scheidet sich wenig von den seinen Vierteln abendlgndrscher Großstädte; nur die fremdartige Vegetation dc? feuchcheißen Die Europäer, die Herrscher, bilden die Aristokratie der Stadt, «sie unler lassen nicht, ihr Leben so behaglich wie möglich zu gestalte». Ihre Wohnungen wimmeln von Diener», die in strenger, kastenmäßiger Arbeits! Heilung sich mül cn, der Weißen Herrschast jede körperliche An strengring ersparen. Uia arlei'e» in der Mitte des Tages, in dem Drange der Geschäfte sich zusammenraf fend zu energischer der er-. ihnen, wenn sie die letztere nicht gar zu häufig durch Aufregungen zu verscheuche sich bemüh.'n. Vi.r Jahre hatte Arno Wlecener » in Kalkutta zugebracht. Es war ihm nicht schwer geworden, sich in des Landes Weise und Art zu finden. "Nicht einmal die Hitze focht ihn sonderlich an; un verwüstlich schien seine Gesundheit, ,»>- rrschöpslich die gute Laune, die fie ihm verlieh. I«! einem englischen Geschäfte hatte er Stellung gesunde>r jelte die nationalen Schrullen dcs herrschenden Volkes bet ihn, Unterhaltung. Es war AlteS Nachahmung, unternommen aus den» dunklen Triebe, sich den besten An therl an den Schüsseln zu sichern, aus denen in Indien die Fremden schmanscn. Aber wer immer dieselbe Rolle spielt, läuft Gefahr, sich mit ihr zu identifizi cen. Und Arn» Wiedener, obgleich ge wiß überzeugt, in feinem Innern ein gu ter Deutscher geblieben zu fein, war nichtsdestoweniger allmählig auch im Tcnken und Fühlen ein Anderer gewor den und Halle daS Bewußtsein der Zu sammengehörigkeit mit seinen Landeleuten verloren. Wie Sarah vorhergesagt, war «S gekommen: mit ausgewechselten, Her zen stand er der Heimath gegenüber. Seine Untreue indessen trug ihm gu ten Lohn ein. Die Beweglichkeit seines Geistes, verbunden mit einer methodischen Besonnenheit in der Arbeit, »rächte ihn zu einem vortrefflichen Gehilfen. Bald wurde fein Werth erkannt; cr stieg von Stufe zu Stufe. Schon im vierten Jahre hatle cr in dem Haufe Gebrüder Brooks die höchste Stelle inne und hätte erwarten dürscn, demnächst von den Be sitzern zum Theilhaber erwählt zu wer den, wenn cr im Besitze eines angemesse nen Kapitals gewesen wäre. Selten unregelmäßig, genau so wie er eS vorhergefagt, fchrieb Arno an feine Mutter. Jedesmal zwar, wenn der Ab gangstag eines Dampfers herankam, »ahm cr sich vor, ihr durch einen auS fülrlichcn Brief eine Freude zu inachen; dann aber nahm ihn dic andcrweitigc, gc fprnch, daß ihm schließlich nur zu wenigen flüchtigen Zeile» di« Zeit blieb. Am Schlüsse freilich fehlte niemals das Ver nächftcn Pest die noch immer versäumt« Schilderung seiner Umgebung, seincr Lebensweise, feiner finanziell«!, Verhält niß'« nachholen; doch blieb diese Schilder ung ungeschrieben. Frau Wiedener mußte damit zufrieden fein, daß sie er mengckaust. Sie wußte nichts damit anzusaugen, dic einfache Frau; sie über ließ Sarah, sich auszuwählen, was sie arrS der Werkstatt cines kunstfertigen Hindu hergegangen, und trug sie fortan täglich. „Du lebst mehr in Indien als in Europa," sagte ihr Frau Wiedener zu weilen. In der That schien cs so. hatte sich's in entschieden^ umfassender und vollständiger als das jenige, welches er selbst halte. Em paarmal sandte sie ihm «inen Zet scheen Kalkulla'Ä angebetet wurden i Was nützte ihm die Kenntniß dcs Glau bens, der in einem seincr M«inuna nach derGebräuch«, dcs bürgerlichen Wandels war ? Enthielt die Weisheit der Brah manen, die HeilSlehre der Buddhisten, vielleicht eine Anleitung zur Gewinnung einer Stellung und eines Ver>«bnen > im neunzehnten Jahrhundert ? Thorheit, sich mit solchem Kram zu beschäftigen! Die Zettel Sarah'S wanderten in de» Papierkorb. Ter ält«r« dcr Gebrüder Brooks, Archibald. haite eine erwachsene Tochter. sionate erzogen worden ; sie hatte das Be wußtsein einer privilegirten sozialen Stellung schon dorthin mitgenommen, und bestärkt darin war sie vor etwa ei nen« Jahre zurückgekommen. Jetzt stand sie in der vollen Blüthe ihrer stolzen, kal ten Schönheit. Sie siel auf, wo sie er schien, mit ihrer hohen prächtigen Gestalt, ihren wie aus Mormor gcmeißellen ari stokratischen Zügen, der wunderbar rosi gen Farbe ihrer Haut. Mit -königlichem Anstände bewegte sie sich; Alles, was sie sprach und that, trug das Gepräge vollendeter Selbstbeherrschung. Arno, bei all' seiner kecken Sicherheit, fürchtete sich vor der Zisjungfrau, wie er fie nannte; bei seinen Besuchen im Man grove Eottage vermied cr so viel wie möglich, in ihre Näl ezu kommen. „Sie ist so entsetzlich korrekt in ihrer Haltung," meinte er, „so musterhast kühl in jeder Phase geselligen Verkehrs, daß ich mit vor ihr wie ein Schulknabe vorkomme, auf dem unbestechlich, unerbittlich das Auge dcs Lehrers haftet, jeden Versteh gegen die Ziegel allerstrengster Sitte be merke",d." Bekanntlich ist aber kein Mensch feltc? dasjenige, was er scheint. Und auch Olympia Brooks machte von dieser Regel leine Ausnahme. Allerdings, ihr« Jungfräulichkeit tiug nicht das Gepräge der Rosenkaoepe, die freundlich den Menschen zulächelt, sondern glich eher der Lil e. die nichts von ihre», Innern verraihen mag. Aber es war dock? eii» reiches Leben in ihr, und sie ermangelte keineswegs der Wärm! der Empfindung, Recht wohl bemerkte sie, der Alles hul digte, Arno's Zurückhaltung. Und ob gleich deiselbe nur der erste Gehilfe ihreZ Vaters war, sühlte sie sich durch seine Nichtbeachtung doch gekränkt. Sie beob achtete Hn genau r, als sie bisher ne than, und feine Persönlichkeit gesicl ihr. Die Einförmigkeit dcs Lebens in Kal kutta spottet jeder Beschreibung. Nur die Gewohnheit, verbünde!« mit der Hoff nung, nach einer kürzeren rder längeren Reihe von Jahren in die Atmosphäre des HeimathlandeS zurück! hre» zu können, „reich mit des Orients Schätzen beladen", vermag die Oede der Tage erträglich zu machen. Ti: einzig mögliche Bewegung im Freien, die allenfalls als eine Er fri chung gelten kann, besteht in der fast obligatorischen Korsofahrt gege.i die Stunde des Sonnenunlergangs, unmit telbar vor der Haupt- und Schlußmahl zeit. Spazierfahrten in die Umgebung würden schon der schlechten Straßen und der rasch eintretenden Dunkelheit wegen rinthunlich sein; außerdem aber bieten sie nichts von Interesse, da das vollstän dig flache Land jedes malerischen Reizes entbehrt. Und mit dem Volke hat de» Angloindier keine Genie nfchaft; ewig fremd leben Europäer und Indier neben einander auch in Be den erschwerendsten Umständen. Der Mann, der gearbeitet, die Frau, die sich gelangweilt bat Beide suchen am tet Konzerte, wcrm die zufällig vorhande nen musikalischen Kräfte verwerthet wer den ; man vereinigt sich zu theatralischen Aufführung». V«r<illenDingen aber wird getanzt, denn der Tanz ist die einzige Art körperlicher B-W.'gung, die sich eine Arno war un vesive einer angenehmen Baritonstimme, ohne daß cr bis bisher Gebrauch davon gemacht hätte. Ein Zu fall brachte diese G-rbc ans Licht. In ei nem kleineren Kreise kam die Rede auj Llrno war gefällig genug, dies Lied vor zutragen. Er erntete zu seiner eigenen Verwunderung ungemessenes Lob und gleich daraus lebhafte Vorwürfe dafür, daß er sein Talent so lange verheimlicht habe. Olympia Brooks nahm keinen Antheil „Weshalb, Fräulein i zeugen." Noch dachte er über Olympia'S Worte nach, hinter sich Stimmen hörte. „Bei Jove, ich Hab's es gethan, Ben," sagte die eine. „Was Sie sagen! Und ihre Antwort ?" fragte die andere. „Ich bin abgeblitzt, mein Junge." „Sie sind der Erste nicht. Entlaß. Unter einem Lord thut es Fräulein Olvm auch nicht zu verachten !" „Das soll ich meinen! Aber was sagt« sie denn?" „Es war während de» letzten Walzer». Kurz und deutlich stellte ich ihr die Krage zu wiederholen, Ta horte sie auf zu tanzen, sagte frostig: ,Ich glaubte, Sie I.ä'.t'n mich verstande»,' und ließ mich Mädchen ! Was wollen Sie thun L Nach Haus? fahren 5" „Und ihr zeigen, daß ich mich ärgere? Ich renke nicht daran, Bi,n. Kommen „Ich >in dabei. Besseres Glück dat nächste M.'.l! Daraus wollen wir an stoßen." Spcrenrasielnd entfernte sich das Paar gewesen, nach denen ibn ael.isteic, und Olympia schätzt- cr lediglich als ange nehme Zugabe. Ader sie, Olympia vorrcchtetci, Stände angehörte, in der schonungslosesten Form einen Korb er theilt, als sie ihm, d m Angestellten ihres Vaters, sreuudliche Worte schnitte, wie er sie noch nicht von ihr gehört. Ihre Herablassung, it re Güte bedeu teten sie »i hr als eine vorübergehende Laune? Wieder begann die Musik; Arno be gsb sich zu den Tanzenden. Er beob tete Olympia mit einem ganz neuen In teresse. Aber sie war wieder Marmor. Wie eine beseelte Statue schwebte sie an ihm vorüber ; Blick von ihr streifte ihn. Er wagte sich zu ihr und fo>d,rte sie zur Polka auf; sie willigte ene mit jenem herablassenden Neigen dcs schönen .Kopses, das er so gut an ihr kannte, daS ihn so häusig empört und in seiner Man neswüriL g<kränkt hatte. Als sie drei mal das Zimmer durchmessen, hatten war ihm noch nichts eingesaUen, was er ihr hätte sagen können. Ihre prächtigen braunen Haare, aus de er niedetschaute, verwirrten ihn vollständig zum ersten Mal. Oft genug hatte cr schon mit Olympia getanzt, immer nur mit der Empfindung : Wenn's doch erst vorüber wäre. Dies mal ließ er sie nicht; sie mußte ihn daran daß es genug sei. Doch blieb Er wußte nicht, wie ibm geschah; nur schwer gelang es ihm, sich zu einer scherz haften Antwort zu zwingen. Wenige Minuten dauerte Unterhaltung, dan^ Annäberung energischen Widerstand ent gegensetzte vor ihm öffnete sie die Kelch blätter. Nur wenig zwar; eS war gut möglich, das; sie sich morgen schon wieder schön, aber empfindungslos. Doch von dem Dufte der königlichen Blume hatte ibn belauschend ein Hauch angeweht. D-eseS Weih zu gewinnen, ihre starre Sprödigkeit hinwegschinclzen zu sehen, bis sie sich ihm hingab im ersten Kusse es ihn nicht mehr, dieses sehnende Verlan gen, welches das Herz zu schnelleren Schlägen und den Willen gcbictc- Moskitonetz zur Ruhe gekommen war, stellten sich nüchterne Erwägungen ein, bei denen ihn iröstelte. Ohne eine Er höhung seiner sozialen Stellung uyd ein« ansehnliche Steigerung seiner Einnahmen war sür ihn cme- Verbindung mit der anspruchsvollen, ve,!vohi»tc>, Miß Brock» ein Ding der Unmöglichkeit. Allerdings: wählte sie ihn zu ihiem Gatten, dann war >br Einfluß bei Vater und Obeim wahrscheinlich stark genug, um seine Auf nahme in die Firma als Theilhaber durchzusitzen. Oft genug früher, in theoretischer Erörterung mit sich selbst, batte er die Heirath mit einer reichen Er bin in den Kreis seiner Zukuustjpläne gezogen. Damals war es ihm nur als ein voitheilhaftes Geschäft crjchicn-n, sich ein Vermögen zu erheiralhen. Jetzt, da ihn die Person einer reiche» Erbin interes si'.te, rückte dje.Frage in ein ganz anderes Liebt sür ihn, und die Vorstellung, daß cr sich in die Lage versetzen könnte, Olyin> Pia Brooks Alles verdanken müssen, trieb ihm die Gluth der Scham in die Wan gen. Zwar sagte cr sich, daß eS nur ein albernes Vorurtbeil sei, durch welches el sich verwirren lasse; doch damit ver scheuchte cr daS innere Gefühl nicht. Und ehe Arno endlich einschlief, war er fest entschlossen, der Verlockung zu widerstehen, die so plötzlich mit unheim licher Stärke an ihn herangetreten war 3. Während der nächsten Wochen hielt Arno sich von Mangrove Eottage lern und vermied Abends auch diejenigen Häuser, in denen er Olympia anzutreffen erwarten durste. Da empfing er eines Morgens durch ihren Vater ein Billet von ihr : „Es ist ini Plane, eine kleine Vosse aufzu'üdren, und wir können nicht ohne Sie feriir werden. Eine Weige rung nehmen wir nicht an. Kommen Sie also heute Alle.'-d »ach Tisch heraus zu uns und lassen sich durch mich in Ihre Ausgabe einweihen." Arno konnte nicht umhin, dem Gebo« Olympia'S zu folgen ; aber cr nahm sich vor, scine Mitwirkung bei der beabsich tigten Aufführung zu versagen. Sonder bar war's : sie hatte den Versuch der Ge sellschaft, sein kleincsTalent, auszubeuten vorhergesehen und ihn als Opfer bedauert und nun war gerade sie Diejenige, welche ihn heranzog und scine Ausbildung über nchmeii wollte! Er fand sie auf der bcllcrlcuchtctm Veranda mit iircn Eltern und einigen Strauß Kamelien, im Haar einen kleinen Zweig mit Als sie Arn? entgegentrat in der ganzen Pracht ihrer Rolls spielen 5" fragte cr als Olympia gcendct halte. „Ich nicht; das Komische ist mch! mein Fach." Arno'S Interesse an der Aufführung war erloschen. Sie aber ließ ihm keine Zeit, Bedenken geltend zu machen. „Ich sagte sie. „Wir wollen unterjuchen, rb die Tonart Ihnen paßt." Sie ging zum Klavier und präludirte mit kräftigem Anschlag. „Das Instrument ist noch verstimmt von der letzten Regenzeit her," entschul digte sie sich. „Heute Morgen erst habe ich es wieder angerührt; der Stimmer, men." „Es ist mir neu, daß sie spielen," be merkte Arno. „Meine Fertigkeit ist nicht weit her. Was ich konnte, habe ich größtenthcils uns Frauen indolent. Mas wir nicht thun müssen, ist uns meist zur Last. Wir verdämmern die Tage und erwachen ein Abend, in dieser Jahreszeit wenigstens. Es ist ein schlechter Boden hier für die Pflege jeglicher Kunst. Gezeichnet, ge malt habe ich srüber auch in England natürlich. Was hatte ich mir nicht Al les zu leisten vorgenommen, wenn ich wieder in Indien fein würde! Nich.S unter dem Himmel sollte vor meinem Stifte sicher sein. Und was ist aus die ich so gar nichts mehr leiste. Aber An deren geht's nicht besser. Die Männer freilich hab.» ihre tägliche Arbeit. Wer schöpft sich ""die Kraft. Ist der Zwang DaS war derselbe Idealismus, den er bei „Väschen Vernünftig" so oft vcrfpotlct hatte. Doch was ihn bei Sarah zum Widerspruch reizte, empfing cr von Olym pia'S Lippen als Evangelium. „Es ist leider so," bestätigte cr achsel zuckend. „Und zu ckrdcrn ist cs auch nicht. Andere a» unsere Stelle und versuchen ihr Heil." Olympia, nock) immer auf demKlavi«r stuhl fitzend, hatte si-b voll Arno zuge wandt. „Gewiß," erwiederte sie. „Wir lebe» hier nur als Gaste, als Fremde, wenn nicht als Ausbeuter, dabei bestän dig den Blick aus die Heimath gerichtet. Doch wir wellten ja singen," unter brach sie sich, und der Ernst wich ans ihren Mien.n. „Was fällt uns nur ciu, aerufe» worden war. (o tsctzung folgt.) Aus Münster berichtet der „Westfäl. Merkur": „Als amSain stag Abend (L 7. Sept.) gegen!> Uhr die Artillerie von den Manövern auf dem diesigen Güterbahnhof ankam, hat teil sich eine Anzahl Personen, daruntcr Angehörige der Soldaten, sowie mch rcre hochachtbare Bürger, daselbst einge fiinden. Melirere der Letzteren standeil aus der Straße, also auf einem jedem Bürger freistehenden Wege. Plötzlich kam ein jugendlicher Lieutenant heran und gab den Soldaten den Befehl: „Treibt daS Lumpengesindel bis an die Häuser zurück". Außerdem sielen von dem Herr» noch Ausdrucke wie „Bumm ler, Lumpen, Stromer, Pack." Die Bürxer Münsters protestirten gegen ei-e solche Behandlung, welche wahrlich nicht geeignet ist, das hier bestehende gute Verhältniß .zwischen Civil und Militär zu fördern. Wir sind auch selbstverständlich überzeugt, daß das Benehmen des Herrn von seinen Borge setzten auss Schärfste mißbilligt wird; eS scheint uns aber angebracht, den Bor fall zur öffentlichen Kenntniß zu brin gen, damit der Herr Lieutenant in Zu kiiilft fein jugendliches Blut nicht mehr !o in Wallung gerathen läßt und nicht in jedem, nicht den Offieiersrock tragen den preußischen Staatsbürger ohne Weiteres einen knnipen oder Bummler erblickt." Der „Wests. Merkur" benierkt »och, daß die Einsender für die Richtig teil des Vorfalls einzutreten bereit fiud. Das beste Mittel. Ober kellner: der Tourist, welcher seit gestern hier wohnt, sitzt, furchtbar benebelt, im Gastzimmer, - was soll ich mit ihm tl,un? Hotelier: Präsentiren Sie ihm schnell die Rechnung, —da wird er gleich nüchtern. Mittel zum Zweck. A.: „Ta steht wieder eine ganze Reihe von Köchinnen unter den Vermählten!"— B.: „Natürlich; wenn ein armer Te» sel zu einer versceten Köchin kommel will ninß er sie halt Heirathen!" E>? würde sich mancher im Der Schtaf»O«r. In dem bunten Wechsel der Trachten hat sich der biedere Schlafrock unbeküm mert und lebenskräftig erhalten, und die dankbare Würdigung feiner Ver dienst« um menschliche Behaglichkeit läßt eine geschichtliche Betrachtung, wie die „Leipziger Ztg." diesem Urväter- HauSrath sie widmet, wohl gerechtfertigt erscheinen. Der Schlafrock bildet ein wichtiges Glied in der Reihe der Lebens versciilernttgen (.Kaffee, Thee, Tabak, Kanapee u. a.), durch die im Ausgang des 17. und Anfang des 18. Jahrliun> dertS die deutsche Häuslichkeit bereichert wurde. Als bequemes Hauskleid mußt« er besonders in den Dreisen Derer treu« Anhänger finden, die sich durch ihre» messt mit dauernder Seßhaftigkeit ver- Beschaulichkeit den Freuden stillvergnüg ter geistiger Arbeit huldigten. So er scheint der Schlafrock als LicblingSge gelehrte», der Poeten, die im stillen Kämmerlein die Gunst der Muse» sür ihre Reime erflehlcn. Ter fchlefische Dichter Daniel Stoppe (l(l97-I841I, der »iicrniüd liche Sänger des TnbakS und des Kaf fes. der in Leipzig die Bnrschelllnst in Seufzen getragenen Bürde des Schul anits sich muhte, glaubte sich aus dem Titelbilde seincr ersten Gcdichtssamiil lung (1728) nicht besser den Lesern vorstellen zu können, als im Schlafrock. von de» Stürmen der Zeit arg mitge nommenen Gewandes werden unvcrhüllt gezeigt. Zusammen mit der treuen Tabakspfeife umd der auf dem Tische prangenden Kaffeekanne bildet hier der Schlafrock eine würdige Treiheit wohl verwandler, gemüthlicher Genüsse. Schlafrock nach außen als Schau und Prunkstück in die Erscheinung und er freut sich der Zier reicher Ausstattung. Die sorgfältigste Pflege findet diese SchlasrockauSstattttiig in den Kreisender Modehelden, der im 18. Jahrhundert unendlich ost und immcr vergeblich ver spotteten Stutzer. Bei der Morgen tracht erscheint der Schlafrock von Seide iIS ein bequemes und zugleich zierliches, von seinem Besitzer zärtlich geliebtes Stück des leiblichen Schmuckes. Gerne verweilen Sittenprediger und spöttische Dichter bei dieser Frühandacht selbstgesälliger Priester. Ganz beson derS hat Zachariae (17Z6 1777 > in seinen komischen Gedichten den Toilet tcngeheiinnisse» des StutzerlhnmS eine eingehende Theilnahme gewidmet. In der bekannten Tichtuug dieses zierlichen RokokodichterS, dem „Reuoinnist", er scheint als der „Stutzer- Oberster" der mit allen Feinheiten modischer Galante rie Verlraute Sylvan. Tie liebevolle Schilderung seines Morgenputzes ge denkt ausführlich des wichtigen Schlaf rocks: „Er warf den Schlafrock um. noch halb vom Schlaf entstellt. Und da der rasche Stoff von seinen Schultern fällt, Macht cr ein fanst Getön, indem die seidnen Falten Mit säuselndem Geräusch zn dem Pan toffel wallten." Ter verlorene Brief. Ter stark kurzsichtige Lehrer, Herr Lieb lich, batte an scine angebetete Helene noch spät Nachts »ach einer vergnügten Gesellschaft im Wiener Cafe einen lan gen Brief, voll der überschwenglichsten Zärtlichkeiten und Herzensempsindnngen, geschrieben und wollte nun, zn Hanse angelangt, demselben seine Photogra phie beisügen und einconvertiren. Da bemerkte er zu seinem Erstaunen, daß au dem Briese ein große - Stück fehlte, was um so wunderbarer wir, da Herr Lieblich sich nur erinnern konnte, einen Bogen beiiiktzt zu habcn und denselben sofort in seine Tasche gesteckt halte. Er konnte sich daS gar nicht erklären, so sehr er anch nachgrübelte, und lezte schließ lich, emsig suchend, den weilen Weg nach dem Case zurück, Ivo er den Kellner fragte, ob an dem betreffenden Tische es saßen dort gerade einige vergnügte junge Leute vielleicht ein Blatt Papier gefunden worden sei. Der Kellner ver neinte, begann aber doch mit dem mitt lerweile ganz außer Fassung gerathenen Herrn Lieblich, der ihn dauerte, eiu« nähere Nachforschung in der Nähe des betr. Tisches. „Was suchen Sie denn?" fragte einer der an dem Tische sitzenden jungen Herren. „Meinen Bries! Mei nen Brief!" stöhnte Herr Lieblich. „Sind Sie Herr Ambrosius Lieblich mit der „ewigen Liebe" und dem „gefüllten Herzen?" „Sie wissen —!" „Sie haben ja Ihren Brief an Ihre Helene hier zur Hälfte aus deu Marmorlisch geschrieben!" Unverwüstlich. Ein zu dringlicher Weinreisender belästigt einen Herrn mit Anpreisung feiner Weiß weine Ta er nicht gutwillig geht, wird er schließlich hinausgeworfen. Gleich darauf erscheint er wieder an der Thür. „Was wollen Sie schon wieder, Sie Unverschämter? Ich habe Sie doch eben hinausgeworfen!"—„Ja, das war wegen der weißen Weine!... .Brauche» Tie vielleicht—rothen?" Moderne Köchin. „Mi,' dam', denken Sie sich »ur ich hab' in der Lotterie 80,00 t) Mark gewonnen!" „So! Na, da gratnlire ich Dir! ....Aber nun wirst Du wohl nicht mehr bei uns bleiben wollen und wir werden uns trennen müssen!" „Ach, das ist ja nicht nöthig, liebe Madam'. Wenn Sie nun bei mich in Dienst treten wollten —das wäre doch zu hübsch!" ScheinbarerWider fpruch. Student: Merkwürdig, je mehr ich ausgehe, deft« weniger komme ich ans.
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