Di- bsbe Scbuk. Roman »on ClSdekh Meyer-Förster. In dem langen, schmalen Hofe. Ver sich hinter dem .Tattersall" - Grund stück Herzog, ritt ein junges Mädchen in dunkelblauem, halblangem Schul lleid ein mageres, kleine! Vollblut auf und ab. DaS Grundstück sah ziemlich verw'ldert aus. Seit dem ersten Fe bruar des Jahres stand es im Kreis blatt, sowie in der Rostocker und Schweriner Zeitung zum Verkauf aus; und das Verweilen feines augenblickli chen Besitzers, des Oberamtmanns Schwarz, ivard darum illusorischer mit jedem Tag. Der Oberamtmann hatl« nahe der Stadt daS Gut Raßbecken und ein stattliches Vorwerk besessen; beide Besitzthümer waren ihm im Lau fe der Jahre durch die verschwenderisch geöffneten Finger geglitten. Jetzt war seine Existenz an dieser verfehlten Gründung hängen geblieben der Tattersall florirte nicht. Es wollt« kein Vertrauen zu der unsicheren Kunst d«s Reitens unter der „haute volSe" des Nestes um sich greisen; außer zwei ältlichen, sich emanzipirt gebär denden Komtessen und einer jungen Rittmeiftersfrau. welche die „chronique scandaleuse" der Stadt vertral, hatten sich noch keinerlei zahlend« Enthusia st«» zum „Kursus" «ingesunden. So durfte Vera Schwarz sich unein geschränkt der Vorzüge der väterlichen Gründung erfreuen. Sie war auf dem Rücken der Pferde sozusagen aufge wachsen. Der Alte hatte in seiner bes seren Zeit zu den anerkanntesten Pser dezllchiern Mecklenburgs gehört. Die kleine, mutterlose Vera hatte anstatt der Kind«rstub«n - Atmosphär« jen« der Ställe und weiten Koppeln in sich eingesogen; ihre zart« Mädchengestalt war in ungebundener Freiheit erstarkt. Das Grundstück, welches Schwarz für s«in „Institut" in B«tracht gezogen hatt«, hätte nicht glücklicher liegen kön nen. ES mündete mit dem Thoraus gang des Hofes direkt auf den Markt platz der Stadt, in das Centrum des gesammten bürgerlichen Handels und' Verkehrs. Das Kasino, die Biir gerressourc« und das Hotel zur golde nen Krone waren unmittelbare Nach barn. Wenn sich trotzdem nur eine so geringe Theilnehmerschast für die en thusiastisch« Jd«e Papa Schwarz«ns gefunden hatte, so lag das eben an der Stumpssinnigkeit s«iner lieben Mit bürger selbst. Die reservirte Herren ecke der Weinstube zur goldenen Krone hätte keine Statistik herausgeben dür fen über die Menge der Schoppen, in denen der unglückselige Gründer seine Verachtung für die. erwähnte Mitbür gerschast und seinen Zorn und Gram über sein Pech im Allgemeinen bei end- hatten Vera und Tante Betty, das Faktotum des Hauses, den Vater umsonst zu Tisch erwartet. Das geschah jetzt häufig, sie hatten gelernt, sich darein zu fügen. Vera war nach dem Essen in den Stall hinuntergegan gen und hatte Bruce bestiegen. Der Cirkusdirektor Godulewsky aus Pe tersburg, ein alter Kunde von Papa, war s«it einigen Tagen zwecks Ankaufs mecklenburgischer Pferd« in der Stadt anwesend und hatte Absichten auf Bruce kundgethan. Vera wußte also, daß sie sich von Bruce würde trennen müssen. Er stammte noch aus der ver gangenen, besseren Zeit. Vera war mit dem Pferde groß geworden. Sie hatte aus ihm alle Sprünge und Ge schicklichkeiten ihrer Kunst versucht. Bruce war unter ihren Händen ein Sklave an Fügsamkeit geworden. Langsam ritt sie den Wallach auf und ab. Ueber dem langen, mit festge walzter Lohe gleichsam ausgepflaster ten Hof, der in ein: kl«ine Manege en dete, lag die pralle Sonn« des Früh lingstages und brachte die in ein«r ne Abfütterung stattfindet, fast etwas unergründlichen Faß, um di« Straße, di« Menschen, den Frühlingstag zu überfluth«n. bar Traurigem hatte das junge Mäd chen erfaßt. Sie wußte, daß sie sich würde trennen müssen, dem gegengehaltenen Preises beim Weine auslnobeln würde, nach seiner Art, dergleichen Geschäfte zu erledigen. zum „Grand-Seigneur". „Zum Ver schwender!" sagte Tante Maßwitz, drüben auf Maßwitz bei Ueckfträt. Und Onkel Maßwitz, Papas Better und einzig«! Verwandter auf der W«lt, hinzu: „Up hochdeutsch: Zum Stromer!'— Ihr bangte vor der Zukunft. Sie sah sie als etwas UnerfaßlicheS, Unbe greifliches vor sich stehen. Was wür- Haus zahlen wollte! Kaum, daß Po-' pa die Halste seiner Schulden damit würde tilgen könn«». Mamas Schmuck, das Familientafelsilber, alle Zeugen des einstigen Wohlstandes, waren längst verkauft. Kürzlich hatte Papa abgegeben. Bruce war das letzte, was vom Glanz dei Privateigenthumi übrig geblieben war. Der ging nun jenes zu veriiußern, die paar Möbel des einstigen Salons, der Flügel, den Papa in seiner Verschwenderlaune vor einigen Jahren angeschafft, für neugierigen Kiichenmägden des Gutes dazu gedient hatte, mit ihren schmutzi gen Fingern auf seinen Tasten herum zuprobiren. Aber wenn auch dies letzt« veräußert war! Was dann?! Das Hofthor rasselt«, und Schivarz trat ein. Sie sprang vom Rücken des Pferdes, gab ihm «inen leichten Schlag, der «s dem Stalle zutrieb, und eilte auf den Vater zu. Sofort erkannte sie, daß er wieder gespielt habe. Sie kannte dieses zerfurchte, müde, fast scheue Gesicht, mit dem er dann von der Krone nach Hause kam. Schweig sam schritt sie neben ihm her, die klei ne, ausgetretene Holztreppe Hinan, die zur Gartenveranda des Hauses führte. Schwarz hatte sich gesetzt. Er nahm den steifen, hochlehnigen Sessel gegen über Veras rohrgeflochtenem Schaukel stuhl ein. Einen Augenblick sah er ge dankenlos über diese kleine, ihm bald nicht mehr gehörig« W«lt hinweg: den langen Hof mit dem braunausgepol st«rten Gange, der kleinen Manege am Ende mit dem schmalen, schlechtgepfleg ten Hausgarten zur einen und der grauen Mauer zur and«ren Seite, die das Mechtildiskrankenhaus von diesem Besitzthum schi«den. Di« Schwestern in ihren langen schwarzen Gewändern, mit den Windmühlenflügeln ihrer weißen Hauben gingen im Schatten der Gartenmauer dort drüben mit sanften Schritten auf und ab. Schwarz folgte ihrer hastigen Prome nade von seinem Verandaplatz aus mit den Augen. „Seltsame Leute/ mur melte „diese Nönnekens. Weiß Gott, ich, wenn ich ein Weib wär', ich wurde alleS andere eher nxrden wollen, Thierbändigerin, Marketenderin, selbst Seiltänzerin was du willst, nur daS nicht, nur nicht Nonne!" Er sah mit einem tastenden Blick zu Vera hin, die ihre Hände auf den Knien verfchränlt hielt. „Eher ginge ich zum CirkuS," sagte er laut, mit starker Stimme. „Notabene, wenn ich -in Mädchen wär. Dat Cirkusleben is dat Schönst«, was eS giebt. Man sieht die W«lt, man reist durch Länder und Städte und man verdient een' Haufen Geld damit." „Du hast also mit ihm gesprochen, Papa?" fragte Vera. Er strich die Halsbinde zurecht, das altväterisch doppelt geschlungene Seidentuch, das zu seinem sonstigen, großkarrirten Dreß in groteskem Widerspruch stand. „Ja, Tochterchen, und er meint, daß es eine Sünde und Schande wär', - wenn wir nicht darauf eingingen. Er sagte, daß so «ine kleine, niedliche Bie ne von Schulreiterin wie du auf dem Kontinent noch nicht dagewesen sein dürst«, und daß wir daß er — daß ich daß du du ganz allein, meine gute Puppe, in füns Jahren alles zu rückverdient haben würdest, was dein alter Vater jetzt durch sein Spekula tionSpech verloren hat." Sie hielt noch immer die Hände verschränkt und sah über ihren Vater hinweg. O ja, eS war verlockend, da ran auch nur zu denken, hinauszukom men aus dieser ewigen, alten, grauen, lieblosen Stadt, in der Papa s«,ne bit tersten Erfahrung«» gekauft hatt«, in der sie selbst unter den anderen Mäd , chen «ine so einsame Rolle fpi«lte. „Hat er gesagt, was er dir dafür , gibt. Papa?" „Was er Gehalt für dich aussetzt Gehalt, mein Kind." verbesserte rasch und erschrocken Papa Schivarz. „Dat klingt ja sonst, als wollt' ich dich ihm ; verlaufen, wie Bruce selbst, mein klein' Tochting." Er reichte ihr die Roll« Papier, die er aus der Rocktasche zog, und sie öff- nete sie mit ihren kindlichen Händen. Verftändnißlos las sie die enggeschrie bentn Paragraphen durch. Der Stem- pel „Petersburg" und die vielen ge- wählten Ausdrücke erfüllten sie mit Wichtigkeit: „die p.p. zu Unterschrei- bende, die pp. zu Unterzeichnete." las . sie laut. Ein feines, erregtes Roth hatte ihr blasses Gesicht überglüht. Papa Schwarz. d«r ihre Befa»gc»h«it g sah, zog ihr den Bogen weg. „D«r pp. , bin dann natürlich ich, d«r zu unter x schreiben hat," erinuthigte er. „Klein Reiterchen niit seinen sechszehn Jah- ren hat nur zuzugucken. Da kommt , Godulewsky, der wird dir daS Weite l re sagen." Der Cirkusdirektor, noch im Rau- sche des guten Geschäftes, das er soeben . an Schwarz gemacht hatte, trat in den e Hof „Bitte sich nicht stören zu lassen, falls der Herr Oberamtmann sein d Mittagsschläfchen antreten will!" rief d er mit jovialer Stimme schon von wei >. tem. „Verschwind« sofort wieder vom >! Schauplatz, wollt« nur eb«n d«m klei nen Fräulein mal die Hände schütteln - S«rvus, Fräulein Vera! Na. wie ie wird's also mit der Collegenschast? !- Hat der Herr Papa ein Wort für mich eingelegt?" ? Er r«icht« die beiden reichberingten, n tadellos weißen Hände zu ihr hinab o und schüttelte ihre schmalen Finger. >e „Nur Muth, mein Fräulein!" fpru >- delte er. «Keine Müdigkeit vorschü- tzen! So eine Gag«, wie ich sie Ihnen biete, kriegen Sie nicht mal bei Renz. Ich bin Entdecker, verstehen Sie, nicht Dresseur.— Di- Hälfte aller Cir cus - Celebritäten tes Continents habe ich gemacht. Die Blanche, die Creu zot, die schöne Nadesnaja! Ich ent decke. verftehen Sie. Fragen Sie-die Fachzeitungen, hören Sie beim Cir- Man kennt mich, Godulewsky hat sei n«n Nam«n. Ich knausere nicht; daS kleine Fräulein ist ein Genie. Nun, ich will Sie wie ein Genie bezahlen. Bis heute Abend, mein Herrschasten, darf ich auf Ihre Entscheidung war ten. Länger nicht. Morgen früh geht eS nach Petersburg zurück. Ich zahle Ihnen, was Sie wollen! Ich bin Ent decker, verstehen Sie!" Er küßte Vera galant die Hand, als habe er eine Erwachs«»« vor sich, warf Papa Schwarz einen Blick der Aufmunte rung zu und ging. Er schritt so leicht über den Hof, mit seiner imposanten Figur, dem tadellosen Gehrock, den Lackstiefeln, an denen die silbernen Sporen klirrten, daß die in den Thii ihm wie geblendet nachstarrten. Auch Vera verfolgte den Director mit dem Blick, bis er im Thore ver schwunden war. Si« war ganz ent flammt von seiner lebhaften, ihr hul digenden Persönlichkeit. Jetzt, nach dem er gegangen war. entsank ihr wie der aller Muth. Sie kam sich hölzern, unbeholfen vor, sie hatte kein Wort der Antwort gefunden, nur gestanden und ihn angestarrt. Sie senkte den Kopf über den Eontract. „Nun, Töchting, wie is es? Hast du Lust?" Hilflos zuckte sie die Achseln. „Wenn du es willst, Papa —" „Ach, willst. Es is «in Muß, mein Kind, kein „willst"." „Also schreibe, Papachen. Unter schreibe es. W«»n ihr mitgeht, du und Tant« Betty, da wird es ja nicht so schlimm sein. Hauptsache ist, daß wir endlich aus dem bösen Neste hier herauskommen. Hier kann man ja nicht froh werden" Si« seufzt«, und ihr kindlicher, tie fer Seufzer schnitt ihm ins Herz. „Haben sie wieder Bemerkungen ge macht, in der Mal-Klasse, oder sonst oder wie oder was?" fragt« «r unsicher, mit «in«r Zornader auf der Stirn. „Nein doch, aber nein;— wenigstens kümmre ich mich nicht drum. Die müs sen. doch etwas zu r«den haben" „Di« soll«» die Schnäbel halten. Die sollen dich fr«i« Passage lassen. Sonst kommt Papa Schwarz und stoppt die Er stand aus, schob den Stuhl zu rück und ging aufgeregt hin und her. Ja, dieser Stadt mit ihrer engen Sip pe, der war er längst ein Dorn im deNmarlfchein sich nicht erst von zwei Seiten anzusehen. Das waren Kni cker, die einen Mann, der lebt und le ben läßt, noch nie begriffen hatten. Freilich, als er noch mit vollen Händen unter die Leute warf: ja, da war er immer noch der „tolle Kerl", der „ge müthliche alt« Bursche" gewesen. Aber jetzt, wo der Ruin da war! Da wur den die lächelnden Mienen einfach zu Eis. Da hatte «S all« von der äl testen Kasf«ebas« an schon längst vorausgesehen. Da war „endlich die rächende Nemesis da!" O wie er's haßt«, dieses lalt«, schadenfrohe Pack. „Pa, was habe ich denn gesagt? Warum regst du dich immer gleich so auf, Papa?" Er hielt inne in seinem trottenden, erregten Hin- und Herlaufen mit im Rücken verfchränlten Armen und hef tig arbeitender Miene und trat vor sie hin. „Vera, du bist mich doch gut, mein Kind?" Etwas Unterwürfiges lag in seiner Frage, ein Maß von so slehenderZärt lichkeit, daß daSHerz des jungen Mäd chens erzitterte. „Aber Vaterchen!" lhre Arme hatten Leiden schaft. sie preßten den alten Mann fast ungestüm an die kindlichen Schultern. ß so 112 g Kind Sjxh. merfort fühl ick'S unter mir wanlen. Mir is, als liegen überall Fallstricke. Ich ftolpre und falle und paß und Tante Betty sind doch da. Wie man ihn, im Blute, in der Luft, bei jedem Athemzug. Papa Schwarz war gleich nach dem Kaffee über Land ge fahren, von feiner Unruhe geplagt, di« . d«m Unterschreiben des Contractes, in all« Glieder gefahren war. Er selbst hat,« das nunmehr vollgültige Schrift- brütete die Langeweil« eines endlosen Nachmittags. Tante Betty wirthschaf tete lautlos in der Wohnung umher, fassungslos über dies« ZukunftSeröff nung, die man ihr als „Fait accom heute Abend" würde sie wie ein Lauf feuer die Stadt durchkreuzt haben! Alle diese Klatschbasen, dies« gute» Freundinnen und treuen Nachbarn würden iiun Stoff zur Unterhaltung für Wochen hinaus gewinnen. Ja, das würd« «in schönes Spießruthen laufen werden, die letzten paar Wochen über. Ach, eS machen wie Papa! Allen ent- Nest« hinaus! Draußen, nicht weit von der Stadt, auf dem LehnSgut wohnten die Maßwitz. Zu den«n wür- Sie packte die Zeich«nmappe unter d«n Arm .die trübselige Zeugin ihrer vielen nutzlosen, gelangnxilten Stun den, spannte den Sonnenschirm auf und bog in den Stadtwall ein. Alle, die ihr begegneten, sahen ihr nach, grüßten zu ihr mit dem eigenthümli ch«» Gemisch von Kopsschlltteln und Neugierde. Sie hob den Kopf nur noch höher und ging steif und erkün st«lt dahin; über ihrem hilflosen Kin dergesicht wippt« der groß«, roths«idene Pariser Hut, dessen Garnitur den Da men von Gollupön schon ostGesprächs stosf geliefert hatte; ihre gelben Stiefe letten wurden grau vom Staub d«s Weges, und das Batistkleid mit den vielen übertriebenen Bandschleifen, das jeder Modedame Ehre gemacht haben würd«, flatt«rte mit seinem duftigen Aufputz im Frühlingswinde. Di« Promenade sührte vor dasThor d«r Stadt, und rascher und fröhlicher gestimmt bog sie in den Feldweg, der nach Maßwitz führt«, ein. Sie liebte, dieses Gut der gleichnamigen Verwan dten, mit denen es für sie und Papa im Grunde so gut wie gar keinen Zusam menhang gab. Man besuchte sich frei lich zuweilen, spielte Whist miteinan der, die kränkliche Tante fragte theil nahmslos dies und daS, und die bei den männlichen Familienoberhäupter politisirten und geriethen einander so fort in die Haare. Onkel Maßwitz war nur ein Ruf-Onkel, innerlich war er mit seinen bäurischen Manieren, seiner Engherzigkeit und derdenWahr heitsliebe der kleinen Vera immer nur mehr eine Schreckensgestalt gewesen, zu der sich lein Vertrauen fassen ließ. Bei den Maßwitzens aus dem herrli chen Gute war alles sparsam beschränkt und eng; wie anders dagegen in Ve ras Vaterhause! Hier wurde jedes Fest, jeder Verwandtenbesuch trotz der Abneigung der gegenseitigen Charak tere mit verschwenderischer Ueppigkeit gefeiert. Gastfreundschaft bis zur Grenze des Möglichen war ja über haupt Papa Schwarzens Stärle. Die verlumptesten Existenzen aus der ehe maligen Agrarierzeit durften kommen und ihm Wochen-, monatelang auf der Tasche liegen; das gab bei Maß witzens stets ein unerschöpfliches Ent rüstungsthema. Aber seit Weitu drüben wohnte, ging Vera gern ab und zu hinüber in das Verwandtenhaus. Er war der Neffe der Maßwitzens, «in ferner Cou sin von ihr selbst, .elternlos, den die Gutsleute an Sohnesstatt zu behalten gedachten. Ein richtiger, enragirter Landwirth, wie Onkel Maßwitz selbst, und mit seiner derb zugreifenden Art im Grunde ganz der Gegensatz zu dem jungen Mädchen. Aber Vera hatte in letzter Zeit mitunter die Ueberzeugung gehabt Gott weiß aus welchen Bü chern. aus w«lch«n Beispielen, oder vielleicht auch nur aus welchem Drange ihres jungen Lebensfrühlings geschöpft daß zu den errungenen sechzehn Jahren nothwendig auch ein bißch«n V«rli«btheit gehöre. Sie hatte so gern draußen bei Weitu in den Fel dern geweilt, in denen «r die Säer zu beaufsichtigen pflegte, gern seine scheu en, bewundernden Blicke gefühlt, so gern mit ihm Über ihr beiderseitiges Leben geplaudert. Und heute, in ih rem Gefühl von trostloser Rathlosigleit fühlte sie mehr wie diese kindliche Hin neigung; «in Drang nach Aussprache, nach Güte, nach Mitempfinden brann te in ihr, ein «rstes Aufflackern der ersten, anschmiegungsbedürstigenWeib lichleit. Die Felder lagen im Glänze der kei menden Saat, über ihnen dampfte dir Frische des jungen Ervgeruchs. In die flache Weite verloren sah man ein zeln« Männer und Weiber g«hen über die theils noch leeren Furchen gebückt oder hinter dem Fluge schreitend. Ihre Gestalten schienen klein, iki die Erde sinkend unt«r di«ser Weite des Hori zontes. Ab und zu trotteten Kühe über das Ackerland, und ihre schwer«», langsamen Massen schienen unhörbar über den weichen Erdboden hinzuwan deln. Die Sonne brach ihre Gluth in den unzähligen Wasserlachen, die noch von der letzten Ueberschwemmung her auf den Feldern stehen geblieben wa ren. Diese kleinen, leuchtenden Wei her, in denen jedes vorüberfliegende Lüftchen winzige Wellen aufwarf, ga ben der noch so kahlen, LdenLandschaft das Lächeln unter Thränen hätte nen nen können. Am Rande dieser Wei her stolzirten die Krähen, lrächzten unmotivirt ihren grellen Schrei in den leuchtenden Spiegel hinein, hackten mit den Schnäbeln in die weiche Ufererde Fluge mit schlagenden Flügeln die Luft durchschnitten, gleich schwarzen, vom Winde hin und her getriebenen Wolkenfetzen. In dem niederen Feldgebüfch und in dem noch ganz schmächtigen, saftgrün prangenden Wielen gros war ein fort währendes l«is«s Rumoren und Flü stern, ein« Aufregung der Erwartung und Unruhe, wenn d«r Frühlings wind durch die Zweige fuhr. Diese Unruhe lag über d«r ganzen, weit«n, n«u verjüngten Welt, als bereite sich irgendwo unter den Himm«ln einWun der vor, und als müsse die Erde di« Arme offen halten. Vera ging mit glänz«nden Aug«n, mit bewegtem und heftig klopfendem Herzen. Was war es nur, das aus der Erd«, den Bü schen, den stummen Wasserspiegeln so laut und unruhig in den Lenztag hin aussprach? Ihr war, als liese eine M«lvdi« neben ihr her, die fortwäh rend auf sie einsang. Eine Sehn sucht nach Dingen, für die sie keinen Namen, keinen Ausdruck fand, erstickte fast ihr Herz. „Ob viele Mädchen so einsam sind wie ich?" Si« hatt« diese Frage schon oft ge than. Eigentlich immer, seitdem ihr Sinn zum Nachtanken erwacht war. Trotz Vater und Tante, mit denen si« so zärtlich verbunden war, kam sie sich immer einsam vor. D«r Begriff^Mut beneidete sie die jungen Mädchen, die von ihren Müttern mit schwesterlicher Vertraulichkeit sprachen, oder so wie Freundinnen von einander. Das Licht bild ihrer eigenen verstorbenen, ju gendlichen Mutter verließ sie niemals, und während sie empfand, daß für den Vater eigentlich keine Lücke geblieben war. litt sie doppelt unter dieser Ver gänglichkeit seiner Liebe, und ihrer Zärtlichkeit für die jung Gestorbene mengte sich ein tiefes Mitleid bei. Maßwitz war nun erreicht. Die Chaussee bog zu dein GutShofe hin. Das Thor desselben war wie zur So mmerszeit stets sperrangelweit geöffnet, so daß man bis in die offene Thür des Wohnhaufes zu sehen vermochte. Im Hof« wurden die lang«n Tröge vor den Pumpen mit Wasser gefüllt, und aus allen Stallthüren stießen und dräng ten sich di- Rinder, um an diese Quelle zu g-lang-n. Es sah aus wie ein Aus stand, wie eine Revolution der Ge hörnten, dieses Stoßen, Trotten und Drängen der mächtigen Thiere, von denen jedes einzelne zuerst an d«n Trog zu gelangen sucht«; «in Brüllen und Muhen aus hundertfach vereinten Kehlen rollte sich wie ein Getöse über den Hof hin. und diese blieb stehen und betrachtete aufmerk sam das bewegte Bild. Si- war nicht umsonst das Kind einer alten Familie von Landwirthen. Ihre Zuneigung sür di« viersilbige Kreatur, an die sie von klejn auf gewöhnt worden war, wurzelte so tief und fest in ihr, daß sie ein Theil ihres Innenlebens geworden war. Sie konnte sich leinen Sommer tag ohne grasende Kühe. die käuend am Wege liegen und die Augen gegen die pralle Sonne schließen, wiehernde Pserde und übermüthige Füllen aus weit abgesteckten Koppeln vorstellen. Ihre Seele war erfüllt von den ewigen Freuden und Bildern des Landlebens. Deshalb waren ihr die vier seit dem Verkauf des väterlichen Gutes in der Kreisstadt verbrachten Jahr- doppelt öde und reizlos erschienen. Im Hausflur, an dessen Wänden Feldstöcke und Reitpeitschen des Haus herrn in buntem Durcheinander hin gen, war es dunkel und leer und kühl. Sie beschritt den langen Gang, in dem unzählige Thüren endeten, und trat in die Veranda hinaus. Von hier konnte sie den Garten übersehen, in dem noch der Kasseetisch gedeckt war. Tante Maßwitzens Strickzeug lag, anschei nend eilig hingeworfen, auf der grü nen Bank. Die eine der Nadeln war Erdreich gebohrt. Vera trat hinzu, hob di« Nadel auf und stickte si« in das dicke wollene Ge- W«ile, das Bild diS stummen Gartens „Vwtu! Weitu!" sel, die ehemalige Lackkappen v«rrie treten, aber das Vera nicht. Ihr ttchen Gefühl, plötzlich ihre Brust Hände durch den Gartenzaun: „Wie schön, W«itu, daß du wenig stens da bist." „Die Alten sitzen drüben im Pavil lon," sagte er, mit der Hand nach dem primitiven Lusthäuschen zeigend, das sich seitwärts der Chaussee auf dem zum Gute gehörenden Tannenabhang erhob. „Krichler ist da auS Cowall und verhandelt um zwei Zuchtochs«n. von heute und gestern. Der und der Alte, die gehen noch über.d«n Jtzig ' aus Swantow." Verwandten, die ihn an Kindesstatt aufgenommen hatten, nicht gerade ehr erbietig zu spricht». Aber da sie selbst ihren Onkel und seine materielle Eng herzigkeit so oft von ihrem Vater halte schmähen hören, fiel ihr W«itus re spektlose Art nicht weiter auf, sie sagte nur. indem sie ihm den Filzhut aus der Hand nahm und die Pfauenfeder betrachtete, die er darauf gesteckt hatte: „Du wirst mal nicht ander» werden wie Onkel Maßwitz. Da du sein Nachfolger bist, wirst du auch rechnen Sie streichelte die Feder behutsam mit zwei Fingern ihrer Hand und be hielt den kleinen Jägerhut noch immer. Plötzlich sagte Weitu: „Wer weiß, ob es jemals dazu kommt: die Alten sind jetzt höllisch er bost auf mich. Es fehlte nicht viel, und sie hätten mich geschasst." Vera blickte ihn mit großen Augen an: „Wie ist daS möglich, Weitu?" Er nahm ihr den Hut aus den Händen und setzte ihn wieder auf den Kopf. „Warte, ich erzähl'S dir. Ich komm' einen Augenblick herein." Er schwang sich über den Zaun, mit einem mächtig«» Sprunge, so daß es geradezu ein Dröhnen gab, als er zu „Komm," sagte «r, „wir gehen dort in die Laube. Eigentlich müßte ich auf den Getreid«boden, Raps ausmis sen, aber die Alten sitzen ja noch fest. Laß den Schaffer s«hen, wie er allein fertig wird." Die Laube, in die sie traten, war noch kahl und leer. Die Hölzerne Rück wand schützte sie gegen den Blick vom Hause aus. man sah von der hochlehni gen Birkenbank aus aus die weiten Felder hinüber, und die Frische, der Erdgeruch und der Duft derselben schienen in dieser geschirmten Ecke zu sammenströmen zu wollen. „Riecht es nicht, als wenn Veilchen hier irgendwo blühten?" rief Vera „und wie wenn frische Kartoffeln dampften, und zugleich, wie wenn Lu pinen in der Nähe ständen?" „Was die Trüffeln anbelangt, das kann stimmen." auf Veilchen und Lu pinen möchte ich indes nicht schwören. Na, dessenungeachtet." Er setzte sich, rückte auf der Bank bis in die Ecke und reinigte mit seinem Taschentuch auch einen Sitz für Vera. Sie nahm Platz und einen Augenblick faßen sie beide schweigsam. Weitu schien nachzugrübeln. Ueber seinem Gesicht lag ein mißmuthiger Ausdruck, den Vera noch nie an ihm gesehen hatte. „Ist es etwas so Aergerliches?" fragte sie, „was geschehen ist?" „Ich möchte dir doch, daß die Al ten mich am liebsten schassen möchten," entgegenete er fast ungeduldig. „So ein armer Lump wie ich, der kann dann Steine klopfen gehen." Er hatte fast grob gesprochen, und Vera saß schweigsam, von seiner Hef tigkeit erschreckt. Da fühlt« si«, wie er ihre Hand in die seine nahm; es war «in ganz l«is«r Griff, der ihr: Rechte umschloß und zu sich hinzog. Erstaunt, verwirrt starrte sie ihren Vetter an, ihr hilfloser Blick ent flammte ihn. „Gelt Vera, du wirst mich nicht ver dammen —du doch nicht?" stieß er hervor. Mit einer ruckartigen Bewegung hatte er ihren Kopf umfaßt und zog ihn an seine Schulter. Er küßte sie rasch, leidenschaftlich, mit trockenen, hastigen Küssen, wie sie noch nie welche hatte. machte sie sich Haar zurück. Ein rosiger, zarter Schimmer von Gluck, von Aufregung und athemloser Ueberraschung lag auf ihrem Gesicht. Weitu war in der Ecke sitzen geblieben. Er sah auf sie hin und in seinen Zügen malte sich Unruhe. „Siehst du, das ist «s ja eben," stieß er hervor. „Das ist es ja eben, was der Mensch nicht beherrschen kann, und Ihr Mädels, ihr seid eben zu hübsch,— durch die Bank seid ihr zu hübsch. Zu knusperig und zu appetitlich. Da kann sie in der Küche haben ich habe mir dabei nichts gedacht, wahrhaftig nichts, ebensowenig wie b«i dir j«tzt. Mädel chen. Ab«r Vera?" (Fortsetzung folgt.) Das Karnickel. Tochter (ärgerlich): „J«d«S Mal, wen» ichKla vier spiele, bläst der Kerl drüben sein Waldhorn!" Vater: „Ja, Du fängst Für die Küche. Gedämpft? Eier. In ein» flachen Porzellanschüssel rührt man ei nige Eßlöffel Sahne mit ebensoviel Löffel S«nf durcheinander und stellt zum H«ßw«rdcn auf lochendes Wasser" dem toch-nd.n mit Herz, Leber, etwas gestoßenen» wickle si« mit Speckscheiben. Dani» läßt man die Tauben in brauner verschlossen, gar dünsten, Suppe von Kalbfleisch. Ein halbes Pfund Kalbfleisch (ohne Pint kaltes Wasser und kocht es «ine Milch auf und läßt die Milch eben ße Kochlöffel Kartoffeln nimmt man zw«! Kochlöffel Mehl, ein Eidotter, et was Salz. Muskat, Petersilie, rührt gen. Einfach« kleine Beef steaks. Besonders zart werden Fi» letbeessteaks auf folgende Art. Man klopft sie sehr ftark und legt sie über Nacht in bestes Speiseöl. Am anderen Tage vor dem Gebrauche trocknet mckn sie sorgsam ab, salzt si«, taucht sie iir siedendes Wasser, damit sich alle Poren Bratkartöffelchen an, belegt jedes Beef steak mit einem Stich Anchovisbutter und giebt Spiegeleier dazu. Nischpudding. Hierzu lassen sich die Reste von gekochtem Fisch aus gezeichnet verwenden. Man befreit sie von den Gräthen und zerkleinert sie. , Man mischt doppelt so viel gelochte »der gequellte, geriebene Kartoffeln, kleine Stückchen Butter, geriebenen Käse und etwas Salz und Pfeffer da runter und füllt die Masse in eine mit Butter und geriebener Semmel herge richtet« Form. Dann gießt man zu letzt eine Tasse Milch, in der zwei Eier und etwas Salz geschlagen sind, darü ber und backt es imßackofen eine starke Stunde in ein«r Auflaufform. Braune Butter mit Petersilie wird dazu ge reicht. Gedämpfte Kalbsrippen. Es gehört hierzu sehr gutes Fleisch. Man schneidet die Rippen glatt ab, klopft sie gehörig, aber nicht auseinan» fel, bestreut sie mit Salz, Muskat unl» zu drei Pfund Fleisch «in Viertel Quart halb Wasser und halb Wein geschmort. Wirsing - Suppe. Man schneidet einen Kopf Wirsing in kleine Stücke, wäscht sie sehr rein, giebt ein Stück Butter in einen Suppentopf und läßt den Kopf darin dämpfen, wobei nian es durch ein Sieb, giebt Salz etwas mit Wasser glailqerUhrteinMehl man etwas Butter, rührt ein in kaltein tes Weißbrot hinein, rührt, bis es sich loslößt, fügt ein Ei, etwas Salz und Pfeffer'fleisch. Ein Stück Kalbsbrust hackt man in zierliche Stü cke gießt kochendes Wasser darauf, läßt das Fleisch 6 —6 Minuten lanz darin und legt es sodann ebensolange Butter in einer Kasserolle kochend und rechnet auf «in Pfund Fleisch drei Un zen Butter, bestreut das Fleisch mit darf, läßt es darin vollends weich ki cken und schärst eS mit Citronensaft ab. Es wird in einem von Leichte Abhilfe. Mann (ärgerlich über die Liederlichkeit sein«, Frau) : „Eine Schande, wo» für Staut wieder auf dem Sekretär liegt iH schämt« mich vor d«m Doktor, als e, vorhin das Rezept schrieb.. Frau (phlegmatisch): „Nimm Dir doch einen Naturarzt, dir verschreibt kein« Re. zepte!" 3
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