ZWIIIHIMM Ikoman von lkus. r> Ad>-r»srN>B°lltstre« (b. Fortsetzung.) „Hübsch," meinte Greifense«. „Ich habe noch nie ein Gedicht Seiner Majestät gehört oder gelesen. Wo mag das die „Stunde" nur aufgega belt haben?" „Das ist's ja eben, was mich wun dert," erwiderte Windmüller. „Um so n.«hr, als der König so zurückhal lend mit seinem Talent ist, daß man cher Dichterling von ihm lernen könn te! Indiskretion heißt hier natürlich di«, Quelle. Daher schöpft die .Stunde" ja meist. Wird an aller höchster Stelle nicht weiter begeistern, dies« Loyalitätsagitation aus der Windrichtung. Denn wenn der bei ßende Ost auf eimiml einen Zephir dazwischen säuseln läßt, dann wird darum doch noch lange kein Frühling Er legte die Zeitung wieder auf d«n Tisch und langt« nach einer ande ren. Da ging draußen die Klingel. „Das wird der Onkel sein," sagte Nach geraumer Zeit, und nachdem die Klingel lauter und anhaltender Linas Schritte und gleich darauf ein Organ, das wie ein Zahnbrecher schrie: „Sie haben woll auf Ihren Ohren gesessen, mein Kind, WaS? Ich klingle wie b«s«ss«n seit 'ner Ewigkeit. Oder bilden Sie sich etwa ein, Sie können mich hier zum Narren halten, bis es Ihnen paßt, angehumpelt zu kommen wie ««ne Schnecke beim Wettrennen? Also 's nächste Mal hübsch dalli, ver standen?" Doktor Windmüller sah den Atta „Famose Idee von Ihnen, die mit dem Onkel Tiefenthal," murmelte er. .Ich könnte den Typus schon zeich- Greifensee war beim Klange dieser Stimme, die wie die Posaunen von J«richo Mauern umzustürzen fähig schien, seufzend ausgestanden und nä herte sich der Thür, die nun hastig aufgerissen wurde, um den Onkel Tiefenthal in seiner ganzen Größe und Breite einzulassen. Der schimpf te wie ein Rohrsperling weiter. „'s ist doch, um Backpflaumen zu niesen! Läßt einen so 'ne dumme Gans vor txr Thüre stehen wie 'nen Handwerksburschen, der fechten will. Die sollte mal zu mir in den Dienst kommen, der that« ich Been« machen! Guten Morgen, Fritz! Biste schon auf? Hab' die Ehre, Herr Doktor Mmmm! Kinder, nuschelt doch beim Vorstellen di« Namen nicht so in den Lart, das kann ja keene Katze verste hen! Sie sind doch hoffentlich nicht als Doktor med. hier, um meinen Neffen zu kuriren? Doktor jur. sind Sic? Freut mich, daß Sie kein Pflasterkasten sind, denn gegen die soll ich? Ablegen? Nee, kann ich nichts che! Das ist doch rein zum Verzwei feln. Atje, Herr Doktor Ihren Namen habe ich immer noch nicht verstanden niederträchtige Manier, das G«nuschle beim Vorstellen. Was machen Sie denn eigentlich hier? Herrje, ich hab' aber wirklich keine Zeit na, atje also!" Und damit schob der Freiherr von Tiefenthal sich wieder zur Thür hin aus. gefolgt von feinem Neffen, der ihn hinausbegleitete, und der Detek tiv hörte ihn noch auf der Treppe .flüstern": „Woll ein großes Thier im Mini sterium, der Doktor, was? Gott, thu' dock nicht so giheimnißvoll, ich will dir'n ja nicht stehlen! Wenn ich nur esl Bissel mehr Zeit Wtte, dann würde ich mir'n schon kaufen. Ihr Diplomaten seid 'ne komische Bande stickt der Bengel kaum die Nase ,ns Geschäft und gleich ist er der „Sie w«rden nach der Probe eingese hen haben, Herr Doktor, daß ich Sie kaum in diesem Charakter bei der Gräfin Sulau einführen kann." „Im Gegentheil, ich rechne fest laraus. daß Sie es thun," erwiderte Windmüller in bester Laune. „Das ?«-ade der Typus, der sein« Mje ungestraft in jeden Wink«! stecken kann. Ich möchte Ihnen also vor ist daS?" Po geöffnet, und nun klopfte «S an die Thür, neben w«lch«r der Detektiv schon stand; ein Boie aus dem Mini sterium trat ein und übergab dem Attache ein Schreiben. daS dieser schnell überflog und den Boten mit kurzem „Es ist gut" wieder entließ. Dann reichte er Windmüller daS Blatt, »nd halblaut las dieser: „Seine Exzellenz der H«rr Mini ster lassen den Herrn Leutnant von Greifensee bitten, in seiner Wohnung die Befehlt des Herrn Ministers zu erwarten und, falls Herr Doktor Windmüller bei ihm vorspräche, den genannten Herrn zu ersuchen, so bald zusuchen." „Sieht genau wie Stubenarrest aus," meinte Greifensee bitter. Windmüller zuckte mit den Achseln. „Es steht wie etwas Neues auS," erwiderte er. „Aus all« Fäll« bltibt eS bti dem Besuch beut' Nachmittag Werd« das besorgen! Auf Wiederse hen, Herr von Greifens««, und Kopf oben, hören Sie?" Er winkte dem jungen Mann, der ihn begleiten wollte, zurück und trat hinaus auf den Corridor, und als er das Entree öffnete, stand er einer jungen Dame gegenüber, die sich die Thür eben von außen mit ihrem Drücker aufmachen wollte. Di« Russin, dach,: Windmüller, indem er hösiich zurücktrat, um der Dame den Bortritt zu lassen und um sie dabei ausgiebig betrachten zu tonnen. Hübsch war sie nicht, aber auch nicht direkt häßlich. Der schlech te, graugelbe Teint verdarb schon von vornherein den ganzen Eindruck, und ihr Mund hatte etwas Hartes, Ver bittertes. das bei ihrer Jugend direkt abstoßend wirkte. Das Schönste an ihr waren ihre großen, dunklen Au gen gewesen, aber auch diesen fehlte der Ausdruck der Jugend, und waS daraus flammte, war ein sonderbares Gemisch von Herausforderung, Ver achtung, Dreistigkeit und Feig heit. Der große Menschenkenner Windmüller laS das alles in dem Blicke, mit d«m die dunklen Augen ihn streiften, indes di« Mundwinkel sich herabzogen mit einer Verachtung, die der Harnisch war, hinter dem sich die nie schlafende Furcht des g«hetzten Wildes verschanzte, oder wie eine ge wisse Hunderasse, die vor Feighei» zittert und dabei knurrend die Zähne zeigt. Zu beißen wagt solche Bestie nie, denn beim ersten „Kusch!" kriecht sie schon zähnefletschend am Boden. Fräulein Tatjana Petrowna Pe trojewitfch rauschte mit dem Frou srou ihres seidene« Rockfutters erho benen Hauptes an d«m sie grüßend«,, Detektiv vorüber kaum, daß sie die Nase etwas zum Gegengruß senk« je dabei zog er den in ihrem Zim mer aufgelesenen Briefumschlag aus der Tasche, macht- die Bewegung des Bückens und rief ihr halblaut in ar menischer Sprache nach: „Sie haben einen Brief verloren, n»in Fräulein!" Sie drehte sich wi« gestochen um. und, unter ihrer grauen Gesichtsfarbe leichenfahl werdend, riß sie ihm den Umschlag förmlich aus der Hand. „Umgangsformen mangelhaft," constatirte Windmüller sür sich, und damit hatte er wohl auch recht, denn statt doch zum mindesten „Danke" zu sagen, warf sie mit einem Aufath men, das fast wieder wie daS dro hende Knurren jener gewissen Hun derasse klang, nach einer mit zit ternden Händen vorgenommenen Un tersuchung des Kuverts dieses dem Detektiv direkt vor die Füße und sagte kurz: „Leer!" Exemplare für meine Sammlung ge liefert! Dieses Kuvert" er be trachtete es liebevoll und steckte eS Wieder zog die fahle Blässe über zuckte nur mit den Achseln, dreh« sich ohne Gruß um und ging in ihr Limmer, md«S Doktor Windmüller die lZntreethür hinter sich schloß uad die Treppe hinabeilte. So so, Fräuliin Petrojiwitsch, da hätten wir ja recht nett Bekanntschaft miteinander gemacht, dachte er befrie digt. Etwas Liebliches haben Sie nicht; verrannt sind Sie auch fest und mit verbundenen Augen in Ihren Haß gegen die „besitzenden Klassen"; von „Europas übertünchter Höslich keit" haben Sie sich großartig losge macht, und in Ihrem Größenwahn sind Sie blind wie ein Regenwurm. Wer Sie „beschäftigt", mein Fräu lein, muß ein ausgewachsener Esel sein, und hieße er wirklich Giro slet. Mir das Kuvert in die Hand zu drücken, wenn man diesen Euphemis mus dafür anwenden darf, daß Sie mir's vor die Füße warfen! Sollte mich vielleicht irre führen und täu schen, aber ich glaub's nicht, daß dies das Motiv war. Extra schlechter Laune waren Sie bestimmt heut' vielleicht war auch der erhalten« dienstliche Riß. der sie getrübt,-extra dick. Armes Mädel mit solch ver pfuschtem Leben denn um das noch zu repariren, dazu gehört schon ein Aufgebot riesiger Kraft. Windmüller war unter diesen Ge danken längst auf der Straße ange langt und zog sein Etui hervor, dem er eine Cigarette entnahm. Dann suchte er scheinbar vergeblich in sei nen Taschen nachFeuerzeug, und da gerade ein Herr mit brennender Ci garre vorbeiging, so bat er diesen um Feuer, das ihm bereitwilligst ge geben wurde. Während er nun seine Cigarette in Brand setzte, sagte der fremde Herr rasch und leise: „Nichts Neues. All- vier ruhig zur Stelle. Eben eine Dame ins Haus dort gegangen, die nur die Studentin sein kann. Scheint Nachts nicht da heim gewesen zu sein." Windmüller warf die Cigarette fort. „Hat keine Luft Pardon, daß ich Sie so lange aufhalte," sagte er laut, weil gerade andere Leute vor beigingen, und, indem er verbindlich dankend nach Entzündung einer an dren Cigarette den Hut zog, fügte er ebenso rasch und leise hinzu: „Sie ist oben. Wenn sie wieder ausgeht, folgen und nicht mehr aus den Au gen lassen! Rapport in meine Woh- Windmüller warf feine Cigarette, trotzdem sie tadellos brannte, ind«s wilder fort, als er nun mit raschen Schritten seines Weges ging und sehr bald in diesem Tempo das Ministe rium der Auswärtigen Angelegen heiten erreichte. Ohne Verzug in das Arbeitszimmer des Ministers geführt, fand er diesen in sichtlicher Erregung vor. Der Diplomat begrüßt« den De tektiv mit einem lebhaften .Endlich!" indem er von seinem Schreibtisch eine Zeitung aufnahm. „Das ist eine schön« Geschichte, Herr Doktor." rief er. „Da bringt das Morgenblait der „Stunde" heut' das Gedicht des Königs!" „Ich habe es schon gesehen, Exzel lenz." entgegnete Windmüller etwas verwundert. „ES ist wirklich ganz hübsch soweit ich etwas davon versteht." „Der König ließ mich heut' sozu sagen schon beim Morgengrauen ru fen," fuhr der Minister fort, ohne kritisch auf die Sache einzugehen. „Majestät sind natürlich außer sich!" „Wieso natürlich?" fragte Wind müller ruhig. „Man kann verstehen, daß der Monarch vielleicht eine an dere Stelle für den Erstabdruck fei ner Poesien wünschte, aber der Dich ter steht schließlich doch so hoch über den Parteien, daß es gar nicht in Betracht kommt, welche politische Färbung das betreffend« Blatt hat, selbst wenn es sich hier, wie ich ver muth«, nicht gerade um die Bewilli gung des Autors handeln dürste." „Aber, lieber Herr Doktor," rief der Minister ungeduldig, „verstehen Sie denn nicht? Dils Gedicht ist daS, welches in dem entwendeten Schmuckkasten lag und den Emir al Omra begleitete!" .Ja," meinte Windmüller mit lei sem Kopfschütteln, „es ist für einen Bräutigam und Dichter sicherlich un angenehm, wenn sein poetischer Er guß an sein« Braut in der Zeitung steht, ehe die blauen Cyanenaug«n ihn gelesen haben. Majestät werden dann eben ein anderes Gedicht machen müssen, nachdem zweifellose Indis kretion diesem den Schmelz von den Schmetterlingsflügeln gestreift." „Herr Doktor, Sie haben nicht auSg«fchlaf«n!" ri«f d«r Minister, sich in di« dünnen Haare fahrend. „Zum erstenmal seit unserer Bekanntschaft finde ich Sie direkt schwersjillig. zige Abschrift von der «ign«n Hand ! ein Abdrück des Gedichtes ist also digen Kopie erfolgt!" „Potztausend daS wäre!" rief Windmüller elektrisirt. „Wie zum mir »5e ,i°<-iizsg Knuten darii ve: rapportirt: Man f«i zunächst sihr erstaunt und peinlich berührt gewe sen natürlich daß der Ab druck des Gedichts dem König „nicht angenehm" sei. Was den Weg beträ fe, auf dem man.,zu dem Poem ge ein Mann auf die Redakiion gekommen und hätte gefragt, ob er gut daran thäte, ein in seinem Besitz befindliches Autograph des Königs die Redaktion vielleicht selbst oder im Briefkasten oder sonst an geeigneter Stelle Autographensammler aus das für Liebhaber imm«rhin werthvolle Objekt aufmerksam machen wolle. Die Redaktion habe die Echtheit d«S Autographs für zwriftllos gehalten tznd, da es sich um kein Privat- oder Staatsgeheimniß, sondern nur um «in Gedicht gehandelt, auch nicht wei ter nach Woher und Besitztitel, Na men und Art gefragt, sondern, um ihren Lesern eine Freude zu machen, dem jungen Mann das Gedicht für fünfzig Mark abgekauft. Der junge Mann hab« als .Otto Rittner. Ale xanderstraße 72», Student der Me dizin." quittirt (d«r Kammerherr hat diese Quittung vorgelegt erhal ten) und sei dann wieder gegan gen. Das ist alles." „Es genügt. Aber ich glaube kein Wort davon," erwiderte Windmüller. „Wenigstens nicht eher, als bis Herr Otto Rittner mir die Geschichte selbst erzählt, was ihm schwer fallen dürft«." „Ich habe Alexanderstraß« 72a nachfragen lassen und erwarte die Antwort —" „Die ich voraus sagen kann. Formsache, um die Redaktion der „Stunde" zu überzeugen, daß sie ge leimt wordeti ist. Aus alle Fälle muß sie das auf sich n«hm«n und d«n Dummen spielen, worauf sie ja auch vorbereitet sein wird!" „Vermuthlich. Sie w«rd«n nun aber begreifen, lieber Herr Doktor, daß di« Sache «rnst ist, denn ich sehe in der Veröffentlichung dieses Ge dichtes die über alles Maß hinaus gehend« unverschämte Mittheilung für unS: „Wir haben den Vertrag, und das ist unser« Quittung dafür!"" „Exzellenz," meinte Windmüller nach einer Pause tiefen Nachdenkens, „Ihre Auffassung kann ja die richtige sein, aber das Verfahren hätte so sehr den R«!z der Neuheit, haß feine Unverfrorenheit dadurch zum Origi nal würde, für deren Erfinder ein Orden erst gestiftet werden müßte. Was mich' dabei beruhigt, ist, daß man in dem von Ihnen gesetzten Falle mit der Veröffentlichung des Gedichtes nicht wenigstens bis morgen gewartet hat, also bis daS Dokument h'il und sicher an Ort und Stille ist. Di« Ungeduld, mit d«r „famosen Idee" vorzeitig auf der Bildfläch« zu erscheinen, wäre mehr als strafbar und verbrecherisch, sie zeugte von ei» n«r Dummheit, die wir dem Gegner faktisch nicht zutrauen dürfen. Wirk lich, Exzellenz, das dürfen wir nicht bis wir nicht den G«genbeweis besitzen." „Lieber Herr Doktor, Ihr Argu ment hat viel sür sich, vielleicht sogar alles, aber geben Sie einer andern Auffassung auch Raum! Das Doku ment lag in dem Schmuckkasten, der Schmuckkasten sammt dem Dokument ist gestohlen, und wenig Stunden später wird ein Gedicht gedruckt, das sich gleichfalls in dem Kasten befand, und von d«m eine zweite Kopie nicht existirt. Gewiß, diese Manier, uns anzuzeigen, daß man im Besitz des Dokuments ist, trägt so sehr den Stempel des Ungewöhnlichen, daß es fast unglaublich scheint; aber un glaublich oder nicht: wir stehen vor einem Faktum, und ich frage Sie: Windmüller schüttelte mit dem Kopf und versank wieder in tiefes ftraße überhaupt nicht existire, und ein Student Otto Rittner bei der medizinischen Fakultät nicht imma- „Haben Si« gehört, Herr Doktor?" fragte der Minister etwas scharf, als immer, auch wenn ich sonst beschäftigt bin. Aber das lohnt das „Ja" doch nicht. Natürlich existirt kein Herr Gegentheil beweisen können. Guten Morgen, Exzellenz! Ich muß ma chen, daß ich fortkomme, denn meine Arbeit hat durch Ihre Mittheilung noch nicht sagen, ob sie dadurch ver einfacht oder complicirter wird. Apropos: ich brauche heut' Nachmit tag Herrn von Greifensee, um mich in einem angenommenen Charak ter natürlich bei Gräfin Sulau einzuführen." .Wie Sie glauben —?" .Ich glaube niemals, Excellenz, als bis ich sehe, aber ich darf keine noch so schwache Spur unbeachtet las sen. Gräfin Sulau braucht mit dem Verschwinden des Schmuckkastevs nichts zu thun zu haben, aber sie Hai gewußt, daß der König den Emir al Omra seiner Prinzessin Braut schenkt, gewußt, daß Herr Greifens« damit nach Nordland reisen sollte! Ich bin schrecklich neugierig, zu wis sen, zu welchem Zwecke sie das erfah ren hat. Sie nicht, Exzellenz?" Ueber das Gesicht des Ministers flog das Aufleuchten des Berständ nisses. .Teufel!" rief er, „das hatte ich ja .Na. es ist nur gut. daß ich's nicht vergessen habe," meinte Windmüller trocken. „Gräfin Sulau muß es so gar eher als ihr Neffe gewußt haben, zu welcher Mission er ausersehen war; und damit wäre d«r Beweis ge liefert, daß entweder bei Euer Ex zellenz oder anderswo die Wände die historisch beglaubigten Ohren ha ben. Ihre frappirenden Momente hat diese Wissenschaft der Gräfin auf alle Fälle. Daß sie damit ein wenig vor dem jungen Herrn renommirt hat, kann zwei Motive haben, wenn wir das dritte, weibliche Schwatzhaftigkeit. zunächst mal gar nicht in Betracht ziehen, denn in dem Berufe, in dem wir sie kennen, wird diese kleine Schwäche zum Verbrechen und führt zur todtsicheren „Kaltstellung" mit meist unhöflichem Dank. Aber man kann trotzdem nicht wissen, und des halb sei dies Motiv reservirt. Herr von Greifens« hat also Urlaub, mich zu begleiten?" „Sicherlich! Er ist feiner Freiheit durchaus nicht beraubt, wenn ich auch freilich fürcht«, daß er vom Dienst suspendirt werden muß, bis bi» diese unglücklich« Affäre aufgeklart ist. Nicht, daß ich persönlich auch nur einen Moment glaube, daß er Gott, solchen schweren Versuchungen sind schon viele erlegen! Aber ich glaube überhaupt nicht, daß es für ihn eine Versuchung war. Diese per sönliche Ueberzeugung und die Kon duite, die ihm sein Kommandeur ge geben. schließen eigentlich selbst den leisesten Verdacht aus und sind meine eigene Rechtfertigung für seine Wahl zum geheimen Abgesandten. Dennoch aber bleibt das Faktum, daß bei ihm oder durch ihn, gleichviel, das ihm Anvertraute abhanden gekommen Während er die Gräfin Sulau zum Wagen begleitet hat," fiel Wind- Müller ein. „Nehmen wir an. dies« Handlung hat zehn Minuten in An- ew eingeschlichener Etagendieb angenommen, Herr von Greifensei hat sich darin geirrt, daß er die En treethür zugeschlagen hat nicht im stande gewesen sein, das ihm zunächst in die Augen gefallene Objekt, den als Reisekolli maskirten Schmuckka sten. aus seinen doppelten Hüllen zu schälen und auf seinen Inhalt zu durchsuchen. Man darf also anneh men, daß der Dieb es nur auf dies eine Objekt abgesehen hatte, und da kS so hübsch auf dem Präsentirbrett stand es ist der einzige Vorwurf, der Herrn von Gr«ifens« trifft, daß er den Kasten nicht hinter Schloß und Riegel verwahrt hat —" „Und daß er seine Wohnung ver lassen hat. ohne das vorher besorgt zu haben," warf der Minister scharf ein. „Sehr richtig. Beide Handlungen laufen aber in eine hinaus, weil Herr von Greifensee gar nicht die Absicht gehabt hat, die Gräsin hin unterzubegleiten, und als sie ihn da zu nöthigt«, konnte er schlecht vorher noch umkehren und den Kasten in Si cherheit bringen, wollte er die Auf merksamkeit der Gräfin nicht direkt auf ihn lenken und ihren Andeutun gen recht geben. Bitte, Exzellenz, nehmen Sie das zur Notiz für den Fall, daß die Sache ein hochnoth xekikches Nachspiel haben sollte." „Ich danke Ihnen. Sie sind ein guter Anwalt, lieber Doktor!" „Wir müssen nur gerecht sein wol len, Exzellenz, und dem armen Sün denbock nicht so viel aufpacken, daß ihn die Last erdrückt. Und nebenbei, Exzellenz, ganz unter uns: können wir's leugnen, daß wir für den jun gen Mann eine kleine Schwäch« ha ben? Ich wenigstens fühle sie in mir. und sie gibt meiner Arbeit noch einen Extrasporn. Das ist nicht nur ein liebenswürdiger, offener und gerader Charakter, sondern auch ein guter Mensch, um den es schade wäre, wenn er vielleicht über diese Sache un heilbar die Knochen bräche! Und nun nochmals guten Morgen! Auf Wie dersehen, Exzellenz!" „Auf baldiges Wiedersehen, lieber Doktor! Ich bewundere Sie, daß Sie in Ihrem Berufe sich eine solche Menschenfreundlichkeit bewahrt ha ben!" „Wundert Sit dai. Exzellenz? Natürlich, weil Sie, wie die meisten, then, der seine feinkonstruirte Nase dazu ausnutzt, um Geld zu verdie nen, dem die Personen gleichgültig sind. Nein, Exzellenz! Hein Beruf ist mir die Erfüllung meine« Ideals: der irdischen Gerechtigkeit zu dienen, den Unschuldigen zu schützen und zu rechtsertigen, den Schuldigen der süh nenden Gerechtigkeit auszuliefern. WaS wollen Sie? Es muß auch sol che Käuze geben! Nun, der Fall Emir al Omra Hai sür mich den ideal«,, gangen ist, weil er die rechte Hand nicht sand, die ihn hielt. Ich geb« Ihnen mein Wort: reichen meine Fä tige Dokument zu retten, die Hand des schuldlos Schuldigen lasse ich da rum doch nicht los; d«r ist mir zu schade, um ihn fallen zu lassen. Aber Ich habe Hoffnung, beide zu retten, das Dokument und ihn!" „Und mich, lieber Doktor. Denn mit beiden falle auch ich!" „Ah Exzellenz können wieder ausstehen, darum habe ich keine Sor ge. Minister sall«n heut' und kom men morgen wieder zum Tanz. Aber solch armer, obskurer „Hilfsarbeiter", um den kümmert sich kein blauer Teufel, wohin der fällt! Das ist so der Lauf der W«lt, und wir beide w«rd«n's nicht bessern. Ja, wenn ei ner Connexionen hat, die ihn wieder auf die Beine stellen, aber hat Herr von Greifensee die?" „Er hat mich." „Sehr schön! Er hat Exzellenz sobald Exzellenz wieder zum Tanz antreten. Und er hat mich auch. Und nun sage ich wie ein altes Tratsch weib zum drittenmal guten Morgen!" Beim Heraustreten aus dem Mi nisterium zögerte Windmüller einen Augenblick; er hatte nicht die Absicht, dem Redaktionsbureau der „Stunde" «inen Besuch zu machen, trotzdem er d«n Chefredakteur kannte und dieser ihn: für Regelung einer gewissen An gelegenheit im vorigen Jahre ver pflichtet war. Aber obwohl es ein kleiner Umweg war, das Haus zu Passiren, so machte ihn d«r D«tektiv doch; er glaubt« nämlich an unvor herg«sehene Ding« und Eingtbungen. und dann man kann nie wis sen überdies stand er mit dem sogenannten „Zufall" auf d«m denk bar besten Fuß, und dieser freund liche Nothhelfer war auch diesmal zur Stelle, den als der Doktor eben das bewußte Haus passirte, wer trat gerade heraus? Der Chefredakteur Herr Doktor Baumann! Nun konnt« man über die politische Richtung, die dieser noch junge Mensch vertrat. d«nk«n, wie man wollte, über sein« P«rson dachte man so «inmüthig, ali das unter Menschen eben möglich ist: ein anständiger Charakter und ein liebenswürdiger Mann. Ueber das Gesicht des Chefredak teurs flog ein Ausdruck der Ueberra schung, als er den Detektiv erblickt«. „Was?" rief er aus, ,feh' ich denn recht? Freut mich riesig. Ihnen zu begegnen, Herr Doktor! In Ämtsge schäften hier? " „I wo reise ja immer bloß zum Vergnügen!" schmunzelte Winhmül ler. .Natürlich das hat man für indiskrete Fragen!" meinte Baumann gutmüthig. „In Ihrem Amte als Oberverdachtschöpfer ist man von Lo hengrins Geschlecht und darf nach woAr und wohin nicht gefragt wer. den. Soll ich im Mittagblatt die No tiz bringen, daß „der in weitesten Krnsen bekannte und geschätzte Dok tor W. in unserer Residenz eingetrof fen ist"?" Wilidmiiller mußte laut lachen. Windmüller sixirie den Chefredak teur der „Stunde" scharf und brachte die Red« auf das Gedicht des Kö nig». Der Zeitungsmann erklärtc schmunzelnd! ..Ja, ja, wenn Sie bloß ahnen könnten, welchen Radau dieses Ge dicht heut' schon gemacht hat —" „Ich ahne es nicht bloß, ich weiß et sogar!" „Sie wissen —" „Wer sagt Ihnen, daß ich nicht deswegen hier bin?" „Sind Sie? Das freut mich. Kann mir schon recht sein!" „Wirklich?" „Absolut! Aber kommen Sie aus mein Bureau, Doktor, da können wir besser drüber reden. Sie waren als« aus dem Wege zu mir?" „Nicht jetzt. Aber wenn Sie gerade Zeit haben —" „Ich wollte mich stärken gehen nach dem Sturm der letzten Stunden. Aber das eilt nicht. Also: 'rin ins Verjnügen! Es ist mir wirklich und wahrhaftig -ms, pe für kalt genossen am besten, wie die Pasteten?" „Im Gegentheil ich habe Sie „Ich will nichts, ich komme sogar ganz ohne speziellen Auftrag. Aber ich bin so schrecklich neugierig und bewußten Gedicht gekommen sind." (Fortsetzung folgt.) FSr die Kiiche. Hammelkeule auf Wikv« pr « tart. Die von Haut und Fett befreite Hammelkeule wird tüchtig ge klopft und in «in durch und durch mit gut«m, nicht zu scharfen Estra gon-Essig getränktes, wieder auSge« wundenes leinenes Tuch eingeschlagen; hierin ist sie für 3 bis 4 Tage in einem luftigen Raum freifchwebenl» aufzuhängen, wobei das Tuch jeden Tag von Neuem mit «twas Essig an gefeuchtet werden muh. Dann wir!» sie gut gespickt, gesalzen, in zerlassen« Butter gelegt und unter fleißigem Be gießen und Nachgießen von etwas ko chendem Wasser im Ofen gar »nd braun gebraten. Gegen Ende der Bratezeit wird ein wenig süße oder saure Sahne dazu gegossen und die Sauce, di« man gut abschmeckt, nach Belieben noch mit Sahne verkocht. Reis - Pudding mit Echo toiade. Man kocht IIZ Unzer ge wa>chenen, ausgebruhten, besten !«ei« in bis izH Quart siedender Milch weich, aber daß er nicht körnig bleibt, und läßt ihn in einer flachen Schüs sel auskühlen. 4 Unzen Butter rührt man zu Sahne, mischt zehn Eidotter dazu und nach und nach 3 Unz«n Zucker, etwas Vanillezucker, 4 Unzen geriebene Schokolade, sowie den er kalteten R«is (löffelweise) und den festgeschlagenen Schnee der Eiweiße füllt die Masse in eine butter bestrichen« Puddingform, läßt den Pudding «ine Stunde im Wasserbade kochen und giebt ihn sofort auf. Kirf>hkuch «n. Für eine läng liche Platte dröselt man S Unzen Butter mit Mehl, 2z Un- Ealz und ichneu einen Teig zusammen, knetet ihn we nig, läßt ihn eine halbe E-tunbe ru hen und treibt ihn dann aus «inem nicht gebutterten Backbleche ohne Rand gut Zoll dick aus. Von den Uederresten formt man ein: Wulst, giebt. Dann belegt man ihn dick mit «ntlernien «Irschen, bestreut Ii« mit Zucker und backt den Kuchen langsam im Ofen. AuSgebacken, schneidet man ihn zu schiefen Recht ecken, die man gut g«zuck«rt warm od«r kalt servirt. Man kann die>«n Kuchen mit jed«m beliebigen Obste bereiten. Westindischer Jam. Man schneidet 6 Pfund Rhabarber, dcr gut läßt dies über Nacht stehen. An, gehäuften Eßlöffel gehackter Zwiebel in etwas zerlassener Butter gelb ge rostet. Inzwischen hat man 3 Milch gehackten Schinken, die gerösteten Milchbrodwürsel und Zwiebeln, 2 Eier und 2 Eidotter und so viel formt sie mit bemehlter Hand, di« in stark si«dendes Salzwasser gelegt und darin gsr gekocht werd«n. Um die Kochzeit festzustellen, ist es rathfam, einen Probetloß zu kochen«. Ueber gössen. t« nr /sten. 2 Löffel Mehl werden in einem «großen Stück Butter gelb gedünstet, dann I—21 —2 zerhackte oder geriebene Zwiebeln dazu gefügt. di«fe Einbrenne mit Brühe oder Wasser und der übriggebliebenen Bratensauc« fel Astragon-Essig, Salz, etwas Ci tronenschale, Lorbeerblatt, einige fügt. Wenn die Sauce gut verkocht ist, wird sie durch «in Sieb gerührt, abgeschmeckt, mit kleinen Perlzwiebeln, einer in feine Streifen geschnittenen Salz- oder Pfeffergurke, nach Belie Sier verquirlt man gehörig mit vier Eßlöffel Mehl und vier große Küchenlöffel sauren Rahm, Salz, so wie eine Handvoll feingehackter gru« n«r Kriiut«r hinzu. Man läßt ein eizroßeS Stück Butter in der Pfan ne zergehen und bäckt nacheinander zwei Eierkuchen von der Masse. Aus jeden Eierkuchen legt man drei bis vies Eßlöffel KrebSfchwänze und rollt die Eierkuchen mit dieser Füllung wie Würste auf. Unterdessen hat man Krebsbutter bereitet, die man über beide auf einer Schüssel neben einander angerichtete Eierkuchen gießt.
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