Der schwarze Koffer. (4. Fortsetzung.) Harvey schon al! richtig bezeichnet hotte, und aus dieser Mittheilung ging hervor, daß die Verwechselung eine zufällige und keine absichtlich herbeige führte gewesen. Wie wunderlich loch die Wege der Vorsehung zuweilen sind, zu das genügt, und ein kunstvoll entwor fener und sorgfältig ausgefllhrterPlan ist zu Schanden gemacht. Geheimnisses inHLuden zu haben, wäh rend ich in Wirklichkeit der Wahrheit so fern war, als je. Der Eigenthümer deZ KofferS hieß alfoPhilipp. Ich suchte in meinerßrief dem ich die zwei Buchstaben von der Kofferaufschrift „Greenwich nach Southend" nachgebildet hatte, und legte ihn neben den Brief, um das P c-,uf'S Sorgfältigste mit der Unterschrift zu vergleichen. „P", Philipp. Wenn ich die Schriftzüge so ansah, wie sie unmit telbar nebeneinander lagen, hatte ich Philipp des Briefes und das P des Kofferzeitels ein und derselben Hand entstammten. Ich suchte nun auch nach einem großen H und fand eines im Worte „Himmel", ich legte die neben einander. „H"Himmel. Nach liennamen brauchte ich nicht zu suchen; Verfasser deS Briefes hieß Philipp Hardev, der Besitzer des schwarzin Ko ffers war Philipp Harvey, ein naher Verwandter Austin Harveys, und al ler Wahrscheinlichkeit nach der Mörder Wahrhaftig, ich hatte alle Ursache, mit d«n Fortschritten, die ich seit vorge stern gemacht hatte, zufrieben zu sein. DaS Verbrechen war offenbar in der Nacht vom Sonntag auf Montag be gangen worden; Montag Abend halb sieben Uhr hatte ich die erste Kunde oa von erhalten. Jetzt war eS Mittwoch früh; es waren also kaum achtundvier zig Stunden verzengen, seit ich damit in Berührung gekommen war. Damals hatte ich gar nichts gewußt, jetzt kannte ich den Namen d-S Opfers, den Ort der That, viele einzelne Umstände, die un mittelbar daraus hervorgegangen wa nn, und sogar den Namen und zeit weiligen Aufenthalt des mutmaßli chen Mörders. chen erst Kenntniß erhalten hatte, als der Koffer, den ste irrthümlich für den ihrigen hielt, auf dem Zollamt eröff ne! worden war. In diesem Augenblick mußt« sie sofort «plannt habin, daß der Koffer nicht ihr gehörte, oder daß ir gend etwas mit ihm vorgegangen war. Welche Gründe st- hatte, um so frag los den wahren Schuldigen zu ahnen, konnte ich natürlich nicht wissen, aber DaS Mädchen befaß Muth und Gei lich: „Wie und weshalb ist die That 'SenlenS. Dieser Philipp! Ich mußte >iym erfahren, und zwar mußte das geschehen, ehe sein Bruder Zeit und <Selegenheit hatte, ihn zur Flucht zu veranlassen. Großer Gott konnte er sas denn nicht schon jetzt gethan ha ten? Ich reiste im Fluge nach England, pber nie war mir ein Bahnzuq so »ner -11. C a P i t e l. Sobald ich in London war und mit sinnen Vorgesetzten Rücksprache genom men hatte, dtgann ich d«m „Schwarzen 'Loffermork" zu Leib« zu gehen. Die Entdeckung auf "dem Norddahnhofe in '?ar!s hatte am Montag Abend stattge sündcH ich reist« Donnerstag Nacht von "dort ab. nachdem mit d«m Nachtschiff com Mittwoch einErsatzmann herüber- Aor der Abreise hatte ich in Parts noch mit der Post folgend«? Billet von Äustin Harvey erholten: .Geehrt» H«rr! Ich war heut« früh außer mir und iiade mich betragen wie «in Tollhäus ler. Di« «inzig« Erklärung und Ent schuldigung für m«in Benehmen liegt in d«r entsetzlichen Lage, in di« ich so unversehens versetzt worden bin. Sie «UÄc» d«m Recknuya tiaaen undNack- IM uven. Ich muß Ste bitten, trotz meiner Ungezogenheit, Jhre»Bemühun gen fortzusetzen! alles ist ja besser, als diese qualvolle Ungewißheit. Ich bleibe bis auf weiteres hier, im Hotel de la Paix. Ihr u.s.w. Austin Harvey." Armer Kerl! Ehrlicher und anstän diger konnte man wahrhaftig nichtAb bitte thun, und es kostete mir keine Ueberwindung, ihm das bischen Un recht. das er, mir gethan hatte, zu ver zeihen, denn wenn meine Vermuthun gen stimmten, war seine Lage wirklich gräßlich. Am Freitag begab ich mich zu früher Stund«, zu der noch keine Käufer anzu treffen waren, nach dem Gechäfte der Herren Brown <!: Elder, Reifeartikel, Nr. 117 Cheapside. Ich verlangte einen der Geschäftsinhaber zu sprechen und schickte meine Karte hinein. Ehe ich an dere Schritte thun konnte, mußte ich mich vergewissern, daß der PhilippHar vey, den ich mir auS dem „Philipp" je nes Brieses an Austin construirt hatte, auch eine wirklich existirende Persönlich keit war. Ich wurde in ein kleines Comptoir gewiesen, wo mich Herr Elder, ein be häbiger, wohlwollender Geschäfts mann in mittleren Jahren, empfing. Offenbar nährten die Reiseartikel ih ren Mann, und daS war mir um so lie ber, denn je größer das Geschäft, desto pünktlicher die Buchführung, und desto großer also meine Aussicht auf gründ liche Auskunft. Ich hatte unterwegs noch geschwankt, ob ich mich als einen Kauflustigen vor stellen solle, dem die Firma durchHerrn Harvey empfohlen sei, oder ob ich mir geradezu die Hilfe erbitten solle, die ich in meiner Eigenschaft als Fahnder brauchte./ Schließlich wählte ich den letz teren Weg, weil er der einfachste war, und daß man auf dem einfachsten Weg stets am ehesten zum Ziel gelangt, hatte ich in meinem Beruf oft erfahren. Ich beschrieb den schwarzen »offer, den ich in Paris gesehen halte, so ge nau als möglich, und Herr Elder war sofort im Klaren über den Artikel. „Diese Koffer sind eine Specialität von uns," sagte er. „Wir s!>>d darin ei nem entschiedenen Bedürfniß entgegen gekommen. Sie sind sehr stark, sehr ein fach und ungemein preiswürdig. Zur Aufnahme von Kleidungsstücken wären sie natürlich auch zu verwenden, ihre Hauptbestimmung ist es aber nicht. Sie sind besonders geeignet, Bücher, Waf fen, Fischgeräthe und derlei Dinge, die sich sonst nirgends unterbringen las sen, aufzunehmen. Vieleßeifende hah:n etwas Derartiges längst vermißt, und unsere Koffer traten mit Erfolg in dic Lücke, besonders da !oir imstande sind, sie so billig zu liefern. Der Absatz ist sehr bedeutend." „Das freut mich zu hören," versi> cherte ich höflich, „obwohl die Erfül lung meiner Bitte Sie darum mehr Mühe kosten wird. Darf ich fragen, ob Sie die Koffer in verschiedenen Grö ßen '"stellen lassen?" Wir begaben uns in den Verkaufs raum, wo sehr i? die Augen fallend drei Koffer in Reih' und Glied stand den, die alle dre>, bis auf die Größe, haarklein dem glichen, den ich in Fran cas Düberts Bureau untersucht hatte. Ich bezeichnete sofort die Mittelgröße, „Das ist der Koffer, um den eS sich handelt, und alles, waZ ich zu wissen brauche, ist, ob Sie kürzlich einen fol nen Herrn Harvey?" „Den ersten Theil Ihrer Frage kann ich Ihnen sofort auS dem Gedächtnisse beantworten," sagte Herr Elder, ohne sich zu besinnen. „Vor etwa einerWoche verkauften wir an eine Dame diefeSNa nieni in Southend einen Koffer, ?ich erinnere mich, daß sie an uns schrieb, uns auseinandersetzte, was sie brauche, und dabei bemerkte, unser Geschäft fei ihr durch einen Bekannten empfohlen. .Hin Ihnen den Brief zeigen." Er.trat zu einem an der Wand be festigten Briefhalter in seinem Comp toir, und nach einigem Suchen und et lichen: „Hier, ein, doch nicht," brachte er ein Blättchnißilletpapier hervor, daS er triumphirend vor mich auf den Tisch legte. Das kurze, von Southend datirte Briefchen Fräulein Simptinfons ent hielt nur eine Bestellung auf einen der einfachen schwarzen Koffer der Herren Brown <k Elder, Größe No. 2, Preis Herrn, der kürzlich einen solchen ge laust hatte, empfohlen waren. Derßrief war noch keine zehn Tage alt. Wie sich auS der Nachschrift ergab, hatte sie ei nen Check über den Betrag beigelegt, und wie auS einer zweiten, meiner An sicht nach recht überflüssigen Nachschrift hervorging, bedurfte die junge Dame des KofferS, um einen photographifchen Apparat hineinzupacken. „Damit ist die eine Hälfte bewiesen, leider aber nur die minder wichtige," ser Auskunft geben?" buch, das vor uiid begann nachzusehen. Hurtig überlief sein Fin ger die langen Reichen der Namen, und ten und über den Punkt hatte ich schon zuvor alles gewußt, aber die Existenz, vielleicht sogar die Wohnung deS an dern Kofserinhaberi zu ermitteln, das war etwa! andre!. Herr «Ziver zog vte Augenbrauen verdrießlich zusammen. „Da ist der Name nicht," sagte er. „Der Eintrag muß schon im vorigen Jahre gemacht worden sein." Er holte einen andern schwerfälligen derselben Weise zu durchblättern. Mit einem Male hellte sich sein Gelickt auf. „Da kommt ein Herr Harvey," sagte er. Mir pochte da! Herz; er schob mir da! Buch hin und zeigte mir die Stelle. Vor fünfzelmMonaten war ein schwar zer Koffer Größe Nr. 1 an Herrn John Harvey, SchiffSarzt, verkauft und ihm worden. „DaS ist nicht der, den ich meine," sagte ich, machte mir aber doch eineNo- war der Koffer in Paris Große Herr Elder überflog auf's zuvorkom mendste noch ein weiteres halbes Jahr, klapvte dann aber den Band zu. Schlüssel verschieden?" nen andern Schlüssel. Aus unserer Werkstatt dürfen niemals zwei gleich« Schlüssel geliefert werden; die Haupt eigentlich auch, daß wir sie trotz des nie deren Preises mit ausgezeichneter Schlosserarbeit ausstatten. Die Schlüs sel sind sammt und sonders, numerirt; ich brauche nur im Dunkeln die Hand nach der Nummer auszustrecken, fall! ein Kunde einenErsatzschlüffel fordert." „Sie numeriren die Schlüssel?" fragte ich, „od«r das Schloß?" „Den Schlüssel, nur diesen. E! ist sicherer als beim Schloß." Das erklärte, daß ich keine Nummer bemerkt hatte, denn daß ich eine solche übersehen hätte, war kaum denkbar. Doch hatte das alle! miteinander jetzt blutwenig zu bedeuten. Meinen Besuch noch länger auszu dehnen, hatt« ich keinen Grund; so dankte ich Herrn Elder für seine Ge nen Philipp Harvey betraf, so schien ir mehr und mehr zur mythischen Ge stalt zu werden, und doch wollte mir die Aehnlichkeit des P. H. auf dem Koffer und im Brief nicht aus dem Sinn, es war ein zu merkwürdiges Zusammen treffen. Die einzige wirkliche Ausbeute meiner Nachforschung im Reiseartikel gefchäft war Fräulein Simpkinsons Adresse in Southend. 12. C a p i t e l. über den Stand der Dinge nachzuden len. Meine ganze Auffassung des Fal les beruhte auf der Muthmaßung, daß der schwarze Koffer mit dem Leichnam einem Herrn Philipp Harvey gehöre, aber ich hatte für das Vorhandensein einer solchen Persönlichkeit keine wei teren Anhaltspunkte, als jene zwei auf den Koffer gekritzelten Buchstaben und den Brief eines .Philipp" an Austin, und ich mußte selbst zugeben, daß die! leine sehr schlagenden Beweise waren. In Southend angekommen, begab ich mich sogleich nach der Strandprome nade No. 23, Fräulein SimpkmsonS früherer Wohnung. E! war «in ge wöhnliches LogirhauS, wi« man sie in jedem englischen Seebad zu Dutzenden findet; über der Hausthüre war ein Schild mit „Möblirle Wohnungen", da ich aber an keinem Fenster den üb lichen Zettel mit „Zu vermiethen" er spähen konnte, mußte die Wirthin ihr Haus wohl besetzt haben. Trotzdem zog ich kühn die Klingel, und besagte Dame erschien auch sofort, blickte prüfend über das Treppengelän der herab und suchte dann die Aufmerk» sc.mleit einer gewissen Sally, die in den unteren Regionen Hantire» mußte, durch helllaute Rufe zu erwecken. Sally, die vermuthlich „Mädchen für AlleS" war, verschmähte eS jedoch, ih rer Herrin zu Hilfe zu lommen, und so entschloß sich die Dame zuletzt, die Stufen herunterzusteige.' und selbst zu öffnen, wobei sie sich einer möglichst würdevollen Haltung befleißigte. „Und womit kann Ich dienen?" fragte sie nebenbei bemerkt hieß sie, wie ich bald erfuhr, Fevu Bunbury, und wenn sie noch am Leben ist, möchte ich hiermit ihre Zimmer aus'! wärmste em pfohlen haben. „Ich such« «ine Wohnung und wollte «lisragen" „Mein HauS ist vollständig besetzt," war d-: kurze Bescheid. Ich habe schon häufig bei mir erwo gen, ob es in einer Thiergattung un ter ein und derselben Art solche Ver schiedenheiten gibt, wie sie in der Spe cies Mensch zwischen Gaithofbesitzer», die Zimmer leer stehen haben, und sol chen, deren HauS voll ist, vorkommen. „Das thut mir leid," bemerkte ich kühl, „ich hatte Gutes von Ihren Zim mern gehör'-. So viel ich weiß, hat eine ??rau in letzter Zeit drei Wochen bei Ihnen gewohnt." „Jawohl, mein Herr," versetzte Frau Bunbury zur Sorte der redseligen Wirthinnen gehörte die Dame offenbar nicht. „Angenehme Miether, nicht?" „Nun, wie man's nimmt," erwiderte sie, die Lippen auswerfend. „Ich will nicht sagen angenehm und will auch nicht das Gegentheil behaupten; habe bessere gehabt und. schlimmere auch. Die junge Dame, dl« tsk gut; sie macht .«inem nicht viel Mühe, wenn sie auch ihre Eigenheiten hat, aber die alte, die ist, was man b«i den reichen Leuten nervös, bei den armen krittlig heißt." DaS war für FraitßunburyS Ge wohnheiten eine lange md«, und nach dem ste damit fertig war, schloß sie den Mund mit einem hörbaren Ruck. „Und Sie haben also die Zimmer dieser Damen schon wieder vermiethet," bemerkte ich einschmeichelnd. „Ich be» daure da! um meinetwillen natür lich," da! war vollkommen wahr, d«nn ich hatte mir vorgenommen, die Zim mer zu besehen, und hatte überdie! da rauf gerechnet, eine klatschsüchtige Ver mittherin zu finden, die darauf brennen würde, ihr Wissen an den Mann zu bringen. Diese! Mal hatte ich entschie den kein Glück. „Ja, sie sind vermiethet," sagte Frau Bunbury. „Und werden in nächster Zeit nicht frei?" „Für vierzehn Tage sind sie gemie thet; die Herrschaft kommt von Lon don. Lang ist's nicht, vierzehn aber meine Zimmer stehen selten leer." „Nur für vierzehn Tage!" rief ich rasch, „Und ipüter könnte ich sie ha ben? DaS würd« mir unter Umständen gerade passen freilich, gesehen hätte ich sie gerne." „O, sehen können Sie die Zimmer wohl," versicherte Frau Bunbury um eine ganze Oktave mürber. „Die Herr schaft kommt erst morgen, und Frau Simpkinfon ist letzten Montag abge reist, Gewiß können Sie die Zimmer sehen." Damit trat sie beiseite und forderte mich mit »inem krampfhaften Verzerren ihrer GestchtsnruSkeln, das wohl Freundlichkeit bedeuten sollte, zum Ei ntreten auf. „Nein wahrhaftig, ich will Sie nicht bemühen," sagte ich mit Wärme. „Wenn Sie dielleicht erlauben, daß JhrDienst mädchen mich hinaufführt " ich hoffte nämlich daS Mädchen mittheil-- sanier zu finden al! die Herrin. selbst," erklärte Frau Bunbury. Aber ich machte noch einen Versuch und fand den alten Satz bestätigt, daß man jedermann seinem Willen unter der Eitelkeit faßt. „Nein, nein, beste Frau!" rief ich. „Das kann ich nicht zugeben. Wenn Sie sich ein Mädchen halten, s» lassen Sie dieses mit mir gehen mehr ver lange ich nicht." „Wenn Sie ein Mädchen halten na wahrhaftig!" zu zeigen, daß sie ein Mädchen und waS für eines sie hatte, sie zog die Klingel, und al! sich die! als fruchtlos erwie!, Frau Bunbury majestätisch in ihrePri vatxemäch«r zurückzog. Di« Zimmer waren, wie eben niöb lirte Zimmer zu sein pflegen, und es war auch nichts darin, was geeignet ge wesen wäre, irgend welches Interesse zu erregen. Die sauber gehaltenen Mö bel standen genau auf dem Fleck, wo sie stehen mußten, und sahen so langweilig und unpersönlich aus, al! möglich. Auf dem Tisch war nicht! al! eine kleine Glocke, die man ganz genau in die Mite gesetzt hatte; den KaminsimS zierten eine vergoldete Standuhr, ein Paar sehr bunter Vasen und zwei schlanke Leuchter, sämmtlicheStücke wie die Soldaten in Reih' und Glied ste hend. Alle! war reinlich, ordentlich und sauber; Ueberslüssige! nicht vorhanden. Ich hatte ja eigentlich gar nicht er wartet, hier etwa! Besonderes zu fin den, da man aber als Fahnder allezeit auf dem Apstand liegt, brachte mich die Alltäglichkeit des Raumes doch in ge linde Verzweiflung, bis meinßlick ganz zufällig auf die Feuerstelle fiel. ES war ein Kamin wie alle andern und sah zu dieser Zeit deS Jahres unaemcin frostig aus, obwohl Holz und Kohlen niedlich darein geschichtet waren. Die Kohlen, die schon eine gute Weile so dagelegen haben mochten, waren staubig und ein rauf hingeworfen worden. Diese Papierschnitzel waren jeden falls de! Auflesens werth; möglich, daß sie nichts enthielten, möglich, daß sie zu verwerthen waren, wer konnte da! wissen? Die Frage war, wie da! angreifen, so lange das Mädchen, daS offenbar strengen Befehl hatte, miethlustige Fremde nicht au! den Augen zu lassen, mich unverwandt anstarrte. Ich zog ei- und hielt ihn dem Mädchen hin. „Hier «ine Kleinigkeit für Ihre Mühe, mein Kind." Während sie die rothe Hand darnach ausstreckte, ließ ich daS Geldstück fallen, Stoß, daß eS unter eine Kommode rollte. Das Kunststück war zwar herz lich plump ausgeführt, aber eS erfüllte seine» Zweck, denn da! Mädchen sah der Münze mit verlangenden Blicken nach. „W> müssen ihn vorschaffen," sagte ich, „di: Feuerzange ist zu dick ho len Sie dcch meinen Regenschirm; er sieht unten >rus dem Vorplatz." Sally schwebte ab, und im selbenAu genbluk ha',e ich sämmtliche Papierfe- Blick sah, Ueberbleibsel zerrissener Ge ! deren Rückseite etwas hingekritzelt war. > Ich faltet« sie auseinander und 1a!: „Philipp Harvey", und auf der Rück seite stand in flüchtig hingeworfener Schrift: „Also, um halb drei Uhr! Hurrah, wie fidel!" Ich sah sofort, daß daS H von Hur rah auf und nieder dem großen tn pierfchnikel hastig in die Tasche. Der Philipp Harvey war also doch eine wirtlich vorhandene Persönlichkeit. an Stoff. den Todten UebleS reden! „und dsann die zwei Herren, die alleweil ka men." „WaZ für zwei Herren?" „Nun, der Pfarrer und der andere sein Bruder. Ein feiner Herr, der Herr Pfarrer; sie kamen oft «in halb dutzendmal im Tage. Und daS Fräu lein" Sallys Blick erzählte Bände „das Fräulein und der Herr Pastor waren verlobt," sagte sie bedeutungs voll. Vielleicht hätte Ich noch mehr erah< ren können, hätte man Frau Bunbury nicht in der Halle herumwirthschaften hören. „DaS ist die Frau," sagte Tally, die nun glücklich im Besitz des verlorenen Geldstück« war. „Meinen Sie nicht, ihr wohl oder übel nachfolgend Auf der Treppe gelang es mir noch, ihr eine flüchtige Beschreibung der beiden Her ren, die so ost gekommen waren, zu ier unS gesagt, ich glaube, der Herr hat ein bischen wild gelebt. Herr Philipp hieß der, war aber auch gar nicht übel o nein." „Die Zimmer lassen nicht! zu wün schen übrig," sagte ich zu der Frau des beigelegt, an dem ich aber seither so zäh festhielt, daß er mir wirklich zum Eigenthum geworden ist. 13. C a p i tel. » Von Nr. 23 begab ich mich Nr. 17, hatte, meine Schritte zu bewachen. Dieselbe Comödie wie in N». 23, ich fragte natürlich auch n«ch einem ten sie im Munde der vom Schicksal Versolgten. Die wackere Frau hieß Jef sop und ihr Mann war Geistlicher ge- Zu meiner Ueberraschung vernahm ich, daß Fräulein Raynells Zimmer nicht zu vermiethen seien, und mein Staunen wuchs, ja ich konnte mich eines gelinden Schauders nicht erweh ren, als mir der Grund hierfür ange geben wurde: die alte Dame habe sie nämlich noch'selbst inne. „Sie ist nur für ein paar Tage nach London gegangen," sagte Frau lessop, „aber ich erwarte sie im Lauf der Woche zurück." Armes alteS Fräulein! Eine seltsa me Reise nach London! Frau lessop sagte mir alles, was ich Über ihre Mie therin zu wissen wünschte, ja sogar noch Fremden viel heißen. Dabei hatte die gute Frau eine unausstehliche Art, sich zu räuspern, und zwischen jede» halb: ner Zeitd nach London gegangen. Da Sie das Fräulein zu kennen scheinen, wird es Sie nicht Wunder nehmen, wenn ich Ihnen sage, daß Fräulein zwar eine sehr >uiitreMi»t Damc ,'ym, ?in, Ist, aber recht sehr Ihres?» genheiten hat. Sie hat eS nicht gern wenn hm, hm, man sich ihr auf drängt, wie sie das nennt. Nun.ich habe mich noch keinemMenfchen aufgedrängt, hm, hm, pflege aber die Gesell schaft von meinesgleichen auch nicht zu jmeiden. Fräulein Raynell scheint die» zu thun, sie kann aber gewiß nicht kla gen, daß ste von dem Augenblick an, da ste mir da» angedeutet nur an gedeutet, daS können Sie mir glauben mich zu oft hätte sehen müssen. Ich hätte mtch hm, hm, geschämt, aufdringlich ,u sein. Wer besser« Tage gekannt hat, wi« ich, w«iß hm, hm, daß keine Dame einer andern ihre Gesellschaft aufdrängt." Ich begriff vollkommen, daß Fräu lein Raynell, mochte sie im Uebrigen Eigenheiten haben oder nicht, die Ge sellschaft ihrer Wirthin lästig gefunden hatt«, und ich hemmte ihren Wort schwall durch die Frage, ob die alte Dame ihre Neffen häufig bei sich gese hen habe. Zwei- oder dreimal mußte ich ihr den Satz in'! Ohr brüllen— sie „Ihre Neffen," sagte sie endlich, „ja, teste ist, wie Sie ja wissen werden hm, hm, Vikar an der Marienkirche hier, eine Kirch«, an der ich nicht ange stellt sein möchte." „Und Philipp?" unterbrach ich sie, denn mir graute vor einer theologi schen Abschweifung. „Philipp hm ja so hieß, glaube ich, der andere hm, hm der scheint ein wilder Bursche zu sein, heutzutage findet man aber ja gar kei nen mehr wild. Dieser Philipp hat auch ein kleines Stäbchen bei mir, gerade neben der alten Dame, in dem er so ab und zu wohnt. Er kommt hm, hm — ' nicht zum besten au! mit der Tante. Sie ist hm wunderlich und geht nicht immer manierlich um mit ihren Neffen, auch nicht mit dem älteren, der l ein sehr schätzen!werther jungerMann ist, der Pastor." ! „Ist Herr Philipp seit der Abreise seiner Tante hier im Hause gewesen?" ! „Nein, mein Herr. Die Zimmer wer den augenblicklich hm, hm gar nicht benutzt. Hätten Sie Lust, sie an zusehen? Sie finden hm, hm, in ganz Southend nicht! Bessere!!" Natürlich war ich mit Vergnügen dazu bereit und ward in ein freundli ches Vorderzimmer mit großen bis zum Boden herabreichenden Fenstern im Erdgeschoß geführt. Dahinter lag ein geräumiges Schlafzimmer, da! eine Verbindungsthüre nach einem kleineren hatte. „Die Zimmer sind genau in dem Stand, wie Fräulein Raynell sie ver lassen hat," erklärte Frau lessop. „Am Montag Morgen reiste sie ab, ohne mir vorher auch nur ein Wort zu sagen hm. hm. Von Abschied nehmen keine Rede, nur so zum Haus hinausgehen zu einer unmenschlich frühen Stunde, und nur im Wohnzimmer hm, hm, einen Zettel zurücklassen." „Frau lessop," sagte ich, indem ich mich in der Fensternische der Frau ge rade gegenüberstellte, „ich kam nicht entschieden wahr sein. Sie ist nachLon don abgereist, ohne ihre Neffen wissen zu lassen, wo sie sich aufhält; e» wird ja Alles in bester Ordnung sein, aber die Herren sind nichtsdest,, weniger in Sorge, der alten Dame möchte etwa» zustoßen. Herr Austin Harvey hat mir deshalb den Auftrag ertheilt, ihr sorg sam nachzuforschen, und ich muß Sie „Du lieber Himmel s» etwa?" stöhnte Frau lessop und vergaß im hellen Schreck sogar sich zu räuspern. Die Würde des Gesetzes überwältigte sie, und sicherlich hatte sie da! Gesühl, don. E. Raynell/ DaS war alles. Ich legte das Blätt chen zusammen und steckte e» in die Tasche. „Das behalte ich," sagte ich, „und nun möchte ich wissen, ob irgend je mand im Hau! Fräulein Raynell an Sie vielleicht, Frau lessop" endlich erfaßt hatte. „Ich bleibe nicht meine Ruhe bei Nacht." „Sie glauben, daß euch Niemand sonst sie gesehen hat «in Dienstbote vielleicht?" .Ich habe gegenwärtig nur einMäd chen," versetzte Frau J«ssop mit Würd«, „es gab eine Zeit, da hatt« ich drei und einen Diener dazu. Mein jetzigelMäd chen schläft nicht im HauS; sie geht Abends um neun Uhr und kommt Mo rgens in der Frühe. Die Einrichtung hat manch« Bortheile, einmal hat man Ge wißheit —" „Andere Miether hatten Sie nicht im HauS?" „Keine Seele. Mein zweiter Stock zieht, erst morgen ein/ . (Fortsetzung folgt.) Streng in der Mode. Herr (bei der Tafel): Wünschen Sie rothen oder weißen Wein, Fräulein? Dame: Bitte, roth. Mutter: Aber warum auf einmal roth? Dame: Paßt heute besser zc seiner Toi lette! «ine We!l,n„»>t«-«ef»aauna. ! Ueb«r die Obliegenheiten «in«S fürst« iichen Leibarztes im siebenzehnte» Jahrhundert gibt dessen Bestallung Auskunft. Dieselbe ist am nachtsfest 16M erlassen und hat fol genden Wortlaut: „Von Gölte» Gnaden Wir Urkunden und be kennen hiermit, daß Wir zu statt dem in Gott ruhenden Li«bd«n gewesene» Hof- und Leibmedicum den G. P. cum zu E. einer guten Wissenschaft fleißigen Vorsorge und unverdrossenen Aufwartung willen als Hof- und Leibmedicum ferner mit angenomme» und bestellt haben, dergestalt und also, daß derselbe nebst Befleißigung einet christlichen, gewissenhaften, friedferti gen und nüchternen Lebens und Wan dels vor sich und die Seinigen unZ hold und gewärtig zu seyn, unsere Ehre und Nutzen suchen, Schaden und l/chimpf hingegen wenden, insonderheit aber schuldig seyn soll, unseres un mündigen Sohnes Gesundheit vermit telst guter Aufsicht und treuer Sorg falt wahrzunehmen, durch gute Diät, heilsame Consilia, dienliche Präserva toria alle Zufälle menschenmöglichst präcaviren, bey entstehenden Anstößen nützliche Medicamenta, nachdem er vor her sich des Morbi Art und Eigenschaft wohl versichert, anzuwenden, dabey aber sehen, daß dieselbe in der Apotheke nach der Regula der Medizin und denen Recepten gemäß von frischen Ingredienzien recht zugerichtet werden, auch verhüten, daß ohne sein Asemis sen und vernünftiges Ermessen nie mand anders nicht verordnet oder ap plicirt, sondern unserm unmündige» Sohn jedesmal die Arzneien von ihm selbst gereicht und gegeben werden; wobey er sich denn sonderlich in Acht zu nehmen wissen wird, daß durch Ad hibirung heftiger chemischer oder sonst mißlicher Arzeneien, deren Wirkung er durch erhaltene Experiens nicht gewiß versichert, er sich nicht präcivitiren oder fonstens übereilen möge. Er soll ohne Unser Wissen auf's Land nicht reifen, viel weniger de! Nacht! außer der Stadt bleiben, hierüber auch zum we nigstens des Tage! einmal sich bey Hofe anmelden und sonst daselbst jederzeit dergestalt unverdrossen und treulich er weisen, wie einem aufrichtigen Diener und verständigen Hof- und Leibmedico, GotteS, Rechts und Gewissen wegen geaen und zur Ergötzlichkeit dieser sei ner Dienstverwaltung soll ihm aus hie siger fürstlicher Privatkammer jährlich gereicht werden: Dreißig Reichstha ler, vier Malter Korn, vier Malter Gersten, zwölf Klafter Holz und zehn Schock Reisig, womit er unterthänigst content und zufrieden gewesen. S» gegeben Weynachten 1680." Kein „Stoff"-Mangel, j, Eine «ich« Auswahl kleivsa»«U Gaben. Schwere Wahl. Im siebenten Jahrhundert gehörte der größte Theil deS Land«! an de» Flusse Etrik in Schottland dem Gra fen Handon, welcher seinen Sitz z» Bakewood Tower hatte. ES war «in stark befestigtes Gebäude, dicht am Flusse. William Scott (nachmals Sir William), das Haupt dieser Fa milie, unternahm einst einen Raubzug wider die Murray'S von Elikank, denn Besitzungen nur einige Meilen entfernt waren. Er fand aber seine Feinde auf der Hut, wurde in die Flucht geschla gen und gerieth selbst in Gefangen schaft. Sir Gideon, das Oberhaupt der Murray's, führte seinen Gefange nen in die Burg und zeigte ihn feiner Gattin, die ihren Gemahl fragte, waS er dem Gefangenen zugedacht habe. „Den Galg«n!" «rwid«rte Sir Gi deon, „an Galgen mit diesem Räu ber!" „Aber warum?" entgegnet« sie. „Weshalb den jungen Lord von Han don aufknüpfen, da wir drei nichts we niger als hübsche Töchter zu verheira» „Du hast Recht," versetzt« Gideon, „der Einfall gefällt mir. Er soll die großmäulige M«g Heirath«» od«r zap peln." Als d«m Gefangenen die Wahl ge lassen wurde, zog er es anfänglich vor, sich aufknüpfen zu lassen, als die groß mäulige Meg zu eheliche, deren Name eigentlich Agnes war. Aber da «r die Vorkehrungen zu seiner Hinrichtung sah, änderte er seinen Vorsatz, «r wi derrief seine Weigerung und zog daS symbolisch« Band der Eh« dem wirk lichen Stricke von Hanf um den HalS vor. Die Ehe wurde geschlossen >md, was nicht unerwähnt bleiben darf, sie war, obschon so gewaltsam erzwungen, sehr glücklich. Das Paar lebte in Liebe und Eintracht mit einander und zählte viele Nachkommen. William Scott kam durch diese Heirath in den Besitz sehr ansehnlicher Güter, die von ihm stets auf den Aeltesten der Familie ver erbt worden sind. —ln ein Stammbuch. Sei beständig: nimm niemals Rath a» — auch diesen nicht l . 3
Significant historical Pennsylvania newspapers