Die Tante. Sie hatte dem einzigen Kinde ihrer Sckiwesier vom Beginn seines Lebens an ein warmes, zärtliches Gefühl ge schenkt, aber „ihr Kind'' wurde das kleine Mädchen doch erst, als Klara nach dem Tode der Schwester auf einige Monate zu dem Schwager ins Haus kam, um sich des herrinlosen Haushaltes und des mutterlosen Kin des anzunehmen, bis eine geeignete Persönlichkeit zur dauernden Ueber nahme dieser Pflichten gefunden war. Denn Klaras Gesundheit war zart, und der Schwager mochte keine kränk lichen Frauen! Und eigentlich war Klara ja Malerin, Für Klaras Gefühl hatte es bei nahe etwas Erschreckendes, mit wel cher Promptheit das zehnjährige Mädchen die Liebe zu der verstorbe nen Mutter, an der es mit heftiger Zärtlichkeit gehangen, auf die Tante übertrug. Sie suchte sich's so zu er klären, daß das Kind in ihr, der nächsten Blutsverwandten der Ver storbenen, die Mutter weiterliebe, und mit dieser Auslegung beschwichtigte sie das feine Gewissen, das in der hef tigen Zärtlichkeit des Kindes eine Treulosigkeit gegen die Tote sehen wollte. Der Abschied von dem kleinen Mädchen wurde Klara außerordentlich schwer, und Lili brach der Abschied von der geliebten Tante fast das Herz. Nur das Versprechen des Vaters, daß milderte ihren Kummer etwas. Die Kleine schrieb alle paar Tage zärtliche und sehnsüchtige Briefe, und dann und wann brachten die Verhält nisse auch ein kürzeres Zusammensein. Die Kleine äußerte oft den Wunsch gegen Klara, ganz zu ihr ins Haus kommen zu dürfen, und die Tante vertröstete sie auf später. Jetzt könne der Vater sich selbstverständlich noch nicht von ihr trennen. hielt sie die beiläufige Mitteilung, daß füllte ihr und des Kindes Wunsch sich aber doch: Lili fühlte sich in der Pen nicht als Zeitverlust. Bilder gab eS Theater und Konzerten, außer wenn es etwas für Lili Passendes war? da für besuchte sie Tanzstunde» und essierte sich mütterlich für LiUs len für so viel Glück. Nichte „in Stücke riß", wie ihre Be- Haus verließ, sei es auch nur für kurze Zeit. Und das Kind, das dies wußte, nickte zärtlich zum Fenster ihre Wangen preßten, durchzuckte sie mit heftige»! Schmerz der Gedanke an liche Sieden, aber das tun viele junge Mädchen bis zur Verlobung. Klara gönnte und wünschte dem Lied dermaleinst nicht nur „Tante", son dern „Mutter" zu ihr sagen wür den. vorhergelitten, kam der gesürchtete Augenblick der Trennung schließlich doch schneller, als man gedacht. Klara schämte sich beinahe ihres großen Schmerzes. Denn was verschlug ein halbes Jahr räumlicher Trennung bei einem so innigen, sestgezründeten Ver hältnis wie dem ihrigen?! Dann kehrte Lili aus der Schweiz zurück, wo sie ihr Schulfranzösisch vervoll kommnen sollte, dann würde sie dem Vater den Haushalt führen, und daß sie dann oft bei Klara, diese ost bei ihr sein würde, war ja selbstverständ lich. „Ich bleibe immer Dein Kind, immer!" schluchzte Lili, als sie ab schiednehmend an Klaras Halse hing. „Hede mir mein kleines Zimmer aus; laß niemand anders drin schlafen, hörst Du?!" Und Klara versprach es, unter Tränen lächelnd. Es wurde nun sehr still in dem kleinen Haushalte, viel stiller, als es vor Lilis Kommen gewesen war. In der ersten Zeit wußte Klara gar nichts Rechtes mit sich anzufangen. Sie war es so gewohnt geworden, im Sorgen für das Kind aufzugehen; es war, als seien Nerv und Inhalt aus ihrem Leben genonimen. Wohl hun dertmal ertappte sie sich darauf, daß sie irgend etwas tun oder anordnen wollte, was Lilis Anwesenheit zur Voraussetzung hatte und nun sinnlos geworden war. Und wenn an der Etagentür heftig geklingelt wurde, dachte sie noch lange, es sei das Rind das war immer in Eile und Un geduld gewesen. Sie besann sich auf ihre Arbeit und malte an einem Stilleben, in dem sie einige Gegenstände des Haushaltes zusammenstellte, die Lili besonders gern gehabt: ein messingenes Kessel chen, einen chinesischen Teelasten, einen Meißener Teller. Aber sie verhehlte sich nicht, daß Malen für sie doch nur eine Beschäftigung sei, kein Beruf. In der Einsamkeit ihres Daseins wurden nun Lilis Briefe die Ereig nisse, diese zärtlichen, sehnsüchtigen Briefe voll Heimweh, nach der Tanie, nach ihrem kleinen Zimmer, nach dem Hündchen, nach den Blumen, sogar nach dem kleinen Dienstmädchm. Dazwischen waren dann auch Schil sie manches „recht interessant", ande res „scheußlich" betitelte. Zum Schluß kam dann noch ein Ausbruch von ' Sehnsucht, Zärtlichkeit und Dankbarkeit, mädchenhaft über schwenglich, aber doch so beglückend. Lieber als alles freilich wai! Klara die schlichte Unterschrift: „Dein Kind". Mit der Zeit wurden die Briefe etwas spärlicher und etwas weniger überschwenglich. . lich. Lilis Zimmerchen wurde gerade so gehalten, als ob die junge Bewohnerin nur aus kurze Zeit hinausgegangen sei und schon morgen wiederkommen könne. Klara ging oft hinein, knipste ein welkes Blatt von den Geranien auf dem Fensterbrett, fuhr mit dem Stilleben war beinahe fertig. Lilis Reise ging über H. Eiiun Tag würde der Vater ihr doch wohl voller Blüte standen. Das Stilleben sie wohl zu rücksichtsvoll und zu be scheiden. Und ich hätte es doch so gern getan, um mein Kind auch nur einen Augenblick zu sehen! Wie viel mochte Lili ihr zu erzäh len und anzuvertrauen haben! „Er den!" Und weil Klara sie erstaunt ansah, setzte sie hinzu: „Ich traf sie gestern mit Else B. auf der Straße. Ich wußte gar nicht, daß sie mit der kleinen B. so befreundet ist. Ich eingestehen, daß „ihr Kind" überhaupt Jedoch als der Besuch fort war, verNeß die Fassung sie. Sie stand Sie den Kops. Es vermochte gläubige Liebe gegen die Brutalität der Tatsachen! Aber wie dann sich das erklä ren? Sie begriff es nicht. Bei jedem Gehen der Klingel fuhr sie zusammen. War das das Kind? Das Kind kam nicht. Die Bekannte mußte sich doch ge- Die Nacht lag Klara schlaflos bis len. nach Lili gefragt hätten. „Siehst Du Deine kleine Nichte oft?", „Die kleine Nichte, die so zärtlich an Ihnen blicke mal in B. bei Ihrer Nichte!" mes Gefühl unendlichen mütterlichen Mitleids, das alle sonstigen Empfin dungen fortschwemmte. das beeinflußbar mochte der Himmel wissen, auf welche Weise sich ein Miß verständnis geschoben sie und sie, Klara, sllhlie trotzdem dasselbe für warme mütterliche Liebe zu der Mut terlosen. Und daß sie warte auf ihr Kind. Nach einer Weile schrieb Lili eine Karte, auf der sie einen Tag bezeich nete, an dem sie die Tante besuchen wolle, wenn es dann passen sollte. Der konventionelle Ton der Karte kränkte Klara nicht mehr. Ihr Kind kam! Wenn sie sie nur einmal wieder künstliche Eis um Lilis Seele vor ihrer mütterlichen Liebe zerschmelzen, und alles würde wieder sein wir ehe- ist sehr freundlich" t:i allen Ge fprechen, und die zärtlichen Namen starben auf ihrer Lippe, wie arme, kleine Blumen, die ein Frosthauch trifft. Es kam wie eine seelische Lähmung über sie. Denn das Nichts ist weder zu fas sen. noch zu wärmen. Und sie fühlte, obwohl sie es nicht begriff: hier war kein Mißverständnis, keine vorüber gehende Entfremdung, sondern ein fach nichts. Ihr« Worte, ihre Blicke alles fiel ins Nichts. Lili konnte leider nicht die Nacht bleiben, der Papa kam, sie zum Thea ter abzuholen, und sie würden in ei nem Hotel übernachten. „So willst Du nicht in Deinem alten Zimmer schlafen?" fragte Klara, und in der Tiefe ihrer Müdigkeit war ein ganz kleines Schluchzen. „Danke wirklich," entgegnete Lili geläufig, „es ist sehr freundlich, aber ...." Klara hörte den Rest nicht mehr. Ihr war sonderbar zumute. Als ob Als ihr Schwager ein paar Minu ten bei ihr war, während Lili sich im Nebenraum den Hut aufsetzte und die Jacke anzog, kamen Klara unwillkür lich die Worte aus die Lippen: „Lili „Ja, Gott sei Dank!" sagte der Schwager mit demonstrativer Genug tuung. „Sie ist ein vernünftiges Mädchen geworden, nicht mehr so ein exaltierter Backfisch. Ich bin sehr zufrieden mit ihr. Und unter uns gesagt da ist ein netter, wohl habender Mann, der sich für sie in teressiert. Vielleicht bekommst Du nächstens eine Verlobungsanzeige." „Dieses eben aus der Pension ge kommene Kind?" rief Klara entsetzt aus. „So an den Ersten, Besten —" sie brach von schmerzlicher Empörung übermannt ab. „Bitte, es ist nicht der Erste, Beste, sondern ein sehr tüchtiger Kaufmann. Er soll mein Kompagnon werden. Je jünger die Mädchen heiraten, desto besser für sie. Uebrigens interessiert Lili sich auch sehr für ihn. Na, Schnuckchen. bist Du fertig?" Dies zu Lili, die eben herein kam. „Die Tante meint, Du wärst noch zu jung zum Heiraten! Was sagst Du dazu?" Das war scherzhaft gemeint, aber Lili kräuselte die Lippen und warf den Kopf ein wenig zurück wie eine in ihren Hoheitsrechten getränkte Fürstin. „Nun und dürfen wir denn mal auf Deinen Besuch rechnen?" fragte der Schwager beim Abschied mit kon ventioneller Höflichkeit. „Sehr gern. Gelegentlich mal." antwortete Klara matt. Lili, ihr Kind, stand daneben und sagte teinen Ton. Sekundenlang hatte Klara die Bi sion von etwas weit Zurückliegendem. vergnügt mit seiner Puppe spielte, während nebenan die Mutter aus dem Totenbette lag. Sie hätte gewarnt sein können. Jetzt war auch sie zu den Toten geworfen worden. Denn man brauchte sie nicht mehr. Und dennoch zog alte Gewohnheit sie ans Fenster, dem Kinde nachzu sehen, wie sonst. Ruhig plaudernd ging das junge Mädchen an des Va ters Seite dahin es warf keinen Blick zurück. Wenn Klara es noch nicht gewußt hätte dieses Eine hätte sie belehrt, daß sie ihr Kind verloren hatte. „Sie tönnen das Bett abziehen," sagte sie zu dem Dienstmädchen. „Fräulein Lili ist fort." „Soll es denn nicht stehen bleiben, bis Fräulein wiederkommt?" fragte wieder!" kam es nun mit ganz unge wohnter Heftigkeit von ihrer Herrin Lippen. Kopfschüttelnd gehorchte das kleine Mädchen. Sie begriff ihre Herrin Klara ging ins Wohnzimmer zu rück. Sie siel auf einen Stuhl, und ihr Kopf, der frühzeitig ergraute, sank schwer aus die Tischplatte. Man hälte meinen können, sie sei eine Mut ter. deren einziges Kind gestorben, und sie war doch nur eine Tante.... Sehr nötig. „Nun Mo ritz, wie gesällt Dir's in d-r Schule?" „O sehr gut Papa." „Fehlt Dir noch etwas zum Unter richt?" „Na, 'n paar Gummiohren möcht' 2er (s'iömaiiu. ihn, nach, wie ungehobelt er sei. „Peter, Du wirst im Leben kein Mädel gewinnen," s,',gte ich ihm, c>ls Zunge." leiden?" „Ich hasse sie nicht gerade, aber ich mach' iqir auch nicht vi»l aus ih- Dascha. Sie schüttelte sich vor La che», die Zöpfe fielen über die Schul tern auf die Brust und der Hemo knopf sprang auf. „Du Ekel," rief sie und knöpfte schnell das Hemd zu, „er wird nicht ewig so bleiben. Er wird sich schon ände'n." und irgendwas murmelte, was er selbst nicht verstand. Eines Tages kam ich allein zu Dascha. „Wo bleibt Dein Eismann?" frag te sie. „Was tuts? Er »-edet ja ohnehin kein Wort." „Versprichst Du mir, niemand zu verraten, was ich Dir jetzt gestehen werde? Schwörst Tu mir?" „Ja, ich schwöre." hörie. Ich zuckt- zurück. „Ist das Dein Ernst?" satz ihres Pantöfselchens auf dir Tiirschwelle. „Darf ichs ihm sagen, Dascha?" „Was fällt Dir ein? Du hast doch derlehen. ganz nettes Mädchen." Und pfiff sich „Gefällt sie Dir nicht besser als andre? Gefällt sie Dir?" Ein duftiger FillhlingSabend sie der Brand erfaßt. Weit, weit- Rauschen der Narenta. Vcm Mi naret kam die tremolierende Glocken liebten. Plötzlich ertönte der Klopfer am wollte er den Schlaf de,i Tores nicht rief ich einem Jungen zu, der vor der Stube lungerte. Dascha. Sie war feiertäglich ge kleidet: seidenes Zäuchen und seiden? Hosen, mit Perlen geschmückt „Ein wackerer Bursche." „Ich mag ihn nicht. Er ist schön und reich ich mag ihn nicht. Mein Vater hat ja gesagt mag ihn „Hm. Was nun?" :,iit Du mir hilfst. Geh Z'.m Eis „Peter? Hast Du ihm denn ie er Dir? Bist Du bei Sinnen? Du willst Dich einem Burschen an den scha. laß die Verrückthelten! Bring Dich nicht ins Gerede!' „Wann Du mir einen Gefallen sprach sie fest. Wie sollt ich anders? Ich schickte um Peter. Dascha hatte die Ellen den Kops schlagen. Er wußte nicht, was tun, und sie nicht, wt« „Nun Dascha," rief ich, um ihr Mut zu machen, „wozu hast Du Pe ter aerusen?" Sie schwieg. Da wandte ich micki an Peter. „Man hat heute um Dasck'.i qesreit, sie aber will niemanv als Dich." Dascha war aufgesprungen, sie zitterte am ganzen Leib. „Ja, ist es," rief sie und warf ihre Zöpfe rückwärts. „Ich liebe nur Dich, und wenn Du willst, gehe ich mit Dir in die Welt." Peter sah sie und mich furchtsam an. „Keine Späße." bat er mit weicher Stimme. „Ich... ich weiß „Machs kurz," rief ich, „willst Du „... Ich danke Dir. Dascha," sprach Peter, ohne sich um mich zu kümmern, „aber ich... ich will noch nicht heiraten... das ist noch nichts für mich." Dascha biß sich in die Lippen, ihre Augen flackerten, und die Zähne schlugen aufeinander. „Gut... Du brauchst nicht..." stotterte sie und ging- ... Ein Jahr später hatte Jowo einen Sohn. Ich kam gerade dazu, wie sie ihn in de» Armen hielt und mit ihm spielte. „Wie heißt der Kleine?" „Peter." Sie lächelte verlegen und küßte dem Kleinen beide Wangen. <?in schlagender «c v«iS. Der Präsident der Ronal Soc:ety Sir Archibald Geikie erzählt von iei nem Verwalter «ine wstige Geschickte. Der alte Mann war ein Gegner der Schulen und besonders der humani stischen Bildung; zwar schickte er lei nen Jungen aufs Gymnasium, aber von all dem „Zeug", das man dort lernte, hielt er nicht viel. Und er bewies seine Anschauung. Eines Ta. ges erscheint er bei dem Klassenleh rer und beschwert sich: „Sie bringen meinem Jungen nichts Vernünftiges !bei! Ich habe ibn gefragt, was «r ders Lateinisch. Griechisch und Alge bra. Ich machte gleich eine Provt. Ich fragt« den Jungen nur, wie „ge röstete Kartoffeln" auf Algebra leiten. Und selbst das wußte der Benzel nicht . . ." «ine »crechtigic jsrage. Ein Herr, der etwas zu tief ins Glas geblickt hat, geht in stiller Abendstunde nach Hause und begegnet auf der Straße einem jung«n Mann, der gerade im Begriff ist, in sein neu sparen, eine große Wanduhr auf dem Rücken, und daß sie tüchtig schwer war, konnte man dem gebückten Gange des Trägers ansehen. Plötzlich er tönt hinter ihm die Stimme des An geheiterten: „Sie! Sie da! He!" Schwerfällig dreht sich der Jüngling um, hofft vielleicht im stillen auf Hil nur; warum haben Sie dem» «igrnt-l lich keine Taschenuhr?" „Alles beim Alten!" sagte Lieschen, „Vorsicht Geladen!" rief der Einladungen zurück. „Keine Hänge - Lampen!" sagte der Wildbrethändler, da hatte er krine Hasen mehr. „Das ist mir das liebste Schnee glöckchen!" sagte der Großstädter, falle!" „Mit 'nem eignen Boot ist's wie mit 'm Weibe; zwei Tage reinen Jliickcs hat man von: zuerst, wenn n.an sie kriegt und dann, wenn man Trm 112 ist niäimiglich Wild schnaubt das Roß Trr Burgherr Wir t: „Ach sein S' ruhig, ei Scher,rätsel. Wenn „er" und „ich" beisammen zu seh'n. Der neue Kellner. „Im. wer hübsch freundlich und liebenS wie ein Schentelmiin und nehmen Si: den Daumen aus der Suppe!"
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