MutterMarla Roman von E. von Anderten. Immer an der Scholle kleben, «in ganzes Leben hindurch, das ging doch Glicht an. Söhne, die schickt man fort, die müssen sich ihr Leben auf bauen nach eigenem Geschmack, aus »eigener Kraft. Bei einem Mädchen ist das was anderes; ihre Stätte ist das Haus, hier muß sie sich betäti gen in nutzbringender Arbeit für die Familie,, deren Schutz sie als Entgelt dafür empfängt. Für Maria war der Beruf der Haustochter ein doppelt natürlicher; erstens war sie die einzige Tochter und zweitens die Vertreterin ihrer «oten Mutter. Aber in ihrer nächsten bevor, der sie über sich selber und ihre Zukunft nachdenken ließ. Das hatte sie bislang nicht getan. Da hieß es: Vater" und immer wieder: Vater" und dann die Wirtschaft mit aller Mühe, die die jeweilige mit sich brachte. Der Vater kränkelte immer mehr. Der letzte Anfall hatte ihm nicht nur körperlich eine leichte Lähmung hin gehen, eine Männerhand die Zügel iet: Bruder Arwed würde den Ab schied nehmen. Allzu passionierter ganz aus seinem Stande gewählt hat te. Aber der sonst nicht allzu Energi- hatte in diesem Fall hartnäckig schöne, blonde Mädchen einzuwen den? Im Grunds gar nichts Stich haltiges. So wurde sie Frau von Bergen, aber ihre Stellung in der 'Gesellschaft wurde keine sehr leichte. Sie setzte darüber hinweg, ließ ganz in Richtigkeit war, gewiß in das beste Gleis bringen. An dieses bevorstehende Eintreffen der Geschwister knüpfte nun Maria ihrerseits ihre Pläne. Die Schwäge rin war wirtschaftlich tüchtig, würde sich auch gewiß bald in die ländlichen Verhältnisse hineinfinden. Es war merkwürdig, wie schnell nach den we nigen kurzen Wochen sie sich die Sympathien des Schwiegervaters zu erobern gewußt hatte; auch blieb die sem zu seiner persönlichen Pflege und Bedienung die Brandskaten, die alte, treue Wirtschafterin. Also Maria würde nun entbehrlich sein. Das Haus Berlauken bot ohne dies leinen Raum für so viele. Der Wind wehte frisch vom Wal de her über den Roßgarten. Da lehn te sie gern am Zaun und blickte ins Weite. Sie sah den Pferden zu, Mut terstuten und Fohlen, die sich dort froh tummelten. Der Luftzug spiel te mit ihrem braunen, schlicht frisier ten Haar und pustete durch ihre Waschbluse. Aber es fror sie nicht, das Blut pulsierte warm in ihrem lrästigen Körper. Die Schwalben versammelten sich auf den Telegrnphenstangen längs des Fahrweges. Ja, es wurde Herbst. Bald würde auch tms Storchnest des langen, strohgedeckten Scheunendaches wieder leer sein, ja, bald vielleicht sie selber fortstreben wer wußte, wo hin? Cäsar, die deutsche Dogge, bellte die jungen Rinder an, die in der -gleichen Koppel wie die Pferde weide ten. Maria pfiff sie Sie ge horchte gut, wen-, auch widerwillig. Es folgte ihr jeder. Das Fortgehen würde ihr schwer Stück Erde. Noch keine Nacht ihres Levens hatte sie .mßerhalb ihrer Hei gc!ür:nten Beeten darauf, die weiß gekallte Steine umrandeten, geschrit- ten war. Und wieviel mehr noch war ihr ganzes Dasein mit dem Hofe verwachsen, diesen, weiten gepflaster ten Raum, der von Garten und Haus durch hohe Buchenhecken g«- trennt war. Täglich lenkt« si« ihre Schritte dem Hof zu nach recht» hin, um das Gedeihen der Kälber zu überwachen und nach dem Federvieh zu sehen, links, um dann und wann einen Sprung aus den Kornspeicher zu tun, geradeaus, um in dem klei nen Wohnraume neben der Haupt scheuer, mit Brandskat ein paar Worte zu wechseln. So war es nun schon seit Jahr und Tag gewesen, seit sie den Kinderschuhen noch kaum entwachsen war.. Nun war sie acht zehn Jahre, das Leben begann ja erst eigentlich für sie, aber hier er schien es ihr nun wie eine abgeschlos sene Episode. Das ging ihr alles durch den Sinn, als sie jetzt, den Blick über den Roßgarten gerichtet, in den gel ben Sonnenball hineinsah, der hin ter dem Waldrand langsam versin !en wollte. Da lenkte sie ihre Auf merksamkeit der Eisenbahn zu, die, von der Stadt kommend, mit Hellem Geläute ihr Nahen verkündete. Wie gern sah sie den vorübereilenden Zü gen nach, die Bewegung in die Pille legend brachten und ihre Gedanken mit in die Ferne entführten. Von einem ganz anderen Leben sprachen sie ihr, das sich weit jenseits hinter Feld und Wald abspielte, das ge heimnisvoll den Träumenden lockte. Noch hatten ihre Pläne zwar keine feste Form; doch ihre Verwandten in Berlin, bei denen sie zunächst eine Heimstätte zu finden erhoffte, sollten hilflich fein. Noch hatte sie dem Va ter nichts von ihrem Vorhaben ge sagt. Es würde sich das gelegentlich schon mal tun lassen, und die Sache in die Bahnen zu leiten, war nach Ankunft der Geschwister auch noch früh genug. Maria sah nach der Uhr. Es ging schon auf sechs, um fünf Uhr war die Stunde zum Spaziergang mit dem Vater. Sie dursten auch heute nicht zu lange gehen, denn der Do inänenpächter Stange aus Karlswal de hatte sein Kommen angesagt, um mit ihr die "«Wirtschaftsbücher durch zusehen. Es «ar morgen der erste September. Ein« Unmutsfalte trat auf ihre Stirn. Sie hätte ihm dank bar sein sollen, nahm er doch einen nicht geringen Teil ihrer Mühen auf seine Schultern. Er übersah rasch, wo es etwa fehlte, und gab ihr Direk tiven; seine praktische und völlig zielgemäße Auffassung der Land wirtschaft wußte er auch auf ihre Gedanken und Entschlüsse zu über tragen. Trotzdem er ihr stets «ine sehr starke Stütze gewesen war, sah sie seinem Kommen doch mit einem Gefühl des Unbehagens entgegen. Das hatte sich in letzter Zeit im sel ben Maße gesteigert, wie seine Besu che zunahmen. Stange war Witwer. Agnes, feine älteste Tochter, hatte geheiratet, die zweite wuchs heran und würde woyl dem Beispiel der Der reiche Bater brauchte mit der Mitgift nicht zu sparen. Es war in Maria kein Zweifel mehr, daß er sie mit Freiersaugen ansah. Aber auch über sich war sie sich völlig im kla ren: Heiraten konnte sie ihn nicht, lassen, so mußte sie rasch und ganz aus seinem Gesichtskreis verschwin den. Heute würde sie ihn mit ihrer die von einem blonden Bollbart halb bedeckt war. Er hatte die Blicke mit halb bewunderndem, halb amüsier heit nichts zu tun Hütte. Das Gefühl ken! mußt« seitiger Richtung über die Chaussee hin, dem Walde zu. Aber sie sah nichts als Bäume, Riesen und Zwer ge in allen Arten von Grün, in das der Herbst mit starkem Pinsel seine ersten bunten Töne gesetzt hatt«. Dach und den roten seitlichen Haus giebel von Godschillen sehen. Man hörte auch wohl von dort die Hunde gewesen. Jagd hatte sein Leben fast völlig ausgefüllt. Um die Bewirt schaftung seines großen Waldgutes hatte er sich wenig bekümmert, un schalten und walten können; so war der Besitz in ständigem Rückschritt begriffen. Der gichtische Alte hatte zu seinem einsamen Leben immer noch mehr als genug. Wie der Neffe und Erbe sich einmal mit dem Majo rat abfinden würde, war dessen Sa che. D»fer Neffe hatte sich selten in war Maria ihm nicht begegnet. Wie auf Abwegen ertappt, schreck te sie jeijl auf. Ob der Vater sie noch nicht vermißt hatte? Da sah sie ihn auch schon neben den hohen Buchen hecken daherkommen, die hagere Ge stalt leicht nach vorn gebeugt, im Gang leise schwankend, auf dem weißhaarigen Kopfe den großen Bast hut. Er hatte sich, wie fast täglich, an den Hecken mit der Schere zu tun gemacht. Diese Hecken waren sei» Stolz, von ihm gepflanzt, von ihm gepflegt, bildeten sie draußen jetzt fast sein ausschließliches Interesse Er konnte täglich Stunden damit zubringen, jedes vorlaute Blatt zu stutzen. „Sie werden noch so hoch werden wie die Laubengänge im Charlottenburger Schloßzarten", pflegte er zu sagen. Besser gehalten Jetzt erblickte er die Tochter. „Ma ria, wo du nur heute steckst! Ich war te schon so lange/ Seine Stimme klang müde, vorwurfsvoll. Sie fühl te sich in seiner Schuld und sprach ihm beruhigend zu, und dann schrit ten sie über den Hos. Ein Weilchen hielt sich Herr von Bergen noch be: den Katzen auf, die, sechs Stück an der Zahl, sich streckend, schnurrend und blinzelnd vor dem Kiicheneiu gang des Hauses lagen und von ih rem Brotherrn irgendeine Aufmerk samkeit zu erwarten schienen. Sie wurden dann auch gestreichelt und geneckt. „Die weiße würde einen Schönheitspreis cerdienen", meinte der Greis. Dieser abendliche Spaziergang forderte von Marias Geduld starke Proben. Da wäre statt dessen so viel anderes, Wichtiges zu tun gewesen. Auch wirkte das tangsame Gehen je desmal stark ermüdend auf sie. Aber wenn sie nun fort war, würde dann die Schwägerin diese kleinen Pflich ten wohl auch willig übernehmen? Zum erstenmal stiegen ihr ernster. Bedenken auf. Sie traute der Schwä gerin nicht viel Selbstlosigkeit zu. „Vater, ich werde nun hier über flüssig sein. Du hast ja dann aber Magda, die du doch gern magst, und Hanne Brandskat bleibt dir ja im mer/ Ehe sie selber es wußte, war es gesagt. Er hielt im Gehen inne. Sie stan den bei dem Jnsthause, dessen langes Strohdach von drei mächtigen Sil- „Fort willst du?" fragte er. „Ja, etwas lernen, ich muh doch später mal auf eigenen Füßen stehen. Hast du etwas dagegen Väterchen?" „Du solltest doch heiraten, das wä re besser." Sie war nun doch erstaunt, daß er die Sache so leicht zu nehmen schien. „Es will mich aber keiner," lachte sie. „Natürlich will dich wer, wenn du nur willst zum Beispiel unser Amtsrat!" Er sah ihre halb fragend, halb er schreckt auf ihn gerichteten Blicke. «Nein, gesagt hat er mir nichts, aber das muh wohl einer merken. Du kannst von Glück sagen, Mädchen." Maria ging schweigend weiter. Wenn der Vater es merkte, da muh te es doch schon lehr auffallend sein, also war es doppelt Pflicht, der Sa che so schnell wie möglich ein Ende z> machen. Sie hörten jetzt ein Rä oerrollen, den Huffschlag von guttra benden Pferden. Sollie das schon Stange sein? Da bog er auch schon selbst kutschierend aus dem Walde heraus in die Dorfstraße ein und hi°lt neben den Spaziergängern an. Er freue sich lebhaft, daß sie ihm nichi entwischt seien, zwar müsse er nun Maria bitten, mit ihm umzu henden Veränderungen in Berlauken dauere heute die Konferenz vielleicht länger. Aber sie wollten sich möglichst sputen dabei, dann werde er nach dem Abendbrot, zu welchem er sich dauerten doch nicht allzulang. Stan ge sah zu häufig in das schöne, re gelmäßige Gesicht ihm gegenüber, das heute ungewöhnlich blnch war. Er entschuldigte sich Maria gegenüber wegen feiner Zerstreutheit, aber er auch sie schien ihn nicht bei der Sa che. Da hob er drohend den Finger, und ein Schmunzeln ging über sei ne kernigen Züge. „Wissen Sie was, wir lassen heute die Sache liegen, den Rest bespreche ich nochmals mit Ihnen im Beisein Ih res Herrn Bruders." Seine starke, untersetzte Gestalt kam ihr immer näher. Obgleich er den Fünfzigern nicht mehr fern sein konnte, erschien ihr sein ganzes We sen so von Jugendmut und Jugend wünschen durchdrungen zu sein, daß es ihr geraten schien, der Situation ein Ende zu machen. „Es ist fraglich, ob Sie mich bei Ihrem nächsten Kommen noch tref-. fen werden. Herr Amtsrat. Ich reise nun bald, ich will nämlich"... Sie kam nicht weiter. Seine Hand griff nach der ihren. „Was wollen Sie was? Tor heit! Hierbleiben sollen Sie. Ich hal te Sie fest, Sie sollen ja meine Frau werden." Mit Schrecken vernahm sie seinen Antrag und lehnt- ihn fast stotternd ab. Dann fuhr er fort ohne Abend brot, und Herr von Bergen wartete vergebens aus seinen Partner zur Pikettpartie. Ein paar Monate waren darüber hingegangen. Ein nebliger November neigte sich dem Ende zu. Maria hat te ihre eigenen Interessen ganz hin tenan gestellt, wie konnte sie auch an Fortgehen denken, da die Schwäge rin noch immer auf sich warten >jieß. Arwed war planmäßig eingetroffen und hatte seinen kleinen, einjährigen Knaben mitgebracht. Diese zwei männlichen Sprossen des Hauses suchten sich nun, jeder in seiner Wei se, so gut wie möglich in die verän derten Verhältnisse einzuleben, und während es dem kleinen Kunz bald an gar nichts zu fehlen schien, so fand sich sein Bater doch nicht so schnell mit dem Wechsel ab. Der ehemalige Offizier hatte gar zu viel zu lernen und mehr fast noch zu vergessen, und in jedem Falle bewahrheitete sich an thm das alte Wort, daß aller An sang schwer sei. Da mußte ihm denn Maria täglich und stündlich, sc gut sie es selber vermochte, mit der Tat und mit ih rer Erfahrung aushelfen. Und brauch te der Brder sie nicht, so brauchte sie der Kleine. Vor dem Eulengesicht der alten Brandskat Hanne fürchtete er sich, und seinem jungen Kindermäd chen 'durste man ihn nicht zu viel überlassen. So fiel es natürlich Ma ria zu, Mutterstelle an ihm zu ver treten. Sie freute sich auch des Kin des, das jedesmal, wenn es sie sah, die Aermchen verlangend ausstreckte, und dessen Augen mit echt Bergen schem Blick zu ihr ausleuchteten. Sie empfand auch eine Art von Freude darüber, daß er seiner Mutter so wenig glich, doch erwünschte sie die endliche Ankunft der Schwägerin im Interesse ihres Bruders von Tag zu Tag mehr herbei. Arwed liebte seine schöne Frau über alles. Die Tren nung von ihr, die ihn anfangs nur mit sehnsüchtiger Ungeduld erfüllt hatte, reizte seine Nerven immer mehr auf. Mar.a fing an, sich um den Bruder zu sorgen; oft sah sie wolle sie ein Rätsel lösen, an dem er selber grübelte. Doch scheute sie sich, zu treten. Wie meist um diese Nachinittags zeit, saß Maria auch heute mit einer Näharbeit am Fenster der Wohnstu be, als, über de., Roßgarten kom mend, ein starker Schall an ihr Ohr schlug. War es ein Schuß gewesen? Seit dem Kaffee hatte sie Arwed nicht ge sehen. War er virschen gegangen? Möglich wenn er nur öfter gehen möchte, es würde ihn zerstreuen. Es waren noch Böcke genug abzuschießen, die Jagd hatte lange ungenutzt da nieder gelegen. Aber eine Unruhe war plötzlich über sie gekommen, und sie beschloß, erst mal nachzuseyen, ob er zu Hause sei. Ein Anliegen war rasch gefun den, mit dem sie vor ihn hintreten tonnte. Aber sein Zimmer war leer. Sie trat an den Schreibtisch, dessen Platte ein Durcheinander von Papie ren bot. Seine Arbeit mußte Plötz lich unterbrochen fein. Am Regal fehlte die Mütze; vielleicht war er nur te. Die kurze Büchsflinte fehlte. Ma- Frau drinnen im Zimmer, der Mann draußen stehend, hielten Wirtschafte- rin und Kämmerer ein eifriges Ge spräch. Auf dem Fensterbrett lag auf gezähltes Geld und mit Zahlen b«> schriebenes Papier. Es war.Sonna. bend. Die Wirtschafterin empfing, was sie für die Woche gebrauchte, und lieferte ihren Betrag für Eier und Butter der Hauptkasse ab. Sie waren eigentlich Eheleute, aber nach heißer Liebe und einem ein trauriges Ereignis zu völligem Bruch geführt. Ihr Junge, ihr Fried rich hatte sie eines Tages verlassen. Es sollte derzeit diel fahrendes Volk in der Gegend zu sehen gewesen sein. Ob böse Geister ihn zum Haus hin ausgetrieben sie mußten es am besten wissen... Aber sie blieven auf Berlauken, schaftshaus, und sie schwor, nie einen Fuß über die Schwelle ihres Man nes zu setzen, ehe Nicht ihr Sohn zu rückgekehrt sei. nicht bemerkten. „Altchen", sagte die se zu Hanne, „ich gehe schnell nml fort, der Kleine ist allein, sieh mal he fort: nimm du ihn," oder so etwas hatte Arwed bald nach Mittag zu ihr selber gesagt. Dabei hatte er setzt. Gleich hinter dem Hoftor bildete die Landstraße einen Kreuzweg, und ohne Bedenken )og -Maria gleich nun die Bäume fast laublos waren, wurde der Giebel des Herrenhauses sichtbar. Aber heute im eiligen Ge hen wandte sie keinen Blick nach dort, und erst als der Roßgarten hinter ihr lag, blieb sie stehen und blickte zurück. Der Vater hatte seine Fensterläden noch nicht geöffnet, der hielt noch Mittagsruhe. Sie atmete hastig. So rasch hatte sie der. Weg nur als Kind zurückgelcht, wenn sie mit Bruder Arwed Wettlauf machte und der Teich das Ziel war und sie ihn sast immer schlug. Der Unkenteich sollte auch heute ihr Ziel sein. Und was wollte sie überhaupt dort? Sie wußte es jetzt selber kaum. Von Wald zu Wald sollte hier der beste Wildwechsel sein. Aber von Arwed noch keine Spur. Vielleicht hatte er den Stand verlas sen. Nun, jedenfalls nur mal hin bis zum Schilf und dann zurück. Da weckte sie Säsar von dvrt her schon mit kurzem, erregtem Gebell aus ihrem Ueberlegen. Atemlos stürz te sie vorwärts da fand sie Ar wed am Boden liegend mit lee ren glanzlosen Augen neben ihm lag die Flinte. Maria rief seinen Namen, aber er antwortete nicht. Sie griff nach feiner Hand. Die war kalt und schlaff. Da packte das Mäd chen ein furchtbares Grauen. Sie hatte noch nie einen Toten gesehen sie fühlte,''hier war ein Toter; und mehr noch; einer, der selber dem Leben ein Ende gemacht hatte. Durch ihr- starke Gestatt ging ein Beben, sie sank auf die Knie neben den Bru der, ihr Antlitz, das sich im ersten Erschrecken hochrot gefärbt hatte, ver lor alle Farbe, die Augen starrten über den Toten hinweg ins Unge wisse, „Ach, Arwed, warum"... Als suche sie nach einem Grunde der Tat, tasteten ihre Hände an sei ner Gestalt entlang. Da fühlte sie etwas in seiner Brusttasche knistern und zog einen Brief hervor. Sie hielt ihn mit zitternden Fingern und las Er war von Magda, seiner Frau. Die sagte dem Gatten, daß sie nicht mehr zu ihm komme, denn sie habe einen anderen. Besseren gesunden, mit dem sei sie in die weite Welt hinaus. „Und darum, Arwed?" Ueber Ma ria war wieder Leben gekommen. Ei ne Art Eckel packle sie, mit Grauen gemischt. „Und um solch einer wil len... Ach, Arwed... mußte das sein? Konntest du denn das nicht ertragen?" ... Sie nahm den Brief zu sich. Es brauchte ihn keiner zu lesen. Etwas hob. Er war auf der Jagd verun glückt, gestolpert, die Flinte hatte sich entladen.... Das passiert so oft. Mochte man anderes tuscheln sie Wirtin und Kämmerer. Es .war scheinbar Privates, das sie jetzt mit einander besprachen! ihre Gesichter Maria schnitt ihr d>'? Wort ab. hen!" ein und sagte ihm dasselbe, nur scho nender. Dem half das Abstumpfende feines Leidens über das Schlimmste hinweg. Trotzdem war er sehr erregt in seiner Weise; er fürchtete, einen seiner Anfälle zu bekommen, und ver langte nach Brom. Dann half ihm Hanne, sich niederzulegen. Kunz war der jungen Magd auf den Armen eingeschlafen. Maria nahm ihn hin und legte ihn in die Wiege, in der schon sie selber und frühere Generationen ihren ersten Schlaf ge tan hatten, und zum erstenmal löste sich ihr starres Entsetzen in Tränen auf. „Ich bleibe nun bei dir..." Inzwischen hatte man den Toten ins Haus gebracht. Maria lich >hn betten, schloß Fenster und Läden, steckte Lichter an und hielt die Toten- Ueber ein Jahr war, seitdem ver gangen. Mit Macht war der gezogen. Die Gerüchte, die sich über den Tod des armen Verunglückten verbrei tet hatten, falsche und wahr«, ver stummten allmählich, und Grünet wuchs über sein Grab. Sein Kind und in die Breite gewachsen, blonde» Gelock fiel ihm in die gewölbte Stirn, und sein frohes Stimmchen schwieg nur, wenn der Schlaf ihn umfangen hielt. Mit braunen Augen sah der kleine Kunz lustig ins Leben. WaS hätte seinen Morgen trüben sollen treusorgende Hänve wachten über ihm. An jedem Sonntag pflegte Maria zum Grabe zu gehen, und schon trip pelte Kunz neben ihr her, die Händ chen voll Blumen. Heute, am ersten Pfingfttag, ging auch Hanne mit. Hof und Haus logen im Feiertags frieden, sie konnte sich getrost auch einmal eine Stunde der Erholung gönnen. Weit bauschte sich ihr schwar zer Rock im lauen Winde, die große, weiße Schürze und die weiße Haube gaben auch ihr etwas verjüngt Fest» licheZ. Jn.Karlswalde läutete die Abend glocke, als sie über den Feldweg dem Gottesacker zuschritten. Marias Blick glitt über die Felder hin, an denen sie vorbeigingen. Das Winterkorn stand schlecht, dem hatte der trockene Frost geschadet. Der Weizen war üppig auf geschossen. Aber wer wußte denn, WaS der Sommer noch brachte? Maria g?b sich keinen übertriebenen Hoffnungen hin, die Mißernte des letzten Jahres hatte ihren Mut klein gemacht. Hanne mochte ihre Gedanken erra ten haben. „In diesem Jahre wird's besser werden," sagte sie. „Brandskat tut, was er kann. Es pflügt keins so tief wie er. Freilich gehört noch vieles mehr dazu." Und ob's dem Herrn Arwed besser, gelungen wäre? Ja, so ein Kopf, wie dem Stange seiner, der wird heutzu tage noch mit was fertig. Und dem sein Geldbeutel dazu. Das Kind stolperte. „Gib dei Pat sche, Kunzche, tu." Aber Kunz drängte sich an die Tante heran. Er sprach noch wenig. „Mamaria," schmeichelte er zu dem jungen Mädchen hinauf. Sie hatten das buschige Viereck mitten im Felde erreicht, einen jener baumumsäumten Würfel Erde, auf dem die Litauer ihre Toten bestatten. Es waren viel verfallene Grabstellen, verwitterte Kreuze, eingesunkene Stei ne, an denen sie vorübergingen. Gras und Unkraut überzog das Ganze, auch den schmalen Weg, der die Stätte in der Mitte teilte. Man sah oben war die Begräbnisstelle der Ber gens. Auch hier waren die Hügel fast völlig der Erde gleich, nur der Ar» weds lag neu und gepflegt da. Dane ben das Grab der Mutter war vom Efeu völlig überzogen. Auf diesen Hügel setzten sie sich, nachdem der Kleine seine Blumen dem Vater auf die Steine gelegt hatte. Ueber ihnen blaute der Frühlings himmel, an dem leichte Wolken zogen. Die Sonne schien schräg durch daZ Geäst der Hainbuchen, bemalte die al ten, knorrigen Stämme und warf ihren Schein Über die Gräber. Eine Lerche sang über den jungen Saaten, und leise zirpten die Grillen. Sanft schwankten Flieder und Goldregen, die Gräser neigten und hoben sich, als hin. In der Sonnenrichtung tanzte ein Mückenschwarm. Das Geläut in Karlswald- hatte aufgehört. (Fortsesetzun? folgt.) Zarter Wink. Reiseonkel (nachdem er seiner Mitreisenden an dauernd den Hof gemacht hat): Jetzt lomint gleich Mühlgrund in herrli cher, poetischer Lage, die schönste Haltestelle der ganzen Strecke. Dame: Ich kenne noch eine schönere Anhalteslslle. wohl Anhalt? Dame: Nein, aber das Stand«»» amt»
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