Nm heiligen Uiew. Wir sind da. Am Bahnhof nach Vorschrift die vier Gendarmen, präch tige Gestalten in weißer Uniform längs des Perrons, hinter ihnen schivarzes Gewimmel eine Menge von Reisenden und Tagedieben. Es ist ein großer, häßlicher Bahn hof vor der Stadt, alt und schmutzig, viel zu eng für den kolossalen Ver kehr, der sich dort abwickelt. Ein Schreien, Treiben, Durcheinander und dazwischen liegen und sitzen zerlumpte Bauern von weit hergekommen, ganze Wallfahrerfamilien, über die man hinweg steigt, Sonnenblumenkerne kauend auf den Steinfliesen der Kor ridore und blicken stumpf und träge Met auf, wenn man erst glücklich in einem der Jswoschtschils unterge bracht ist, die auf dem sonnengleißen- Jm sausenden Tempo man hält sich fest mit beiden Händen über mörderisches Pflaster geht's, hinab zum Bibikowsky-Boulevard. Kein Mensch geht in Rußland, alles fährt, der Wagenverkehr ist enorm, hier schießt einem rechts in Schulterhöhe »in Pferdekopf vorbei, links haar scharf die „Gonka" die elektrische Bahn. Equipagen dazwischen mit be häbigen. trotz der Hitze in schwarze Samtkittel gekleideten Herrschafts kutschern, Lastfuhrwerke aller Art. elende Karren mit zerzausten kleinen Tieren davor. Bum, dum, bum, dumpfe Glocken töne, links am Weg die erste Kirche, die kaiserliche Wladimirskaja, blen dend weiß mit sieben goldenen Kup peln in streng byzantinischem Stil. Sie ist die neueste und modernste un ter den dreihundert ihresgleichen in dieser heiligen Stadt. Als ich an ei nem späteren Abend mich vor einem Gewitter zur Zeit des Gottesdienstes in ihr Inneres flüchtete, gewährte sie einen feenhaften Anblick. Von der marmornen Empore durchflutete mäch tiger vielstimmiger Mannergesang das Mühsam klettert unser Pferdchen dm holperigen Boulevard hinan, aber nicht lange, schon fällt der Weg beim ersten Gymnasium steil zum „Krest schatik", der breiten Hauptstraße der Stadt, der eigentlichen Lebensader allen Verkehrs, hinab. Die Stadt Kiew selbst, höchst ma lerisch auf den jäh zum Dniepr ab fallenden bewaldeten Höhen gelegen, zerfällt in drei Teile. Im Nordwe sten das hochgelegene Altliew, hart am Flusse unten die Handelsstadt Podol, und im Südosten gleichfalls hoch gelegen, Petfchersk mit seinem berühmten, von der Festung um schlossenen Höhlenkloster Lawra. Aus der Höhe westlich von Petschersi mit Kronsgarten und kaiserlichem Schlosse zieht sich der schöne von den oberen Zehntausend der besonders durch die Zuckerindustrie schwerreichen Stadt bevorzugte Teil Lickki (d. h. die Lin den) hin. Seine stillen, aristokrati schen Straßen münden steilabfallend auf den Krestfchatil, der sich in der Schlucht zwischen Lipki und Alt liew zum Flusse nach Podol hinab zieht. Der Hohlweg, den der Krestscha tik bildet, wird an seinem Ende beim Zarskaja-Platz, ehe er sich zum Flusse senkt, rechts und links von zwei im posanten Airhöhen flankiert. Die eine trägt den Kronsgarten und auf einem nach dem Flusse vorgeschobenen Pla teau das Konzertgebäude des Kaus mannsklubs. Ihm gegenüber hebt von der an deren Höhe der heilige Wladimir sein mächtiges Kreuz segnend über Fluß und Land. Der Heilige hat im Jahre 988 sein Volt an dieser noch jetzt erstrahlt am Abend in elek trischem Licht sein Riesenkreuz weit hinaus in die dunklen, unermeßlichen Steppen jenseits des Flusses. Die Bauern dort hielten in der ersten Zeit das über Kiew stehende Strahlen kreuz für ein Wunder. Ein neuer Grund für sie zur Wall fahrt nach der heiligen Stadt am Dniepr. schenschlag, diese russischen Wallsah- West, aus allen Ecken und Enden des unermeßlichen Reiches nach Kiew zu sammenströmen. Auf dem Wege durch Petschersl, die Straße zur Lawra hinauf, mußte unser Kutscher mit lautem Zuruf ganze Banden von Pilgern wieder und wieder aus dem Wege treiben. In der Lawra werden in eigens da zu erbauten Kasernen täglich 3<XX) Pilger und Bettler von der Kirchen tage gespeist, mit dem russischen Na tionalgericht Borscht und Kascha. ei ner außerordentlich kräftigen Kohl- die Mönche der ersten christlichen Zeit gefluchtet hatten, die jetzt dort unten einer seligen Auferstehung- ent gegenschlummern. Eine große Men- Welt der Toten. Der Zug, sick> in bete, und jeder trägt in der Hand eine goldumwundene Kerze. Ein ge wölbter Gang führt auf niedrigen, ausgetretenen Holzstufen abwärts, etwa bis zur halben Höhe des Dnieprufers. Dann verengt sich der Licht. Links öffnet sich eine Nische, quillt. Komplexes, der brühmten Uspensky- Kathedrale. Was sich aus den abgegriffenen Kupferstiicken der Armen und den Tausend- und Zehntausend-Rubelge schenken der Reichen im Laufe der Zeiten angehäuft hat. findet man hier als goldene Heiligenbilder mit Aureo len aus edlen Steinen wieder. Vor dem Ikonostas schwebte eine meter hohe Strahlensonne aus feinem Golde Edelsteinen. Am folgenden Tage hatten wir das Glück, gelegentlich der Kirchenpa rade. die zu Ehren des heiligen Wla dimir alljährlich stattfindet, einmal im vollsten Tageslicht alle Prachtent faltung der höchsten orthodoxen Geist- Morgen ein buntes Bild. Alles Volk festlich geputzt, rein gewaschen, die Kleinrussin im kunstvoll gestickten Hemde, in Pelz und hohen Stiefeln, langbärtige Muschiks, Wallfahrer, Bettler, Nonnen, Kinder, Handwer kersrauen in ihren hellen willenlosen Kattunjacken, alles, alles drängt« zum Berge am Dniepr, auf dem der Heilige sein Kreuz erhebt, der einst an diesem Tage den ersten Russen im Flusse drunten getauft. Immer grö ßer wird die Menge, Gorodowois, d. h. Schutzleute. Kosaken auf kleinen schnellen Pferden halten die Ordnung aufrecht. Schon rückt mit schmettern der Musik Militär an zur Pa^- uniform, auf de? das Gold der Knöpfe, der Metallteile und Epaulet tes wie Sonnenfunken glitzert. Dann schlichten dunkeln Mönchskutten; in -unkelndcn Tiaren, erscheint der Ar ! chimandrit mit se'nem Stabe hoher Würdenträger. Einer nur fährt im geschlossenen Cours, das ist der Me- kropoNt von Kiew. Unablässig spen det seine feine Prälatenhand aus den Fenstern des Wagens heraus den Segen, und alles Volk neigt sich vor dem langsam vorüberrollenden Ge fährt wie das Aehrenseld im Winde. Von einer Kirch« führt man uns nun in die andere. Von der Sophien- Kathedrale. Kiews ältester Kirche, nach Michailowst hinauf, von der Desjatina zum Kloster der Großfür stin, einem Nonnenlonvikk, in dem 200 fromme Schwestern täglich für das Seelenheil der Gründerin beten. Und jede einzelne der Kirchen hat ihre separaten Heiligtümer und Reliquien, seien es nun Bilder oder schwere Baldachinsärge aus massivem Silber init den Ueberresten von wundertäti gen Heiligen. Eine Sonderstellung durch ihre einzig schöne, Strom und Stadt beherrschende Lage nimmt die Andreaskirche ein. Hoch oben blickt von luftig steiler Höh« ihre säulenge tragene Basilika auf das Ameisenge wimmel des Handels- und Juden viertes Podol hinab. Weit schweift das Auge über die Breite des Dniepr hinüber, wo an dem weißen Sande des flachen Ufers drüben die zier lichen Holzgebäude des Jachtklubs lie gen und der „Eremitage", eines durch sein Nachtleben berüchtigten Ver gnügungsetablissements, und darüber hinaus verliert sich der Blick in die meilenweite, unabsehbare Ferne der russischen Niederung. Es sind die Stunden später der Nachtzug gen Odessa führte. len. h «ld h' s' d' s fressen." . , >.>' 'V - , Was tut's? Wölk,'» bodrckt? Weiß doch, daß die Sonne dahin tcr steckt. Die Lrkmdung der Krhittssrhrsube. Eines Abends war die alte Ha fenschenke wieder voll. Fidi Meyer hatte das Wort. ten Walfisch mit der Schwanzflosse turmhoch in die Luft geschleudert. Schätzungsweise 70 —75 Meter hoch. Und er selbst blieb im Boot und hielt sich krampfhaft fest. Oben in der Luft drehte sich das Boot herum und schoß mit der Spitze k«rzengrad« auf den Walfisch herunter, so daß es sich zwei Meter tief in den Speck des Und da war das Tier vor Schreck am Herzschlag gestorben. Und er selber war natürlich mit heil»r Haut davongekommen. Und Fidi Meyer widersprach. Das wäre eine Gemeinheit, so zu lügen. Das Boot wäre höchstens 7 Meter in die Luft geflogen. Ein Boot wäre doch kein Luftbal lon. Und dann wäre der Herzschlag bei einem Walsisch auch so 'ne zweifel hafte Sache. Der könne ebensogut an Lungen entzündung oder Nikotinvergiftung gestorben sein! « Na, und dann überhaupt Seeleu ! ten so etwas erzählen. Welt gibt! satt. In dieser Weise übte Fidi strenge Kritik und ging dann allmählich zu seiner Geschichte über: „Wißt ihr, die Engländer, das sind ganz schlaue Brüder. Alles er so 'ne Wärmehalle gebaut haben; sie verraten man bloß nichts. Glaubt man sicher: Christoph Kolumbus war auch so'n heimlicher Engländer!" Hier stieß Fidi zum ersten Male auf Widerspruch. Aus der heraus wur de ihm entgegengehalten, daß seine Gcschichtskenntnisje sehr mäßig seien. Columbus sei früher ein spanischer Inquisitor, so'n Art Gerichtsvollzie her, gewesen, un weil er'n Prozeß verloren hätte, wäre er zur See ge gangen und hätte Schwein gehabt. Auf einmal erhob sich Heini Berg mann zu voller Größe. mit beleidigtem Ernst sagte er: Ihr habt beide nicht recht. Kri schan Columbus war lein Englän der. kein spanischer Gerichtsvollzieher un lein chinesischer Dienstmann; er war en Leher Kind, was ich euch beweisen will: Ihr lennt doch alle Bremerhaven und Lehe! Da kennt Ihr doch auch Speckenbüttel, wo ihr Sonntags immer zu n Tanzen raus mal aufgestellt? Weil er in der Rick deshalb!" Stadt sei. die höchstens 90 Jahre alt nach. Erst oie energische Mahnung, daß Fidi Meyer mit seiner Geschichte fortfahren sollte, bracht die Kampf- Friedrich Johann Meyer, Steuer- Erfinder!" Mit erhobener Stimme hatte Fidi .Mein seliger Großvater Fidi Jan Stamm mit ruhiger Verachtung und fuhr unbeirrt fort: „Einet Tages fuhr mein Großvater im August des Jahres 1830 mit seiner Kuss auf Fang durch den Kanal an die fran zösische Küste. Sie waren schon lange unterwegs, als sie eines Abends auf einmal einen fürchterlichen Krach hör ten. Sie dachten zuerst, daß sie auf gefahren wären, aber bald stellte sich die Ursache heraus. Ein Sägefisch von 7 Meter Länge war hinten gleich neben dem Steuer mit seiner Säge in das morsche Holz der Bordwand gerannt und fuhrwerkte mit seiner Säge hin und her. Und auf einmal war's alle mit der Herrlichkeit. Er hatte sich festgerannt und konnte nicht wieder raus. In seiner Wut bohrte er sich nun immer tiefer in das Schiff ein, so daß zuletzt nur noch die breite Schwanzflosse hinten herausguckte. Und auf einmal war er ganz fest. Da konnte er nich vorwärts un nich rückwärts. Mittlerweile war das Schiff durch das eindringende Was ser schon ganz erheblich gesunken, so mit seiner Säge in die Pumpen stange eingeklemmt hatte. Immer, wenn die Pumpe auf- und nieder ging, mußte sich das Tier auf die Seite werfen und wieder mit zurück gehen, sonst hätte es ihm ohne Gnade die Säge abgedreht. Und auf einmal kam mein Großvater auf die größte Idee des 19. Jahrhunderts! Wenn mein Großvater Fidi Jan Meyer nich gelebt hätte, könnte man heute noch nicht mit einem Schrau bendampfer in fünf Tagen nach Amerika fahren! Man müßte noch heute auf den alten Radkleppern, auf denen jeder Kakerlak seekrank wird, herumkutschieren! Also mein Großvater kriegt mit ein paar Mann ihm vorne an die Säge die große Kurbel von der Ankerwinde. Dann band er ihm ein dickes Tau um den Leib und machte die beiden Enden am Boden fest, so daß er sich nicht hin- und herrühren tonnte. Dann dann ging der Rummel los! Zwei Matrosen mußten an der Kurbel drehn. Der ganze Fisch drehte sich Und aus einmal kam die Sache in Schwung. Wie das Biest immer gedreht wurde, da muß es ja wohl so 'ne Art von Drehkrankheit ge kriegt haben, denn nach ein paar Mi herum. Es schien als ob der Sä gefisch mit Helsen wolltf! Und da ging die alte Kuss denn wie ein rater die Haare zu Berge. Das Schiff raste durch das Meer und das Tier war nicht mehr zu bändi gen. Es drehte sich wie besessen um sich selber. Un dann gab's auf einmal 'n großen Krach. Das Schiff war an der englischen Küste bei Dover aufgerannt. Aber das Vieh ließ nicht locker. Es drehte sich immer weiter, so daß das Schiff richtig ins Ufer gebohrt wurde. Und da kamen denn die englischen Rettungsmannschaften, unter denen sich auch dieser verdammte Francis Smith befand. Nachdem der gese hen hatte, wie alles gekommen war, ging er schnell hin und erfand die Schiffsschraube. Js das nich ne bodenlose Gemeinheit?" ,Tia, tia," sagten die Schiffer nachdenklich und seufzten schwer.
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