2 Der Wolf. Ein Märchen von Rcnc Bazin. j? Es war einmal ein großer Wald und in diesem Walde ein Schloß und auf dem Schlosse wehte, so Tag wie Nacht, eine stolze, weithin sichtbare Fahne, und auf den Mauern standen bewaffnete Mannen Wache, und die Maltosen dort auf dem Meere sahen deren Waffen gleißen und glitzern. In dem Schlosse aber wohnte eine ganz wunderschöne Maid mit goldi gem Haar: Isolde. Und allüberall, wo man diesen Namen nannte, war er mit heißen Segenswünschen ver eint. Isolde war nämlich ebenso schön als gut. Sie einte die Schönheit des Ant litzes mit der Schönheit des Herzens. .Die Thiere folgten ihr, um sie zu se hen, die Atmen vergaßen ihr Elend, wenn sie Jsoldens Lächeln sahen. Ein kleiner Wolf, der allmälig groß ge worden war, folgte ihr auf Schritt und Tritt, und wenn die fchöne Isolde zur Kapelle emporstieg, um zu beten, gesellte sich stets der Wolf zu ihr und kauerte sich ihr zu Füßen. Dort, in jener Kapelle, vermählte die schöne Isolde sich mit Ritter Alain. Sie schwuren einander ewige Treue und nahmen das Meer, den Wald und den Wolf als Zeugen dieses Schwures.' Das ganze Land war des Jubels voll, und als man die goldenen Ringe Jsoldens und ihres Gatten Finger ssah. da freuten sich alle die Armen und Elenden, daß zwei goldene Her fen sich für's Leben gefunden hatten und glücklich sein sollten, wie sie's ver dienten. ! Da eines Tages mußte der Ritter Hinaus in den Krieg, und vom Söller Zbes Schlosses wehte ein weißerSchleier shm lange, lange den Abschiedsgruß nach, so lange, als das Schiff sichtbar blieb, das den Ritter entführte. Und Conan, der Bandit, nützte die Zeit aus und drang, als Pilger verkleidet, 5n das Schloß ein und öffnete dieses sseinen Gesellen. Was er wollte, war aber nicht die Fahne des Feindes, nicht dessen Schloß, micht dessen Schätze und Reichthum, nicht dessen Herrschaft, sondern Isolde. . Isolde aber floh. Sie floh den Berg hinan, ohne sich nach dem brennenden Schloß umzuse hen. hin zur Kapelle, dort, mitten im Walde. Drei Männer warfen sich dort auf sie, als sie, über ein Wurzel zeäst strauchelnd, zu Boden siel. Der Wolf aber sprang die Räuber an und schlug sie in die Flucht. Diese legten ihre Bogen an und schössen ihre Meile ab. Ein Todesfchrei ward ge hört und Isolde lag todwund in «ihrem Blute aus den Stufen der Ka velle. In diesem Augenblicke eilte der Ritter Alain, der wieder gelandet war, hoch zu Rosse herbei, und oh, welch' ein Blutbad richtete er unter den Räubern an! Und nun Du, mein Rabe, der Du zu jener Zeit vorübergeflogen und Alles gesehen, erzähle, was weiter ge „Jch habe den Kreuzweg vom Blute geröthet gesehen; ich habe den Leich nam eines schönen Weibes auf den Fliesen der Kapelle gesehen, das Herz von einem Pfeil durchschossen und das Blut langsam aus der Wunde hervor sickernd. Ich habe einen Wolf gesehen, cher zähnefletschend und blutgeifernd auf drei Leichnamen lag, ich habe ei nen Ritter gesehen, der sich, verzweif lungsvoll weinend, über den Leichnam -des todten, herrlichen Weibes hin warf." Und nun Du. mein Rabe,'der Du auch ferner vorüberflogst und Alles gesehen, erzähle, was weiter geschehen? „Ich sah einen Schmerz enden, der ewig hätte dauern müssen, ich sah ein anderes junges Weib an des Ritters Seite in das Schloß einziehen, von welchem das Banner flatternd Herab wehte, ich sah die Kapelle von den Menschen allen vergessen und verlas sen. Ich sah einen Wolf, der trotz der Jahre treu geblieben ist und das Grab seiner todten Herrin bewacht, und der und der stöhnt; und wenn ein Fremder dem Grabe sich naht, die Mhne fletscht und Niemanden zu läßt." i Und nun Du. mein Rabe, der Du vorüberflogst und Alles gesehen, er zählt, was weiter geschehen? „Ich habe einen Ritter auf dem Söller gesehen, der sein neues Lieb gar innig umschlang, und habe einen grauen Wolf gesehen, der auf dem Grabe seiner Herrin sein Leben geen- Zdet." Genug, genug, Du mein Rabe, Du Hast zu viel gesehen, zu viel Borsichtig. Oberförster: »Aber Herr Baron, warum haben Sie denn nicht auf den Eber geschossen; «schießen zu können?" Baron: haißt, nicht nahe genug? Nahe genug war ich schon, aber nicht weil genug, da werd' ich mer hüten und schie ben!" Prüde. Frau A.: „Sagen Sie. verehrte Freundin, Sie sind nun 76 Jahre alt und haben sich in diesem hohen Alter noch verheirathet?" Frau B.: „Ja, sehen Sie, das hat seinen guten Grund; mein jetziger Mann/ den ich vor vier Wochen geheirathet habe, kam immer so viel zu mir und hatte ich schließlich Angst, die Lvite Limiten darüber reden." 5 Letzter Trumpf. Fräu lein: „Ein für alle Mal, lassen Sie mich in Ruhe mit Ihren Erklärungen, mein Herr. Ich will nicht Ihre Frau werden. Geck: „Warten Sie nur, mein Fräulein, bis mein neuer Paris-«' Anzug kommt; da werden Sie ander« . . Die spanische Arau. »unst, eine ganze Legende gebildet. Die Dichter, die Schriftsteller, die Musiker besonders die französischen haben aus der spanischen Frau ein glühendes und leidenschaftliches We sen, etwas ganz specisischßomantisches gemacht: die wilde „Gitana" oder die capriciöse große Dame, die mit den Trocadors vertraut ist. Es i»t wohl an der Zeit, ein weniger pitoreskes, aber treueres Porträt zu zeichnen. Ich will versuchen, die wahre Physiogno mie einer Frau zu schildern, die in der Geschichte hervorgetreten ist und hohe und ernste Eigenschaften besitzt, aber freilich nur in Ausnahmefällen das sonderbare und feurige Seelenleben zeigt, das man ihr zugeschrieben hat — zugeschrieben hat auf den Credit von Romandichtern, die nach ei ner exotischen Poesie ganz aus Flitter und Rauschgold suchten. Erinnern wir uns zunächst daran, daß Spanien von sehr verschiedenen Rassen (unter denen man selbst einige, die nicht zu den Ariern gehören, nen nen könnte) bevölkert und bewohnt wurde. Die Verschiedenheit der Ras sen und der Gegenden, die allmählig die spanische Nationalität gebildet ha ben, mußte nothwendigerweise die Verschiedenheit der weiblichen Typen in physischer und moralischer Hinsicht zur Folge haben. Wir sprechen hier gar nicht von den Süd-Amerikanerin nen, die der spanischen Rasse angehö ren, und selbst nicht einmal von den Creolinnen unserer Antillen; wir be schränken uns auf die Halbinsel und stellen fest, daß es da mindestens ein Dutzend spanischer Frauentypen giebt, die, einiger gemeinsamer Züge unge achtet, ganz verschieden, ja einander entgegengesetzt sind. Es ist schwer, sich einen frappanteren Gegensatz vor zustellen, als den zwischen der südspa nischen Frau und der aus dem Norden oder Nordwesten. Bei der ersteren merkt man sofort das maurische Blut, manchmal findet man sogar den reinen Charakter der semitischen Rasse; bei der anderen beobachtet man das Fort leben der iberischen, germanischen und celtischen Elemente. Die Frau des Südens hat «inen braunen Teint, schlanke Taille, schwarzes Auge, ge wölbten Fuß; die des Nordens ist oft blond oder rothhaarig, weiß, frisch, kräftig, sie liebt die Arbeit und Spar samkeit, während die Südländerin mehr indolent ist und gern nach arabi scher Sitte eingesperrt leben würde. Nirgends, im Norden wie im Süden, würde man so leicht viele Exemplare der Frau mit dem brennenden Herzen, lungen finden. Die Frauen, die aus Liebe oder Eifersucht Verbrecherinnen werden, sind in Spa- Mann, der mit dem Mtsser spielt. nal, daß die Criminalität der spani schen Frau im Verhältniß zu der des Mannes wie 2:20 steht. Die Frau sam, besonders in den Ackerbau trei benden Gegenden des Nordens; in Galizien z. B. verrichtet sie die Feldar beiten zusammen mit dem Manne und manchmal ersetzt sie ihn, wenn die Au swanderung diese Gegenden entvölkert. Trotz des Kräfteverbrauchs, den diese harten Arbeiten erfordern, ist die Frau aus dem Volte sehr nüchtern, sie weiß schnitt ein höheres Lebensalter als der Mann. Sie ist, besonders im Nor den, sehr fruchtbar; Häuser mit zwölf Kindern sind nichts Außergewöhn liches. Die Stellung der spanischen Frau als Mutter und ihre Bedeutung darauf aufmerksam gemacht, wie leicht es sei, das spanische Publikum in Be wegung zu versetzen, wenn man die Saite des Muttergefiihls berührt. Sohnes zur Mutter. Wenn der Lie- Frau betrifft, so ist sie, wie die Jtalie tcllectuell höher stand als heute. Im T-L-A Kcutzsi-et ist di« spanische Frau zweifellos gut katho lisch, aber wir haben nicht mehr dies« hervorragenden Frauen: Theologin nen, Ekstatilerinnen, Seherinnen, die der Heilige Geist besucht? ja wenn sie aufträten, würden sie mit äußerstem Mißtrauen betrachtet werden. Der Luxus gehört nicht zu den Feh lern der spanischen Frau. Wenig Raffinement, «ielmehr eine gewisse Coketterie, das Bedürfniß fein chaus sirt zu sein und eine frische Toilette zu haben. Der Mangel an künstleri scher Bildung trägt wahrscheinlich zur Verringerung ihrer Bedürfnisse bei. Sie liebt ein schönes Kleid, einen Schmuck, einen Schuh, der ihren Fuß recht vortheilhaft zur Geltung bringt, aber sie träumt nicht von Gemälden, Möbeln, Spitzen, Equipagen, Bibe lots, von glänzenden Gärten und die ser Wäsche, die Tausende von Francs kostet: sie wird vergnügt ihre Olla potrida essen, Wasser trinken und in sehr bescheidenen Betten schlafen. In Spanien ist es nicht der Luxus der Frauen, der die großen fürstlichen Fa milien ruinirt hat. Ich habe bemerkt, daß die alten Jungfern und die Witt wen in Spanien von sehr wenig leben, Ersparnisse machen und manchmal das von den Männern zerrüttete Ver mögen wiederherstellen. Die Spanierin besitzt eine lebhafte Intelligenz und eine Begabung, die sie in zahlreichen Fällen bewiesen hat; aber im Punkte der Erziehung ist sie sehr zurückgeblieben. Spanien muß zu den Nationen gezählt werden, die es geradezu als Dogma aufgestellt haben, daß die Frau unwissend bleibe. Ob gleich gesetzlich berechtigt, an allen Universitäts - Kursen theilzunehmen, hat das junge Mädchen doch von die ser Berechtigung keinen Vortheil. Die herrschenden Ideen über die Mission und die Stellung der Frau, die alte, in unseren Sitten fortlebende arabische Eifersucht widersetzen sich der Erwer bung ausreichender Bildung durch die jungen Mädchen. Eigenartig ist die Thatsache, daß in unserem kleinen Nachbarlande Portugal der Unterricht der Frauen unendlich größere Fort schritte gemacht hat als in Spanien: während wir nur einen weiblichen Arzt haben, giebt es in Portugal min destens sechszehn, die diese Kunst aus üben. Was man an Bildung und Kennt nissen für die jungenMädchen als aus reichend und angemessen betrachtet, das ist sehr wenig. Bei denen aus dem Bolke etwas Lesen und Schreiben Gott weiß, wie! In den bürgerli chen Klassen die Grammatik, der Ka techismus, Zeichnen, Geographie, Piano, kleine Nadelarbeiten allen falls eine oder zwei Sprachen, die man jämmerlich genug stottern lernt. In den hohen Klassen, bei den sehr reichen Familien, macht man die lebenden n,!»«", aber das ist auch Alles: andere Kenntnisse sind den jungen Mädchen verboten. Der Unterricht beschränkt sich auf die Mädchen von B—ls Jah- Mädchen überhaupt nichts mehr, sie ist jetzt reif zur Ehe. Findet sich der sehnlichst erwartete Freier nicht, so hält man die Existenz des Mädchens für verfehlt. Selbst zugegeben, daß der einzige Man wird schwerlich anderswo als in Spanien so leidenschaftliche Liebhaber und so gelangweilte und kühle Ehe nimmt. Diesen schweren Fehler der spanischen Gesellschaft, die Vorurtheile der Eltern u. f. w. müssen dabei in Musik, der Malerei, der Politik ehren ein: sie hütet nicht mehr das Haus, um ihre Spindel zu drehen, aber sie ist. auch noch nicht zum Bewußtsein ihrer Rechte gekommen. Die kleine Hettenvorn. Von i!l>. Zoellcr-Lionheart. Wir hatten den Kameraden zuGrabe getragen. Mit klingendem Spiel zog die Regimentsmusit von dem Garni sontirchhos in der Hasenhaide ab. Wir, die wir nicht zumßegiment ge hörten und dem Freunde die letzte Eh re freiwillig erzeigten, schüttelten uns jetzt zum Abschied die Hände. Einige der Officiere bestiegen die harrenden Wagen, andere zogen truppweise den Pferdebahnen entgegen. Freund Waldow hakte vertraulich seinen Arm in meinm. „Hast Du Zeit, alter Junge?" Als wenn ein Osficier, der eben den Dienst quittirt, keine hätte! „Zu viel," sagte ich mit einem schweren Athem- Zug „Na, dann laß uns zu Fuß gehen, willst du? Könnten uns bei der Gele genheit auch mal Berlin von der Kehr seite anschaute, die wir im Westen nicht zu sehen bekommen." Ich war einverstanden. Wir schritten eine Weile an den dunklen, ernsten Tannen auf weißleuchtendem Sande hin, hörten von den Schieß ständen das dumpfe Knallen, sahen die Kinder des Volkes sich von den Sand- Hügeln kollern, spendeten einem„P»nn bruder" mit rother Schnapsnase, Bal lonmütze im Nacken und Wollenshawl dreifach um den schmutzigen Hals ge wickelt, unsern Obolus. Dann durch querten wir eine der Seitenstraßen und gelangten planlos an die schatten de Allee des Canals. „Maibachufer" las ich ab. Wie der Name zu dem lauen F»ühlingstage träumerischen vermischt mit dem narkotisch süßen Dust der blühenden Akazien. Wie Kerzenpyramiden stan den die rothbbliithigen Kastanien zwi schen den saftgrünen Blättern. Sonst hatte die Gegend mit ihren Schutt- und Steinplätzen, dem trägfließenden, schmutzig - grauen Wasser nichts Ver lockendes. Aber sie war menschenver lassen und gab zweien, die sich seit Jahrzehnten nicht gesprochen, Gelegen heit, sich ruhig auszuplaudern. Waldow fragte nach diesem und je nem, der mit uns im Lebensmai Zim mertamerad auf der Kriegsschule ge wesen. Einen hatten wir just zu Grabe getragen. Drei machten Carriere. Von dem kleinen Feldau wußte ich nichts. „Aber ich," lachte Waldow. „Wir „Schneidiges Kerlchen!" sagte ich. „Hm. Meine Frau wollte nicht von einem Umgang wissen. Die Feldaus dern aber riesig mit seinemChik, Wein keller und künstlerisch stilvollen Ein richtung." „Heirathete ja wohl damals die klei ne Tettenborn, das bildhübsche Ra dieschen mit der Viertelmillion?"- „Richtig. Schlug alle Concurrenz glänzend aus dem Felde mittelst seines nadelspitzen Riesenschnurrbart/s und dicken, seligen Schwiegerpapas, der als fliegender Wursthiindler seine Mili tärlieferantenlaufbahn begonnen ha, ben sollte. Hat ganz recht d«- ran gethan. Die kleine Tettenborn war zum Anbeißen niedlich, ganz wil lenlos, und fügsam wie ein Kind. Und ein Kind an Jahren und Unerfahren heit war sie in der That noch, als er die kleine Waise frisch aus der Pension weg heirathete und ... Mein Himmel, was ist das?" Wir waren bis zu einer Brücke ge langt, auf welcher ein dicht zusammen gedrängter VoltshausFi: Arbeiter, Frauen mit Umschlagtüchern, Kinder in Pantinen, über das uns abgekehrte Brückengeländer gebeugt,in das Was ser zu spähen schienen.' Wir drängten uns mitten hindurch und hielten Nach frage. weshalb die Schiffer in dem klei nen Rettungsboot mit Stangen und Haken im trübslüssigen Wasser umher fischten. Ehe noch eine Antwort kam. hatten sie den grausigen Fund gethan. Eine leblose Frau mit zwei Kindern zu sammengeschnürt zerrten sie an die Oberfläche bis ins Boot. Durch die johlende Masse brachen wir uns Bahn an die Ufertreppe, an der schon zwei Schutzleute Posto gefaßt und uns höflich Bescheid thaten. Die Frau habe sich vor ein paarMi nuten, als sie sich unbeobachtet glaub te, mit ihren Kindern da vom kleinen Steg, der zum Spreekahn führe, hin untergestürzt. Ein Junge habe das aber von der Luke des Kahnes mit angesehen und Alarm geschlagen. Der Schiffer und seine Knechte hätten so fort das Rettungsboot bestiegen und nachgesucht. Hoffentlich sei noch Leben Sollte man es wünschen? Wer den dunklen Weg beschreitet, thut ihn nicht gern zurück! In diesem Augenblick landete das Fahrzeug. Die Schiffer trugen ihre Last hinauf. Ganze Fluthen von Was ser strömten aus den Kleidern und Haaren der Unglücklichen. Einen Blick auf die schlaff Hingestreckte, an deren Brust geklammert noch die Kinder la gen, und wir starrten uns tödtlich er schrocken an. Aeffte uns eine Ähnlich keit, oder spiegelte uns das eben Be sprochene nur eine gräßliche Vision vor? Ich blickte angstvoll forschend Waldow an. Er war blaß bis in die Lippen. Und er starrte wieder mich entsetzt an. „Es kann nicht sein," suchte er sich zu überreden. Aber dann beugte er sich kopfschüttelnd doch herab und suHtc, suchte. Und sagte schließlich mit hei serer Stimme: „Sie ist's doch!" Wir überlegten nur eine Minute. Eine Droschke war rasch beschafft, ein Arzt in der Nähe, ein Asyl in derNach barschast. Eine halbe Stunde bangen, qualvol len Ringens um verebbende Menschen leben. Dem Doctor stand der helleSchweiß auf der Stirn, als er uns endlich die Rettung von zweien meldete. „Das ar me Weib", sprach er voll tiesen Mit leids. „Es war ein hartes Stück "Ar beit für nichts. Die Unglückliche klagte zum Herzzerbrechen über ihre Lebens erweckunq. Wenn sie erst weiß, daß das eine arme Wurm dahin ist, wird sie sich gar nicht fassen können. Meine Herren, es giebt Fälle, wo die pflichtgebotene Ausführung unseres Berufes zur Grausamteit werden kann. Ein paar Minuten länger und die arme Frau hätte so schön geruht nach allem Elend und Erdenleid, das sie sicherlich durch gemacht hat." Waldow's Frau suchte sie am fol genden Tage im Krankenhaus auf. Linda's Wesen wirkt wie eine Liebko sung auf kranke Seelen. Alles aufgespeicherte Weh und Leid löste sich auf unter ihrem Zuspruch in Thränen. All ihren Jammer beichtete die Frau der theilnehmenden Schwe sterseele. Es war die alte Geschichte von der Schutzlosigkeit der Frau gegenüber der Pflichtvergessenheit desjenigen, der das freie Verfügungsrecht und die Macht hat über das, was ihr gehört. Lange Jahre hatte sie wie im Halb schlaf sein üppiges Leben getheilt. Dann waren ihr von einem warnenden Freuyd die Augen geöffnet. Ein Herz sich fassend, hatte sie ih rem Gatten Vorstellungen zu machen gewagt: schüchterne Fragen über den Stand ihrer Verhältnisse, die Anlage ihres Vermögens. „Kleine Frau, darum brauchst du dich nicht zu kümmern, das ist nicht Frauensache," hatte er sie gut gelaunt, lachend, leichtherzig abgefertigt. Und sie? Sie hatte sich beruhigt und weiter in den Tag hinein gelebt und genossen. Sie verstand ja auch in der That nichts davon. Kein Mensch hatte sie das ge lehrt, kein Mensch sie je unterwiesen, zu hüten, was ihr und ihrer Kinder war. Dann wurde er in die Residenz ver setzt, und das tolle Leben schlug im mer höhere Wogen bei ihm. Eines Tages brachte er Papiere nach Hause. Mit nervös zitternder Hand tippte er auf eine freie Linie. „Unter legte die Hand auf ihre Schulter. Sie hatte ein Gefühl, als wolle er sie da durch niederdrücken. Wie seine Finger wiederholte er mit Nachdruck, während sie das Schriftstück zu überfliegen suchte. Es waren ihr Hieroglyphen. Je mehr sie einzudringen suchte, desto weniger verstand sie davon. Sie kam sich ganz dumm vor. „Nur den Namen?" fragte sie. „Auch geborene!" trieb er ungedul dig. Sie gehorchte mechanisch. Er riß ihr eilig das Blatt unter der Hand fort, bewegte es gegen den Luftzug, da mit es schnell trocknete, kniffte es und stickte es in die Brusttasche. „Was bedeutet das, Achim?" fragte sie nachdenklich. Er streichelte gönnerhaft ihre Wan ge. „Laß nur, Kind, du verstehst es doch nicht." Und plötzlich, in eiyer jetzt seltenen Zärtlichkeitsanwandlung, beugte er sich nieder und küßte sie.Achim von Felda» war trotz seines sündhaften Leichtsinns eigentlich ein gutmüthiger Mensch. Die kleine Frau that ihm viel leicht in diesem Augenblick leid! Er konnte ja aber nicht anders! Nichts führte zurück. Und dann war er fortgegangen auf Nimmerwiedersehn mit dem Rest ih res Vermögens. Und nicht einmal al lein, sondern mit derjenigen, die ihm so wacker dabei geholfen, das Vermögen seiner armen/schutzlosen Frau durch- Eine kurze Zeit kämpfte die Ehever lassene für die Existenz für ihre Kin der. Die Erfolglosigkeit machte sie muthlos, das wachsende Elend ver zweifelt. Die letzte Zuflucht aller schwachen Naturen, die nicht lange ringen mögen, ward der Schlußact. Nach ihrer Genesung folgte natürlich das gerichtliche Nachspiel. Die Ge schworenen aber hatten Mitleid mit dieser Gebrochenen und sprachen sie frei des fahrlässigen Mordes. Neben mir in meinem kleinen Lan dbaus in Thüringen lebt eine stille, ge beugte Frau unter dem Titel meiner Hausdame, und draußen im Garten hetzt sich ein wilder, achtjähriger Bu be mit meinem Jagdhund. Mattes Roth ist allmählich in das vergrämte Gesicht zurückgekehrt, aber in dm trau rigen Augen steht ein schreckliches Et was: jene unergründliche Schwermuth des Menschen, der schon in die Ewig keit geblickt hat. Erinnerung. Es ist das Herz ein Todtenschrein, Man legt gestorbene Lieb' hinein, Doch wenn der Mond am Himmel geht, Die todte Liebe aufersteht, lind schwebt um dich im blassen Licht, Mit thränenfeuchtem Angesicht. Es gibt Gedanken, die Thaten sind, weil sie wirken. Der Keld der Hrägyeit. Gesellschaft und trank langsam aber sicher ihren kühlenden Mint Julep. Der alte Richter Shotwell, dessen ge rötbetes Gesicht mit Hülfe eines riesi — ein Wetter, wie es höchstens Pete Alle lachten. „Ja, Pete Snooks ..Ich beneide Pete es ist etwas Eelbstgenügsames", sprach wieder der alte Richter, der mit Vorliebe im klas sischen Alterthum mit seinen Gedanken jetzt sein?" frug Sandy Halliwell. „Ich schätze ihn auf circa 70 da bei noch kein graues Haar ein glück der Richter wieder ein. Gleichsam zur Illustration dieser Worte trat im nächsten AugenblickPete Snooks selbst ein. Eigentlich trat er nicht ein „trat" ist ein zu starker Ausdruck. Er schob sich vielmehr lang- Gestalt hatte etwas Weiches, Kindli ches. Das Antlitz leuchtete wie in in nerem Frieden, wie wenn er mit sich Richter Shotwell. dächtig das Schanizimmer und setzte sich dann gemüthlich in die kühle, dunk le Ecke. „Danke, Richter, aber um diese schöne Wärme nach Gebühr zu genießen, muß man nicht trinken," erwiderte Pete dann. Knabe." „Gut der Kameradschaft halber will ich's thun, obwohl mir nichts daran liegt." Pete gab Jim Kelly, dem rührigen Getränkemischer hinter der Bar, einen kleinen Wink mit dem Zeigefinger. Der verstand, und einen Augenblick später stand der Becher mit dem duf tenden Trank vor ihm. Lautlos, im mer die mächtige Nase tief im Gefäß begrabend, nippte Pete dann seinen Mint Julep, wobei bei jedem Schluck ein sonniges Lächeln seine Mienen umspielte. Offenbar trank Pete den Stoff ganz gern, trotz seines anfängli chen Sträubens. Als Pete Snooks endlich mit der Nase den Boden seines Bechers erreicht hatte, erhob er sich wieder ganz lang sam und wandelte, die Gesellschaft mit einem stummen Abschiedsgruß beglllk kend, wieder hinaus in die brütende Nachmittagssonne. „Wer von Euch weiß denn noch, wie sich Pete Snooks einmal die Unsterb lichkeit errungen hat?" frug der alte Richter Shotwell. Kurzes Schweigen. Darauf Al Busbee schüchtern: „Ich glaube, mal was gehört zu haben von der Geschich te. Es ist aber schon lange her und die Einzelheiten sind mir entfallen. Er zählen Sie doch 'mal wie war das eigentlich Richter?" Die Uebrigen stimmten mit ein. „Nun gut," sagte der alte Herr, „es wird ja nichts schaden, Euch jüngere Generation einmal wissen zu lassen, wie Eure Väter lebten. Aber dazu wird's nöthig sein, unsere Gaumen nochmals etwas anzufeuchten Jim, nochmals dieselbe Dosis für die Runde." Jim wartete seines Amtes ,und als das Gewünschte auf dem blanken, po lirten Mahagoni der Bar stand, räus perte sich der alte Richter Shotwell und begann: „Pete Snooks ist der Sohn eines Pflanzers im Black River-Thale und wuchs in Wohlleben auf. Sein Vater starb, als er LS Jahre zählte, und das Besitzthum mit feinen 120 Sklaven ging auf ihn über. Das war Mitte der 50or Jahre. Pete war eine liebens würdige, gastfreie Natur ein rich tiger südlicher Gentleman, gütig und nächsichtig gegen die Nigger und mit stets offener Hand und offenem Haus für seine Freunde und Nachbarn. Aber träge war er, sehr träge—dafür besaß er schon damals eine Reputation im ganzen Eounty. Er war einige Jahre in Richmond auf dem College gewesen, aber gelernt hatte er da, glaube ich, nichts als einige lateinische Citate, die ihm so angeflogen waren. Diese Cita te braucht er heute noch, wenn er sich 'mal recht wohl fühlt. Na, es waren so einige Jahre hingegangen und man sagte, daß die Snooks'sche Plantage stark verschuldet sei. Da brach der Krieg aus. Pete natürlich, als ge treuer Sohn seines Staates, hielt es mit der Konföderation. Die Dinge gingen bergab, wie Ihr ja alle wißt. Die Schwarzen liefen theils davon, theils wurden sie von den Danks in ihre Regimenter gepreßt, und die Ar beit blieb liegen. Die Maisfelder ver wilderten, bis das Unkraut auf ihnen Heirathen war er von je zu träge ge wesen,und so war er auch diesMal al lein, nur vom altenToby, seinem Leib sklaven, begleitet. Alles auf seiner- Plantage lag m rauchendem Schutt und Trümmern, und Pete versuchte, hier ein Unterkommen zu finden. Das hielt aber schwer, weil wir auch nicht böse Zeit damals durchgemacht haben. Arbeiten wollte er nicht konnte er auch nicht —das wäre gegen die Würde eines südlichen Gentlemans gewesen, und der alte Toby war zu gebrechlich, um viel nützen zu können. Um diese Zeit verlor ich Pete eine Weile aus dem, Gesichtskreis. Ich hörte nur, daß der Toby amTyphus gestorben sei und daß es Pete sehr schlecht gehe. Da es aber uns allen damals schlecht ging, s» machte dies keinen Eindruck auf mich. Mittlerweile wurde Pete Snooks ebeir selbst krank, und es hieß, er sei gestor- Mitten durch Main Street bewegte sich der. Vor Billy Boyle's Hotel hielt auf einmal der Zug mit dem Sarge. Was giebt's? frug man. Einer sagte, es sei was los mit dem Sarg. So schien's gestellt. Kein Zweifel Pete mußte Spannung abgehoben. Darauf kam Pete nun zum Vorschein. Er hatte sich der Bequemlichkeit halber auf den El lenbogen gestützt und sah ganz natür lich aus. Ruhig und schweigend mu sterte er die Umherstehenden, sah den blauen Himmel und die Sonne an und frug dann mit leiser Stimme: „Wo bin ich?" Man theilte ihm mit, daß :r sich geraden Weges zum Kirchhof be funden habe. „Sonst nichts Neues?" oerlangte er zu wissen. Nein, sagte man ihm, der Krieg dauert noch im mer an und Lee sei gerade einmal wie der von den Aankees verhauen worden. Meine Plantage noch immer inTrllm mern?" Ja, das sei sie. „Und Toby noch immer todt?" Jawohl. „Na> dann schraubt den Deckel nur wieder zu und setzt das Begräbniß fort," sagte Pete. Sofort aber erhob sich Wider spruch. Pete bemerkte ruhig, daß das Lebendigbegraben nicht so schmerzhaft als Todesart sei,als das Verhungern. Da erhob Billy Boyle seine Stimme und machte die Offerte jeden Tag Pete eine Mahlzeit gratis zu fpendiren. Davon könne er nicht leben,meintePete. Dan McElroy mischte sich hier ein und machte eine zweite Offerte er wolle Pete SO Büschel Mais geben. Sam Blake that desgleichen. Elliot Fitzroy legte noch 2V Büschel zu und Angus Maxwell ebenfalls. Athemlose Stille in der ganzen Menge, ob Pete unter solchen Umständen vielleicht seinen Entschluß ändern werde. Da erhob sich Pete halb auf seinem Lager im Sarge und stellte die Frage: „Soll ich das Korn geschält kriegen?" Nein, sagte man ihm, ungeschält. „Dann nur weiter mit dem Begräbniß," rief Pete mit matter Stimme und legte sich ruhig wieder hin. Es genügt wohl zu constatiren, daß bei dieser Sachlage sich die vier Bethei ligten erboten, auch das Korn zu schä len. worauf Pete gleichmiithig und langsam aus seinem Lager herausstieg und sich sofort nach Billy Boyle's Ho tel verfügte, wo er seine erste Mahlzeit mit großem Appetit verzehrte. Seitdem ist Pete Snooks gebliebe», was er ist ein Gentleman und Phi losoph dem die Stadt die Unannehm lichleiten des Lebens soviel wie irgend möglich aus dem Wege geräumt hat. Das ist nun schon viele Jahre so ge gangen, und vermuthlich wird's noch viele Jahre so gehen. Und aus diesem Grunde, Gentlemen, erhebe ich mein Glas und trinke auf das Wohl von Pete Snooks, dem Helden der Träg beit." Und alle Anwesenden thatenßescheid, während sich Richter Shotwell mit sem rotben Bandanna den Schwaß com Gesicht wischte. DerreckteMann. „Du Maler zugefügt!" Rechtfertigung. Herr: (zum Diener): „Kerl, ich glaube, Du rauchst von meinen Cigarren?" Die as den Feieriazenl" -
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