Im Strubel der Grojzstadt. Roma» von E. Krickeberg. (8. Fortsetzung.) „Keinen? wir haben bis jetzt un sern Stand noch nicht so weit ver gessen können, uns mit den Leuten der Nachbarschaft, in der wir zu le ben gezwungen sind, einzulassen." „Gut", schnitt di« Gräfin kurz alle weiteren Erörterungen ab. »Hier sind die fünf Mark und ich hoffe, sie also am Ersten wieder zu se- Die Frau hatte ihr gar kein Ver trauen eingeflößt. Die gierigen Blicke, die sie während ihrer Erzäh lung im Zimmer hatte umherschwei fen lassen und überhaupt der kalte »»«rechnende Ausdruck ihrer Augen, der «in« ganz and«re Sprache re det«, als die Lippen mit dem er starrten LeidenSzug, gefielen ihr nicht. „Ist'S d«nn wohl glaublich", sagte im Nebenzimmer Jobst von Stein rücker im Tone höchster Indignation, »di« Tante läßt das unglückselige Weib wirklich mit d«n lumpigen fünf Mark gehen!" „Tante ist schon sehr oft von^Al entgegnete Dorette, „man kann «S ihr nicht verdenken, wenn sie jetzt vorsichtig ist." „Lieber Gott, wenn di« Gräfin EinHardt von Kaltenbergen auch ein paar Mark zum Fenster hinauswer fen wird!" „Wenn es nur das wäre! Aber an Unwürdige vertheiltes Geld stiftet gewöhnlich Unheil, bestärkt die Leut« ir ihrer Faulheit und gibt ihren Lastern Vorschub das kann ei ner so klugen und gewissenhaften Frau, wie Tante, nicht gleichgültig sein." Der rein« Dozent! Schau derhaft langweilige Person! dacht« Jobst bei sich, laut aber sagt« «r: „Ich finde ei nicht einer Aristo kratin würdia, sich mit solchen Leu ten, wie daS Weib vorhin, aufs Par lamentiren einzulassen, entweder man gibt ihnen od«r man läßt sie über haupt nicht vor." Dorette antwortete nichts, sie zog schon eifrig wi«der den Faden ihrer Stickerei durch den CanvaS und schien auf das angelegentlichste mit t-em Zählen der Stich« beschäftigt. Jobst sah ihr eine W«il« zu, dann zuckte «r mitleidig die Schultern und tegann ungeduldig im Zimmer aus- und abzugeben. Endlich oerlündete ler taktmäßig aufgesetzte Stock daS Herannahen der Tante. begann sie: „DaS war natürlich Schwin gt. . .' „ES könnt« aber doch vielleicht fein, daß sie bedürftig ist, Tante", warf Dorette ein. „Ihre Stimm« Klang." „Du hast ihr Gesicht nicht dab«i a«s«hen, an der Person war nichts ?abe. Dorette athmete auf, die Beglei- Sie bat, sich sofort auf d?a Weg rück. . „Es scheint, daß du dich mit Do rette nicht zu stellen weißt", jagte „DaS liegt an Dorette", verthei digte sich Jobst, „sie ist eine so kühle, unzugängliche Natur." denn die Zerllniki vom Mtropot, wenn ich fragen darf?" Richtigkeit hat,"^ „Gut, gut! Dann wärest du also jetzt frei und ich hoffe, daß du nun endlich einmal die Jugendes«l«ien läßt und zur Vernunft kommst, auch in Bezug auf deine musikalische Ma rotte. Du weißt, daß du mir in letzter Zeit viel Aerger bereitet hast, und allen Grund, jetzt fügsamer zu sein' „Sie sehen doch meinen guten Willen, gnädigste Tante! ES thut mir ja sehr leid, daß ich Ihnen die Wohlthaten, die Sie mir von Kind heit an so überreichlich gespendet ha ben, nicht besser vergelten kann. . .' „Du schwatzest Unsinn", unterbrach sie ihn, aber das klang schon viel nichts weiter von dir, als daß du Und Jobst von Steinrllcker wußte nun, daß er für heute gewonnenes Spiel hatte. Als er die Tante nach einer halben Stund« verließ, hatt« er ein reichliches Sümmchen in der Examen nothwendigen Bücher und zur Bestreitung sonstiger dringenver - XI. Dorette vom Berg war nun schon mehrere Monate in B«rlin, und daS vielgestaltige geistig rege Leben der Weltstadt hatte nicht verfehlt, seinen zuüben. Obwohl sie auf dem Lande bei ihrer Großmutter mütterlicherseits aufgewachsen war, hatte die alte Gräfin Gadelschmieden, eine Schwe ster des verstorbenen EinHardt von Kaltenbergen, dafür gesorgt, daß ihrer Enkelin die vielseitigste und sorgsamste Erziehung zutheil wurde. Bis zu ihrem 18. Jahre hatte Do rette keine andere Beschäftigung ge kannt, als studiren, malen, musizt ren, fein« Handarbeiten anfertigen, und k«in« and«re Erholung, als ein« Fahrt im Selbstkutschirer, oder ei nen Ritt über Land, einen Besuch oder Croquetpartie und, wenn es lam. ein kleines Tänzchen arrangirt wurde. Was Anna Maria Seidelmann gewissermaßen im Blut« lag, ihr von selber zuströmte, hatte Dorette vom Berg mit Eifer und Gründlichkeit studiren müssen. Die genial« Art d«i PastortöchterchenS war ihr nicht eigen, aber sie überragt- es an Er kenntniß und Wissen. Ihr Urtheil war wohl begründet, nicht allein em pfunden. Da ihr Temperament in d«n ihr von Jugend auf streng als Richtschnur auferlegten Gesetzen d«S guten Ton«? zu einer äußerlich küh len Gleichmäßigkeit «rzog«n war, be suß si« nicht die Impulsivität und Unmittelbarkeit des Empfindens der Anna Maria. Sie war schwerblllti ger als diese, ab«r wie Hans von Örthmann ganz richtig gesagt hatte, k«rnig, solid, «cht bis inS Mark und ton tiner sorgsam verschlossen gehal tenen Wärme d«r Empfindung. W«nn Anna Maria sich schlicht »nd wahr gab und auf ihre Borzüze keine Ansprüche gründete, so geschah .'t weil sie einfach ihrer ganzen Ver onlagung nach nicht anders konnte. Dorette that es nicht, weil sie es als ihrer unwürdig ha >hr natürlich erschien, und die ihr an l erseitS ohne ihr Verdienst und Zu ibun zugefallen waren. Anna Ma- Mensch«n. aber wenn sie sich jemand ergab, that sie e? aus Ueberzeugung >ind mit voller Seele. Darum war Anna Maria hatt/ Dorette etwas Urgesundes, Frisches, kraftvoll Ur sprüngliches Ihre Schönheit bestand perlicheS Training erringt. Also Dorette konnt« sich d.m fes selnden Zauber d«S geistigen Lebens hatt« sie noch nicht gelernt, sich hei misch in ihm zu fühlen. Ihr Ge müth darbte, und die Sehnfuchi nach schen, dem sie in heißer Zärtlichkeit ciihinz, lag unausgesetzt in ihr. wie Sie hatte von Anfang an die Grä fin Anastasia ihrer großzügigen Cha raktereigenschaften wegen hoch ge rattere waren zu verschieden, als daß Dorette sich der Tante hätte leicht und bald in Liebe anschmiegen Sie, die im stillen Hause einer einsamen alten Frau aufgewachsen war. fand allein schon das Tem perament der Tante oft schwer zu er tragen. Ihre geräuschvolle Art, ihr herrisches Auftreten, dazu d«r groß crtige Zuschnitt ihres Hauses, die Pracht und der Reichthum, die hier herrschten, daS alles hatte sie zuerst gequält und eingeschüchtert. Allmäh lich hatte sie sich daran gewöhnt und war in ihre n«ue Umgebung und Stellung hineingewachsen. Aver sie konnte daS Empfinden nicht loswer den, daß sie im Grunde doch nur die die Gräfin mehr auS Pflichtgefühls Mit der Zeit freilich sah Dorette ein, daß die Tante unter ihrer rau ben Außenseite vi«l Herz«nSaüt« und «in unbestechliches Gerechtigk««lSgefiihl besaß. Di«se Eigenschaften wurden j,war durch gelegentliche Willkürlich keiten vorübergehend getrübt, aber im entscheidenden Moment versagten st« doch nie. Darum war sie in letzter Zeit auch !n ein herzlicheres Verhältniß zur Tante getreten, obwohl man äußerlich wenig davon merkte. ES lag nicht im Wesen der Gräfin Anastasia, zärt lich oder nur verbindlich zu fein, ober Dorette sah an dem großen Ver trauen der Tante zu ihr. Saß sie ihr Wohlwollen besaß, und da! hatte an gefangen, sie etwa» mehr mit ihrem Geschick auszusöhnen. Eine wahre Freundin hatte Do rette noch nicht im Bekanntenkreise ihrer Tante gewinnen können. Sie schloß sich überhaupt schwer an, und derS geartet wie si«. DaS L«ben in der Großstadt hatte sie so viel welt gewandter gemacht, und sie trugen Zug innerer Ruhelosigkeit an sich, der die ganz« großstädtisch« Gesellschaft zu charaktenstren schien. Ruhelos Tan'e schon nachgerade genug für DoretieS Naturell, so ruhelos, daß sie kaum Zeit gehabt hätt«, eine Freund schaft zu pflegen. Gräfin Anastasia nahm in ihrer lebhaften Art die Nichte fast unaus gesetzt in Anspruch, und w«nn sie sie wirklich selber nicht brauchte und hatte sie irgend einen Auftrag oder ein Amüsement für Dorette bereit. Da sie selber von einer rath'.osen Ge schäftigkeit war, fand sie «k ganz na türlich, daß andere ebensoiehr in stet«r Bewegung zu sein wünschten si: wür de sich eingebildet haben, Dorette langweile sich, wenn sie sie für eine Weil« sich s«lb«r überlassen hätte. DaS bildete oft geradezu ein« Pein für daS jung« Mädchen, aber eS hatte das Gute, sie nicht viel zum Nach huten über sich selber kommen war. Dorett« wußte natürlich, obwohl man es ihr sorgsam oerschwiegen hatte, warum sie von der Großmut ter zur Tante Anastasia, aus dem stillen Landwintel mitten in die Ge selligkeit der Großstadt geichickt wor den war. Sie txfand sich in^dein chen, und Hanz besonders für ein« Tochter ihrer Kreise, nach einer stan desgemäßen Versorgung Umschau zu halten pflegt. Dorette gestand sich mit nackten Worten «in: Man wollte sie verhei rathen. Die Großmutter hi«lt «S für ihr« Pflicht, dazu ihr möglichst«s zu thun. Dorette wußte, daß eS ihr größter Kummer war. sie könnte eine alte Jungser werden. »Was bist du dann", hatte sie ofi sorgenvoll zu ihr gesagt. »Ein adeliges alteS Fräulein ist ein recht trübseliges Ge schöpf. Si« langweilt sich im gün stigsttn Falle als Stiftsdame durch ihr ödes Leben hindurch, und wenn sie obenein nur über dürftige Mittet lerfügt, so hat dai wahrhaftig nichts Verlockendes! Es ist ja zu Hof f'N, daß Tante Anastasia dir ein Le gat bei ihrem Tode aussetzen wird, aber es ist bei ihren philantropischen Ideen anzu nehmen, daß sie neben ihrem Adoptioneffen in erster Linie ihre wohlthätigen Anstalten bedenken wird, und dann befindet sie sich noch im rü stigsten Alter und kann mich um viel« Jahr« überleben. Wenn ich aber erst -inmal wdt bin und meine Reoenuen aufhören, stehst du dem Nichts ge- Eine gute Heirath schien der GrSß mutter daS einzige Mittel, Dorett« »r>r einem öd«n, zwecklosen, ärmlichen Dasein zu bewahren. Daß di« Enke lin eS selber in der Hand hatte, ihr Leben nützlich und reich zu gestalten, indem sie einen ihr zusagenden Beruf ergriff, 5aS kam für die in einseitigen Dorette wollte der alten Dame nicht wehe thun. So fügte sie sich scheinbar ihren Anordnungen. Ihr selber war um ihr« Zukunft nicht Si« besaß sie würde sich auch niemals zu einer Heirath gegen ihren Willen überreden lassen. Wenn si« aber auch mit vollem Be wußtsein der Hoffnungen, die die s«n, daß bereits «in ganz b«stin>mter Plan für ihre Zukunft zwischen den beiden Damen geschmiedet war. Und a's sie nach und nach dahinter kam, gehörte ihre ganze große Liebe und Dankbarkeit für die alte Frau dazu, um ihr daS verzeihen zu können. , Der Tante Anastasia zürnte sie nicht, die hatte die Nichte vorher nicht gekannt, und ihrer Natur waren auch kleine Gewaltsamkeiten, selbst Im HeirathSstiften, angemessen; aoer daß die Großmutter sich zu diestm Handel hatte hergeben können, die seine alte Dame, daS faßte die En kelin nicht. Dorette war Tante Anastasias Schützling, der Referendar Steinrllcker, von Anfang an nicht sympathisch ge wesen. Sie besaßen innerlich und äußerlich beide so wenige Berüh rungSpunkte, ja, waren in vielen Be ziehungen so große Gegensätze, daß es nicht verwunderlich war, wenn sie k«in« Anziehungskraft aufeinander ausübten. Die Gräfin Anastasia hätte daS mit ihren scharfen Augen sehen müs sen, aber sie wollte es nicht sehen. Sie hatte auch ihre besonderen An sichten von der Ehe in ihren Kreisen im allgemeinen, und der SteinriickerS im besonderen. Liebeshcirathen wa ren ein Unsinn in ihren Augen, da bei hatt« si« selber einen dem Ranz nach unter ihr stehenden ausländischen Grafen geheirathet, weil sie ihn mit rem ganzen Ungestüm ihrer Natur geliebt hatte, und war sehr glücklich mit ihm gewesen. Aber schließlich sie hatte sich dc.S leisten können! Wer das richt kann, hatte eben einfach die Pflicht, vernünftig zu wählen, und wenn er selber eS nicht thut, so sind seine Angehörigen und Freunde ver sflichtet, für ihn einzustehen. Steinrllcker war ein Rohr, daS im Winde schwankte, Dorette desto ruhi ger, st«ter, überlegter. Sie würde ihm ein« Stütze sein. Stein rllcker war sehr verliebter Natur und zu Thorheiten geneigt, Dorette kühl und zielbewußt. Sie wllrd« keine glühenden Leidenschaften von ihm »er. langen und ihn nicht mit Eifersüchte leien plagen, aber ihm auch nicht ge statten, daß er sie und sich kompro mittirte. Stlinrücker war von Lirund auf träge und würd: eS nie selbständig zu einer angesehenen Stel lung im Leben bringen, Gräfin Ana stasia aber wünschte ihn eine Rolle spielen zu sehen. Dorette würde ihn fest im Zügel halten und ihn vor wärts zwingen. nen dem jungen Mädchen der bei wei tem schlechtere Theil zufiel, kam ihr nicht zum Bewußtsein. Sie meinte es ja herzlich gut mit der Dorette, daß sie ihr eine so gute Versorgung ver schaffen wollte. Das kleine adlige Fräulein vom Lande würde ohne die Fürsorge der Gräfin Anastasia un zweifelhaft eine alte Jungfer werden. Manchmal, wenn die Tante eS Do rette gar zu deutlich fühlen ließ. waS fi; von ihr erwartete, wallte in Do rette «in heißer Zorn empor, und sie beschloß, rasch gewaltsam einen endlich viel gethan hatte, und der ihr wie ein eigener Sohn ans H«rz ge wachsen war, «ine Frau nach ihr«m Gefallen sucht« daß sie ja noch aar nicht wissen konnte, wie wenig cie Nichte ihren Wünschen geneigt war und sicher nicht länger auf ihnen btstehen würde, sobald sie erfah ren hätte, welch ein Unglück für Do r«tt« «in« Eh« mit Steinrücker sein mußt:. Daß die Abneigung gegenseitig war, der Referendar sie allem An st. ihn, war ihr zwar eine große Er leichterung, aber kein Trost für die Zukunft, denn bei seinem unselbstän gischen Dringen der Tante Anastasia nicht dauernden Widerstand entgegen zusetzen vermögen. Er würde sich ver heirathen lassen, wie er sich in die Jurisprudenz hotte stecken lassen .nd wie er sich auch sonst mit sei len fast 30 Jahren noch gängeln !>lß wie ein Kind. In Dorette em pörte sich alle» bei dem bloßen Ge- Kämpfen und in dem gespannten Verhältniß ihres jetzigen Daseins un glückliche: und verlassener erschienen sein, l?mn sie im verschwiegensten Winkel ihre« Herzens nicht mit ganz anderen Dingen beschäftigt gewesen wär«. Sie hatte HanS von Orthmann nicht v«rg«ssen, und obwohl sie keine Hoffnungen ja zu stolz war, auch nur zu wünschen, jemals wie der in nähere Berührung mit ihm zu kommen, war der Gedanke an die Begegnung mit ihm doch wie «in freundlicher lichter Punkt in ihren Er innerungen. Er war ihr beg«gn«t. als ihr Herz von Heimweh schwer gewesen war und sein aufrechtes, frisches, verläßliches und ritterliches Wesen hatte sie em porgerichtet. So war eS ihr gewesen, als ob die Heimath einen Gruß an sie sandte, als sie ihn dann in der Aus stellungshalle wiedersah, und seinßild war fortan mit der Sehnsucht nach der theuren Vergangenheit unlöslich rerknüpft. HanS von Orthmann war fein sinnig, liebenswürdig und taktvoll, «in Kavalier vom Scheitel bis zur Sohle und «in «innehmend schöner und eleganter Mann mit seiner präch tigen Reiterfigur und dem hageren schmalen Rassegesicht, von dessen bron zenem Teint dir weiße Stirn so ei genartig abstach. Er hatte einen tiefen Eindruck auf sie gemacht, und darum traf eS sie doppelt hart, als die Engherzigkeit und Kleinlichkeit.die si« an ihm wahr xunebmen meinte, auf sein strahlen de! Bild «in«n häßlichen Flecken warf. Si« dachte an ihn, wi« si« an die ver lorenen glllcklichen Stunden ihrer trauten Heimath dacht«. ES war j«deSmal ein besondere? Glllck fllr Dorett«, wenn die Tan!« sie auf irgend «ine Kommission aus schickt«, di« ihr ermöglichte, einen ein samen Spaziergang zu machen. cuSgewirkt, zu Fuß und allein, ohne die Begleitung des Dieners, gehen zu dürfen, da ihr körperliche Be wegunq nothwendig und Beaufsichti gung dabei lästig sei. Und der Grä fin Anastasia, die selber den Zwang nicht liebte, waren diese Unabhängig keitsgelllste der Nichte durchaus sym pathisch. Dor«tt« wand«rte jetzt langsam nach d«m Vorort hinaus, in dem Frau von Schebnitz wohnte, «in« wunder schön« breite Promenadenstraße 'm Schatten alter breitästiger Linden und wunderte sich, ganten Vorderhauses. Sie klingelte an der Korridorthür «in-, zwei-, dreimal niemand öffnete. Endlich that sich die Thür der gegenüberliegenden Wohnung auf und -ine weißhaarige Dame steckte ihren „Sie wünschen zu Frau von Scheb nitz, mein Fräulein? Da geben Sie sich nur weiter keine Mühe, die öffnet Ihnen doch nicht." „Dann möchte ich die Hauswirthin sprechen", sagte Dorette. „Die bin ich selber, bitte treten Erkundigungen' über Frau oon Scheb nitz einziehen, weil sie bei Ihnen aIS Bittende erschienen ist, nicht wahr? Es kommen sehr oft Herrschaften in derselben Angelegenheit zu mir, denn Frau von Schebnitz betreibt den Bet tel im großen." „Ach! Und zu unS hat sie gesagt, daß sie das erstemal, nur der äußer sten Noth gehorchend, diesen Schritt gethan habe dann hat meine Tante sie doch richtig beurtheilt." Die Wirthin war selber empört über die Schamlosigkeit der Frau von Schebnitz, der Aerger über rück ständige Miethe kam hinzu, um sie mittheilsam zu machen. Dorette erfuhr alles, was sie zu wissen wünschte, und roch mehr. der Grafik aegenul-er Wahres und Falsches geschickt durch einander gemischt und das Wahre raf finirt zu ihren Gunsten auszunutzen That früher ein Gut besessen, aber liederlich und auf zu großem Fuß gelebt und waren bankerott geworden. also arbeitsunfähig war und die Frau eine Beschäftigung fllr Geld cls ihres Standes unwürdig mit Entschiedenheit ablehnte, sie außer der Rente auch keinerlei feststehende Ein nahmen hatten, bewohnten sie den über SV Mark monatlich Miethe ko stete und lebten herrlich und in Freu- Geschick di« Wohlthätigkeit der Mit menschen auszubeuten wußten. Die Wirthin erzählte: „Des Vormittags sitzt der Mann in seinem Stuhl, das BerlinerAdreß buch auf den Knien, und schreibt entsprechenden Bittgänge b«i den no >!>ten P«rsönlichk«iten. Sie glauben nicht, wie rentabel daS Geschäft istl Di« Frau weiß so virtuos die Tief uitglücklich« zu spielen, daß ihr zu zeiten die Mittel überreichlich zuflie ßen. ES kommt vor, daß hochherr schaftliche Equipagen vor der Thür halten und der Diener körbeweiS die Nahrungsmittel den Leuten inS Haui bringt. Die Frau weiß ihr Schäf chen zu scheren auf der einen Stell« mit tiefster Demuth und Zerknir den. Gewöhnttch beginnt sie mit ei nigen wenigen Mark ihr Schröpfver fahren, um ihre Ansprüche allmählich ini Unglaublich« zu steigern, wenn sie lie Leute willfährig sieht, ja direkte Erpressungsversuche vorzunehmen. Neulich hat sie einer jung«» Frau, di« sich in Abwesenheit ihres Man nes all«in in ihrer Wohnung befand, erklärt, sie würd« sich sofort vor ihren Augen auS dem Fenster ihrer im vier ten Stock gelegen«» Wohnung stür zt«, w«nn sie ihr daS «rbtlene „Dar lchn" verweigere, und wenn nicht zu fällig der Mann im entscheidenden Augenblick dazugekommen wäre und die unverschämt« Person zur Thür hinaus hätte werfen können, würde die junge eingeschüchterte Frau ihr natürlich daS Geld gegeben haben. ES ist ein schlaue. Trick von zahlt wird, ES ist unglaublich," schloß die Wirthin, „wie leichgläubig die Leute sind und man ihnen wenn man eS nur versteht. Hier im Hause tritt die Person prätentiös und unverschämt auf, trotzdem sie sich nicht Quärtalsersien ohne Scherereien IoS werden. Wir könnten sie ja sofort hinauswerfen, da sie seit Monaten daS mag man um des kranken Man nes willen nicht thun. Meinen Vor schlag, daß sie ein oder zwei Zimmer geben möchten, um selber freies Wohnen zu haben, hat sie als ihres Standes unwürdig mit Entrüstung de. Dorett« war empört: «in« derartige Schamlosigkeit derGut d!« niedrige Handlungsweise dieser Frau «in Makel angeheftet s:i, über kam sie. daß einem so unwürdigen G«schöpf so reiche Hilfsmittel zufließen, mit denen si« ganz kxquem und sorgenlos seii," fuhr die Wirthin forl. „Da wohnt hier im Gartenhaus die Witt we eines Predigers, eine Frau Sei delmann mit ihrer Tochter, die Tele phoaistin ist, und einem Sohn, der die Universität beiucht. Di« Pension der Frau ist natürlich viel zu knapp, um auch nur daS Studium des Soh nes zu bestreiten da arbeiten die drei Leute um die Wette, si^anstän -hre zu wahren. Die Mutter fertigt wnderschöne feine Handarbeiten an und sitzt oft di« halbe Nacht über ihren knifflich-n Sachen. Die Leute über wenn Sie «inmal einen Auftrag sür Frau Pastor hätten gnädiges Fräulein, und ibr dessen Ausfuhrung aut bezahlen möchten, würden Sie ein Werk christlicher Nächstenliebe thun. D-nn die Arbeit fllr Geschäfte bringt wenig, und an Prioattundjchaft fehlt'S ihr, da sie vom Land: stammt und keine Beziehungen zu den ret chen und vornehmen Kreisen hat, die ihre Arbeit nach Verdienst bezahlen Schnell fertig. „Ja, lieber Freund, ich war schon im Begriff, die Komtess: j,u heirathen da hörte ich, daß sie bei ":rer Schneiderin jähr lich für 60,d!X> Mark Toiletten be zöge." »Na, und da?" „Da hab' ich di« Schneiderin geheirathet." Billiges Winterquar tier. Offizialvertheidiger (zum An geklagten, der zu sechs Monaten Ge fängniß verurtheilt wurde): „Nun, sagen Sie 'mal aufrichtig, sind Sie wirtlich unschuldig?" Angeklagter (schmunzelnd): „Natürlich! Die sechs —I ndividuell. „Jetzt ist ich net sagen! In der Wirthschaft, Fir »le «»che. Ein« fein» Schaumsauc« zu heißem Pudding. Man rühre 1 Tasse Butter mit 2 Tassen weißem, feinem Zucker zu Schaum, Schlagen fort und gebe schließlich eil» großes Weinglas Wein hinzu. Man bringt die Masse dann in einem Dop pelkessel auf's Feu:r und lasse eS bis zum Siedepunkt kommen, aber nicht l/» Pfund Butter wird in eine Kasserolle gethan; dazu kommt 1 Pint Rahm, Pfund Zucker, die abgeriebene Schale einer Citrone und etwas Zimmt. Dies läßt man aufkochen, rührt so viel feines Mehl hinzu, bis der Teig sich beim Rühren von der Kasserolle loslöst. Dann nimmt man ihn vom Feuer, läßt ihn abkühlen und rührt dann 6 ganze Eier und I Dotter hinein. Nachdem Alles gut verarbeitet ist, formt man Bällchen von der Größe einer Wallnuß daraus, legt diese in heiße Butter oder Schmalz und backt sie gelbbraun. Sie werden, noch heiß, mit Zucker und Zimmt bestreut. Geschabt«- Fleisch steak. Sehnen- und fettfreies Fleisch sei eS nun Rind-, Kalb-, Lamm- oder Wild fleisch giebt «ine treffliche Kranken speise. Man wiegt zwei Fünftel Pfunl» davon sehr fein, streicht es durch und mischt dies mit einem Eigelb, einem Löffel kalten Wassers und Salz, wor auf man es zu einem etwa zolldicken Fleischkloß formt. Man brät ihn un ter mehrmaligem Wenden in steigender Butter 4 Minuten. Indeß hat man 1 Eigelb, 1 Löffel Sahne, 1 Löffel Wasser, etwas Fleifchextrakt und einen Tropfen Citronensaft miteinander ver quickt und im Wasserbade dick gerührt, worauf man das fertige Fleischsteak mit dieser Sauce übergießt, Di« ge bräunte Bratbutter darf nicht mitge geben werden, da sie dem Magen be schwerlich fällt. Gebackene Hirschhörner. Pfund Mehl, Pfund Zucker. Eier, 3—4 Eßlöffel zerlassene Butter, denbraten eines jungen Schweines Scheiben wie für Beefsteaks herab, klopft sie länglich aus, giebt sie auf viel darüber und läßt sie gut zugedeckt IS bis 20 Minuten auf recht heißer Herd platte dünsten. Man wendet sie wäh- Butter ungefähr eine halbe Stund« Gulasch-Suppe. Man mahlt 11/ l. Pfund Beafsteak mit einer Fleisch mühle recht fein, schält 2 mittelgroße 2 Stunden. Dann fügt man noch 4 weitere, in Würfel geschnittene Kar toffeln hinzu und 1 abgerundeten Eß löffel Butter. Wenn die Kartoffeln Gericht sonst schwer weich kochen. Rindfleisch- oder Schmor fleischreste mit Kartof feln. Man schneidet übrig geblie benes Rindfleisch oder Schmorfleisch in große Würfel, läßt Butter oder halb Butter, halb Schmalz oder auch Bratenfett in einer passenden Kasse rolle zergehen und gelblich werden, schneidet I—2 große Zwiebeln fein scheibig hinein, gibt die Fleischwürfel und etwas Salz dazu und läßt alles unter fleißigem Rühren durch und durch heiß werden. Inzwischen hat man Kartoffeln in der Schale fast weich kochen lassen, abgezogen, in Scheiben geschnitten, gibt sie zu dem Fleisch, bestreut das Gericht mit Salz und läßt es leise durchschmoren, wo bei man durch leises, vorsichtiges (damit die Kartoffels Heiben nicht zer fallen) Umrühren das Anbrennen ver hütet. Kurz vor dem Anrichten gießt man eine kleine Obertasse kochende Fleischbrühe der Bratensauce übe: die
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