Revanche! <4. Fortsetzung). Als Viktor um zwei Uhr in der Nacht nach Hause kehrt«, schimmerte ihm von dem dunkeln Teppich seines Tisches ein Papier entgegen. Beim fahlen Mondlicht, das durch das geöff nete Fenster lugte, unterschied er den gedruckten Kopf eines Telegramms. Vermuthlich hatte es Papa dort hinge- ' t t' t sein Herz hämmerte hörbar. Als wenn das Schriftstück da über Leben und Tod zu entscheiden hätte! Jetzt erst zuckte die volle Offenbarung durch liebt«. Seine Hand zitterte heftig und er hatte Muhe, das Streichholz zu «nt ledigung de- Geschäfts erwarbt. Gruß I» gewaltigem Freudenschreck zer knitterte er das Papier in der Hand und preßte es gegen die Brust. Er war außer sich vor Freude. Was soll so eniweibend vor! Und ist sie nicht eine Preußin? So stürmte «r also bis zum Moi- Drunten im Garten durch das Buschwerk flimmerte der Schein eines röthlichen Lichtes: sein Bruder Ar-- ftätige», der an Frankreich begangen wird. Doch Viktor ist zu trunken, zu betäubt vor Seligkeit, um das schie lende Auge zu deuten! Am Abend desselben Tages saß er in dem Kölner Kourierzug, der ihn in die Arme seiner Braut führen sollte. Wie unsäglich langsam diese Kourier nur das Wogen und Pochen der Ge danken, die dem Zuge vorausfliezen, die ungeduldig cm der Klingel eines Frankreich, durch Belgien, nach Deutschland hinein, Grenze ausGrenz: überschreitend. Ah, für Vittor aab es sonnig, unübersehbar in feinem Glanz breitete es sich vor ihnen es war das Glück. Achte! Kapitel. Die Komptoirthüre öffnet sich. Sic ist es man hat sie längst erwartet. Die Gedern halten inne, die Köpfe der Athem des Geschäftes, der den Tag Der Chef des Hauses Zaminet sollte abzustatten pselgt, um ihren Gatten zu begrüßen, sürder nicht gestatten «s wäre zum Vortheil des Geschäftes. Rauschen schwebt ihre schlanke Gestalt Pult schmiedet. " Ein erquickender Hauch der Winterfrische weht daher und ein vornehmer Blumenduft ver breitet sich. Durch den Duft aufgescheucht, flat tern die Gedanken von den Pulten in die Weite «ine Avenue öffnet sich, belebt von funkelnden Karossen, die im rothgoldenen Schein der Abendsonne schenkespendenden Fee im Märchen, theilt Gertrud ihre lächelnden Griiß: aus. Es ist fast eine Eifersucht, wer von den Buchhaltern den freundlichsten Gruß erhält. Nun verschwindet si: hinter der mit Milchglas versehenen Thür, die in's Allerheiligste führt. Und ai-ch «och von dorther wirkt der Zauber. Man hör! den Klang ihrer Stimme: „'» Tag Papa! 'n Tag Vik tor!" Ein fröhliches Gcp!«der zwit- HlUsterton von Pult zu Pult: „Sie wird alle Tage schöner." „Wie sie sich kleidet welcherEhic!" „Sie hat freilich die Erscheinung dazu." „Papa Jaminet ist närrisch mit ihr wollte." Jetzt wirbe'.t ihr lerchensrvhe» La- chen da drinnen auf als wenn man in dem rassinirten Paris solches La chen nie zu hören bekäme! Die sonore Stimme Herrn Viktors und der bie dere Baß oes Chefs gesellen sich dazu. Wer oermag zu arbeiten bei solcher Musik? „Wie glücklich sie sind!" „Und schon drei Monate verheira tet! Ein Wunder...." „Freilich haben sie ein Jahr war ten müssen." „Wäre auch recht erbaulich gewesen, wenn sie mit der Fedsr, die den Frank furter Frieden unterzeichnet hat, zu gleich ihren Kontrakt ausgefertigt hät ten." Diese hämische Bemerkung kam von einem Pult, auf das ein kugelrunder Graukops mit borstigen Haaren tief herabgesenkt war, vom gelben Gaslicht übergösse». Herr Lafosse, der zweite Buchhalter, pflegte von dem Erscheinen der jungen Frau, wodurch das Komp toir so in Alarm versetzt wurde, nie mals Notiz zu nehmen. Er war Junggeselle und haßte die Frauen, diese um so mehr, als sie eine Preußcn war. auf. „Die Schönheit ist international, Herr Lafosse!" „Frauen bleiben aus der Politik, mein' ich." Wenn der nicht zu Gunsten der Prcu ßin ausfällt...." „Madame Schneider ist ganz was Die Glasthür gcht auf „Adieu, Viktor! Adieu, Papa!" urtheile und böse Launen daraus ver scheuchend. Die zwölffenstrige erste Etage, die seit dem Tode der Frau herabgelassenen Jalousien getrauert, während der Ehes und seine Söhne sich mit den Parterreräumen lints vom hergerichtet Auch das Aeußere des alterthümlichen Hauses verkündete die neue Aera, es zeigte statt der schwärzlichen Quadersteine eine lichte und freundliche Farbe, die künstlich delaber standen zu Seiten des Thores bereit, um die Gäste zu kommende» Festen mit frohem Lichterglanz zu be willkommnen. Equipagen hielten oor dem Thorweg, und über den Plüsch teppich der breiten flachstufigen Treppe rauschten elegante Damen empor; überall Erwache», frischkiimendeS Le ben, Freude an dem langentbehrten Sonnenschein. Diese Wahls brachten dem Hause Jaminets unter allen Umständen Glück. In der That hatten die neuen Mül heimer Spezialitiäten einen über alle Erwartung gehenden Erfolg. Herr Ja minet hatte nicht umsonst gedroht, daß wieder aus Preußen herauszieken woll te. Aber es mußte erst Gertrud erschei nen. um das Gold, das aus Deutsch land hereinströmte, mit frohem Glanz zu verkläre». grinste freundlich, aber es war lein heuchlerisches Dienstlächeln. „Zu dienen, Madame! Sie finden Käppchen Über dem Kopf gelüftet hielt. „Joseph, geh doch und öffne Ma dame die Thüre," sagte eine knarrende Körper in die Höhe. „Lassen Sie nur. Herr Mongsnast, bleiben Sie. bitte!" Gertrud nickte dem Armands Laboratorium, das mit ei n«m grellweißen, unheimlich vibriren d-n Schein scharf strahlend das welke Laub der Büsch« und Bäume durch drang und den festgefrorenen Kies des Weges erglitzern ließ. > Längst schon war Armand ihr Be- «ingeladen; kein Falschmünzer lonnie die verbrecherische Stätte seines Wir kens sorgsamer vor fremden Augen hü ten. Sie fühlte die stumme Feindselig keit, die hinter ihres Schwagers er hen Stunde abgewandte Wesen des Krüppels. Sie verzweifelte nicht, ihn zu bekehren nicht für sich, nein zu seinem eigenen Vortheil. Offenbar war te Luft des Laboratoriums nicht zu träglich. Er sah schlecht aus und hüstel te bedenklich. Ei, vertritt sie ihm denn nicht die Stelle der Mama? Hat sie selbst wider seinen Willen? So ent schloß sie sich also, den Adepten einmal selbst aufzusuchen, auf die Gefahr hin, ein abweisendes Wort zu hören. Ihr Klopfen an der Thüre des Lci ihr entgegenschlug. „Wer ist da?" rief eine hohle Stim me. »Ist Herr Armand zu sprechen?" Ihre Augen blinzelten noch halb ge blendet. Vor ihr stand Jemand, der eine schwarze metallene Maske mit „Ah, Madame Viktor!" sagte die rief er mit ein paar heiseren Lachtönen. „Die Maske kleidet mich wohl nicht? Nun, Du meinst, es sei noch Zeit zum „Ich wollte Dir meinen Besuch ab statten, Armand. Ich hätte schon längst kommen sollen. Freilich hättest Du mich wohl einladen können! Puh, wie Rechte vor die Augen. „Holla stopp!" rief der Adept. Die mächtige dunkle Silhouette eines Mannes mit nackten Armen hantirts vor der Gluth. Diese verblaßte sogleich zu einem rothe» bengalischen Licht, erst rechl phantastisch erscheinen ließ. Sie senkte die Hand. Eine kurze Weile blickte Armand sie wie verblüfft an. Das rothe Licht überfluthete ihre Gestalt und brachte die feine Plastik ihres üppig schlanken Körpers mit schier opernhastcin Effekt zur Geltung; das Oval ihres Antlitzes glühte unv die beiden Grübchen in den Wangen lächelten mit fast kindlich treuherzigem Ausdruck. Bei Gott, sie ist reizend die an dern haben recht! Zum erstenmal sah er das; der lächerliche Preußenhaß hatte ihm bisher den Blick verdunkelt. Und man kann ihr nicht grollen ihr nicht! Man muß ihr gut sein! Was kann sie dafür? Sie ssll es nicht bü ßen! Er erstaunte später immer noch, bis zu welchem Grad der Artigkeit er sich an diesem Abend dem Besuch zu Ehren aufgeschwungen hatte. Wie er die Ein richtungen des Ateliers, die Apparate uno Maschinen erklärte, sich wohl zu eingehend in technische Details verir rend; wie er ihr aus allerlei, zumeist naive Fragen, Antwort stand, wie er sogar auf gewisse durch die Situation sich ergebende kleine Scherze einzuge hen nicht verschmähte. Er ist mit Nichten der menschenfresse rische Griesgram, der mürrische Ty rann, dessen Launen sich bisher das ganze HauS zu beugen gewohnt war. Man muh ihn nur zu behandeln wis sen. Und in einem Anflug schelmischen Uebermuths vermaß sie sich sogar, ihn allmählich zu einem erträglichen Ge sellschafter aufzustutzen. „Weißt Du. genau wie die Hexen küche im Faust." meinte sie. „Nur be deutend ordentlicher ich vermisse die Eule und das Skelett. Zitirst Du auch Geister?" „Freundliche Feen sind stets will „Ah!"' Sie erröthete der Gluth zum Troy. und wahrhaftig, auch die gelbliche Blässe seines faltenreichen Greisenge sichtes färbt« sich. Das von ihm! Er macht sogar Komplimente! Und er staunte über die eigene Verwegenheit. „Hast Du schon „Faust" gesehen?" „Ich gche nie ins Theater." „Das solltest Du. Willst Du ein mal mitkommen? Ich hole Dich ab." „Ich habe keine Zeit." „Du solltest aber. Du mußt! Die Lust hier ist nicht gut. Du bedarfst der Zerstreuung. Ich möchte Dich schon in die Kur nehmen! Willst Du?" Wort. Seit dem Tode seiner Mutter hatte er dergleichen nicht gehört. Die andern thun ihm den Willen, weil er kränklich und eigensinnig ist, auch ist ja das Geld dazu da. Wie der Ton ih rer Stimme zu Herzen dringt! Oh, von ihr möchte er sich schon in die Kur neh men lassen! „Aha, der Patentofen! Ich habe so viel davon gehört!" Ihre Augen weideten sich an dem blanken Nickelbeschlag. an dem Glanz der kupfernen Kolben, Ventile unc Nöhrm. „Es kann einer Hausfrau fchonNeid Und während er, mit der Hand zu greifend, ihr die Vortheile des Lado rirofens erläuterte: „Was gibt es denn heute? WaS kocht ihr denn?" fragte sie mit schelmisch blinkenden Zähnchen. Der Gehilf« grinste wohlgefällig über den Scherz. Armand nannte einen fangen lateinischen Namen. „Das muß wunderschön schmecken! Urbrigens wirst Du hsute bei uns speisen. Ich bitte Dich feierlichst, unser Gast zu sein." Er «rschrak fast darüber kannte er doch Jemand, der geschworen hatte, keinen Fuß in die Wohnung d«r Preu ßin zu setzen. Jetzt schämte er sich des Schwurs. Er stotterte eine Ausflucht. „Keine Entschuldigung, lieber Schwager! Ich muß sonst denken, Du hättest «twas gegen mich. Oder hast Du etwa?" Und vor ihren klaren Augen, deren Blick noch inniger Vat, als das Wort von ihren Lippen, wagte er sich nicht zu widersetzen. „Du würdest uns solche Freude ma chen! Nicht wahr. Du kommst?" Er willfahrte dem dargebotenen Händchen mit einem kräftigen Druck ben bedeckten Chemiterhand. O, er hatte sich diese Preußen ganz anders vorgestellt, sie, für deren radi kale Vernichtung der Patentofen dort das Elixir liefern sollte! Viktors und Gertruds Gestalten er schienen unter dem Kelim der Speise zimmerthür. Er hatte seinen Arm zärtlich um ihre Taille gespannt, innig schmiegte sich ihr biegsamer Körper dem seinen an. Jetzt beim Anblick des Die ners, der am Büffet unbeweglich, wie aus Holz geschnitzt, bereit stano, schnellte ihr Köpfchen von seiner Schul ter empor. Ein paar Sekunden lang freute» sich ihre Blicke deS traulichen Raumes. In der Mitte deS mit bronzebrauner Lidertapete bezogenen, mit keramischen Seltenheiten geschmückten Zimmers stand der gedeckte Tisch, blendend weiß, funkelnd unter dem goldigen Licht der Hängelampe. Es war eine der glück lichsten Stunden deS Tages, die si« an diesem Tisch, einander gegenüber sitzend zu verbringen pflegten, während die Sehnsucht ihrer Augen das hübsche Geplauder ihrer Lippen begleitete, uno jede Bewegung,'der Neugier des Die ners zum Trotz, ihre wichtige Bedeu tiing gewann; wie ein schützender, woh pich« und Portleren dämpften so dis tret das Geflüster ihrer Unterhaltung. „Für wen das dritte Kouvert da?" fragte Vittor. Es kam fast unwirsch heraus. Er hatte sich mehr denn j« auf das Tete-a-i«!e gefreut. „Für Armand." » „Wie? Was? Nicht möglich." „Ich habe ihn selbst in seiner Hexen küche aufgesucht. Er hat mir zu kom men versprochen." Viktor wollte es nicht eher glauben, bis er den Eingeladenen leibhaftig ne ben sich sitzen sähe. „Du weißt doch, kleine Frau, daß er sich verschworen hatte —" „Ihr seid alle nicht schlimm! Ihr haßt nur mit Worten. Ich fürcht« euch nicht Niemand!" Schelmisch funkelten ihre Augen: ..Auch Dich nicht, Viktor! Auch Dich nicht!" „Mich so herauszufordern! Warte! Kätzchen Du!" Er sprang auf, nahm das liebliche Köpfchen in beide Hände, und es leicht nach rückwärts biegend, daß die Weiße des Halses sich im'vollen Lichte zeigte, ließ er einen langen Kuß auf ihren sehnsüchtig geöffneten Lippen erglühen. „Herr Armand!" meldete der eintre tend: Diener. „Nun!" rief sie ein silbern klin gender Sington, der den Teppichen und Vortieren zu gut dünkte, als daß sie ihn spurlos verwischt hätten. „Du bist eine Zauberin! Du bist stärker als wir!" Neuntes Kapitel. Das also war Boularöde! Das also der Dichter, dessen Verse Lavaströme bedeuten sollten, der Generalpächter des Patriotismus, der große Märty rer von Anno 1870, der werdende Mann, den der Sonnenglanz von Gairibettas Gunst so effektvoll um strahlte. Gertrud hatte den Dichter noch nicht persönlich kennen gelernt. Das junge Paar hatte dies« erst«» Monat« dem diskreten Glück gelebt; jetzt erst begann es in die Welt zu treten. Aber die Be kanntschaft dieser Modsberiihmtheit würde Gertrud nicht entgehen: er war Hausfreund bei den Schneiders, sie hätte ihn längst dort treffen müssen, wenn er nicht soeben erst von seiner Tournee durch die Provinz heimgekehrt wäre, wo er durch die Deklamation sei ner Gedichte die ersten Revanchefeuer angezündet hatte. Der Name war ihr ja längst bekannt. Es war derselbe Held, von dem ihr da mals in Mülheim der Deserteur Viktor erzählt hatte, der wegen Verdachts des Komplots in der Kasematte gesessen und von dem eS hieß, die Preugen würden ihn erschießen. Das war nicht geschehen Viktor spottete später da zu schießen!" st T s Gßsvll thun, klingelt? Er hat das Pulver vvm Hörensagen gerochen, er hat sich in Se dan kapituliren lassen, er hat zu Ko blenz im Zelt umhergelungert, preußi sche Kartoffelsuppe gegessen und Verse gedr'chselt, das ist Alles. Nun spielt er den großen Mann. Wie müßte Frank- Pflicht gethan." „Du bist auch kein Dichter. Er hat als solcher die Berechtigung, in den frllh:r nichts, wär ein armseliger Com mis-Voyageur, heute hat er sich fchon durch seine Verse sin Vermögen zu sammengeklingtlt. Der versteht's!" offen über seinen ehemaligen Zeltge nossen herzuziehen. Der Mann war in Mode gekommen. In den Zeitungen len, daß das Mieder krachte, uiid um den vollen Mund, dessen Oberlippe ein sehr bemerkbarer dunkler Hauch b«- sen dieser Voüpariserin. Diese hatte sofort ihre Autorität als solche dem harmlosen, un«rfahrenen und oft zum sich in Putz- und Modedingen als Ger truds Beratherin aufzuwerfen, was ihr nicht gelang, denn der natürliche Geschmack der Deutschen kam ihr jedes mal zuvor. Mit gesteigertem Neid sah sie den Einfluß der Deutschen in ihres Vaters Hause wachsen. Welch' ein lä cherliches Wesen sie aus dem Püppchen si« auf den Händen! Wenn sie zu Ja minetS kam, so steckte sie nun immer sichtbarer ihren Chauvinismus auf. Bis zu einem offen herausflammenden Preußenhaß war es zwar noch nicht ge kommen. aber alle Augenblicke zeigten sich ironische Funken, die auf Ger truds Deutschthum lossprühten. ' Gertrud gedachte im guten Gewissen ihrer Unschuld mit der Zeit auch dieser Feindschaft Herrin zu werden. Hatte sie nicht allmählich das ganze Haus er obert? Wodurch? Durch keine andere Kunst, als daß sie da war. „Ich werde mir nachher gleich den Band Gedichte holen lassen," antworte te Gertrud freundlich auf die Frage ihrer Schwäger,» „ich bin sehr neu gierig." „Die Verse sind einfach sublim! Viktor Hugo hat dergleichen nicht ge schrieben! Bei euch (Frau Schneider faßte Worte wie „Deutschland" und „Preußen" nie an, als wären sie etwas Unreines) bei euch liest man viel Ge dichte, nicht?" Es klang halb verächtlich wie: „Ihr !önnt nichts andres!" Gertrud lachte: „Ei durchaus nicht! Papa könnte man damit fortjagen, mein Schwager sähe die Zumuthung als eine Beleidigung an, und Mama liest nur Vers«, die in ihrem Gebetbuchs stehen. Na, und ich selbst bin durchaus nicht so schwärmerisch, als Du denkst." Es war die Auflehnung gegen die Gretchenrolle, die man ihr aufdränge» wollte. Schwärmen und sehnsüchtige Lieder singen und alles Leid wie ein Opferlamm über sich ergchen lassen dazu paßt sie nicht! Sie weiß, es ist ei ne Art Vorposten, auf dem sie steht, da gilt «s die Aug«» wach zu halten. Gut also, sie ließ sich Boularddes „Lieder eines Kriegsgefangenen" kom m«n. „D«ine Schwester hat Recht, sie sind großartig!" sagte sie zu Viktor. „Aber man kann nicht viel davon lesen, man wird schwindelig. Es ist wohl keine Lektüre für uns. Aber ich w«iß, ihr f«id nicht so schlimm! Wsnn die Drohun- Uchten, so würden wir Deutschen >a alle vom Erdboden getilgt." Das also ist Boulart-de! Sie hatte man kann Gott danken, wenn er «in« kleine Deutsche, wie sie ist, nicht gleich bei der ersten Anrede hinunterschluckt. Als sie in die Loge der Schneiders der ausgebreiteten Madame Schneider in effektvoller Pose gegen die Brüstung lehnte. „'n Tag, meine Liebe!" rief Rosa, gönnerisch den Fächer nach der Eintre tenden hinschwingend. „Madame Schaminet!" stellte .Herr Schneider vor (das volle Sch! Dem ar men Elsässer gcrjethen die Konsonan ten wie die Vokale seines abgöttisch ge liebten Französisch glsich schlicht). Und mit einer plumpen Bewegung Zierbengel hin: „Herr Boularöde!" „D«r Dichter!" verbesserte sofort sei ne Frau. „Ein Nam« ist nicht nöthig— Dieser warf mit einer Grimasse der Nasen- und Augenmuskeln das Mo nocle herab und machte seine blasirt nachlässige Verbeugung, ganz nach dem „Pschüt". Ein schmales blondes Ge sicht mit gelichtetem, geckenhaft peinlich frisirtem Haar, trotz f«inem unreifen derkette. nimmt solche Uebertreibung doch nicht ernst? Er glaubt doch nicht «twa, daß ich so dumm f«i, das zu glauben? Und ihre Augen strahlten ihm mit naiver Offenheit ins Gesicht. Wahrhaftig, er wiederholte seine Verbeugung um ein« Nuance tiefer, und sofort stellte sich die schon so oft angewandte Phrase als Stichwort ein: „Welche Ehre. Madame! Gestatten Sie, der aus dem verblüffend tiefen Aus schnitt der bordeauxfarbenen Moir<ie taille leuchtet«, mit den herrlich gemo delten Armen, mit d?m verzehrenden Feuer des dunkeläugigen Blickes, und vor Allem mit dem gluthvollen Tem perament, das jede Schrank« niederzu reißen bereit ist. Daneben die zarte, poetisch keusche Blum«, die aus einem Wald hierherverpflanzt schien und trotz der schwülen Pariser Treibhausluft ih re köstlich«, herzerquickende Frische be wahrt hatt«. Unter demPhraseng«polter, mit dem er seine Landsleute betäubte, vibrirte immer noch eine Spur echter Poeten natur, die sehr wohl im Stande war, sich sitr diese entzückende Offenbarung der reinen unverdorbenen Weiblichkeit zu begeistern. Wie der fein« Hals von dem natur lich gekräuselten und tief herabwu chernden Nackenhaar so kräftig über schattet war das ist zum Anbeißen! Wie reizend der klein« ovale Kops auf diesem Hälschen sitzt es gelüstet ei nen, sich herabzubeugen und den Duft des seidig glänzenden Haares, das of fenbar mit nur wenigen Griffen, jeden Schmuck verschmähend, aufgesteckt ist, mit gierigem Athemzug einzusaugen. Welch «ine niedliche rosafarbene Ohr muschel und die gewisse verlockende Stelle dahinter. Schade, daß sie nicht ausgeschnitten ist! Doch die Spannung deS seidenen Stoffes läßt die vollendete Rundung ihrer Formen ahnen, und die Weiße des aufgestützten Armes ver räth den blendenden Teint, den die Hülle neidisch verbirgt. Fast schämte er sich, die Keusche, Liebliche so mit lüsternen RouMicken zu betasten und zu entkleiden. Gleich kam dem Verzückten der Ko mödiant zu Hilfe; sie ist jung, blüthsn jung, sie ist schön, von einer Schönheit, die ganz aus der Pariser Schablone fällt vor Allem ist sie eine Preußin! Gerade das macht sie doppelt begeh renswerth. Wie pikant, wie paradox: ein Boulart-de. der eine Preußin liebt! Das ist kühn das ist groß artig! Es wird sein« Originalität nur verstärken man muß eben sein« Ef fekt« zu übertrumpfen wissen! Sie wird nicht leicht zu erobern fein! Man sagt, si« liebe ihren Mann - das ist lächerlich« deutsche Art! --Sah, ein Boulari'd« «rreicht alles, was «r will! Und der Dämon des Fanatismus raunte ihm das häßlich« Wort zu: ist das nicht die herrlichste Gelegenheit, Revanche im Detail zu nehmen an dem verhaßten Deutschland, indem er die lieblichste seiner Töchter verführt.... Der Vorhang fiel, dasHaus npplau dirte; Frau Viktor that das mit auf richtiger Herzlichkeit, und während ihr begeistertes Lächeln den Heraustritt der Sänger auf die Bühnenrampe erwarte te, klappte sie die Hände nach Kinderart in schnellem Tempo zusammen. Frau Schneider, die in affektirter Kühle, im absichtlichen Gegensatz zu ihrer Schwägerin, die Hände langsam und unhörbar, nur der Form wegen, zusammenführte, wandt« ihren Kopf rückwärts, um hinter Gertruds Rücken einen Bl'ck ironischen Einoerst'indnif ses, die Deutsche betreffend, mit Bou lar«>de zu wechseln. Doch siehe da, der Blick des Dichters war nicht zu haben! Seine lüstern fun kelnden Augen oerschlangen die Gestalt vor ihm, während seine Hände frene tisch applaudirten; die silberne Kette an seinem Handgelenk klingelte erregl. Was ist das? Nicht möglich! Aber dennoch empfand sie hier im Herzen einen Stich. „Wie gefällt Ihnen Paris, Ma dame?" fragte Boularöde, sich zu Ger trud herabn«igend. Das Ueblickn Gertrud bekam die se Frage ja überall vorgesetzt. „Herrlich! Ganz wundervoll!" Und sie schnellte enthusiastisch empor. In ver That rief jede Ausfahrt ihr von Neuem dies aufrichtige Entzücken wach. "II n'v a qui! liuri»! liaris esl Der arme Schneider, der es noch nicht einmal zur richtigen Aussprache des Anfangbuchstabens von Paris ge bracht! „Setz Dich doch, Jacques!" rief Frau Schneider unwillig. (Fortsetzung folgt.) Aür die Küche. ' Brotsuppemitßackpfla Ir in en. Die Backpflaumen werden am Abend vorher gewaschen und, reich lich mit Wasser bedeckt, ein wenig warm gestellt, ebenso altes Brot. Am nächsten Tage setzt man zunächst die Pflaumen in ihrem Einweichwasser und einem Stückchen Citronenschale auf. Sind die Pflaumen weich, fügt man das Brot hinzu. Bald wird man beide durch ein Sieb schlagen können, kocht sie hierauf noch eine halbe Stunde und süßt nach Belieben. Auch kann man noch ein Glas Weißwein hinzu fügen. Diese Suppe schmeckt gut und ist sehr nahrhaft und kann dieselbe an heißen Sommertagen auch kalt gegessen werden, wo sie sehr erfrischend wirkt. Rundstück vom Kalb auf Husarenart. Das Rundstück wird aus der Keule geschnitten, daß «S etwa 4 Zoll dick ist und in der Mitte nur ein Röhrknochenstück liegt, welches man glatt herauslöst. Eine Büchse Zunge wird geöffnet, die Gallert von der Zunge gelöst und von der Zunge der weniger ansehnlicheTheil in finger dicke Streifen geschnitten, mit denen man das Fleischstück von innen spickt. Die durch Herausnahme des Knoch-ns entstandene Oeffnung wird mit einer guten Kalbfleischfarce gefüllt, das Fleisch nun mit Bindfaden umschnürt, mit Speckplatten und Wurzelscheiben ausgelegte Kasserolle gethan. Es wird mit einigen Nelken, Pfefferkörnern, Fleisch und häuft auf jede Scheibe ab wechselnd einen Theelöffel junger, in Butter gedünsteter Erbsen und kleine Karotten. An der einen Seite häuft man alsdann geröstete, runde Kartof feln, auf der andern kleine, gefüllte Kopfsalathäuptchen an und legt auf das Rundstück in die Mitte hochrothe, gedämpfte Tomaten. Gebratene Küchlein auf polnische Art. Junge Küch lein richtet man vor, füllt sie mit einer Farce, die aus den gewiegten Herzen rührter Butter, einigen Eigelb, dem nöthigen Salz, etwas fein gehackter Petersilie und geriebenem Weißbrot be reitet wird, und dressirt die Küchlein nebeneinander in eine passende Pfanne, begießt sie rasch mehrere Male mit kochendheißer Butter, bestreut sie mit Salz und legt sie in den heißen Ose», um sie dort unter fleißigem Beträufeln mit der Butter in 2V —25 Minuten gar zu braten. Ist dies geschehen, bestreicht man sie mittelst eines Pinsels rasch mit einer Mischung von zerlasse ner Butter und Eigelb, bestreut sie mit Semmelbröseln und stellt sie noch so lange in den Ofen, bis die Kruste eine lichtbraune Farbe zeigt und die Küch lein >»llends gar sind. Man richtet sie auf heißer Platte an, begießt sie mit etwas Jus, entfettet die Tunke, ver kocht sie mit wenig Maismehl, Fleisch brühe und Rahm zu richtiger Beschaf fenheit und reicht si« durchseiht neben her. Zungenragout. Man kocht' die Zunge 3 bis 3j Stunden, zieht si« gleich ab und schneidet sie in finger dicke Scheiben. Dann wird ein Stück Butter mit Mehl gebräunt, mitFleisch briihe abgerührt, Citrone ohne Kern, Nelken, Pfeffer, Salz, nach Belieben Morcheln, Würstchen oder Klößchen und Kapern hineingethan. Die Sauce muß dicklicht und recht kräftig sein, und wird über die heißen Zungen schnitten gegossen. Puffbohnen auf Erfur ter Art und Puffbohnen- Salat. Zwei Quart von den Scho ten befreite Puffbohnen werden in kochendem Salzwasser mit einigen Zwiebelschlotten weich gekocht, daS Wasser rein abgegossen und die Schlot ten entfernt, dann ein Viertel Pfund Speck in Würfel geschnitten, zerlassen, zwei Eßlöffel voll Mehl und ein« klein geschnittene Zwiebel braun rösten las se», dahinein drei Eßlöffel Weinessig und die kurzgekochte Brühe von einem beliebig großen Stück Rauchfleisch zu einer sämigen Sauce gerührt und ko chend über die noch heiße» Puffbohnen gegossen und eine Viertelstunde leicht weiter gekocht. Ebenso geben die Puffbohnen, wie oben angegeben,weich gekocht mit Essig, Oel, Salz, Pfeffer und Zwiebeln, einen Salat von vor züglichem Geschmack. Crö mefchni t t e n. Man koche zuerst einen ganz dicke» von einem Pint Sahne, 3 Unzen Zucker, Vanille, 4 Unzen feinem Mebl und 8 Eiern sehr behutsam unter beständigem Rühren auf gelindem Feuer. Ist oer Crsme etwas abgekühlt, so thue man ihn auf ein mit Mehl bestreutes Back brett und breite ihn einen Finger dick aus. Wenn er ganz erkaltet ist, schneide man ihn in Stücke von einem Finger Länge und drei Finger Breite, wende sie in Mehl, backe sie in heißer Butter gelbbraun und bestreue sie noch warm mit Vanillezucker. Glück im Unglück. Ba ter (entrüstet): Nun hast Du Dich wie- Herumgetrieben, statt nach Hause zu kommen. Sohn: Wie spät ist es beim? Vater (giebt ihm eine Ohrfeig«): E» hat ebei Eins geschlagen! Sohn: Da bin ich froh, daß ich nicht ein« Stunde früher gekommen bin. , , 3
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