ZlillHM »Mach. Mnr Pcmberlou. (4. Fortsetzung.) Er bohrte seine Hacken noch tiefer in den Schnee, als er so die verschiedenen Möglichkeiten überdachte, und er über legte, daß er jetzt nicht länger mehr hierstehen könne. Er fürchtete, beob achtet zu werden; auch konnte der alte Bonzo ihn in dem Hof finden, wenn er zu den Baracken zurückkehrte, und das mußte dem mißtrauischen Ober sten auffallen. Er ging endlich zö gernd und langsam in das Haus. Sein eigenes Zimmer, kahl und öde wie ein richtiger Dienstraum, war im Nord flügel gelegen, weit entfernt von dem Mariannes, aber doch nicht weit ge nug, als daß er nicht das Krachen der Thür hören konnte, wenn sie geöffnet oder geschlossen wurde. Bevor er sein Zimmer betrat, schlich er noch einmal an das Ende des Eorridors und horchte an Mariannes Thür, wie um sich zu versichern, daß sie schlief. Dann legte er sich zu Bett, blieb aher noch lange wach. Als endlich der Schlaf sich über ihn senile, er im nacht. Noch einmal ging er mit der Geliebten durch die stillen Straßen Kronstadts. Aber als er mit ihr so dahinging, fiel sie plötzlich ihm zu Fü ßen, und ein Schreckensschrei erweckte die schlafende Stadt. Kein Wort, kein Blick von ihm konnte diesen Schmer zensschrei bannen, welchen er im Traum gehört hatte. Er llang in sei nen Ohren nach. Er schleppte die Ge liebte in seinen Armen davon, aber aus dem Schlaf geschreckte Soldaten Häusern und schlössen sich den Verfol gern an. Er umfaßte feine Last fester mit seinen Armen und lies weiter, aber der Schrei tönte fort, und die Verfol ger vervielfachten sich, bis sie endlich ein ganzes Heer darstellten. Da erwachte er und sprang aus dem Bett. Ein Schimmer von Sonnen licht drang in sein Zimmer, aber der Schreckensschrei, den er im Traum ge hört hatte, hallte auch jetzt, wo er er wacht war, durch das ganze Haus. In furchtbarer Spannung blieb er einen Augenblick stehen, dann eilte er zur Soldaten, er sah Bonzo schweigend und grimmig dastehen, er sah Ma rianne weiß und zitternd. „Mein Gott", rief er, „die Stunde Paul legt Zeugniß ab. Paul Sassulitsch lehrte in sein Zim mer zurück und begann sich linkisch, aber mit einer gewissen Ueberlegung anzulleiden. Die Ketten, die er an Mariannes Handgelenlen gesehen, waren auch für seine Hände eine Last; Erhörte jetzt schwer« Fußtritte in dem Gang draußen und glaubte die Stimme des Generals Stefanowitsch zu erkennen, aber das Geräusch und wiederum lag Stille über dem Hause. Dieselbe Ruhe, dachte Paul, die jetzt hier im Palaste des Gouverneurs herrschte, würde auch fortan sein lie beleeres Leben beherrschen. Zum letz ten Mal, so meinte er, hätte er die Geliebte gesehen, und mit dem furcht baren Ruf auf ihren Lippen war sie von ihm gegangen, welchem Schicksal entgegen, wußte er nicht, außer daß die undurchdringlichen Pforten des Kerkers sich hinter ihr schließen wür den, und daß ihr ein lebendiger Tod Er war froh, daß sie ihn nicht be merkt hatte, als er einen Augenblick vor ihrer Thür stand und sah, wie die Soldaten sie aus ihrem Zimmer zerr ten. Die schlanke, fast zerbrechlich aussehende Gestalt, das kindliche Ge- Erinnerung an sie sein. Er wußte wohl, daß die Männer, die über Marianne zu rich ten hatten, nicht peinlich genau das Maß ihrer Schuld oder Unschuld ab wägen würden. Für seine Vorgcsetz- Kampse unterlegen und mußte jetzt ihreThorheit büßen. Sie hatte zum letzten Mal in die Welt des Lichtes ge blickt, niemals wieder würde ein Ruf von ihr die Welt erreichen, sie würde die Stadt verlassen und niemand wür de den Muth haben, zu sragen, wohin sie gegangen. Paul wunderte sich über sich selbst, daß jetzt, wo das Schreck liche eingetreten und Mariannes Trei ben entdeckt war, sein Verstand nicht den Dienst versagte und er so klar denken konnte. Die Verhaftung Ma riannes nahm wenigstens eine Last von seinen Schultern. Er brauchte, seiner Meinung nach, wenigstens keine Beichte mehr abzulegen, denn das, was er wußte, war jetzt auch den Herren der Festung bekannt. Und er muß!e sich nun selbst vor der Möglichkeit ei nes Verdachtes schützen, er mußte Worte der Ueberraschung und der Ve rwunderung bereit halten. Er allem in Rußland blieb der Freund des un glücklichen Mädchens, um ihretwillen nung, daß er ihr dadurch nützlich sein tönn-. Und diese Hossnung flößte ihm wieder Muth ein, er wußte selbst nicht. wa:üm. Seine lässigen Finger begannen emsiger zu arbeiten, er klei dete sich schneller an und verließ kühn und zuversichtlich den Gouvernements- palast. Unten auf dem Hof ging der alte Bonzo hin und her und wartete auf den General. Der Oberst erwiderte den Gruß des Hauptmanns freundlich und wohlwollend und nicht anders, al» wenn sie zusammen zu irgend einer Festlichkeit gehen sollten. Herr Oberst, und Sie?" BonzoZ Augen blinzelten listig. „Mir geht es immer gut; und gerade jetzt will ich mit einer Dame zusam men speisen!" Sein scherzender Ton erregte Paul noch mehr, und er konnte sein hitziges Temperament kaum beherrschen. „Herr Oberst", rief er aus, unfä hig, noch länger zu schweigen, „man sagt, Fräulein Best sei verhaftet. Ist das wahr?" Bonzo stand 'Wich still. „Sie wissen se»ost, daß es wahr 'st, »lch. Herr Oberst! Wie soll ich das wissen?" „Weil Sie an Ihrer Thür standen, als sie sie herunterschafften." Paul biß sich die Lippen. „Gewiß sah ich das, aber ich wußte nicht, was das bedeuten sollte. Sie haben sie also in Verdacht, Herr Oberst?" „Wir haben sie so weit im Verdacht, daß wir bestimmt wissen, daß ihre Hand es war. die die Karte von Bat terie 3 gezeichnet hat." «Ihre Hand, Herr Oberst, die Hand einer Frau? Aber sie ist ja ebenso un wissend, wie ein Kind!" Paul versuchte, die Miene großer Ueberraschung anzunehmen, aber seine Gesten waren falsch und seine Stimm: klang hohl. Bonzo beobachtete ihn ge nau mit seinen kleinen, blinzelnden Augen und las in seinem Besicht wie erfahren, wie unwissend sie ist, wenn die Anklage fertig ist, mein Sohn. Sagte ich Ihnen nicht, daß ich Ihnen den Spion heute Morgen zeigen wür de? Gut, wenn Sie auf die Wälle ge hen wollen, so werden Sie sie in dem kleinen Boot sehen, das sie nach Fort Alexander bringt. Wir werden ihr dorthin folgen, wenn der General fer tig ist. Nicht jeden Tag kann man mit einer Dame zusammen in Kronstadt frühstücken." „Ich kann es nicht glauben!" rief Paul. „Ich kann es nicht glauben, daß sie den Verrath begangen hat!" „Sie können es nicht glauben? Potztausend! Das sagen Sie, Sie, der Sie wissen, daß es wahr ist, Sie, der Sie wissen aber ich will es Ihnen überlassen, uns zu sagen, was Sie wissen, mein Sohn. Ich erinnere Sie aber daran, daß Sie ein Diener inals vergessen, Hauptmann Paul." Bonzo hatte bald laut und heftig, bald milde und versöhnend gesprochen; aber bei seinen Worten war alle Farbe aus Pauls Gesicht gewichen. Er hatte einen großen Respekt vor dem Mann, dessen Augen seine eigensten Gedanken lesen konnten; er begann sich zu fra gen: „Was hat er erfahren? Was hat er gesehen?" Aber Bonzo, der stets sein Ziel im Auge behielt, legte jetzt freundschaftlich seine Hand aus die ebenso braver Mann wie Soldat sind. Trinken Sie jetzt Ihren Kaffee und suchen Sie mich dann auf dem „Da ist wieder mal einer, den ein schö nes Gesicht bethört hat! Na, er wird wohl allmählich zur Vernunft kom men; aber wenn nicht, so werden wir ihn schon zu behandeln wissen. Wir wollen ihn oft zu dem Fort schicken, und wenn noch irgend ein Geheimniß mid seinen Kameraden ausweichend durch die Stadt schritt. Er sah und den Leben und Treiben in Kronstadt. „Marianne ist verhaftet!" waren die Worte, die immer und immer wieder ten grüßten ihn, er bemerlte es nicht oder vergaß, ihren Gruß zu erwidern. Glänzend und strahlend stand die Sonne am Himmel, aber für ihn war die Stadt in Dunkel gehüllt. Furcht bare Gedanken durchreisten sein Hirn, Zukunft bezogen, die Marianne be vorstand. Den Augenblick des Wie dersehens fürchtete er sehr, » fürchtete handeln wollten; ob das ihm helfen oder hinderlich sein konnte, wußte er nicht. Er erinnerte sich jetzt E» wußte, sie würden eine Frau nicht tödten; aber in russischen Gesängnis sen giebt es auch andere Massen, durch welche der Tod herbeigeführt werden kann. Pauls Hand zitterte, als er das Blas an seine Lippen führte. Er ver- ließ das Cafe, gepeinigt von Grauen und Furcht. „Sie soll nicht sterben!" sagte er leise vor sich hin, und lachte sigkeit. Fort Alexander, das in Kasematten 116 acht- »nd zehnzöllige Kanonen hat, ist vielleicht das imposanteste der sieben dctachirten Forts, welche, In seln von Stahl und Eisen, in dem Südkanal von Kronstadt sich erheben. Ganz und gar aus Granit bestehend und wie eine Ellipse geformt, hat es vorn vier Reihen Schießscharten, wäh rend der Hintere Wall mit großen Ka nonen in Barbette - Thürmen gespickt ist. Ein Untergrund von Ballen, die in den Kanal, der hier achtzehn Fuß tief ist, getrieben sind, trägt die schwe baut ist. Die Kanorien derselben sind so aufgestellt, daß sie ein Kreuzfeuer mit den Kanonen von Fort Peter oder von Batterie 3 ausführen können und auf diese Weise den engen Kanal un passirbar machen, durch welchen ein feindliches Schiff, das St. Petersburg erreichen will, fahren muß. Das In nere des Forts hatte das Ausse hen eines düsteren Gefängnisses, und in der That konnte es als Kerker die nen, denn es besaß unterirdischeßäum lichkeiten, in welche niemals das Licht des Tages drang. An dem Morgen von Mariannes Verhaftung, spät im Februar, krachte und barst das Eis unter den Bastio nen des Forts und bedrohte die Schiffe mit schwerem Verderben; aber die Sappeure hatten einen Weg für den kleinen Dampfer gebahnt, welcher den Verkehr zwischen der Garnison und dem Handelshafen vermittelte, und diesen Weg passirten jetzt General Stefanowitsch und zwei Offiziere sei nes Stabes, um die Gefangene zu be suchen, die so plötzlich in den frühen Morgenstunden verhaftet worden Paul befand sich bereits in dem ge wölbten, von Steinmauern umgebenen Zimmer, wo die Vernehmung stattfin den sollte, als Stefanowitsch und Vonzo zusammen eintraten. Der Ge neral erwiderte zwar seinen Gruß, sprach aber sonst lein Wort zu ihm. Bonzo warf einen schnellen Blick aus Paul und beschäftigte sich dann mit dem Bündel Papiere, welches von ihm unzertrennlich schien. So dunkel war der Raum, daß die Gestalt des Ser geanten an der Thür wie ein Phan tom erschien. Die Lichter, die auf dein Tische flackerten, warfen einen gelben Schein aus die Gesichter derjenigen, welche in der Nähe saßen, und Paul bemerkte, daß Nikolai Stefanowitfch sehr schlecht aussah. Die große.Ei suchte in seinen Manieren ließ die Blässe und die Unruhe, die seine Züge hin und her; sie berührten bald eine Feder, bald ein Papier oder sie faß ten auf den Kopf, wie um durch das Haar zu fahren, das gar nicht da war. Als er den Befehl gab, die Gefangene hereinzuführen, klang feine Stimme hohl und unnatürlich. Er sah auf den Tisch nieder und blickte die Gefa.igens vor ihm nicht an. Paul zog sich in den Schatten zurück. Er sah, wie Ma rianne das düstere Zimmer betrat, und die Versuchung, mit ihr zu spre chen, an ihrer Seite zu stehen, war fast unwiderstehlich. Aber die Klugheit hielt ihn schließlich doch zurück. Er hatte sich über die Rolle, die er spielen wollte, entschiede». Die frische See luft hatte ihn geistig und körperlich gestärkt? M"dch b. ld ch und so war auch die Ursache, warum sie nach dem Fort Alexander geführt worden war, unbekannt geblieben. So groß war die Eile gew«fen, daß sie kaum Zeit hatte, ihr reiches, braunes Haar aufzustecken oder nach irgend ei nem Pelz zu suchen ,um sich gegen die Morgenkälte zu schützen. Aber sie hatte während der Stunden, die seit ihrer Verhaftung vergangen waren, sich von dem Sergeanten die Erlaub fte anzuwenden, welche einer Frau zum Siege verhelfen. Paul fand, daß sie niemals so schön ausgesehen hatte. Sie betrat das düstere Zimmer mit Belustigung oder Ueberraschung lag. Das schöne Haupt hatte sie stolz zu rückgeworfen, und die außerordent liche Weiße ihrer Haut stach grell ob von dem schmutzigen Grau des Pel zes, den ihr der Sergeant verschafft hatte. „O!" rief sie spottend, nachdem sie vor den Tisch geführt worden war, .wie bin ich erschreckt! Wie fühle ich mich schuldig!" Stefanowitfch -'Nickte von seinen Pa „Ruhe", ries er scharf, und in seiner Stimme lag etwas, was zum Gehor sam zwang. Paul zitterte für sie. begann Stefanowi^ch ich." „Leider sind sie mir unbekannt, Die Zornesader auf Itesanowitschs Gesicht schwoll an, aber er bezwang sich „Wir wollen den Pu,nkt nicht er wähnen", sagte er schnell. „Wenn ich heute in diesem Zimmer mit Ihnen spreche, so geschieht es in der Hoff nung, daß Sie uns helfen werden, die Strafe, welche Sie durch Ihre Th^t fchen Regierung in London alle Nach richten über Kronstadt gesandt, zu welchen Sie durch unsere Gastfreund schaft kamen. Während der letzten Monat« haben Sie für Geld -inen Plan der Batterie 3 verkauft und ha welche aber, danl unserer Klugheit und Vorsicht, Kronstadt nicht verlassen werden. Es ist nicht meine Sache, Fräulein, Ihnen zu sagen, daß solche Handlungen ein Frevel an der Gast freundschaft sind, die Sie hier empfan gen haben. Sie lamen zu uns wie eine Angehörige unseres Volkes. Wir vertrauten Ihnen wie einer Toch ter. Es ist möglich, daß Sie die ge meine Natur Ihres Verbrechens nicht kannten, und daß Si« es jetzt, so weit es in Ihrer Macht steht, wieder gut machen wollen. Wenn dem so ist, so haben Sie jetzt die Gelegenheit dazu, uns zu erzählen, wie Sie darauf ka men, ein solches Verbrechen auszufüh ren, wer Sie dazu veranlaßt und wer Ihnen geholfen hat. Die Wahr heit allein kann Ihnen hi-r nützen. Fräulein, ich hoffe daher, daß Sie schon aus Klugheit uns nichts vorent halten werden." Er machte eine Pause und blickte dem Mädchen voll ins Gesicht. Sie lächelte nicht mehr, den« sein Vor wurf, sie habe die Gastfreundschaft derjenigen mißbraucht, die sie so freundlich aufgenommen, traf sie furchtbar und erschütterte sie bis ins Mark. „Ich wollte nicht undankbar sein", rief sie verzweiflungsvoll aus, „ich wollte niemand von denen beleidigen oder verletzen, die zu mir so freundlich waren. Ich zeichnete die Karten, um sie einem Freund nach London zu sen den. Er bat mich darum, und ich glaubte, Sie könnten nichts dagegen haben. Es war ein so kleines Ding, und Rußland ist so starN O, Herr Ge schuldig halte«! wiisch sie streng, „ati Ihrer Schuld ist lein Zweifel. Glauben Sie mir, es nütz! Ihnen gar nichis, zu versuchen, uns irre zu führen. Wir wissen be stimmt, daß Sie als Spionin unter uns geweilt haben." „Sie wissen es, Herr General?" „Wir wissen es", erwiderte Stefa nowitfch. „Unsere Beweiskette ist vollständig geschlossen. Vor sechs Mo naten erzählte dieser Freund in Lon don. Ihr Vetter, Fräulein, Ihnen, daß die englische Regieung gern einen ho hen Preis füv Nachrichten zahlen wür de, die die neuen Kronstädter Forts betreffen. Er gab Ihnen zu gleicher Zeit ein Buch, welches ausführlich schildert, wie ein anderer Spion, ein Landsmann von Ihnen, die Geheim nisse von Wladiwostok ausforschte. Dieses Werl war Ihr Führer. Sie suchten uns glauben zu machen, daß Sie unwissend und naiv wären, um aus/während Sie unsere Gastfreund schaft genossen; Sie heucheltenFreund schast sllr uns, damit wir Ihnen un drangen selbst in mein Zimmer, um die Karten, welche dort lagen, zu kopiren. Geschah das alles nur, um Ihrem Freund in London Unterhaltungslek türe zu verschaffen, Fräulein?" Marianne schauderte. Hilfesuchend richtet« sie ihre Augen auf Paul, aber er verhielt sich schweigend. Einen Au genblick dachte sie daran, die Maske der Gleichgiltigkeit und der Naivetät weiter zu tragen, aber das Lächeln er starrte auf ihren Lippen. „Es ist nicht wahr!" rief sie heftig aus, „Sie können das nicht wissen! Ich stahl nicht die Karten aus Ihrem Zimmer! Wie hätte ich so etwas thun können? Es ist Narrheit, das zu glau „Fräulein", sagte Stefanowitsch warnend. „vergrößern Sie Ihre Schuld ' nicht durch Lügen. Ich erwarte, daß Sie uns jetzt die Namen Ihrer Hel fershelfer in Rußland und in England „Ich werde Ihnen nichts sagen", antwortete sie verstockt. „Sie wissen gar nichts, die Lüge ist ganz auf Ihrer Seite, Herr General. Sie haben nicht das Recht, mich hierher zu schleppen: ich bin Engländerin, Sie dürfen mir nichts thun! Ich werde nach England über meine Erlebnisse hier berichten. Sie sind Feiglinge, daß Sie mich mit solchen Fragen quälen." Sie schlug die Hände zusammen und stampfte wüthend mit dem Fuße auf. Eine starl« Erregung hatte sie er griffen, sie aller ihrer Künste beraubt, die sie sonst so gut Männern gegen über anzuwenden verstand, und nur ein schwaches, hilfloses Weib zurückge lassen, dessen Muth aber ungebrochen Paul setzten die Anklagen, die man gegen Marianne aussprach, in höchüe Verwunderung. Es waren dieselben Worte, die er'selbst etwa vor fünfzehn Stunden in ihrem eigenen Zimmer zu ihm gesprochen hatte. Jetzt tonnte er nicht länger zögern, er mußte alles eingestehen. Und doch rief auch letzt wieder seine Liebe zu ihr einen furcht baren Kampf in ihm hervor. Ihr kindlich-unschuldiges Wesen, ihre Hilf losigleit, die Aussicht auf die Tage des Leidens, die sie erwarteten, reizten ihn dazu, alles zu wagen und den General zu bitten, daß er mit ihr zusammen die Strafe erdulden dürfe. Und als er jetzt seinen eigenen Namen rufen horte und in den beleuchteten Theil des Zim mers vortreten mußte, um die Fragen des Generals zu beantworten, da schienen seine Zunge und seine Glie der wie gelähmt. Er sprach mit >chwe rer Stimme und schwankte ost gczen den leichten Tisch. „Hauptmann Sassulitsch", sagte Stefanowitsch, „Sie haben die Ge schichte, die uns diese Dame vorgetra gen hat, gehört. Haben Sie irgend et was dazu zu bem-ri-n?" Paul zog die Schultern hoch, irr Gestalten um ihn her erschienen ihm die Geschichte gehört. Herr General", stammelte er. „Ist sie richtig oder falsch, »zerr Hausmann General." „Wenn Sie dessen sicher sind. ,s ge ben Sie uns. bitte. Ihre Grund- dafür ""Paul lehnte sich gegen den Tisch und fakte mit der Hand an die Kchl:, w,., um sich s-lbst zum Sprechen zu zw-n -'Gestern Abend sandten Si- mich in "ihr Zimm-r. H-rr General, um dort die D-peschen, die vom Fürsten yelomm-n waren, wegzulegen. Es war acht Uhr - Sie hatten schon g-g-ss-n acht Uhr, Herr General. Er whr sich mit der Hand über die Stirn und blickte wie geblendet in dem Zimm-r umh-r. Einen Augenblick ruhten seine Augen auf dem Gesicht des Mädchens. Si-sah ihn an, Wi ewen, der vom Tod- auferstanden l>t. um sie anzuklagen. -.x., Gut", sagt- St-sanowitlch. ..fah ren Sie fort, H-rr Hauptmann, wir "'Paul zog wieder die Schuwrn h-cki dämmten, sie vielleicht schließlich noch retten tonnten. , Als ich den Korridor betrat , de richtete er, schnell sprechend „sah 'ch «in Licht in Ihrem Zimmer. Herr G.- neral. Die junge Engländerin befand sich dort. Sie copirte eine der Kar ten, welche sie von dem Bucherbrett ge "°"ll"m"ihrem Bruder in London Un terhaltungslektüre zu schicken .brumm te Bonzo, welcher bis jetzt regungslos und stumm zur Rechten seines Vorge setzten gestanden hatte. Marianne hörte seine Wort nicht mehr: sie war ohnmächtig geworden und mußte in ihre Zelle zurückgetra- verlieren Z->t. H-rr G-n-ial", b-merlt- der alt« Bonzo. sein-Papl-r -schnell zusammenlegend. „Wenn ich an Ihrer Sl-lle wäre, so würde Wahrheit aus ihr h-rausp-itschen. sie ist sicherlich nicht allein hier, es befin den sich ohne Zweifel noch Complizen von ihr in Kronstadt." „Ihr Wert soll es sein, Herr Oberst, die Namen derselben zu erfahren, sagte Stefanowitsch, vom Tische aus stehend. „Schrecken Sie vor nichts zurück, was Ihre Pflicht Ihnen oe fiehlt. Und Ihnen, H-rr Hauptmann, lann ich nur sagen, daß der Zar glücklich schätzen muß, solche Diener, wie Sie sind, zu besitzen. Lassen Sie das Mädchen Tag und Nacht bewa chen; ich zähl- in dieser Stunde der Gefahr auf Sie. meine Freunde, aus Eifer und Ihre Verschwiegen heit. Unsere Ehre ist verdächtigt,, und wir müssen sie reinigen." Er grüßte und lehrte in das Boot zurück. Der alte Bonzo aber zögerte noch einen Augenblick, um Paul ein paar Worte zuzuflüstern. „Heute Morgen waren zwei fangene im Fort, mein Sohn", sagte er, dem Hauptmann freundlich feine Hand auf die Schulter legend, „zwei Gefangene", wiederholte er, „aber ei ner ist freigelassen." „Sie meinen, Herr Oberst —" „Daß das Mädchen gestern Abend bewacht wurde, und daß die Aussage, die Sie soeben gemacht haben, Ihr Leben rettete." Er verließ das Zimmer, um dem General zu folgen, Paul aber blieb noch lange an dem Tische stehen, wo er die furchtbaren Worte gegen Marian ne gesprochen hatte. „Sie wird niemals mehr an mich glauben", dacht« er verzweifelnd, „ich habe ihre Liebe für immer verloren!" 3. Zwanzig Tage später. Nach den ersten Tagen des März ließ endlich die scharfe Kälte nach und machte einer milderen Witterung Platz. Eine le'chte Brise folgte aus den verwüstenden Wind, die Bäume begannen allmählich auszuschlagen, und schon zeigte sich wieder etwas Gras. Das Eis war vom Meer ver schwunden und die Schisssahrt hatte wieder begonnen. Auch Marianne, die schlaflos lange Nächte in ihrem Ker ker in Fort Alexander zubrachte,^hatte Wasser rauschten und brüllten und schlugen schwer gegen die granitenen Wälle der Festung. Auch ein sreundli cher Sonnenstrahl si-l ab und zu durch die vergitterten Fenster und ließ den Raum etwas weniger abschreckend er scheinen. Marianne ersehnte diese Stunden, obwohl sie sie imme" traurig stimmten. Sie hatte sich zwar an ihre Umgebung und an Entbehrung und Leiden gewöhnt, sie hatte sich sogar da mit vertraut gemacht, für ihre Thaten büßen zu müssen; aber der Gedanle, daß sie nie wieder des kleinen Richards Stimme hören, und daß er nun in je der Beziehung von fremden Leuten ab hängig sein würde, brachte sie säst uin den Verstand und ließ ihr Herz m Sehnsucht nach der englischen Heimath sich verzehren. Sie war jetzt zwanzig Tage im Kerker, und mit Entsetzen dachte sie daran, wie es wohl werden würde, wenn sie diese Sehnsucht chr ganzes Leben lang mit sich umhertra gen sollte. Wenige Leute hatten sie während dieser ersten Tage besuch'. Man hatte ihr eine Frau aus dem Hause des Gouverneurs gesandt, welche die Auf wartung besorgt-, und ein oder zwei Mal hatte sie auch den Sergeanten ge sehen, obgleich «r niemals mit ihr re dete; aber der alte Bonzo kam fast je den Tag und versprach immer das jtlb«. für zu belohnen wissen." „Ich habe leine Mitschuldigen", antwortete sie stets, „ich habe Ihnen Mehr weiß ich Ihnen nicht'zu sa gen." Bv.zo pflegte dann sehr aufgeregt neu an ihr Dazwischentreten. Sie fiel in Ohnmacht, als sie das Blut fließen sah, aber ihre Antwort an Bonzo blieb dieselbe. „Sie sind Feiglinge hier", sagte sie, „und dazu noch ungeschickt. Sie wes sen die Wahrheit nicht, selbst, wenn Sie sie hören, und Sie haben auch lei wenn ich Sie so sehe. Wenn Sie sich nur selbst sehen könnten, Sie würden Sie zeigte sich wirklich als tapferes Mädchen. Aber wenn die eiserne Thür krachend Rauschen des Meeres zu ihr drang, dann faul sie stöhnend auf die Bett statt, übermannt von dem Bewußtsein ihrer unglücklichen Lage. Wie sie glaubte, besaß sie keinen Freund meqr in der weiten Welt; auch Pau! schien sie vergessen zu haben. Eine Zeit lang zwar lämpste sie diesen Gedanken we der, sie war vernünftig genug, zu über legen, daß vielleicht irgend ein veraor gener Gedanke in feinen Worten lag; aber, als die Tage vergingen und er nicht lam. als leine Botschaft, kein Wort von ihm zu ihr drang, da wanlte auch ihre Liebe, zählte ihn nicht me.,r zu ihren Freunden, sie war jetzt geistig gebrochen. Der Morgen des zwanzigsten Ta ges dämmerte heraus, und ein Son nenstrahl, der in die düstere Zelle siel, machte dieselbe etwas freundlicher. Marianne erwachte, lleidete sich und ging eine Stunde auf den Wa.- sen spazieren was ihr erst drei Mal während der drei Wochen ihrer Ge fangenschaft gestattet worden war. Sie erblickte vor sich die Stadt und war erstaunt darüber, ein wie verän dertes Aussehen die strahlende Sonn allen Gegenständen gab, wie sie leibst die düsteren Baracken wohnlicher und angenehmer erscheinen ließ. Bon ihrem Standpunlte säh sie die vergoldeten Thürme und Thürmchen der Kirchen von Kronstadt, die jetzt wunderbar er glänzten, und die eigenthümlich ge bauten. jetzt aber malerisch erscheinen den Häuser, die dicht gedrängt am Handelshafen standen. Weiter unten bemerkte sie die Docks, wo die stattli chen Rümpsi der Panzer und Kreuzer standen. Reges Leben herrschte dort, wovon auch etwas zu ihr herüber drang. denn sie vernahm den Ton der Hörner, dann wieder das schrille Pfei fen der Dampfmaschinen und den Klang der großen Hämmer im Arse nal. Die Sonne gab allen Dingen einen freundlichen Anschein. Die Mündungen der großen Kanonen, die aus den mächtigen Festungswerken der Insel hervorragten, waren wie inGold getaucht, die Metalltheile der Schisse erschienen wie Feuermeere. die See rollte rauchend, funkelnd und glänzend über die silberschiminernden Sand bänke. Entzückt und doch wiever tief traurig blickte Marianne auf das herr liche Bild dort zu ihren Füßen, denn es war für sie ein Sinnbild alles des sen, was sie verloren hatte. Die herr liche Natur ließ sie furchtbar ihre Un freiheit empfinden, und erregte in ihr den glühenden Wunsch nach Freiheit, eine Sehnsucht, die für den Gesange nen die furchtbarste Strafe ist. Ueber all sah sie Leben und Arbeit und die Freude am Dasein, nur sie allein durste leinen Theil daran haben. (Fortsetzung folgt.) Darum. Richter (zum Dieb): „Warum stahlen Sie so viel Obst?" Dieb: .Ich bin Vegetarianer!" Für die Küche. Spargelsuppe mit Schwe ,n m I I ö ß ch e n. Man iii drei Viertel Zoll länge Stücke, kocht sie in Wasser oder leichter Fleischbrühe weich, verdickt die Suppe mit einer gelben Mehlschwitze, würzt sie mit ein ivenig gehackter Petersilie und richtet sie mit Schwemmklößchen an. Kalbsgekröfe. Alles mit Ausnahme der Leber wird gar gelocht in Wasser, welchen, Salz, ganzer Pfef fer, ganze Nelken, I—2 Lorbeerblät ter und I—2 Zwiebeln zugesetzt wur den. Wenn dies gar ist, wird ein Kochlöffel Mehl in Butter mittelbraun geröstet, mit der vorstehenden Brühe (durchgeseiht) aufgefüllt und dann nach Gewürz geschmeckt, es muß recht m»s" inachen, so hacke man das Ge kröse (doch nicht allzufein) und gebe es dazu. Will man es lieber als Ra gout scrviren, so schneide man es in Würi-l von ungefähr einem Kubikzoll Größe. Grüne Erbsen mit ge backenen Hähnchen (Wiener Backhändl). Man zerlasse ein gute? Stück Butter in einer flachen Kasse rolle, thue die Erbsen hinein, stäube ein wenig Mehl darüber und lasse sie so gar werden, indem man die Kasse rolle bisweilen schüttelt; meistens ge gieße man ein ivenig Wasser zu ' und gebe zuletzt fein geschnittene Netersilie und ein paar Eßlöffel sauren Rahm Wiener Backhändl. Die Hähnchen oder Hühnchen müssen sechs bis acht Wochen alt und recht fleischig sein, wenn sie gehörig gereinigt diese gebacken ist, in das noch stärker erhitzje Ichmalz eine starke Handvoll Petersilie, welche man auch ganz sprö de blickt, über ein Tuch legt, mit seinem Salz bestreut und aus die gehäuft an gerichteten Hähnchen gibt. Kalbfleisch oder Schöp senfleisch in Meerrettich. Man kocht das Fleisch, das vom Rü ckenstück oder der Keule sein kann, mit Wurzelwerk und Zwiebeln gar und benutzt die Brühe zur Suppe. Dann läßt man das sauber geschnittene Fleisch auf einem Siebe abtropfen, richtet es auf einer Schüssel an und begießt es mit der nachfolgenden lo chenden Sauce: Man reibt Meerrettich («ine kleine Stange auf zwei Pfund Fleisch) und rührt ihn mit so viel gu ter Milch und einem Stückchen Butte? auf dem Feuer ab. daß es eine seimige Sauce gibt, an die man einen halben Theelöffel voll Mehl stäubt, sie zwei mal auflochen läßt, wobei man öfters umrührt und sodann servirt. Pain von Kalbfleisch. -« Pfund Kalbfleisch aus der Keule treibt schine und thut 3 ganze Eier, etwas- Butter und in Milch gtweichte Sem mel, sowie gehörig Zwiebeln hinein. Will man es sehr fein haben, so stößt man die Masse auch noch im Mörser, jedenfalls aber muß sie sehr gut ge mischt werden, so daß sie wie ein seiner- Teig wird. Dann wird das Ganze, nachdem man. falls man will, noch ge» schälte Pistazien eingenäht und in Wasser, mit Salz und Wurzelwert gar gelocht. Man läßt den Pain in der Leinwand erkalten und reicht ihn dann als Aufschnitt, am besten mit roth und gelb gefärbtem Aspik garnirt. So gibt er eine äußerst feine Schüssel. Schinken in Roth wein. Der Schinken wird 12 Stunden lanz eingewässert, dann in kochendem Was ser angesetzt und sehr weich gekocht. Dann nimmt man ihn heraus, legt ihn in eine Bratpfanne und bratet ihn schöpften Fett, indem man nach und nach eine ganze fslasche Rothwein an gießt und den Schinken fleißig be schöpst. Wenn er in die Pfanne kommt, wird die Schwarte abgeschnit ten und dafür der Schinken mit Zucker bestreut. Wenn sich die Rinde det Schinkens schon etwas gebräunt hat. wird er nochmals mit Zucker bestreut, dann weiter gebraten und fleißig b:- gossen, bis er ordentlich braun ist. Dann legt man ihn auf die Schüssel, lockt die Sauce mit etwas in Wasser verquirltem Kartoffelmehl los und reicht sie zum Schinlen, doch wird auch ein Theil derselben über den zierlich geschnittenem und in seine alte Form gebrachten Svnten angerichtet. Dazu Maccaroni, gleicirte Kartoffeln, Ma sung?" A.: „Von Niemand; aber die zehn Mark will ich damit fortschi cken." , . , , , 3
Significant historical Pennsylvania newspapers