2 Stimmungen. lustiger Reim aus der Kindel« lautet: „Mein lieber Bruder Aergerlich Weiß gar nicht, was er will; > Denn was er hat, das will er nicht, > Und was er will, das hat er nicht, / Mein lieber Bruder Aergerlich i Hat alles, was er will." Das singt man mißgelaunten kleinen Querköpfen vor, wenn weder Spiel noch Arbeit ihnen behagt und sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht wis sen, was sie wollen. Könnte das Lieb chen aber nicht auch manchmal bei uns Erwachsenen Anwendung finden? Ver mögen wir uns ganz davon frei zu sprechen, je in solch' einer „Bruder- Uergulich-Stimmung" zu sein? Ob sie aus körperlichem oder geistigem Unbehagen entspringt vorhanden ist sie auch bei dem Besten hin und wieder. Da haben wir einen langen, gemüthli chen, wenn auch einsamen Abend vor «ns, an dem viel zu schaffen wir Mor gens schon beabsichtigen. Der Hausherr muß zu einer Versammlung, die Wil dfänge, die uns den Tag über in Athem gehalten haben, schlafen also Ruhe herrscht im gemüthlichen Wohnzimmer. Aber das seelische Gleichgewicht ist Wodurch wissen wir selbst nicht. Wieviel wollten wir heuteAbend erledigen! Briefe schreiben, nothwen dige Näharbeiten beenden, zuletzt noch ein Buch lesen, das bald seinem Eigen thümer zurückgegeben werden soll pber wir mögen nicht, absolut nicht; Har nichts von alledem, was doch so nothwendig wäre! Briefschreiben? schrecklich! Es ist ja nichts Jnteres- Andere Leute schreiben auch nicht und lassen uns wochenlang warten. Nähen? < — Am späten Abend noch? Nein, ein mal muß der Mensch ruhen. Wann hat eine Hausfrau denn überhaupt Ruhe?! Ein Seufzer folgt dieser in haltsschweren Frage und die Stim mung wird immer düsterev. Nun tleibt die Lectüre. Aber dasWuch ist keine leichte Waare; es fordert das Nachdenken heraus! und Denken? nein, «uch denken mögen wir'eben-nicht! Mißmuthig schweifen die Blicke durch das Zimmer vielleicht ausderSuche «ach der bekannten Fliege an der Wand. Da bleibt das Auge auf dem Kalender heften. Wie. heute schon der »ierzehnte? In zwei Tagen ist einer lieben mütterlichen Freundin Geburts stes Glück fanden. Ehe wir selbst es wissen, sind wir über diesen Gedanken om Schreibtisch. Die Feder fliegt Aber das Papier, und aus dankbarem Worte von selbst. Der erste Bogen ist Erfrischt und angeregt suchen wir jetzt fast nach neuer Thätigkeit. Mit Eifer «nd ohne Seufzer nehmen wir die Näharbeit vor. Die Nadel schafft, und die Gedanken wandern in die Ferne, zu theuren Lieben, zu vergange nen glücklichen Tagen und zurück zum Glück der Gegenwart. So, nun ist auch diese Arbeit fertig; jetzt noch das Buch. Die geistige Spannkraft ist nns wiedergekehrt, wir gehen mit Lust und Interesse an die Lectüre, die uns Won Seite zu Seite mehr fesselt, so daß wir der entfliehenden Zeit nicht achten, bis endlich das Abendläuten in unsere Stille hineintönt und es uns mahnt, daß der Tag ein Ende haben und jetzt die Ruhe folgen soll, der wir nun auch mit Befriedigung nachgehen. Wo aber blieb die Bruder-Aergerlich-Stim muHg? Sie ist verschwunden; in der Arbeit und Pflichterfüllung haben wir sie vergessen. Seaen war auch hier «der Mühe Preis!" " Hinlänglich motivirt. In Sardellendorf ist, wie in allen Ost des den Herren während der Badezeit nntersagt. Eine ältere Dame trifft nun auf ihrem Gang zum Bade den vollendeten Ruhe des Weltweisen: „Ich bin Se nämlich sähre kurzsichtig." Die Tonhöhe. „Wie hastDu Dich gestern in der Gesellschaft unter halten?" „Mäßig." „Wer war der Bassist Tiefhuber." „Was hat Helten." „Und der Bassist?" „Dieselben Dummheiten, blos eineOc tave tiefer." Fatal. „Sagen Sie, Frau Amtsrichter, wie kommen Sie denn zu dieser Menge Chinesen?" „Ach, als ich Hochzeit hatte, war gerade großer Ausverkauf in einem chinesischen Ge schäft! ... Es sind lauter Hochzeits geschenke!" Ein Eisenbahnunglück A.: „Ja, Freund, wie schaust denn Du cus, was ist passirt?" B.: „Eisen bahnunglück erlebt." A.: „Einen Zusammenstoß?" B.: „Nee, fremd« Dame im Tunnel geküßt." Auf Hlmwegen. Fritz Erdmger, der Bursche des Lieutenants von Flemming, saß in Abwesenheit des Letzteren an dessen Schreibtisch und quälte sich mit dem ersten schriftlichen Liebeserguß an die Erkorene seines Herzens. Vor Kur zem erst in den bunten Rock eingeklei det, hatte seine Lisbeth ihm beim Ab schied aus dem heimathlichen Dorfe .Der Henker hole die ganze Schreibe rei!" Er stützte den Kopf in die Hand und starrte auf das Fragment seines ersten Liebesbriefes. Da legte sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter. Fritz fuhr erschreckt empor. „Ach, Sie sind's, Herr Lieutenant!" stotterte er, sich kerzengerade aufstel lend. Lieutenant von Flemming sah ihn erstaunt an und schüttelte den Kopf. „Mensch, was hast Du? Du siehst ja «us, als ob Du die ganze deutsche Ar mee verrathen hättest!" „Ach, Herr Lieutenant verzeihen, daß ich mich hierher gesetzt habe ober meine Lisbeth ich hab' ihr ver sprechen müssen, zu schreiben und nun will mir gar nichts recht Gescheid tes einfallen!" „Du bist ein Narr," lachte der Lieu tenant, „warum schreibst Du Deinen Liebesbrief auf einen solchen Foliobo gen. den Du nicht zum achten Theile mit Deinen Gefühlsergüssen bemalen kannst?" „Ich fand keinen kleineren!" seufzte Fritz. „Laß mal sehen!" gebot sein Herr. Er betrachtete eineWeile kopfschüttelnd das Geschriebene und erklärte dann, es nicht entziffern zu können. „Kannst Du nicht besser schreiben?" Fritz schüttelte trübselig den Kopf. „Kennt Deine Liebste Deine Hand schrift?" „Nein, Herr Lieutenant!" „Ist sie hübsch?" „Ein wahrer Engel und herzens gut!" „Kann ich mir denken! Blond oder schwarz?" „Rabenschwarz, Herr Lieutenant!" „Vielleicht- vom Stamme Israel?" frug dieser mit etwas boshaftem Lä cheln. „Bitte recht sehr, Herr Lieutenant! Ihr Vater —" „Schon gut. mein braver Fritz! Den Stammbaum der Rabenschwarzen will ich Dir schenken. Noch eine Frage: Hat sie Verstand?" „Oh, Herr Lieutenant, meine Lis beth ist zehnmal klüger als ich!" ant wortete Fritz mit Stolz. „Das muß ja ein wahrer Phönix von einem Mädchen sein!" lachte der Lieutenant. „Willst Du, daß ich Dir den Brief aufsetze?" Fritz war außer sich vor Freude; er dankte seinem Herrn, der stets zu sol chen Späßen aufgelegt war, mit stür mischen Worten. „Nun also, was soll ich Deiner Lis beth schreiben?" fragte Lieutenant v. Flemming belustigt, als er den Platz am Schreibtisch eingenommen. »Ja, Herr Lieutenant, wenn ich's nur selbst recht wüßte!" erwiderte Fritz, sich hinter den Obren krauend. „Sie soll um meinetwillen nicht so grämen und ja nicht trank werden. Ich wäre ganz gesund und munter und dächte gar nicht daran, ihr untreu ver Fritz! Sie soll glauben, Du habest den Brief selbst geschrieben." Dem guten Fritz lachte das Herz im Leibe über dieses Auskunftsmittel, während der Officier folgende Zeilen zu Papier brachte: „Theuerste Lisbeth! geschrieben habe. Doch an meiner Liebe darfst Du darum nicht zweifeln. Wo fände ich auch ein Wesen, das Dir gliche? Du bist der Stern, die Krone meines Lebens! Mir geht es hier sehr gut, nur die Sehnsucht nach Dir trübt mir zuweilen die Seele, und weil ich so gar nichts von Dir erfahre. Bald schreibe ich mehr. Lebe wohl, Geliebte, und antworte bald Deinem treuen Fritz Erdinger!" „So, das wäre fertig!" sagte der Lieutenant. „Bist Du zufrieden?" „Oh, tausend Dank!" erwiderte Fritz gerührt. „Das ist mir ganz aus der Seele geschrieben, und ich be greife nicht, daß mir das nicht selbst eingefallen ist. Na, meine Lisbeth wird aber Respect vor mir bekommen und denken: Mein Fritz drückt sich doch schriftlich sehr gut aus! Und besonders die eine Stelle, die wird ihr gefallen von dem Stern und der Krone des Lebens!" Lieutenant von Flemming lachte, und Fritz trug eilig den inhaltsschwe ren Brief zur Post. „Was ist nur mit Dir, Lisbeth?" fragte Fräulein Berghaus, die Besitze rin des Rittergutes D„ ihre Zofe, als diese erst nach dreimaligem Klingeln erschien. „Ach. gnädiges Fräulein, der Fritz hat geschrieben!" Fräulein Verghaus lächelte. „Ei, da muß ich schon Nachsicht Üben. Tie Liebe M .blind und taub machen. Wie geht eS denn Deinem tapferen Fritz?" „Hier ist sein Brief," antwortete Likbeth stolz, „gnädiges Fräulein Fräulein Berghaus nahm das Schreiben und las mit wachsendem Interesse die Zeilen des Soldaten. „Welch' hübsche Handschrift," be gann sie. „Dein Fritz scheint ja ein recht gebildeter junger Mann zu sein!" „Das glaube ich!" erwiderte Lis beth. „Und so bescheiden ist er. An dere prahlen, wenn sie schöne Briefe schreiben können, aber er thut immer, als könne er keine Feder anfassen." „Nun. ich gratulire Dir," sagte Fräulein Berghaus gut gelaunt. „Ich hoffe, daß es ihm auch ferner gut geht, und wenn Euch die Verhältnisse ge statten, zu Heirathen, werde ich für Eure Einrichtung Sorge tragen." Lisbeth schwamm in Wonne; sie küßte ih«er gütigen Gebieterin die und ging dann singend an die Arbeit. Die wenigen Zeilen hatten sie auf ein mal ganz fröhlich gemacht. Am Abend, als Fräulein Berghaus nach der nahen Residenz in's Theater gefahren'war, setzte sie sich hin, um dem Geliebten zu antworten. Ihre Handschrift war recht gut, doch wie sie ihr Gehirn auch abmarterte, es war umsonst: sie vermochte es nicht, die schönen Zeilen in gleicher Weise zu beantworten und in wenigen Worten so viel zu sagen. Sie fühlte wohl, daß sie wenigstens ebenso rührend und poe tisch schreiben müsse als Fritz, wenn sie nicht in seinen Augen verlieren wollte. Ein Blatt Papier nach dem anderen wurde mit einigen Zeilen be schrieben und wieder verworfen, kein einziger Gedanke schien ihr des Gelieb ten würdig zu sein. Aus lauter Kummer über ihren Mißerfolg brach sie schließlich in Thränen aus. So fand Fräulein Berghaus die Verzweifelnde bei ihrer Rückkehr. „Sei ruhig, armes Kind!" sagte sie gütig, als sie Lisbeths Kummer er fahren, „ich werde Dir bei Deiner Antwort helfen." „Ach, gnädiges Fräulein sind zu gütig." rief Lisbeth in freudiger Ueberrafchung. „Schon gut; setze Dich nur wieder hin und schreibe, was ich Dir dictiren werde," gebot diese. Lisbeth setzte sich nieder und ihre Herrin dictirte, wobei um ihre feinen Lippen ein schalkhaftes Lächeln zuckte, Folgendes: „Mein geliebter Fritz! Mit welcher Freude, ja mit welchem Entzücken Deine Zeilen mich erfüllt haben, vermag ich Dir nicht zu schrei ben. Du wirst es mir auch schwerlich nachempfinden, da es Dir möglich war, mein Herz so lange in bitterster Sorge und Ungewißheit z» lassen. Hundert mal sagte ich mir: Der, um den Du Dich grämst, hat Dich treulos verlas sen. O, der Gedanke war mir schreck lich! Nun ist aber Alles gut, Alles ver ziehen, Du gedenkst meiner in alter, treuer Liebe, mehr verlangt mein Herz ja nicht. Doch bis Dein Urlaub Dich zurück in meine Arme führt, schreibe recht bald wieder so schön und zärtlich Deiner Dich treu liebenden Lisbeth." Brief!" rief Lisbeth in höchstem Ent sereins das nicht auch so von sich geben kann?" „Ja, das ist eben das Sonderbare dern der Beste besteht." Abend zur Ruhe ging, legte sie den Brief ihres Geliebten unter ihr Kopf kissen. Mit stolzem Erstaunen las Fritz Erdinger die Antwort seiner Gelieb war, daß er demselben sogar Schiller sche Verse zugetraut haben würde. Triumphirend zeigte er seinem Lieu tenant den Brief. Dieser las ihn und schüttelte überrascht den Kopf. „Ist Dir die Handschrift Deiner Lisbeth bekannt?" frug er zweifelnd. „Wie meine eigene, Herr Lieute nant!" „Sonderbar," fuhr Jener fort, „das Mädchen muß in der That einen nicht gewöhnlichen Grad von Bildung besitzen, wenn sie die Antwort nicht vielleicht einem Briefsteller entlehnt hat." „Meine Lisbeth ist so klug wie ein Professor, Herr Lieutenant," versetzte Fritz gekränkt. „Ihr gnädiges Fräu lein hält große Stücke auf sie." „Mensch, dann bist Du allerdings zu beneiden! Ist das gnädige Fräulein alt?" „Bewahre, sie ist jünger als meine Lisbeth!" „Wahrscheinlich schon verlobt?" „Daß ich nicht wüßte, Herr Lieute nant." „Ach so sie lebt von einer Pen sion, die sie bei der Verheirathung ver liert, was?" „Fällig ihr gar nicht ein!" flachte Lisbeth bebauptet, sie hasse die Män ner und wolle nicht Heirathen." „Eine Emancipirte also? Auf Ehre, interessant! Häßlich wie eine Nachteule —" »Kult" unt:;!i:ch ihn Lieutenant von Flemming laut auflachend, „Du bist ja ein wahrer Don Juan wenn das Deine Lisbeth wüßte!" „Um's Himmelswillen, Herr Lieute nant, sie würde mir die Augen aus kratzen! Es war ja nur Spaß, das gnädige Fräulein denkt ja nicht da ran, ihre Augen auf unsereinen zu werfen —" „Das glaub' ich Dir auch so ob gleich der Geschmack der Weiber zu weilen barock genug ist, wie Figura zeigt: Deine Lisbeth ist ein beredtes Zeugniß einer solchen Verirrung! Hast Du keine Photographie von ihr?" „O ja," lachte der Pfiffige Fritz. „Wollen sie der Herr Lieutenant ein mal sehen?" Lieutenant von Flemming sah nicht das listige Gesicht seines Dieners, als dieser eine Photographie aus seiner Brieftasche nahm und ihm dieselbe „Kerl das ist Deine Lisbeth?" frug der Lieutenant erstaunt beim An blick des reizenden Frauenbildes. »Ist sie nicht hübsch, Herr Lieute nant?" entgegnete Fritz mit treuherzi ger Miene. „Hübsch? Das ist kein Wort da für. Sie ist schön, bezaubernd, hin reißend Kerl! Wie kann sich ein Frauenzimmer von solcher Qualität in Dich verlieben?" „Herr Lieutenant!" „Ach was, Fritz Erdinger! Das kannst Du selbst nicht begreifen, wenn Du ehrlich sein willst!" fuhr der Lieutenant im lebendigsten Eifer fort. „Auf Ehre! Das ist eine Geschmacks verirrung, die kein Vernünftiger gut heißen kann. Ich beneide nein ich bedauere Dich sie wird Dich unglücklich machen. Mensch, was willst Du mit einem solchen Engel be ginnen?" „Na, das ist ja meine Sache, Herr Lieutenant!" erwiderte Fritz, ohne weitere Empfindlichkeit zu verrathen. „Geben Sie mir nur das Bild der Herr Lieutenant könnten sich hinein verlieben." Dieser betrachtete es noch einen Au genblick und gab es dann zögernd dem Soldaten zurück, der es ruhig, ohne es weiter zu beachten, in seine Brief tasche zurücklegte. „Perlen vor die Säue!" brummte der Lieutenant für sich. „Ein solcher Bauernbursche führt diesen Engel heim und ich? es ist rein lächer lich —" Je mehr er sich das Bild des Mäd chens vergegenwärtigte, desto mehr ent flammte es seine Einbildungskraft. Er konnte das süße Antlitz nicht ver gessen und unbemerkt schlich es sich in sein Herz, um nach und nach gänzlich davon Besitz zu nehmen. „Ich glaube, diese Lisbeth hat es mir angethan," meinte er einst in einer Stunde der Selbstpriifung. „Eine Dienstmagd! Pah, wenn das Liebe wäre, möchte ich dem losen Amor die Flügel für immer stutzen!" Nichtsdestoweniger schrieb er die Antwort wieder für den arglosen Fritz, den er sogar verschiedentlich daran mahnte. Die Briefe wurden in der Folge immer glühender und poetischer zensgesühle in die Feder, so daß es zu letzt selbst dem einfältigen Fritz ein wenig zu arg für einen Brief an seine Lisbeth erschien. Auch Lisbeths Erwiderungen wur erlegen. „Die ganze Welt soll Zeuge sein," schrieb Fritz oder vielmehr Lieutenant von Flemming hierauf, „daß ich Dich liebe, daß Du mein bist, Schönste der Schönen!" dem davonbrausenden Zuge tausend Donnerwetter nach. Doch was Hals's? Er mußte gehorchen. Sein Herr aber lächelte triumphi rend. Er wollte Lisbeth zuerst be grüßen und, wenn das Original dem sich seine Gestalt neben der vierschröti gen seines Burschen vergegenwärtigte, mußte er lächeln und hielt den Sieg Gefühle stehen. Wie konnte er, der adelige Garde officier, nach dem Stubenmädchen sich Er wollte sich eiligst zürückzieben. „Schöne Geschichte," dachte er zor nig, „ein Rückzug in bester Form ich räume einer Magd das Feld!" Lisbeths Bild trat verlockend vor ihn hin. „Vielleicht entzaubert mich ihr An blick und dann —" Da kam ihm plötzlich ein guter Ge danke. > „Auf Ehre, das muß gehen!" Er strich sich den Bart, zog die Uni form glatt und stieg ohne Zögern die mit Teppichen belegte Trepve empor. nichts cls s.ch bei Fräulein Berghaus melden lassen und bei ihr für seinen Fritz um die Hand Lisbeths werben. Ein etwas wunderlicher Ge danke. Wenn er aber geglaubt, daß Lis beth «scheinen und ihn anmelden würde, so hatte er sich geirrt. Eine alte, mürrische Köchin musterte ihn mit echaunten Blicken und ging brum mend hinein, um seine Karte abzuge ben. Er mußte ziemlich lange warten, ehe die Alte zurückkehrte und nach der halb offenen Flügelthür deutete. Er trat hinein, durchschritt ein Vorgemach und stand plötzlich vor einer jungen Dame in elegantester Toilette. „Mein gnädiges Fräulein!" begann er, doch im nächsten Augenblicke prallte er zurück und fand vor Erstaunen keine Worte mehr: vor ihm stand das Ori ginal jener Photographie, welche Fritz für das Portrait seiner Lisbeth aus gegeben aber noch tausendmal schö gezeigt hatte. Der sonst so kühne und sattelfeste Officier war verwirrt, um alle Fassung gebracht. Das konnte unmöglich Lisbeth, das mußte Fräu lein Berghaus selbst sein. Diese blickte ihn erst erstaunt, dann ängstlich an und machte eineßewegung nach der Kling»!. Lieutenant von Flemming ermannte sich. „Verzeihen Sie, meine Gnädige!" begann er gefaßter, „ich habe doch die Ehre, vor Fräulein Berghaus zu ste hen ?" „Allerdings, mein Herr. Jedoch —" „Sie besitzen eine Dienerin, gnädi ges Fräulein, Namens Lisbeth —" Fräulein Berghaus blickte ihn wie der ängstlich an und dann abermals nach der Klingel. Sollte sein Bei stand nicht in Ordnung sein? Schade um den bildschönen, jungen Mann! „Besagte Person." fuhr er noch dringender fort, „scheint sich nach Ihnen, mein gnädiges Fräulein, sehr gebildet zu haben. In einer solchen Schule freilich —" „Aber ich bitte Sie, mein Herr," rief die junge Dame mit sichtlicher Angst, „was hat meine Dienerin und ihre Geistesbildung mit Ihrem Besuch zu thun?" „Sehr viel, meine Gnädige. Ich komme, um ihre Hand zu werben —" „Ah —" Fräulein Berghaus wich entsetzt zu rück, sie glaubte jetzt hinlänglich über zeugt zu sein, es mit einem Geistes kranken zu thun zu haben. Der arme Lieutenant wußte in sei ner Aufregung kaum, was er sprach, und kam erst wieder zur Besinnung, als die junge Dame nun wirklich nach der Glocke griff. „O bitte, meine Gnädige, hören Sie mich erst ganz an," bat er mit flehen der Stimme, so daß Fräulein Berg haus die Glocke wieder auf den Tisch stellte. „Nun, mein Herr!" sagte sie. „Ich bitte doch recht sehr, daß Sie zur Sache kommen!" „Ach ja, zur Sache!" Der Lieute nant blickte weg, um nicht auf's Neue durch die Schönheit seines Gegen übers verwirrt zu werden. „Verzei hen Sie meine Aufregung aber das Ungewohnte ich bin hergekommen, um für meinen Bedienten Fritz Er dinger um die Hand Ihrer Dienerin Lisbeth zu werben." Ueber das Gesicht von Fräulein Berghaus flog ein schalkhastesLächeln. Sie hatte offenbar Mühe, ihre Heiter keit zu unterdrücken. „Ah, das also ist des Pudels Kern, Herr Lieutenant!" entgegnete sie. „Welch' außerordentlicher Mensch muß dieser Fritz Erdinger sein, um eine so ehrenvolle Freiwerhung zu verdienen!" „O ja, er ist ein braver Mensch," nickte der Lieutenant mechanisch. „Sehr geistreich —" „Thun Sie ihm nicht Unrecht!" „Wieso? Er ist sicher ein ganz ge bildeter Mann. Ich hatte Gelegenheit, seine Briefe an Lisbeth zu lesen." „Ah so ja freilich! Doch ge gen Lisbeths geistreiche Briefe kommen sie nicht im Entferntesten auf, mein gnädiges Fräulein! Ich war erstaunt über diesen Briefstil bei einer Diene rin!" „Sie haben die Briefe gelesen, Herr Lieutenant?" fragte Fräulein Berg- Haus plötzlich, wie mit Purpur Über gossen. Lieutenant von Flemming blickte sie forschend an —ein Blitz fuhr durch fein blenden. „Ja, meine Gnädige!" versetzte er langsam. „Sie interessirten mich in so hohem Grade, daß ich begierig war, die Briefstellerin kennen zu lernen." „Und deshalb also sind Sie hierher gekommen?" fragte sie ironisch. „Es freut mich. Ihren Wunsch erfüllen zu können, Herr Lieutenant." Rasch ergriff sie die Glocke und ließ sie ertönen. „Meine Gnädige!" stotterte der „Dort ist die Briefstellerin!" fuhr hat eben feierlich um Dein« Hand an gehalten." „Gnädiges Fräulein!" fuhr der anstarrte. „Natürlich für seinen Bedienten Fritz Erdinger," ergänzte sie sich. wo ist er denn geblieben?" „Eine Dienstpflicht hielt ihn zurück," entgegnete der Lieutenant rasch. „Aber morgen Mittag soll er hier sein. Fräulein Berghaus und ich geben Euch l unseren Segen und werden auf Eurer Hochzeit tanzen." „Sie sind sehr kühn im Versprechen, Herr Lieutenant." erwiderte die Ge der ihn schon einige Male so empfind lich getroffen. „Geh' nur wieder, Lisbeth! Es ist gut!" „Haben Sie sonst noch Wünsche, Herr Lieutenant?" frug Fräulein Berghaus, als sie allein waren. „Ja, meine Gnädige!" versetzte die ser, ihren Blick frei und offen erwi dernd. „Ich bitte um die Erlaubniß, Ihnen sagen zu dürfen, daß es mich sehr glücklich macht, in der Verfasserin jener Briefe eine heimliche Stellvertre terin entdeckt zu haben, eine Stellver treterin. die es verstand, mich durch ihren Geist zu fesseln —" „In der That?" lachte sie, wieder leicht erröthend. „Nun wohl, so hoffe ich auch mich entschuldigt, wenn ich den Geist Ihres Dieners in einer anderen Quelle suche, als in seinem eigenen Gehirn." „Zugestanden!" rief Lieutenant von Flemming. „Die schöne Stellvertre terin wird mir zwar niemals verzei hen können, ihre Gedanken und Ge fühle an einen Fritz Erdinger ver schwendet zu haben —" „Während Fritz Erdinger untröst lich sein würde, wenn er entdeckte, daß ein Anderer mit seinen Gefühlen Spott getrieben!" Lieutmant von Flemming war nahe daran, ihr zu Füßen zu fallen und ihr zu schwören, daß er an keinen Spott denke, daß er sie liebe und längst ge liebt habe, allein er beherrschte sich und schlug einen weniger gefährlichen Ton an, und bald hatte er auch den ganzen Zauber feiner Unterhaltungsgabe wie dergefunden. Am nächsten Tage kam Fritz Erdin ger auf Urlaub, von seiner Lisbeth mit offenen Armen empfangen. Als er die wunderlicheGeschichte von seinem Lieutenant erfuhr, machte er ein Pfiffiges Gesicht und lachte wie ein rechter Schelm, doch hütete er sich wohlweislich, seiner Lisbeth zu sagen, daß er eine Photographie des gnädigen Fräuleins, die er ihr früher einmal heimlich ausgeführt, für die ihrige ausgegeben habe in solchen Dingen verstand Lisbeth keinen Spaß. „Hm," sagte er vergnügt zu ihr, „am Ende wird doch noch ein Paar aus den Beiden." „Sie wird nicht so närrisch sein und des Lieutenants Schulden bezah len." versetzte Lisbeth energisch. Fritz schwieg, um ihren Zorn nicht zu reizen. Als er vor Fräulein Berghaus er scheinen mußte, fand er jedoch seine ganze Beredtsamkeit wieder und er zählte der Aufhorchenden so viel Gu tes von seinem Lieutenant, daß Fräu lein Berghaus ihn einen vortrefflichen Diener nannte und ihm einen Posten auf ihrem Rittergute versprach. Lieutenant von Flemming aber be nützte so ausgezeichnet einen erbetenen Urlaub, um sich das Herz der Angebe teten zu erobern, daß die Welt bereits nach vierzehn Tagen mit einer Verlo bungsanzeige überrascht wurde. Geistesgegenwart Der Schulinspector Müller, welcher ein ausgesprochener Feind der sogenannten „Prügelpädagogik" ist, dagegen darauf hält, daß die ihm unterstellten Lehrer ihre Zöglinge mit den Regeln der Ge sundheitspflege bekannt machen, findet eines Tages unangemeldet in eine Dorfschule tretend wie der Lehrer sich anschickt, einen Jungen über's Knie zu legen. Schnell gefaßt wen det sich der Ueberraschte dem Eintre tenden entgegen: „Herr Schulinspek tor sehen mich eben im Begriff, zu dem Capitel praktische Massage Überzu g—Abgeführt. Frau Meier (zu ihrer Freundin): Ja, liebe Freundin, ich bin am 22. April geboren. Herr Meier (der dies mit angehört): Ich dächte, liebes Kind, Du wärest am 1. April geboren. Frau Meier: Ja, wenn man bedenkt, daß ich Dich zum Manne genommen habe, könnte man allerdings auf die Idee kommen! Vorgebeugt. A.: Warum hast Du Dich denn mit Schulz ge zankt,es war doch gar kein Grund vor handen? B.: Ja, ich hatte erfahren, er wollte mich anpumpen, jetzt bin ich thut. Vor Gericht. Richter: Ha dem Mann so Besonderes?" B.: Erklärt. Fremder: „Jetzt bin sen, Frau Wirthin, und nie kann man ein Mittagessen haben! Kochen Sie d:nn nie 'was?" —Wirthin: „A Frem der kommt selten, und wir essen im mer, was Tags vorher übrig bleibt!" Durch dießlume. Feldwe bel (?um Rekruten, der um Urlaub bittet): „Hm, cigenilich sollten Sie noch nicht wieder gehen .... na. in'z Teu felsnamen los! Wenn man sich hier 'mal Schinken kauft, kriegt man ja doch nur amerikanischen!" Schonung» gründ. Dorf polizist (bei einer Rauferei): „Jessas, schlagt's 'n Jockel nit todt er is no' 's ganze Jahr d' Steuern schuldi'!" Zweideutig. Onkel: „Nun. mein lieber Neffe, macht die hehre Wis senschaft auf Dich zuweilen nicht einen überwältigenden Eindruck?" Stu diosus: „O, Onkel, ich bin oft ganz berauscht!",^.. ZNe Eüe und das Geld. Einen heiklen Punlt in der Ehe bil det oft das leidige Geld. Unentbehr lich als materielle Grundlage häusli chen Behagens, kann sein Mangel zur Ursache größten Elends in den Fami lien, seine Ueberfülle aber niemals eins Quelle ihres wahren Glückes werde». Bringt die Frau ihrem Manne em Vermögen oder sogar große Reichthü mer zu, so darf sie sich nichts darauf zu gute thun. Ein edler Mann kann leicht verletzt und abgestoßen werden, wenn sie nicht reicher an Herzensgüte und Liebe als an irdischen Gütern ist. Nie erträgt ein hochfinniger Charakter dos Gefühl der unwürdigen Abhän gigkeit von dem guten Willen seiner Frau, welche dies, wenn sie ein wohlge bildetes Zartgefühl besitzt, auch un möglich wünschen kann. Das eigne Interesse gebietet ihr daher, ihrem Be sitz durch Zartgefühl erhöhten Werth zu geben. Oft werden von Seiten der nur eben wohlhabenden Frau Ansprü che erhoben, als ob das bischen Geld ziehung, wonach die Mädchen den Maßstab des Elternhauses an ihre neuen Verhältnisse legen, ohne der Thatsache, daß sie vielleicht nur den vierten oder sechsten Theil des elterli chen Vermögens besitzen oder erst zu erwarten haben, Rechnung zu tragen. Daraus entstehen natürlich Verlegen heiten und Verwirrungen, die nur zu oft in Mißstimmung und Zwistigkei ten enden und zu ebenso bedenklichen Proben des ehelichen Glückes werden, wie großer Reichthum bei Taktlosig keit. Führt ein reicher Mann ein Mädchen aus bescheidener Lage als Gattin in sein Haus, so ist oft die lichkeit einlebt, bisher ungekannte Be dürfnisse und Genüsse als Nothwen digkeiten betrachten lernt, und trotz der Lebens bekannt zu immer neue Wünsche hegt, deren etwaige Nich terfüllung sofort ihre Unzufriedenheit und üble Laune hervorruft. Be schränkte Naturen gewahren es nicht, wie sie durch ein solches Gebaren viel leicht die Liebe und Achtung des Gat insoweit ein Recht über sich einräumt, als sie damit dem Geschmack und dem Willen des Mannes Genüge leistet. nicht manche Enttäuschung brächte. Sie sahen sich viel in dem Sonntags gewande einer erhöhten Stimmung, indem das Glück ja die meisten, we nigstens die guten Menschen liebens würdiger macht, oder durch das Ver quem, zuletzt, wenn das liebende Auge nicht als ein milder Richter waltet, un erträglich. Da es nicht nur einem, sondern beiden Theilen in der Regel ganz ähnlich ergeht, so ist es gut, wenn jeder daraus gefaßt ist, keinen Engel, zahlt. Es ist unsere Aufgabe, die menschlichen Schwächen zu besiegen. Gegen des Mannes Heftigkeit ist kei neswegs die Empfindlichkeit der Frau, gegen feine Verdrießlichkeit nicht üble Laune, sondern stille Heiterkeit die zu verlässigsten Kampfmittel. Sind die Ehegatten in der ersten Zeit auch un zertrennlich, so wird der Mann doch aufsuchen, ja vielleicht öfter dabei über die Polizeistunde hinaus verweilen. In diesem Falle ist der jungen Frau nur zu rathen, sich bei guter Zeit zur kiuhe zu begeben und die Stunde seiner Heimkehr zu verschlafen, statt dieselbe mit vielleicht bitteren Gefühlen abzu warten und ihm ein überwachtes, von Thränen überströmtes Gesicht zu zei gen. Begrüßt sie ihren Mann dagegen am Morgen mit unveränderter Lie benswürdigkeit, so ist eher zu erwar ten, daß der Sünder in sich geht und beschließt, sein liebes Frauchen nicht so bald wieder auf die Probe zu stellen. Thut er dies aber doch, dann kann die Hausfrau versichert sein, daß er ihr muntere und offenherzige Erzählungen über die stattgehabten Vorfälle geben wird. Ueberhaupt ist es unklug, aus der Liebe eine Kette machen zu wollen. Wer nicht freiwillig in ihren süßen Banden bleibt, wird die Kette schnell genug zerreißen. Glaube doch keine Frau, einen Vortheil für sich daraus zu ziehen, wenn sie ihren Gatten im merwährend zur Seite hat. Sie muß in ihrem eigenen Interesse vielmehr wünschen, daß er durch Beruf, Ge schäfte und geselligen Umgang einen Theil seiner Zeit von ihr fern gehalten werde, damit Abwechselung seinenGeist erfrische, er wird dann um so lieber sein Heim aufsuchen und glücklich kann 1 sich die Frau schätzen, deren Mann bei längerer Abwesenheit vom Hause sein Frauchen mit den Worten be grüßt: „Zu Haus ist es doch am be ' sjen.",
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