Kabine Bs. 11. Roman von O»lzr T. Schweriner. (10. Fortsetzung.) " Wenn die Schiffsglocke aus dem Atlantischen Ozean die Mitternachts punde anzeigt, dann ist es in Ham burg drei Stunden später und in Costarica vier Stunden früher, das heißt, in Hamburg drei Uhr nachts und in Costarica acht Uhr abends. Und ungefähr zu derselben Zeit, zu der May oben im Kartenraum dem Kapitän ihre samose Geschichte er zählte, spielte sich in Hamburg wie m Costarica, auf der östlichen und der westlichen Seite der Erdkugel, je «ine Szene ab, die im engsten Zu sammenhang mit diesem Gespräch mitten aus dem Ozean stand. Selbst verständlich, ohne daß man aus dem einen der drei Punkte eine Ahnung von dem hatte, was auf de« anderen beiden Punkten sich zutrug. In Hamburg faß ein verärgerter Kriminalkommissar und starrte auf »in Telegramm. Starrte und starrte darauf, um dann mit einer heftigen Bewegung auf die Tischglocke zu drücken." „Ich muß den Inspektor Braun «Er wohnt draußen in Blan kenese, Herr Kommissar." „Nützt nichts. Soll Auto nehmen und reinkommen." Und als der Diener gegangen war: „Es ist doch weiß Gott ein Jam- Mit welchem weisen Ausspruche Kommissar Treppolt den Versuch machte, die durch die Ankunft des Telegramms so jäh unterbrochene Rachtruhe fortzusetzen. Denn Trep polt hatte heute den Nachtdienst der Kriminalabteilung. Rot/als Inspektor Braun ins Zim- Sie auch hier zuzuziehen." .Wieder dieser Könnecke? Der Kommissär nickte. „Ganz meine Meinung." „Und die Ergänzung des ersten Telegramms kann's doch auch nicht sein," meinte Braun nach einiger Ueberlegung. Ersuche umgehend drahtlos aus führliches Äattonale angeblichen Hamburger Bürgers Erich Könnecke. „Daraus haben wir dann wortet, was?" „Daß Könnecke der Bertreter der durchaus vertrauenswürdig und an ständig ist, einer sehr geachteten Hamburger Familie angehört, das Vertrauen seiner Firma im höchsten Maße genießt. Wir haben sein Sig nalement hinzugefügt; kräftiger Schnurrbart, Anflug von Glatze, und ein mächtiger Schmiß quer über die Wange. Haben auch gesagt, der Ka pitän möge mit besonderer Vorsicht des in Zentml „Das sind wir. Eine klarere Ant- ei e S I Inspektor. „Das ist es zweifellos. Und eben ist ja das Fatale." „Rail Road Wort (Eisenbahn- Werte) ndnool. Hamburg Kriminalpolizei tele- Jrrtum unterlaufen. Letztes Tele gramm unzutreffend. Der Mann auf Dampfer „Cäsar" ein internationaler Schwindler." „Eine Unterschrift fehlt auch. setzt. Das ist das erste ausfällige Mo ment. Das zweite ist, daß vor Ham burg Kriminalpolizei die Worte Rail road work stehen. Haben wir in Ham burg ein Rail road work?" „Ich habe auch schon nachgeschla gen," sagte der Kommissar. „Wir ha ben hier einen Vertreter eines Rail Höchstens könnte uns das verstümmel te Wort Aufklärung geben. Versuchen wir mal, die Buchstaben zu verstel. len." „London!" „Das ergibt einen ganz neuen Sinn!" rief der Kommissar, sich er regt auf den Schenkel klopfend. „Ich glaube die Sache zu verstehen. Und »ach dem, was dse Firma uns gesagt hat, wird mir der Zusammenhang auch klar. Das Telegramm scheint mir nach London bestimmt zu sein. Da aber gerade das wichtigste Wort verstümmelt ist, gelangte es an die nächstverständliche Adresse Hamburg und zu uns. Verstehen Sie jetzt den Sinn?" Und auch der Inspektor sah Licht. „Auf gut deutsch soll das heißen: „Rail road work, London. Telegrap hiert aus Hamburg angeblich von der Kriminalpolizei, daß Könnecke ein in ternationaler Schwindler ist." „So ist'S!" „Wir müssen vorsichtig sein. Der Marconitelegraphist des „Cäsar" muß mit im Komplott stecken; wir können also dem Kapitän keine direkte An weisung geben, sonst unterdrückt der Kerl dort das Telegramm, und die „Ob es in diesem außergewöhnli chen Falle wohl erlaubt wäre—?" Der Inspektor verstand. „Ich glaube wohl, daß es erlaubt ist. Es scheint mir die einzige Mög lichkeit. Und wenn wirklich nationale Interessen und seien sie auch nur kommerzieller Natur, im Spiele sind, so erscheint es mir auch das einzige Richtige." „So werden wir »ach Kiel zum Stationschef müssen. Die Exzellenz wird höchstwahrscheinlich sehr unge halten sein. Aber ich weiß mir wahr haftig keine Hilfe. Kommm Sie mit?" „Wenn Sie wünschen." Die Männer rüsteten sich, das Bu reau zu verlassen. „Merkwürdig übrigens, daß das Telegramm in deutscher Sprache ab gefaßt ist." „Daran habe ich auch schon g? dacht. Aber man dachte sich wohl, im? das nicht mit Unrecht, daß ein in deutscher Sprache abgefaßtes Tele gramm von Unberufenen in England nicht so schnell entziffert werden kann." Bald darauf sausten die beiden Beamten im Dienstauto im Neunzig- Kilometer-Tempo durch den däm mernden Morgen a>uf der Kieler Chaussee dahin nach Kiel, um den Stationschef des Ostseegeschwaders zu bitten, ein Telegramm in der Geheim ;chisfre der Marine, die auch jedem Kapitän eines Handelsdampfers be- Zwölft ? s Kapitel. Es war, wie gesagt, acht Uhr abends in Costarica und noch ,so hell wie in Berlin um ein Uhr mit tags. In der Hauptstadt herrschte das regste Leben; den» hier fängt der Tag eigentlich erst zwischen fünf bis sechs Uhr nachmitags an. Oder, wenn die Sonne den Tag hindurch besonders unbarmherzig gebrannt hat, noch spä ter. Vorher fällt es weder Mensch noch Tier ein, das förmlich dampfen de Pflaster zu betreten. Die schönste Stunde ist zweifellos die achte Abendstunde. Dann füllen sich die Kneipen mit Landbewohnern, und die Zeitungsjungen versuchen, sich den Rang abzulausen, und preisen mit weithin schallender Stimme ihre im kleinsten Format gehaltenen, den Ein druck eines winzig kleinen deutschen Kreisbliittchens machenden Journale an. Der Konkurrenzkampf wird da durch nicht geringer, daß es sich über haupt nur um zwei Zeitungen han delt; beide von entgegengesetzter Art wie überall in Zentral-Amerika. Soldaten, die nicht Schritt halten, die oben deutsch und unten franzö sisch aussehen, die barfuß einherschrei ten und die vorsintflutlichen Gewehre halten, wie sie Lust haben, „marschie ren" die Hauptstraße entlang zum Exerzierplatz, rauchend oder kftize Lieder singend. Der Offizier geht ge mütlich aus dem Trottoir entlang; etwa so, als ob ihn diese ganze Ge sellschaft nichts anginge. Doch darin Tuch mit Gejohle folgt. Die Bauern kehren vom Markte zurück. Ein merkwürdiges Bild, das einer, der es zum ersten Mal sieht, nicht so schnell wieder vergißt. Zwei kräftige Stiere in schwerem Joch vor dem Karren, dessen Räder aus ei ner einzigen riesigen runden Scheibe bestehen. Kein Nasenring, kein Zügel lenkt die Tiere. Der Führer schreitet vor dem Ochsengespann einher; er gelegt. Auf dem Markte lebhaftes Gewo ge und Geschrei. Hübsche Mädchen, mit der dunkelsamtenen Haut der Augen, das viereckige bunte Seiden tuch mit der Spitze zur Stirn auf dem Kopf, die gleichfarbige dreieckige Schürze um die Hüften, besorgen die Einkäufe fürs Haus. Das Feilschen und Handeln hört man straßenweit. In einem schönen, einstöckigen, aber geräumigen Hause an der Ecke der bei den Hauptstraßen saß in seinem Ar beitszimmer der Präsident von Costa rica. Ein kleiner, etwas untersetzter Herr mit schwarzem Vollbart und dunklen, scharfblickenden Augen. Ein Mann von etwa vierzig Jahren, dessen Gesichtszüge große Intelligenz aus drückten. Und neben ihm saß Harry Wile. „Ich kann nur wiederholen, was ich gesagt habe," sagte eben Don Castro. „Nichts, aber auch gar nichts kann uns angenehmer sein, als wenn Sie uns deutsches Kapital, deutsche Unter nehmungen hieher bringen. Wir wol haben. Mit den Nordamerikanern schon gar nicht; die sinnen nur darauf, wie sie uns auffressen können. Und der kürzeste und beste Weg dazu ist zweifellos, uns mit ihren Kapita lien zu überfüttern. Rußland ist uns nicht sympathisch; auch vor England haben wir Angst, Deutschland dagegen dieser Weise nicht aussprechen. Sonst täte ichs gern. Aber Ihnen sage ich es privatim. Bringen Sie uns deut hinzu: „Selbstverständlich ist dabei, daß Sie uns mindestens dieselben Vorteile beiten wie die andern." „Billiger!" versichert« Harry Wile. „Billiger und —" Der Präsident sah ihn fragend an. Da griff Harry Wile in die Brust- Halten. Bitte lesen Sie, Exzellenz." „Harry Wile, San Jos<!, Costarica. Der Teufel los. Erster Versuch „Und das bedeutet?" uns den Rang abzulaufen. Es be deutet, daß der erste Versuch der an dern. unserm Vertreter die Kosten- Präsident. „Sie haben es eben vorgezogen, erst auszukundschaften oder wenigstens den Versuch dazu gemacht wie un ten." „Die sind doch hoffentlich so—" „Daß wir sie ihnen als Muster gönnen können," vollendete Wile wie der. daß ihnen die Tränen über die Wan gen liefen. „Nur eins verstehe ich da nicht," Ihrem Vorteil." werde," trennten sie sich. Dreizehntes Kapitel. May, die eine halbe Stunde ohne hatte, mitzuteilen." „Das will «ch gelten lassen. Nun sagen Sie mir: Sie hegen also nicht den geringsten Zweifel, daß dieser Franzose die Papiere gestohlen hat?" „Wie könnte ich nach allem, was verraten konnte"" May blickte den Kapitän etwas mißtrauisch von der Seite an. sollen?" Kapitän auch nicht entging. „Unter allen Umständen," beeilte er sich lebhaft auszurufen, „Ich bin Nachricht. Setzen Sie sich bloß nicht in Ihr schönes Köpfchen, daß ich an dem, was Sie sagen, etwa im gering- Grund zu kommen." May lächelte über ihr ganzes Ge sicht; hier schien ja alles in schönster holt habe. Als dann die Geschichte Ihnen. War das unrecht?" das Geschehene zu sprechen. Verstehen Sie, mit keinem Menschen auf dem ganzen Schiff. Das versprechen Sie?" „Gute Nacht und besten Dank für Ihre Mitteilungen." Sie stand schon in der Tür, da einen Moment festgehalten. „Sagen Sie, Miß Bostock, mir Antwort. Nur einen Moment. „Zu Beginn der Reise, Herr Kapi tän bei —" und dann im Flüster- Damäls, als wir den Brillantschmuck sanden. Das war also in Ihrer Ab teilung?" vollständig. Ihr Pflichteifer fiel mir auch der Durchsuchung bei." „Jawohl, Herr Kapitän." „Na, ich danke Ihnen. Verges sen Sie nicht, was ich Ihnen sage; sprechen Sie mit keinem Menschen auf dem Schiff. Am besten, Sie bege ben sich jetzt gleich in Ihre Kabine und zur Ruhe." Als sich die Tür hinter dem Mäd „Was halten Sie davon, Gräbert?" Schultern. „Schließlich hat Könnecke ja selbst Pitrou als eine der Möglichkeiten be was uns zuerst unwahrscheinlich D;r Erste Offizier hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da blickte Kapi „Sie, Gräbert, dieses Weib Tucker, das ist ein Engländer. Daß Tucker etwas mit der Geschichte zu tun haben kann, das hat uns Könnecke ja als sehr wahrscheinlich hingestellt. Diese Engländerin, die ist zum erstenmal auf einem deutschen Schiff. Merkwürdig vertraut mit al lem, und riel zu gebildet für eine Stewardeß ist sie auch. Wenn —" Die Pause, die folgte, war bered ter, als es Worte hätten sein können. Gräbert pfiff leise durch die Zähne. „In dem Falle," meinte er, „wür- Der Kapitän nickte. „Und tut sie's, dann haben wir können. Denn dann hätte sie gegen ineinen Befehl gehandelt und müßte sich verantworten." Der Erste Offizier war schon an der Tür. „Da will ich doch mal gleich Hin- Nachdenklich schritt May die Treppe zum Promenadendeck hinunter. Nach denklich, weil ihr manches, was der fallen wollte. Sie war kein dummes Menschenkind, die bekannte Detek tivfirma Knoles u. Co. konnte dumme bahn-Werke May Bosiock als Gehil fin für Sir Alfred Tucker zur Bcr- Alsred Tucker hieß eigentlich Alfred Tucker ohne Sir, und war seines Zei chens gleichfalls Detektiv, allerdings ein selbständiger; ein ehemaliger, Mann zur Verfügung gestellt; schon aus instinktiver Furcht, das Mädchen dadurch zu verlieren. Aber schließlich Rail Road Works dafür zahlten, doch Nein, May Bostock war kein dummer Mensch. Und deshalb hatte len. Daß sie „Sir" Alfred sofort d,i- Als eine Viertelstunde später Grä zweifelt." „Die Auskunft läßt allerdings an auf einem Punkt absolute Gewißheit verschafft hat." „Und was haben Sie beobachtet?" selbstverliehenen Titel zu belassen, zu May Bostock in der Laube, „diese dummen deutschen Kerls werden dar beunruhigen brauchen, liebe May. Das Allerschlimmste, was passieren kann, ist daß wir eben unser Ziel nicht erreichen." May stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf. „Das will ich aber nicht! Ich hale blitzte. ' kleine May. Der geborene Jäger, der er schon gestellt hat, entwischt. Ich „Wenn er nicht besser ist als Ihr Pitrou-Plan —" , „Warum?" Und immer lebhafter funkelten se:ne Augen. der beste, den ich machen konnte, als die Sache anfing, schief zu gehen. Und das Schönste dabei ist wir wissen noch immer nicht, weshalb sie schief ging. Wenn es nun doch Pitrou war —" „Und eshalb nicht?" „Sir" Alfred lachte. ein Schuß ins Dunkle Ist er's. s» nun so ist das Spiel verloren." „Ich lhnen, es ist verloren! Ich habe dem Kapitän angemerkt, daß er mir nicht glaube! Und nicht nur das; er hat sogar Verdacht gefaxt!" 'she . I rück?!" „May Sie und ich im Lande unbegrenzter Mög ichkeiten. Wir paf fe» zusammen; wir beide und das Land da drüben. Willst Du?" Auch jetzt antwortete das Mädchen nicht gleich. „Du magst nicht? Bin ich Dir nicht sympathisch?" Da blickte sie auf zu ihm. „Und Hertha von Gilsdorfs?" Er konnte ein Lachen nichr unter drücken; ein leichtes, glückliches Le chen. „Eifersüchtig?" „Ja, Alfred." ' „Das ist Antwort genug." Und er schloß sie in seine Arme. Sie ließ ihn einen Moment gewähren; einen Moment lang ruhte ihr Kopf an seiner Brust. Dann, flüsternd, wie derholte sie ihre Frage: „Und Hertha von Gilsdorfs?" „Aber Kind dummes ich wollte ja nur sehen, ob ich Dich eifersüchtig machen könnte." Da schmiegte sie sich an ihn. Sie wollte nicht lange fragen, ob sie ihm glauben dürfe. Sie glaubte ihm zu gern. - Rhythmif/' hob und senkte sich das Schiff. Stampfend summten die Ma schinen ihr Lied. Zischend zogen die Ozeanwellen am Kiel des SchisseS derer, die, eng umschlungen, das Pro menadendeck auf und Hb wandelten. Könnecke hatte eben etwas gesagt» wozU Hertha von Gilsdorfs laut und lustig auflachen mußte. Mitten drin brach sie jäh ab. „O Gott! Man wird uns hören!" Meer hinaus. „Halb zwei Uhr nachts. Was wür de die Welt sagen?" „Sie Printe sagen, was sie Lust hätte." „Aber der gut: Ruf —" „Ihr grauen seid eine merkwürdige Vereinigung von Widersprüchen." Könnecke war stehen geblieben und hatte Hertha seine Hand auf die Schulter gelegt. „Ein merkwürdiges Geschlecht. In» Geheimen besitzt Ihr manchmal den Mut eines Helden; in der Oesfentlich keit habt Ihr in den meisten Fällen nicht den Mut einer Mücke." „Bist Du mir böse?" „Nein. W': lönnte ich? Aber dieses Zustandes bin ich müde. Mvrgen er kläre ich unsere Verlobung." „O Erich was wird die Grä fin sagen?" „Das st msr furchtbar gleichgül tig, mein Kind." Sie.schlenderten weiter. „Was nur Pitrou und die an dern —" Er unterbrach sie. „Davon rede i nicht. Sprich mir jetzt nur von Dir und unserer Zu kunft." Himmel und Meer färbten sich rötlich im Osten. Gräbert fröstelte nn wen' auf de Es wurde Tag iuf dem Ozean. Da kam der Telegraphist r.:it ern stem Gesicht die Treppe hinauf und überreichte dem Offizier ein Tele gramm. ' „l-'hiffre, 5->err Gräbert. Eben an „Chiff«?" Ein Hc- verschiedener Gedanken durchschwirrten gleichzeitig Gräberts Hirn. Ein Chi,fretelegramm? Das konnte nur e'waS überaus Wichtiges Er lieft seine elektrische Taschen lampe auf das Papier leuchtn. Was da itand, war ihm völlig unverständ lich; gab keinen Sinn. .Rufen - sofort den Zweiten Offizier." Der Teleg'ap.'ist ging; .oenige Mi nuten später war der Zweite Offizier weckt' ' (Fortsetzung folgt.)
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