2 Da» Zipriichwort in der Ktnder nube. Nichts hat größer« Ähnlichkeit mit der unverdorbenen Naivität und Ur wiichsigkeit des Volkes, als oie Kindes secle. Deshalb hört das Kind auch so gern dieselbe schlichte Art der Aus drucksweise, wie sie das einfache, noch natürliche Volk liebt, dessen Sprüche man weit mehr, als es zu geschehen pflegt, mit all' ihrer oft drastischen Weisheit in vie Kinderstube eindringen lassen sollte. Derm die Form des Sprüchwortes ist durch ihre Kürze den Kleinen ost verständlicher, als ein Ge für sie meist zu tief verborgen liegt. Und welch' eine köstliche Auswahl bie tet uns doch der reiche, fast unerfchöpf- Da küßt der goldige Sonnenstrahl unsern Liebling wach, und „Morgen stund hat Gold im Mund", darum than". „Bete und arbeite"! also müs sen zuerst sich die kleinen Hände zum Gebete schließen, mn für dies fröhliche Erwachen zu danken. „Nein gehalten Herz >und Mund" das Wasser will dem reinlichen Kinde den ersten Mor gengruß anbieten. Nun kommt die schöne süße Milch; ei,wie das schmeckt! doch „Maß im Trinken und Essen sollst du nie vergessen". Weil „Mü ßiggang aller Laster Anfang", so ha! auch unser Liebling schon seine Arbeit, und „Vor Allem «die Pflicht". Da harrt das Vögelchen im Bauer feiner Hand,die ihm Futter bringt; das Kind darf es aber nicht necken und ihm di« leere Hand hinreichen, denn „Quäle nie ein Thier zum Scherz, denn es fühlt, wie du, den Schmerz", sagt Mütterchen. Nun hat Mama Birnen auszusuchen; Heinz und sein Brüder chen dürfen beim Zureichen helfen aber genascht darf dabei nicht werden, „Naschen macht leere Taschen". Wie schnell man fertig wird. „Flinke Hände machen der Arbeit bald ein Ende", dann wird gelernt. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nim mermehr", deshalb ist Heinz auch ganz verständig dabei. Das schöne Bilder buch lehrt ihn all die großen und klei nen Thiere und ihre Namen, immer sind die Alten mit ihren Jungen tr«u vereint: „Jedes Thierlein noch so klein, hat sein trautes Mütterlein". Dann soll unser Bübchen zeichnen: aber das -fällt schwer, „Frisch gewagt, ist halb «gewonnen". Richtig, nun geht es bes ser, „Aller Ansang ist schwer" und „Jedes Ding will gute Weile haben". Nun darf Heinz bauen, einen hohen Thurm stellt er auf, immer höher und höher da sällt der Bau ein: „Wie gewonnen, so zerronnen". Nun fang «r von vorne an, aber nicht so hoch, sondern wählt doppelt stark» Stützen sur das Haus; „Noch macht erfinde risch". Darauf schmeckt das Butter >brod prächtig, „Denn nach der Arbeit ist gut ruhen": damit aber das Kind weiß, wie gut auch trockenes Brod mundet, so gibt es ein Stückchen da von: „Salz und Brot macht die Wan gen roch"; und rothe Backen will unser Kind haben. Da klopft es, ein armer hast". Nun soll 'das Brüderchen Wa sen, da heißt es still gesessen, dafür >gibt Mama zum Lohn einen Pfennig in die Sparbüchse: „Recht sorgsam »spar d«in Geld, so kommst du durch die ganze Welt" und „Wer den Pfen nig nicht ehrt, ist des Thalers nicht werth". Nrin darf Heinz mit der Mama ausgehen, aber nicht so hastig rennen! „Eile mit Weile". Da stol pert er schon, ja, ja, „Wer nicht hören will, muß fühlen!" Dort kommt «in Bekannter, nun hübsch das Mützchen gezogen, „Mit dem Hute in der Hand, kommt man durch das ganze Land". Da schlagen sich zwei Jungen; der eine von ihnen ist c?ar ein früherer Spiel nicht" und „Böse Beispiele verderben «gute Sitten". Jetzt ist Heinz wieder daheim; wie herrlich schmeckt der Jm plaudert denn da? „Essen und Spre dem Brüderchen, ei! „Der Klügste gibt doch sieht man es bald ein man eil! stürmisch auf Mütterchen zu. stößt sich denn „Blinder Eifer schadet nur". schichte, wie traurig es ist, wenn ein Kind lügt, „Lüge ist die Wurzel alles Uebels" und „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht". So enteilt der Tag; aber vor der Ruhe muß Alles aufgeräunU werden. Dann legt sich unser Kind zur Riehe nieder, ent schlummert süß, denn: „Sin gut' Ge wissen ist das deste Ruhekissen". Ausdruck, kein Talent, überhaupt ab solut keine Eignung." Miß Dilet tant?: „Das macht nichts. Ich habe «inen Bruder, der die Theaterspalte für eins der Tageblätter redigirt." Elttliche Entrüstung. „De: Meyer hat abgesagt unsern Abendtisch, Sarah. Er sagt, es sei ihm zu schmutzig bei uns." „Gott der Gerechte! Wie kann der Mann sa gen schmutzig, wo bei uns doch wird gebrannt sogar gereinigtes Vctroleum!" laufen war, konnte sie sich in ungetrüb ter Seligkeit ihres Erstgeborenen freuen; und sie that es redlich. Ihr Gotte, Paul, war eine etwas ober flächliche Natur, ein verwöhntes Kind des Glücks, ein auf's Aeußere gerichte ter Mensch, und so trug seine Freuve einen zu starken Beigeschmack von Eigenliebe und Stolz: er war einge bildet daraus, Vater eines so kräftigen altes Glück bewährt zu sehend Indeß er nun am Bette seiner Fra>> saß und strahlend aus „sein Kind", das ruhig in der Wiege schlummerte, herniedersah, lag Frau Karla halbgeschlossenen Au ges da und ließ die rasch dahineilenden Gedanken an sich vorüberziehen. Sil sah ihre Mädchenzeit im stillen Pensio nat, wohin sich die jung verwittwue Weltdame, ihre Mutter, nur selten oer irrte i sie sah das eine Jahr, das sie sreudeleer in der HeinMth zugebracht hatte, und sie sah die Werbung und Trauung; man hatte sie verheirathet, ohne viel zu fragen, und die Mutter verhehlte es gar nicht, daß sie die laug aufgeschossene, frühcntwickelke Tochter gern aus ihrem Hause scheiden sah. Sie liebte trotzdem ihren Gatten, hatte sie doch ein so tiefes volles Bedürfniß, zu lieben, und ergoß ihre ganze Zärt lichkeit auf den Mann, dem sie gehörte, und der ihr manche Beweise seiner Ver ehrung und ehrfurchtsvollen Aufmerk samkeit gegeben hatte. Sie liebte ihn und zeigte es ihm, und er erwiderte, wie sie es dünkte, ihre Liebe. Die Zweifel, die ihr in den letzten Wochen aus fei nem Benehmen gekommen waren, stie gen jetzt, da Karla nur ihren Gedanken lebte, unheimlich deutlich wieder auf, aber sie schienen verweht und verbannt, als die junge Mutter ihren Blick dem Kinde zuwandte: so kam ihr lang sam der Friede, und ruhig und traum ergeben entschlummerte sie und fand im Schlafe Zuflucht vor trüben Gedanken. Paul faß eine Zeit lang still am Bette und schlief offenen Auges. Er hatte sich in den letzten Tagen wirklich ehrlich abgemüht und gewacht und ge than, wie er es nur konnte. So lange Karla in Gefahr schwebte, sorgte er ernstlich und dachte voller Angst an den etwaigen Verlust; jetzt war's vorüber der Arzt hatte gesagt, es sei absolut keine Gefahr mehr —. und im Gefühle des sicheren Besitzes war seine Erregung schnell erkaltet. Nicht, daß er seine Frau nicht liebte, Gott bewahre! Aber er liebte sie auf seine Art; weil er mit ihr, der jungen, vornehm aus schauenden Frau Staat machen konnte, weil er ihrem Gelde die schöne Woh nung und seine Behaglichkeit ver dankte, und hauptsächlich: weil sie ihn nicht genirte. Sie ging Mit ihm In seine Stammkneipe, wenn es ihm Spaß machte, dorthin zu gehen, und sie blieb zu Haufe, sobald er darauf hin einen leisen Wunsch andeutete; Paul genoß die Vorzüge des Jungge sellenlebens und die des Ehestandes zu gleicher Zeit, und darum liebte er auch seine Frau, er liebte sie, wie ihm eben Alles werth war, was seinem Wohlleben diente. Nun, da er sicher wußte, es würde Alles beim Alten blei ben, gottlob! schwand schnell seine Theilnahme, die sich in Zärtlichkeit ge äußert hatte, und machte dein alten, stumpfsinnigen Behagen Platz. Paul erwachte denn auch bald aus seinem Halbschlummer, und wie e, Frau und Kind so ruhig schlafen sah, allein die Nacht zuzubringen, sei eigent lich sehr langweilig, und da „die Fa milie" schlafe, könne er. sich wohl drük ken. Er sah nach der Wärterin, welch« am Wickeltisch hantirte, und dachte bei sich: da uns die Frau von guter Seite als zuverlässig empfohlen ist, wird sie es schon sein. So stand er denn aus seinem Lehnstuhl auf, guckte nochmals nach der Uhr und sagte dann: „Ich will noch ein wenig Luft schöp fen, Frau Bergmann, bin so nervös. Geben Sie gut Acht! Ich bin übri gens gleich wieder da." Die Frau versicherte Paul ihrer „be kannten" Sorgfalt, und dann ging er. In seinem Zimmer brannte die Lampe, Paul sah im Licht derselben auf dem gewohnten Platze einige Briefe liegen. „Ah, die Nachmittagspost. In dem Trubel mußte man ja Alles vergessen. Was ist's denn ?" einladüng, zwei, drei andere gleichgil tige Sachen, dann noch ein Brief: Büttenpapier, großes Monogramm, sehr starkes Parfüm. „Donnerwetter! Gerade heute!" Er riß den Um schlag ab und las : Freund! Hätte ich nicht zufällig gehört, daß Du ein freudiges Familienereigniß erwartest, ich wäre Dir ernstlich böse. So aber verzeihe ich Dir Dein Grabesschweigen! Das heißt unter einer Bedingung: So wie Alles vorüber ist —und ich wünsche Dir alles Gute kommst Du und holst Dir selbst mein« Glückwünsche. Ich rechne darauf. Margot." Paul drehte den Brief in seiner Hand hin und her, er roch an dem par fllmirten Bogen, er überlegte. Warum nicht heute so gut wie mor gen ? sagte er sich. Karla schläft, das Kind'auch, die Bergmann ist ent schieden verläßlich. Und dann ist's ein Scherz! So wie Alles vorüber ist, schreibt sie gut, es ist zwar gleich halb zehn, aber gerade darum: wer weiß, wie ich sie überrasche. Ob ich dahin sehe oder in die Kneipe, beides vom Spiegelbrett und ging. Nach elf Uhr wachte der Neugebo rene wieder auf und erhob sein Stimm chen. Frau Karla wurde sofort wach und weckte rufend die Wartefrau, die natürlich sanft eingenickt war. Das Kind beruhigte sich bald, und die Ptut ter behielt es bei sith im Bett. „Der gnädige Herr wollte etwas Luft schöpfen. Muh gleich wiederkom men, wie er sagte, es ist ja schon drei viertel auf zwölf, gnädige Frau!" „Gut l Ruhen Sie sich nur aus, Karla lag ruhig da und dachte vor sich hin. Sie sah ihren Sohn wachsen und gedeihen, sie führt« ihn selbst zum hörte ganz deutlich die einzelnen Schläge durch die stille Wohnung schal len ; sie zählte erst mechanisch, dann Zwölf! Paul bleibt lange. Aber er ist vielleicht erst ttirz vor meinem Er wachen fortgegangen und hat Freunde getroffen, denen er sei» Glück erzählt. Er strahlte ja sörmlich, der liebe Paul, nnd sah so beglückt auS; aber er hat auch einen süßen Knaben. Damit wa ren Karlas Gedanken bei ihrem Kinde, sie spann dieselben glückselig weiter, bis Gegen Morgen erwachte die junge Frau, der Tag graute, man sah sein fahles Licht durch die Vorhänge. sich und sammelte ihre Gedanken. Sie wollte nicht mehr schlafen, es wurde ja schon Taa, und wenn der Kleine viel leicht wieder erwachte ; die Warte frau schien so fest zu schlafen, da mutzte man sich vorsehen. Und dann wird auch Paul sicher bald aufstehen, der schaut, wie mir's geht, und s»ll einen Auf St. Marien schlug es vier Uhr, es war von der benachbarten Kirche ganz deutlich zu hören. Da vernahm Karla, wie die Korridorthür langsam und vorsichtig geöffnet wurde, sie schrak zusammen. „Frau Bergmann!" rief sie ganz leise. Keine Antwort. Jetzt erst sah sie, daß die Wärterin nicht im Zimmer war, ihr Platz in der Sophaecke war leer. Karla erschauerte. Wenn es Diebe wären! Paul schlief während ihrer Krankheit vorn in seinem Zim mer dicht bei der Eingangsthür. Wenn er vom Schlafe übermannt, von ihnen verletzt, getödtet würde! Eine unsagbare Angst schnürte Karladas Herz zusammen. Sollte sie klingeln? Dann wachte Paul am Ende auch auf, er hörte und sah die Einbrecher, es g-ibe Karla faßte sich, sie versuchte auszuste hen, es ging. Die junge Frau tastete sich zu ihrem Schrank, sie warf ihren Schlafrock über, und dann schleppte sie sich, so vorsichtig sie konnte, zur Thür. Dann durch das Speisezimmer in ihr Boudoir, von da in den Salon, dane ben lag Pauls Zimmer. Sie hörte drinnen leises, verhaltenes Geräusch, es hielt sie nickt mehr, sie schrie laut auf. Sofort iifkUete sich die Thür, und sie sah ihren Mann im erleuchteten Zimmer, er hatte den Frack an und hie weiße Binde um den Hals. Karla sah ihn wie eine Erscheinung, wie ein Traumbild, dann schwanden ihre Sinne, sie sank zusammen. Es hatte mehrerer Monate bedurft, ehe sich Frau Karla ganz genesen vom Krankenbette wieder erhob; sie war sehr abgemagert und ganz blaß, das Leben schien nur in ihren großen schwarzen Augen zu wohnen, die seit der Krankheit in seltsamem Glänze leuchteten. Einmal während ihrer Ge nesung hatte Paul versucht, Entschul digungen und Erklärungen über jene Nacht, wie er sie nannte, Karla an zubringen, sie hatte ihn nur so seltsam bittend angesehen, und er, der sonst be sonders seiner Frau gegenüber gar nicht verlegen werden konnte, war ganz be treten und hilflos geworden; so un terblieb denn die Aussprache über jene Nacht, denn Paul „mochte an so'ne fatale Geschichte lieber gar nicht mehr denken". Er litt kurze Zeit unter diesem Un ausgesprochenen oder richtiger: es genirte ihn. aber bald war er über solch unbequemes Gefühl hinweggekommen und blieb wie früher der alte „char mante Paul", der in jeder Gesellschaft, und er besuchte deren viele, seines guten Humors wegen ebenso beliebt war, wie man seine Eleganz und feine Haltung bewunderte. Paul glaubte, mit der körperlichen Wiedergenefung sei für Karla auH Vergessen für seine Unge schicklichkeit gekommen, und so lebte er denn bald lustig und guter Dinge wei ter und hatte in jener Zeit nur einen Kummer, daß wegen Karlas Krankheit die gewohnte jährliche Badereise unter bleiben mußte, und er anstandshalber nicht einmal allew reisen konnte. Karkds Gedanken waren seit der Psingstnacht immer nur bei der einen Frage: Warum betrügt mich eigent lich Paul? Hierauf die richtige Ant« wort zu finden, zermarterte sie ihre« Kopf, und nichts konnte sie davon ab bringen. Daß all ihr Gefühl fürPaul erkaltet sei, darüber war sie sich bald klar geworden, und so war es ihr auch ganz gleichgiltig gewesen, seine Ent schuldigungen zu hören; daß er sie doch nur belügen würde, sagte der jun gen Frau zu laut ihre innere Stimme. Sie empfand gar nichts mehr für den Mann, kn sie einst so heiß und wahr geliebt, sie tonnte ihm nicht einmal zür nen. Sie empfand es als den Aus druck der größten Herzlosigkeit, daß er sie damals hatte verlassen können, um in irgend welche Gesellschaft zu gehen, und daß es keine ihm gleichgiltige Ge sellschaft gewesen war, das wußte sie ganz genau, und daß er sie betrogen hatte schon seit langer Zeit, darüber war sie sich völlig klar. Sir hatte während der Muße ihres langen Krankenlagers, in vielen schlaf losen Nächten, Zeit gehabt, über ihr vergangenes Leben und über das ihres Mannes nachzudenken, und viele von ihr sonst bald vergessen- Einzelheiten, viele früher heiß beweinte, aber schließ lich doch verschmerzte trübe Augenblicke, viele Züge aus Pau?s Leben, die ihr da einfielen, Alles das sagte ihr mit un barmherziger Deutlichkeit: der Mann, den Du liebst, und dem Du Dich hin gegeben mit Seele und Leib, er ist ein Egoist vom reinsten Wasser, der nur für sich lebt und kein höheres Ziel kennt als fein Wohlbehagen und Vergnügen ! Karla war, als sie nach aller Ueber legung zu solch grausamer Erkenntniß Verwundeten die bitteren Schmerzen. Daß sie nichts mehr für den Mann empfinde, nie mehr empfinden würde für den Mann, an den sie doch gefesselt war bis an ihr Ende, das wußte Karla so genau, wie sie genau wußt< daß sie auf der ganzen weiten Wen keinen Menschen habe, dem sie ihr tiefes, un heilbares Herzeleid klagen tonnte. Sie hatte kurze Zeit an Trennung von Paul gedacht, der Gedanke an eine ge- Mutter hätte sich gegen sie gestellt. hen, denn in ewiger Lüge neben einan der zu leben, da hatte ihre Mutter auf gebracht und mit allem Nachdruck gc verlasse ihren Mann und bringe so der ganzen Familie Schande! im Leben ziehe sich Alles zusammen, und auch das scheinbar Unerträglichste werde mit Seit jenem Tage wußte Karla, daß sie von ihrer Mutter nie Trost zu er warten habe, wenn sie sich ihr in einer Herzenssrage nähern möchte. Die Mutter hatte ihr Kind ja nie verstan den ! der kalten Weltdame mußten die Regungen eines empsindungsvollen heißen Heigens, wie ihre Tochter es be saß, nothwendigerweise als „Excentri citäten" erscheinen, die man „soviel wie möglich zu bekämpfen und zu unter drücken" hatte. So hatte Karla ihr ihr fortan wie ein Fremder, den sie nie zuvor gesehen, dessen Geschick ihr gleich giltig sein mußte, an dem sie nichts in teresjirte, nichts der Theilnahme werth erschien. Die Entfremdung voll'zog sich zwi schen Beiden, ohne daß Paul es merkte; er bedauerte seine kleine Frau herzlich wollte sie fortan noch leben, nur für ihn lebte sie. Eine wahnsinnige Angst ver folgte sie: auch diese letzte Seligkeit könne ihr entrissen werden, und so Glück. Dann war ihr's, als sähe sie, als einzig noch lebendes Wesen, den Weltunter gang mit an, den Bankerott von Gott Dann fühlte sie dumpfe Schmerzen im Kopf und faß in sich gekehrt und ver zweifelnd halbe Tage da. Jahre waren verstrichen. Paul und Karla lebten vor der Welt wie das glücklichste Ehepaar, er schien der auf merksamste Gatte, sie die hingebende treten, Paul anillsirte sich auswärts vorzüglich, und da seine Irau ihn auch jetzt nie genirte, nie hinderte, empfand er stets Zuneigung für sie und behan delte sie wie früher mit ausgesuchtester Liebenswürdigkeit; sie nahm sein Be tragen stets kalt, aber nie unfreundlich hin, und fv lebten die Beiden seit Jah ren in größter äußerlicher Harmonie und Ruhe. Paul war etwckS beleibter geworden, war aber immer noch ein „forscher Kerl", der sich vieler Erfolge b«i den Damen rühmte; Karla war kenbett aufgestanden war, erschien sie noch heute, und selten überflog ein lei ses Roth ihre Wangen ; nur wenn ihr Wolf in ihre Arme stürzte und seinen Krauskops in ihrem Schooß barg, dann schien Leben durch Karlas AKern zu Pulsiren, und ihre starren Züge wurden weich. Ihr Kind bot ihr Lust zum Leben, und nur in ihm und durch das selbe lebte sie. Der Knabe liebte seine Mutter ab göttisch, ein Blick von ihr zügelte die ihm angeborene Wildheit, eine leise Bitte ließ ihn folgsam werden, ein vorwurfsvoller halblauterTadel machte ihn weinen. Daß ihm der Vater, der sich wenig um ihn kümmerte, recht fremd blieb, erschien natürlich. Paul verlangte keinen Liebesbeiveis, und wollte das Kind sich ihm nähern, was nur selten geschah, so ward es ihm lästig und unbequem, weil seine unbe holfenen Liebkosungen ihm di- Frisur zerzausten und ihm die Toilette in Un ordnung brachten. Einmal hatte Wolfgang er ging damals eben zur Schule wegen Ungeberdigkeit nach sitzen müssen. Paul faß an dem Tage gerade zu Hause und langweilt; sich, als Vater glaubte er seine Pflichten da mit erfüllen zu müssen, daß er ihm eine lange Rede hielt und ihn schließlich, wenn auch leicht, so doch körperlich züch tigen wollte, da war Karla, die bis dahin scheinbar theilnahmslos dabei gesessen, wie eine Wahnsinnige ausge fahren, hatte dem Erschreckten das Lineal aus der Hand gerissen und stand drohend zwischen Vater und Kind. Ein Etwas in ihrem Blick, das er nie darin gesehen, ließ Paul von sei- Zimmer und sagte nur : „Mir kann's recht sein. Dann erzieh Du Dir den ungezogenen Schlingel allein!" Im Sommer darauf wohnten sie auf ihrem Landhause weit vor der Stadt, Paul empfand die Abgeschlossenheit zwar schmerzlich, aber da er fühlte, daß ihm nach der Wintersaison, die er auf Abends, Karla ging allein unter den Bäumen, hörte sie ihren Wolf kläglich weinen und schreien, sie stürzte die sah bald, was ihr das Herz im Leibe umkehrte. Am Boden der Veranda lag Pauls schönster Meerschaumkopf in Scherben, wahrscheinlich hatte ihn der Knabe unachtsam hinabgeworfen ; nicht weit davon stand Paul, er hielt das Kind bei einem Arm und schlug ihm mit einer schnell ergriffenen Reitpeitsche schonungslos über den Rücken. Paul hörte Karla kommen, er unterbrach sich nur, um zu sagen: „Ich muß dem Beugel 'mal Mores lehren," und fuhr in der Züchtigung fort. Karla schrie auf, sie sah aus dem Tische einen alten Dolch liegen, den Paul zum Bücheraus schneiden benutzte, .ergriff diesen, stürmte auf ihren Mann zu, stieß zu und sah ihn fall««. Beren Zeitungen des Ortes folgende auffällig gedruckte Notiz: „In eine unserer angesehensten Familien ist tief trauriges Unglück eingezogen. Die Frau des Kommerzienratlfl H., übe: die schon lange das, wie sich jetzt erweist, nur allzu wahre Gerücht umlief, sie sei menschenscheu, hat gestern Abend einen Mordversuch gegen ihren Gatten un ternommen. Mit einem haarscharfen Dolch überfiel sie ihn, verwundete ihn aber glücklicher Weise nur leicht im Ge sicht. Die unglückliche Frau wurde so fort in eine Privatheilanstalt überfährt. Der beklagenswerthe Gatt«, der sein häusliches Elend so lange schonungs voll vor aller Welt verbarg kann der Sympathie und herzlichen Theilnahme aller Wohldeukenden gewiß sein, zählt er doch auch zu den Besten unserer Stadt, steht doch sein Name obenan, wenn es sich um mildthätige und ge meinnützige Bestrebungen handelt. Mit dem gebeugten Vater beklagt ein hoffnungsvoller junger Sohn das große Unglück der Mutter." Nach wenigen Monaten starb Karla im Irrenhause, ihr Geist war nicht mehr genesen, sie selbst dahinge schwunden in dumpfer Melancholie. Paul glaubte es seinem Kinde schuldig zu sein, wie er allen Bekannten versi cherte, daß er sich nach Jahresfrist wie der verheirathete. Naiv. Cafebesucher (der eben die Zeitung gelesen): „Schauderhafte Zustände dort drüben in Slld-Ame. rika! Denken Sie mal an, da haben sie in Brasilien schon wieder eine Stadt in Brand geschossen, diese ver. maledeiten Insurgenten!" Der Nachbar aus Sachsen: „Is nich meeg. lich! Hären Se mal, mein Kutestei, dersen se denn des?!" E i n R e a l p 0 l i t i k e r. Pam. Frau eine Düte Bonbons oder derglei chen mit! Strampel: Und worin be stehen diese Leibgerichte? Pampel: Mittags Rehbraten und Abends sau» «in wahrer Reh-Aal-Politiker! Aus Kindermund. Kind (nach einer angehört«» stürmischen „Papa, wenn die Männer alle so sind, dann Heirathe ich überhaupt nicht!'' Letzter Ausweg. Gatte: mal ein freundliches Gesicht von Dil sehen will, muß ich mit Dir zum Pho tographen gehen." .. Mt macht man eine Modedame? Man nimmt: einen Trichter, zwei Schinlen. zwei Reitsättel und eine Bratenschllssel, stellt sie richtig zusammen, und man hat die Modedame. Mit gleichem Maße. Frmi Sittsam: Wie könnei, Sie, Unverschämter, es wagen, meine Toch ter zu küssen, Sausewind: Bitte um Verzeihung, gnädige Frau, für Sie habe ich noch einige übrig. Erkannt. Studiosus A.: Was, bei der Hitze noch immer im dicken Ueberzieher? Studiosus B,: ET ist wirklich xu warm, darum stehe ich im B»griff, den Paletot abzulegen. Studiosus A.: So! Wie viel wird Dein OiiHel d'raus geben? Der kühne Aaroo. Aaron auf einer Gebirgstsur. Gott du Gerechter, was man doch mu thig wird im Gebirge! Könnte mich doch Sarahleben sehen, wie ich hier! über das tiefe Wasser spring. Di« ««treuen von J«v«r. In dem Lande der Getreuen von Jever herrschen noch recht urwüchsige Gebräuche. Bald nach der Geburt eines neuen Weltbürgers eilt der „La der,"d,h. der Kirchenbote, der als Bote und Diener bei allen kirchlich-häusli chenFeierlhchk<iten benutzt, von Haus zu Haus, um Freunden, Verwandten und Bekannten der Familie mit einem „Grötniß" (Gruß) gebührender Weise das erfreuliche-Ereigniß zu berichten unter der Formel, „det dor watLütt'S upstan is". Die getreuen Freundin nen und Nachbarinnen machen sich nun nach Empfang solcher Botschaft bald auf den Weg, um der Wöchnerin, der „Kram-Fro", den „Kram-Bisök" abzustatten. So sammelt sich «ine ganze Gchaar um das Lager der Wöchnerin und giebt von ihrer Theil nahme lebhaft in Worten und Geber den Kunde; oft zwar zum Schaden der „Kram-Fro", für deren Gesund heit solch freundschaftlicher Besuch manchmal von den schlimmsten Fol gen sein kann. Dennoch würde das Unterlassen desselben als arge Ver nachlässigung nachbarlicher Pflichten angesehen werden. Man erwartet den Besuch mit Bestimmtheit und trifft zeitig Borbereitunzen zur Be wirthung. Eine große Metallschale, ein sogenanntes „Köppken", angefüllt mit einer Mischung aus Branntwein, Zucker und Rosinen, ist schon bereit gestellt. Diese verlockend« Erfri schung, welche den sonderbaren Na men „Smerige Bohnen" führt, wird den Besucherinnen gereicht. Das „Köppken" geht von .Hand zu Hand, und mit demselben Löffel langt jede Besucherin in die Schale. Ein sol ches „Köppken" macht wohl auch bei der Taufe die Rund«. Auch zu die ser Festlichkeit werden die Gäste durch den „Lader" geladen. Wenn sie sich Kaffee und Kuchen bewirthet. Es folgt der Taufakt, und dann das eigentliche Festessen. Bei den Tauf reden scheinen die Geistlichen jener erfreuliche Entdeckung machte, daß er sich die Mühe eines nochmaligen An zündens sparen könne. Er war selbst wohl überrascht über seine „Fixig keit", und gab seiner Verwunderung sowie seiner Befriedigung Ausdruck in den Worten: „Se brennt noch!" Natürlich. „Jenes Haus gehört meinem Bru der", sagte Iwan, indem er stolz aus «in umfangreiches, aber verfallendes Gebäude wies. „Er ist der reichste Mann im Dorfe. Fünf erwachsene Söhne hat er und «in bedeutendes Stück Land, vier gute Pferde und sechs Kühe; er lebt ohne Sorgen." „'Trinkt er?" „Natürlich, er trinkt," antwortete Ivan; »an Feiertagen sogar sehr stark. Er ist ein tüchtiger und flei ßiger Arbeiter und da er fünf starke Söhne hat, kann er zwei oder drei in die Stadt auf Nrbeit schicken. Sie verdienen einen schönen Lohn und das Geld kommt regelmäßig heim. Was das Land anbetrifft, so kann mein Bruder mit zw«i Söhnen und deren Frauen dasselbe bestellen. Ah, Ba rin! Es ist ein schönes Ding für uns Mnjiks, erwachsene Söhne zu haben." Ivan hatte Recht. Eine große Fa milie in einem russischen Dorfe arbei tet auf dem Cooperativplan, der sich gut bezahlt. Des reichen Manne? HauS unterschob sich übrigens nicht viel von denjenigen seiner Nachbarn! dieselbe Nachlässigkeit, derselbe Bei fall wie überall. Der größere Wohl stand sein«s Besitzers war nur an dem größeren Düngerhaus«n und dem zahlreicheren Vieh zu erkennen. „Ist Dein reicher Bruder heute an der Arb«it?" Ivan drückte in einer urkomischen Grimasse sein Entsetzen aus, spie mit ungewöhnlicher Behe menz auf die Erd« und schlug ein Kreuz. „Dem Barin (gnädigen Herren) be liebt «s, mit einem Mujik zu scher zen!" rief er endlich. „Heute ist Feiertag und mein Brud«r und seine Sühne sind keine Sünder. Sie ar beiten nicht an einem Feiertage? sie sind sämmtlich im Kabak (Wirths haus), wie es sich gehört." „Betrunken?" fragte ich. „Betrunken, Barin, natürlich!" be stätigte Ivan mit Nachdruck. „Es ist heute Feiertag." Das ist der russisch» Bauer! Das Weib. Als der Herr erschuf die Welt, Da sprach er stets mit freud'gem Muth Nach jedem Werke: „Es ist gut." Nichts sprach er. als da stand. Selbst widerlegt. „Was doch diese Blätter immer über die Zer. streutheit der Professoren witzeln!" sagt Professor Moppel im Kaffeehause, indem er die Zeitung weglegt und seine Brille putzt. „Sag' mal. Rite, hast Du mich schon jemals zerstreut gese hen?" „Aber, Herr Professor," be merkt eine neben ihm sitzend«, befreun dete Dame, „Sie haben ja Ihre Frau schon vor «wer halben Stunde nach Hause geschickt!" -
Significant historical Pennsylvania newspapers