Seine Mje. Die meisten Leute meinten, der Sa nitätsrat habe sich gar leine Ideale ws Aller herüber gerettet und sei mit seiner Allerweltsscindschaft und seiner verletzenden Satire ein unausstehlicher Mensch. Andere mildere erin nerten an die tröstliche Nuß mit dem süßen Kern, wagten sich aber nicht ans Aufknacken. Wer ihn in seinem sitalischen. Er war Geiger von be trächtlichem Können. Er phantasierte aber auch auf dem Flügel oft eine Verbindungen und Stimmführungen von düsterem Reiz. Oder er nisierle in wechselndem Satz ein henden Stimme zum Trotz, auf dem Klavier zu singen verstand. Wer ihn unsere großen alten Choräle mit ihrer Kraft spielen gehört, wußte, daß der alte Herr sich doch ein Ideal geret tet hatte. Geigen zum Klavier. Ich kam dank dem Mangel an Fähigleiten, den mein Onlel mir sarlastisch nachgewiesen in ihrem unbewußt übertreibenden Kunsteiser, ihrer selbst- und weltver gessenen Bersunlenheit und ihrem ra sie mir noch manchmal wie greise Kinder vor. Sie hatten eine Zeitlang auch als hatte die Well meines Onlels Ledig konnte das natürlich niemand mehr wissen. Das Zusammenspiel geschah in des Alten Wohnung, weil er einen prächti gen Flügel und ein großes Musik zimmer hatte. Eines Tages, als ich kam, um in der Fülle meines musi kalischen Unverstandes von der Sosa er dumpf zu mir hin und raufte sei nen weißen, spitz geschnittenen Boll bart. „Die empsindsame Seele doch ganz natürlich beim Spiel und müssen erörtert werden". Ja Meinungsverschiedenheiten Verlauf. Es hatte sich ein Berkehrs- Bergnügen haben lonnte, ohne mu sikalisch zu sein. Die schone alte Frau pflegte sich, wenn er eiferte, im Sessel zurückzulehnen und hörte auf nierlsam zu hier und da einhelfend und ergänzend. War er fertig, so fuhr sie mußte es wohl ausprobiert haben bis die Borboten eines Lächelns bei ihm aufzuckten. Dann spielten sie erleichtert weiter. Aber das letzte Mal mußte er zu weit gegangen sein. Ich hütete mich jedoch, das auszusprechen und machte ben und sich erhöhtes Leben durch Nerven und Gemüt spielen zu lassen. Und dabei die Gewißheit des gemein samen Empfindens, in dem alle Schlacken und Kanten der wirtlichen Persönlichkeit vergessen werden! Ohne Musit wär' ich ein ausgedörrter, un ersreulicher alter Sonderling! In diesem Augenblick klingelte es und der Diener ließ ohne Meldung je mand herein. Es war die Betrauerte. Mein Ontel suchte seine Beglücktheit hinter einem ruhig - wirtschaftlichen und ritterlichen Wesen zu oerbergen, indem er ihr das Cape abnahm, aber unter ihrem klugen Auge mußte wohl jeder Heuchelschein zerrinnen. Die Welt von Güte in ihrem schönen Ma tronengesicht blieb jedoch anfänglich noch verschleiert. Sie wandte sich sehr bald zum Klavier, schlug op. SS auf und gab ihm die Quinte. Mit dem Bogen sagte sanft: .Wenn Sie ab« die Terzengänge mit solchen Ritardandos wie das letzte Mal spielen wollen, hätten Sie früher kommen müssen". widerte Fe und ich stellte ein Glas in seine Nähe. Dann versank beiden die Welt. Nach dem ersten Satz streifte „Ich fasse es eine Kleinigkeit be wegter". Sie spielte zwei Takte. Er fuhr auf: „Nicht zu verstehen, wie jemand das kann!" Ein warnen inetallischen verdeckten Glanz. „Immer die Sache ins Elegische kehren müssen Sie", rief er aus. „Lanier billiges Gefühl". Das Alle gro floß stürmisch hin. „Bitte kein unsauberes Spiel!" rief sie und brach ab. „Dann bleiben Sie im Takt! Dies Entlangstürmen überhaupt! Meine Sechzehntelnoten haben etwas zu sa gen, wozu Sie ihnen Zeit lassen müs sen aber unler den Händen waren sie mir weg —" „Wenn ich Ihre Sechzehntelnote wäre, ich wäre auch längst auf und davon! Es ist —um es zu verlau fen". Er trat aufgeregt vor seinem No tenständer umher. „Ja man soll te überall die Instrumente sammeln und einstampfen, wenn der Besitzer sie nicht durch ein wirkliches Beelho- ! ven - Spiel auslösen kann —" „Schade um Ihre Cremoneserin!" j „Der Pianist muß eine Art Cen taur sein halb Mensch, halb Kla vier. Aber Sie? Ihnen geht kein Nerv vom Kleinhirn durch die Fin gerspitzen in den Resonanzboden. Das nächste Mal spielen wir am Tisch". Die gütige, alte Dame schlang die Hände ineinander und sah ihn ruhig an. „Glücksschmied?" sagte sie leise und die Stimme zitterte we nig. Delle sich meines Onlels Gesicht und Hl!.,ng. Beschämt zog er sich durch die Borhänge in den Nebenraum zu zu sammeln. Sie aber stand auf, ließ sich von mir den Mantel umlegen, nickte mir zu und war hinaus. Als der Alte wieder hervorkam, prallte er zurück. Tief geschlagen starrte er vor sich hin. Dann nahm er Feder und Papier und schrieb. Mit gänzlich veränderter, sanfter Stimme sagte er hierauf, er müsse einen Spa ten. Er strebte so rasch vorwärts, biß ich kaum Schritt halten lonnte. „Wir könnten ja ein wenig traben", schlug ich vor und fing an; darüber mäßigte steuerte er und ließ einen blühenden Rosenstrauch mit samt seinem Schrei ben an die Freundin senden. Nach ne Schonung einbrechen muß das ist hart", llagle er. Ich sah erstaunt auf. „In deine Schon'ing?" „Nun die Musik ist doch mein Re servat, in dem Friede sein soll". „Fange doch die kleinen Füchse, Ontel", warf ich leicht hin. Er über hörte es. hen, weil du keine Musik hast. Beet hoven und Händel und die anderen Seher die haben Zugang gehabt^ der beeren e reichen lonnte, die er am liebsten hei- lig gesprochen hätte. „Ja sie 'st überempfindlich und das ist schließ- Beschränltheit und Eitelkeit. Sie ist vielleicht das Alter —" I „Wa —as?!" „Was meinst du da? Da verstehst du mich aber gänzlich falsch und ich muß doch sehr bitten! Die Frau steht i ja so hoch über dir, daß du deshalb ihre Größe gar nicht ermessen lannst der wir beide nicht wert sind, die Schuhriemen zu lösen gar so grund-unmusilalisch wie du bist!" „Und die Frau sollte all sein? Ihr Jungen seht Haar- und Gesichtsfarbe an und dann urteilt ihr. Und was ben zwischen den Zeiigesichtern das ist schön? eine beherrschte Kraft ein gütiger Wille und eine junge Seele: die sind Schönheit! Es gibt Menschen. sie sollte eitel sein?! Das kann nur die Beschränktheit sagen. Bei allen Göttern sie hat's nicht nötig! Ihr fanden. „Eben hätt' er die Sekunde nehmen sollen aber der Kantor spielt nicht übei. Er tut noch das Beste für das Brautpaar". Sein Ge- Unmufikalisches. Ist sie nicht eine HimmelsschlUssel findet. Mit solch' einem Glück ist ein gefährliches Umge hen. Was man sich selbst zerschlägt daneben kommt keine Küchenfee ß s stillen Weisheit der Edelreife. Eine „Dies ist der historische Punkt", das müssen Sie doch auch wün-1 schen, wenn Ihre Reue und Ihre Vor-, siitze echt sind". nicht gut dagegen wohl die Freund schaft. Die führt mich morgen S Uhr und fernerhin regelmäßig wieder an Ihren schönen Blüthner, Ich sehe, Sie haben schon gewählt". Auf seinem Gesicht jagten sich die widersprechendsten Empfindungen. Plötzlich bückte er sich tief über ihre Nur halb richtig. „Mül ler will wohl sein Geschäft verkau fen und sich zur Ruhe setzen?" ! Aul dem Nalkon.! l Novelle von Marie Ttnhl. A ses der Schwantalerstraße i» Mün chen hatten sie sich zuerst gesehen. Der Balkon war einer jener Gale rien. wie sie in drei bis vier Etage» übereinander die Rückfronten ent sern eine» so überaus malerischen, fast italienischen Charakter verlei hen. Längere Zeit hatte er sie beob achtet. Zuerst störte es ihn, das; sie im mer da war, und daß er nicht uinhi» konnte, sie zu schen, wenn er in seinen Arbeitspausen oder am Feier abend aus seinem Atelier aus die Galerie hinaustrat, die sich in einem rechten Winkel mit ihrem Balkon schnitt, so daß sie sich gerade gegen über waren. Aber bald zog ihn dieser Nachbar balkon seltsam an. Er war mit bequemen Korbmö beln, Pflanzen und Rankengewächsen in einen lauschigen Winkel verwan delt und durch seine stets offenen Glastüren konnte Franz Zollinger noch ein Stückchen deS behaglichen Wohnzimmers sehen. Während der junge Maler auf einer Osterwandertour in den Ber gen gewesen, war die Nachbarin ein gezogen, und heimgekehrt. Er erblick te eines Abend» ihre zarte, farblose Gestalt, wie sie regungslos über dem Gitter lehnte und in de» dämmern den Garten unten hinabträumte, in dem eine Amsel ihr süßes Abendlied sang. Seitdem war die schlanke, dunkle Frauengestalt immer auf dem Bal kon. Entweder sie lag in einem der tiefen Korbsessel und las stundenlang Journale oder Bücher, mit dem malte in Wasserfarben Sie nahm ihre Mahlzeiten auf dem Balkon ein, pflegte ihre Blume» mit zärtli cher Sorgfalt, und noch bis tief in die Nacht hinein schimmerte ein rosig trennten. Ein Hauch tiessten Behagens und Warttier Lebensfreude war stets um sie verbreitet, trotz ihrer Einsamkeit und ihres Trauerkleides. Und das gab Franz Zollinger zu raten. sie mochte Ende zwanzig oder Anfang dreißig sein Pflegen sollst stets hysterisch, ruhelos oder inelau- Aber bald entdeckte er den feinen Reiz ihres blassen Gesichts mit den weichen, durchgeistigten Zügen und eine» Märchenreiz. Ihm siel das Andersensche Mär chen ein von den« Dichter, der durch er sofort beschloß, ein Bild daraus zu machen. Er war mitten in der Arbeit, als I Blick, daß sie nicht ohne Geschick, > aber ohne alle Keiintnisse war. in eine so warme Farb-nstimmung! Auch nicht ein Spachtelspitzel voll Kobalt!" Sie sah lächelnd auf. „Ich kann den Ton nicht tresscn," sagte sie hilf los, „es ist ein erster Versuch." ihr Lehrer. Ueber das Balkongeländer hinweg gab er die Anleitung, die sie mit Sie war eine seltsame Schülerin. Begierig zu lernen und peinlich folg sam in allen technischen Dingen, aber geistig wahrte sie sich ihre eigene Ausfassung. Und diese Auffassung war stets eigenartig empfunden, wenn sie auch noch unbeholfen zum Ausdruck kain. Durch die Arbeit wurden die bei den Nachbarn Freunde. Doch ihr ganzer Umgang beschränkte sich auf den Balkon. ches Teetischchen gedeckt und lud ihn zu der Mahlzeit ein. Dkse Einla dungen wiederholten sich, und bald wurde es zu einer ihm lieben Ge wohnheit, daß sie den Abendimbiß zusammen nähme», che er zum Haller hieß und die Trauer sür ihre kürzlich verstorbene Mutter trug, mit der sie bis zu ihrem Tode in Berlin gelebt; auch daß sie genug Mittel besaß, um sorgenfrei zu können. Aber das eigentliche Rätsel ihres Wesens hatte er noch nicht ergrün det, denn sie sprach fast nie von sich. Sie hatten sich so viel über Kunst, über all die Grundbedingungen des Schönen und Wahren zu sagen, so ungeheuer viel moderne und uralte sie miteinander, ohne sich zu über zeugen. So vorurteilslos sie mit ihm ver mit der Bemerkung ab, daß sie sich schlecht zu Fuß sei. Er hatte noch nie einen Menschen sein ganzes Wesen allmählich weit aus. Es kam heut' kein rechtes Ge spräch zwischen den Freunden auf, nur ad und zu äußerten sie Laute Aus den Straßen scholl das Rau schen des großen Lebensstromes, der heute srohbewegt durch die Verkehrs adern der Stadt pulsierte, gedämpft zu ihnen herüber. Und in dieses dumpf gärende Brausen trug der Plötzlich sagte Ottilie mit dem Brust. „Nur dich selbst?" Freiheit?" „Das Weib ist nicht zur Freiheit geboren, sondern zur Liebe." Glücks war i» ihren Züge» geblie ben. „Wer ist das?" fragte Zollinger „Das ist die Mutter des Bräuti schast." „Ich irre mich, das kann nicht Ottilie Haller sein," redete sich Zol linger ein. „Sie sieht ihr ähnlich. Zug sür Zug. aber sie ist es doch nicht."
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