Das Muttermal. (2. Fortsetzung.) Drei Tage nach dessen Verschwin den, als Aennchen im Fieber und De lirium rasend dalag dem Dahin sterben nahe wurde dem arm«nD«>- tor, der seither schlaflos an dem Bette seiner Gattin gewgcht, ein Brief in ei ner ihm unbekannten Handschrift ge bracht. Er ösfnet« ihn und las die fol genden Worte: „Wenn Si« bereit sein werden, da» Geheimniß zu enthüllen, in des- j sen Besitz Sie sich befinden bereit, den Aufenthalt des Kindes anzu geben, um dem man Sie befragt, dann, aber auch nur dann, werden SieNachrichten von dem erhalten,das Sie jetzt verloren haben. Bis zu die ser Zeit mögen Sie die ginze Welt > durchsuchen es wird fruchtlos sein!" Eine Adresse folgte bestehend aus den ersten drei Buchstaben des Alpha- , betes, unter denen der Doktor postla gernd an «in Postamt in einer der grö- Beren Städte schreiben sollte. Stöhnei<d zerknitterte der Doktor vas Papier in seiner Hand und drückte - sein Gesicht in das Kissen neben seinem armen Weibchen. Die kleine Wolke, die n: an dem klaren Himmel seines Glü ckes gesehen, hatte diesen ganz überzo gen und für ihn Alles in tiefe, hosf nungSlose Nacht gehüllt. 3. Capitel. Vierzehn Jahre waren vergangen. Es war ei» finsterer Abend und Re gen und Schnee fielen gleichzeitig. An der Front des Hoftheaters brann ten die Gasflammen hell in «inerßeihe von Glaskugeln. Equipagen fuhren an ten wieder davon. Hunderte von Men- fchen gingen scherzend und gedrängt die Stiegen empor und begaben sich durch die Foyers in's Theater. Das! Haus ward überfüllt. Es war ein«r der Glanzabende «iner sehr beliebten Küns tlerin, die in den Affichen die „kleine Paulette" genannt wurde. Zwei Männer traten miteinander ein und nahmen ihre gut gelegenen Sitze im Parquet. Der erstere war ein jun ger, starker und etwas schwerfälliger Mensch, und mochte srinem Aussehen nach nicht über fünfundzwanzig Jahre zählen. Der Andere war noch jünger, aber dunkler und auffallend schön; es lag ein dämonischer Zug in seinem Antlitze. Er trug einen Mantel und schauerte unter diesem. Er nagte viel und war etwas brüsk in seiner Sprache und in seinen Manieren. Der erster« hieß Hermann von Varneck, war von guter Familie und besaß ein ansehnli ches Vermögen. Der Andere war ein junger Decorationsmaler ein armer Teufel, ohne Geld oder Freunde oder Familie. Sein Name war St. John. ! Der grüne Vorhang hob sich. Varneck zog aus einemSammt-Etuis ein mit Perlen und Gold besetztes Opernglas. mert um seine Umgebung. „Sie kommt erst in der zweiten Scene. Mäßige Deine Ungeduld und sieh um Dich. „Ich denke, die Hälfte aller Männer Blondins sich lebhaft röthete. „Ihr Herz an dem Aermel," sagte er, „aber was Du da sprichst, schmeckt wie nach persönlicher Erfahrung, Varneck. Hast Du etwa auch an jene verriegelte Thüre gepocht?" Varneck wurde roth wie Feuer. „So fandest Du die kleine Paulette, steht, als das Wort: „Geh!" Sie schlug „Ah —eh?" antwortete der Maler würden Deine Leute dazu sagen? Was würd« di« Welt sagen und die Gesell schaft?" derte Varneck heftig. „Der T«ufel hole sie Alle! Natürlich gäbe es einen gewal tigen Lärm zu Hause, denn die Varn ecks sind stolz und hartnäckig stolz wie Lucifer selber auf ihr Blut. Aber das hätte Alles nichts zu bedeulen. Wahrhaftig, sie hat mich bezaubert. Der Gedanke an sie quält mich Tag und Nacht, ich möchte zu ihren Füßen liegen und mich von ihr treten lassen. Ich möchte ihr Alles aufopfern, was ich mein nenne unter dem Himmel. Ist das Liebe?" „Es klingt so." sagte St. John, „wie Liebe. wennMänn«r von fünfundzwan zig Jahren davon reden. Ander« hatten dieselben Anfälle von Thorheit früher und sie haben angefangen und geendet, wie Du es wirst, mit Worten, nichts als Worten!" „Der Himmel sei mir gnädig!" sagte Darneck, indem er dem Anderen einen «Ich glaube, Du liebst sie selbst! Als Dekorationsmaler hier hast Du ostGe« legenhtit, sie zu schen. Nicht viele ihrer I Bewunderer haben Zutritt hinter die Coulissen, denke ich. Dir natürlich ist der Eintritt dahin gestattet." „Und wenn ich sie liebte," antwortete St. John sorglos, „so wären die Fol gen des Unglücks für mich weniger groß als für Dich, mein Junge. Still, Er ergriff Varnecks Arm. Eine feu rige Röthe zeigte sich plötzlich in seinem dunklen Gesichte und überzog es ganz. In demselben Momente tanzte, leicht wie der Flaum einer Distel, die Köni gin des Abends, die kleine Paulette, auf die offene Scene. So jung sie war, so kindesgleich und so klein, sah sie wie Titania, die Elfen königin, aus. Ihr Gesicht war ein voll kommenes Oval, und weder Puder noch Schminke befand sich auf ihrer blühend Schwärze dieser leuchtenden Augen und der Fülle goldgelben Hares, das sich über ihre weißen Schultern und den weißeren Busen ergoß. Lieblich war die kleine Gestalt in demßühnenanzug, dem reich besetzten Mieder;bezaubernd wa ren die runden, weißen Arme, mit Grübchen darin wi« in den üppig-run- Fuß war vollkommen und doch wahr haft elfenartig. „Beim Jupiter!" mumelte Varneck, indem er sich auf seinem Sitze zurück lehnte und sie mit flammenden Blicken verfolgte, „diesen Ab«nd ist sie am lieb lichsten! Wer sah je ein solches Gesicht, mit dem Haar einer Blondine und den Augen einer Spanierin?" St. John sagte nichts. Sein Blick war fest auf die Scene gerichtet. Er schien seinen Athem anzuhalten, wäh rend er sie betrachtete. Barneck ge brauchte sein Glas eine Weile und reicht« «s dann s«in«m Gefährten, aber der Maler lehnte es ungeduldig ab. Dann faßen sie schweigend und be trachteten die Künstlerin in gleicher Weise mit glühenden, leidenschaftlichen Blicken. Diese war bezaubernd ein Wesen, wie geschaffen aus „Geist und Feuer und Morgenthau," voll seltener Anmuth und Naivität; nicht zu spre chen von ihrer wunderbaren Schönheit, die schon an und für sich gerade unwi derstehlich war. Sie erschien, erröthend in der Freude ihres Triumphes und ihre schimmern den Blicke ergossen Lichtstrahlen des Dankes in das volle Haus. In diesem Augenblicke sah Varneck seinen Gefähr ten aus den Falten feines Mantels ein Bouquet von Myrthen und Orangen bliithen hervorheben, einen Strauß weiß wi« Schnee, und wie für eine Braut ge bunden. Im Nu flog der köstliche Tr ibut durch den Raum und fiel genau zu den kleinen Füßchen der kleinenPaulette nieder. Sie hob ihn aus und ihre gro ßen Augen richteten sich nach dem Par quet. Eine höhere Nöthe schoß in ihr« Wangen. Sie sührte das Bouquet an ihre Lippen, trank einen Moment, wie eine Biene, den süßen Duft, dann ver neigte sie sich und verschwand hinter dem Borhange. sah finster auf seinen Gefährten. „Bei meiner Seele, ein artiges Zei chen!" sagte er. „Warum that sie das nicht bei meinen Rosen und Veilchen? i Und dieser schmelzende Blick! Hot sie Dir schon viele gegönnt? Listiger Mensch! Jedermann im Hause muß es gesehen haben. Was meint« sie damit?" St. John sorglos. „Wer darf die Blicke eines weiblichen Wesens zu deu- , ten wagen? Glaube mir, was diese be deuten. weiß Niemand als sie und der! Teufel. Aber das Stück nimmt ja gar gar kein Ende! Wecke mich, wenn es! aus ist." Er hüllte sich in feinen Mantel und sprach nicht wieder, bis der Vorhang ' der letzten Scene siel. Dann sprang er empor. I ihm. ! „Vedaure," sagte er, „aber es ist mir ' ganz unmöglich zu warten! Ich habe sieh' Dich satt, so viel Du magst!" Das Publikum folgte ihm darunter Varneck. St. John sah unten um sich. Etwas entfernt von der Beleuchtung die Wagenthlltt, Di«Massen des Publi- Mantel gehüllt, das Gesicht mit einem alhemlos ihm zu. „Rasch," flüstert« er. „ehe wir er kannt iverden!" Und er hob si« leicht in den Wagen und stieg nach ihr ein. Der Wagen fuhr die Straße hinab. Noch fielen Schnee und Regen. Die Stadt sah verlass«n und öde aus. Von Zeit zu Zeit fiel das Licht d«r ster und traf das bleiche Gesicht von St. John, wie er da saß, und die kleine Gestalt in Grau an seiner S«it« fest hielt. Sie hatte ihren Schleier zurück geworfen und ihr Gesicht in ihren zit tenden Händen begraben. „Paulette, Geliebte, sprich >» - '»!" Sie schien zu erbeben in seiner Um armung. „Ach, was für ein Schauspiel! Ich dachte, daß es nimmer enden würde!" flüsterte sie. „Dabei war mir, als kenne das ganze Haus mein Geheimniß. Denkst Du, daß wir beobachtet wur den?" „Nein; außer von Varneck. Ver dammt sei er! Ein neues Opfer für Dich! Er scheint die Krankheit in ihrer schlimmsten Art zu haben!" „Nach dieser Nacht, Wilhelm," ant sei Dank, keine Ursache mehr haben, eifersüchtig zu sein, denn, offen gesagt, die Eifersucht kleidet Dich sehr schlecht." „Ich bin dessen nicht so gewiß," sagte er etwas düster, während er sie mehrmals leidenschaftlich küßte. „Es ist ein Fehler in meinem Blute und nicht leicht zu besiegen." Sie erhob ihr bleiches Antlitz, von dessen beiden Seiten das aufgelöste Haar zurückfiel: Wie kindlich schön sah sie aus in dem Lichte der Straßenlam pen, wenn dieses ihre Züge traf! Sie war noch in dem Eostiime, in welchem sie zuletzt vor dem vollen und ihr Bei fall zujubelnden Hause erschienen mit Juwelen geschmückt, decolletirt, halb zerdrückte Blumen in dem Haar, und über all' das hatte sie den grauen Mantel gezogen. „Ich möchte wissen," seufzte sie, „ob Du mich immer so lieben wirst, Wil helm, wie heute; wir sind s» jung so sehr jung." „Je jünger wir sind," antwortete er, „desto mehr Jahre des Glückes haben wir vor uns, Paulette. Nur bitte ich Dich, befrei« mich von dem Haufen verdammter Narren, die Dich jetzt um geben! Ich kann nicht leben, tvenn ich es länger sehen soll, wie sie Dich an gaffen! Vor Allem sucht Varneck so schnell als möglich los zu werden. Ich er liebt, tödten kann; denn mische einen Tropfen Zweifel in die Leidenschaft, und ihr Himmel verwandelt sich in die Hölle." Sie sah ihn ein wenig überrascht und ein ein wenig zornig an. „Wilhelm, Du bist eifersüchtig wie ein Türke!" sagte sie, ihr Haupt stolz zurückwerfend. „Kann ich «s ihnen ver fest verschlossen? Liebe ich Jemand au ßer Dich? Habe ich je in den fünfzehn Jahren meines Lebens Jemand in der Welt geliebt außer den armen Papa und Dich?" „Ich wünschte, Du hättest niemals diesen Beruf erwählt," antwortete er düster. „Ich habe ihn nicht gewählt!" rief sie leidenschaftlich; „er wurde mir auf gedrungen es war Alles, was mir Papa geben konnte. Ich ward dazu ge boren und erzogen und nun bedeutet er für mich Nahrung, Heimath und Le ben." „Himmel! wo sind wir?" rief St. John, indem er aus dem Wagenfen ster starrte. die Kirche ist „Wilhelm!" stammelte sie, „laß den Wagen halten zurückfahren! Ich will nicht gehen wenigstens nicht diese Nacht! Oh, Wilhelm, halte! Ich sürchte mich!" Sie zitterte heftig und ihr Gesicht war aschfarbig. Er schloß sie in sein« Arme. „Fürchten! Was meinst Du denn? Fürchten? Weßhalb? Vor wem?" „Vor Dir! Ich denke an diese Hei rath!" sagte sie schaudernd. „Laß uns zurückkehren, ehe es zu spät ist!" „Zurückkehren!" wiederholte er, und seine Arme schlössen sich um sie wie E isenklammern. „Dich jetzt ausgeben? Ich? Niemals! Ich habe Dein Verspre chen und Du mußt es halten. Pail lette! Stille! Stille! Oh. meineGe liebte!" Sie war seiner Umarmung ent schlüpft und in dem Wagen auf ihre Kniee gesunken. Ihr Gesicht barg sich in dem Kissen des Wagensitzes und sie begann heftig zu weinen. „Wilhelm! Wilhelm! Wir werden niemals glücklich sein miteinander! Wir sind zwei Kinder! Wir wissen nicht was wir thun. Jetzt in dem letzten M omente mangelt mir der Muth. E? scheint mir, als ob ich Dich doch nich so ganz lieben würde, als ob ich Dich nur sürchtet! Laß uns zurückge hen! Laß uns zurück'" Er war in der heiligsten Unruhe. „Nicht um mein Leben!" antwortete er. und sie in seine Arme schließend, liebkoste er sie mit der Wildheit eines Panthers. „Nicht, wenn uns Beide Verderben und Verdammniß erwar tete! Ich habe Dich erschreckt mit mei nem bösen Temperamente das ist Alles. Du liebst mich, Paulette; die Kraft meiner eigenen Leidenschaft muß Erwiderung finden in einer so frischen und eindrucksfähigen Natur, wie die Deinige! Pygmalion küßte die Statue und sie erwachte zum Leben. Paulette! Paulette! höre auf, zu weinen Du brichst mir das Herz! Ach. Dank dem Himmel! da sind wir endlich!" Noch während er so sprach, hielt der Wagen. Er hob sie rasch heraus. Sie trndeS Gesicht dem Lichte zu. „Paulette." flüsterte «r, mit bleichen Lippen, „Gott oerbietet mir, daß ich Dir Unrecht thue, oder Deinem Willen Zwang anlege, selbst jetzt noch. Wün schest Du wirtlich zurückzugehen? sten, Paulette!" abfielen sah in sein schönes träume risches Gesicht sie sah in ihm ihren Herrn; eine unaussprechliche Leiden schaft und Zärtlichkeit fänftigte jetzt sein Antlitz und seine Lippen erbebten. „Sprich. Geliebte! Ich werde es tra g«n!" Mit einem leichten Seufzer sank sie in seine Arme. „Ich bin Dein, Wilhelm, nur Dein!" „Dann komm." antwortete er, und sie traten miteinander in die Kirche. Außen dauerte der Regen an. Der Mond sah dann und wann gespenster- ! bleich durch die dahintreibenden dün- > neren Wolkenschichten. Und innen stand das junge Paar und lauschte den Wor ten, durch welche es vereinigt wurde. Es waren feierliche Worte, die das Bündniß weihten! Das bleiche Kindes gesicht der Braut tourde noch bleicher, als die Ceremonie vor sich ging; der junge Bräutigam hielt ihre Hände fest in den seinig«n, und stin Blick hing be ständig an ihrem Antlitze. Die Neuvermählten verließen die Kirche wieder und bestiegen den Wagen. Der Kutscher kehrte mit den Pferden um und rasch ging es zurück in die schweigende, schlafende Stadt. Es war St. John, der zuerst sprach, halb trau- i rig, halb scherzend. „Du hast keine brillante Partie ge macht, Paulette einen armen Maler von mittelmäßigem Talente, bis über die Ohren in Schulden, und ergeben der Welt, dem Fleische und dem Teu fel. Glücklicherweise haben wir uns ent schlössen, die Sache geheim zu halten." Sie schwieg. Er streckte seine Arme nach ihr aus und schloß sie an seine > Brust. „Paulette!" sprach er, indem eine sei ner Wangen ihr Antlitz berührte, »Weib, nimm' mich nun hin und thue mit mir, wie Dir gefällt. Ich binDein und Du bist mein. Obgleich die Welt noch einige Zeit von dieser Heirath nichts wissen soll obwohl es nicht sein muß, so ist es doch für uns Beide besser, wenn es für eine Zeit ein Ge heimniß bleibt so erinnere Dich doch, daß von jetzt an kein Mann mehr zwischen uns treten darf, daß kein Mann mehr das Recht hat, auch nur Deine Hand zu berühren." 4. Capitel. In der Königinftraße stand das Haus. Außen erschien es bescheiden und klein. Innen war es mit Geschmack und Comfort ausgestattet, denn die kleine Paulette hat seit einer Reihe von Monaten als ein Liebling des Publikums geherrscht, und ihre Sou veränität ihr eine reiche Einnahme ge bracht. Es war ein kalter Winter-Nach mittag, drei Tage nach der ziemlich traurigen Hochzeit. Auf einem purpur rothen Kniepolster vor dem offenen Feuer, in einem warmen, hellfarbigen Zimmer, saß die kindliche Schauspiele rin, ganz allein. Sie trug ein einfaches, schwarzes Kleid, bis an den Hals und an die Handgelenke geschlossen. Ein, einfaches Band hielt den Reichthum ihres schönen gelben Haares gefesselt. In dieser ruhigen Position sah das kleine Geschöpf noch lieblicher. noch kindlicher aus als sonst. Einige alte Schauspiele, reich gebunden, lagen ne ben ihr aus dem Teppich. An der Wand stand ein Piano, mit Musikalien da rauf ausgestreut, aber Paulette saß schweigend und regungslos, die müßi gen Hände waren ihr beim Nachdenken in den Schooh gesunken, und sie sah in das knisternd« Feuer. Es wurde die Glocke gezogen. Sie sprang von dem Kniepolster empor und lies an die Thür«. Durch die Halle hörte sie ihren treuen Drachen Martha vorwärts gehen, um zu recognosciren kein fremder Fuß sollte in das Haus eintreten, so lange Martha es be wachte. Die Thüre des Besuchszimmers flog auf. dunkle Gestalt in einem Mantel. Wie ein Kind schoß sie darauf zu und machte eine fröhlich« Pirouette. „Du siehst sehr ermüdet und unsi cher aus," sagte sie, den Mann zum aus die Welt?" „Armuth ist ein guter Sporn," ant wortete er flüchtig. „Ich denke ja ich bin gewiß, daß sie in Verbindung mit „Wilhelm, bist Du das, was die Leute einen guten Menschen nennen? Er sah sie betroffen an. Du! oder spielst Du?" ! brauchst Geld?" 'bt'sche d Banknoten. „Ich bin selbst eine große Verschwen den," sagte sie nachdenklich, „aber zu- Was! Willst Du ei nicht nehmen Du willst nicht? Dann werfe ich es so fort in den Kamin!" Ihre Augen blitzten. Sie stampfte den Boden, wie auf dem Theater. „Wir müssen sein, wie die Paare in den Büchern. Ich werden Deine Schul den bezahlen und Du mußt Dich bes sern und gut sein, sehr gut, und auf hören, mich mit so düsteren Blicken zu betrachten." Sie kniete neben ihm nieder mit em porgerichtetem Gesichte, das so liehlich war. wie eine thaufrische Blume des Feldes. Er sah hinab auf sie mit be schämtem, wirren Antlitze. .Du sagtest mir," begann sie, »daß, ich keine brillante Partie gemacht l>abe) Wilhelm. Das hast Du eben auch nicht. Weißt Du das?" „Ich weiß, daß Du die lieblichste, aber quälendste der Frauen bist," ant wortete St. John. „Nichts mehr?" „Ich weiß, daß ich Dich theils durch dqß Du niemals davon geträumt hast, mich so zu lieben, wie ich Dich liebe." „Nichts mehr?" „Was sollte ich sonst wissen?" leite, ist in Wahrheit zugleich namenlos und unbekannt, Wilhelm in der That, ein Findling." „Unsinn! Scherze nicht!" nüchtern; „es ist Wahrheit, ich ver sichere eS Dir. Ich brauche leine Ge heimnisse vor Dir hast Du welche vor mir?" Und sie blickte ihn wieder forschend an. „Wäre es dir angenehm, meine Geschichte zu hören?" „Gewiß!" „Willst Du mir versprechen, sie nicht wieder zu erzählen?" „Ehrlich!" „Es sind fünfzehn Jahre her," be gann sie. mit einem hübschen, > feierli chen Aussehen, „seit Johann Werner, ein armer, alter Schauspieler, ausging, sehr bekümmerte. Er kehrte eines Nachts allein und zu Fuß zurück, auf einer finsteren Straße am Meeresufer, in einem wilden Sturme und innerlich sehr niedergedrückt, weil er von seinem Sohne nichts gehört hatte. Da fand er mich." „Weiter, weiter," sagte St, John, man." „Unterbrich mich nicht. Er hörte zu erst einen Schrei das Kreischen ei nes Säuglings, das, wie er oft gesagt, ihm in's Innerste seines alten Herzens drang. Er folgte demselben über Felsen hinab und unten auf einem Streifen Sand stieß er auf «in Kind, das in ei nen alten Shawl gehüllt, allein un!d verlassen dalag, während die Fluth schon ganz nahe wir, die es im näch sten Augenblick hätte verschlingen müs sen. DSs Kind war ich." Er blickte auf sie, ohne zu sprechen. „Ich selbst ein» Ausgesetzte, ein Opfer der Nacht und der See. Und der gute, alte Mann hob mich auf, hüllte mich in feinen Rock und ging wieder seinen Weg weiter und so brachte er mich in sein Quartier, und da ich keine Heimath hatte, gab er mir die seine, und da ich weder Bater noch Mutter besaß, widmete er sein armes Leben meinem Dienste und erzog mich in dem Beruf«, den er liebte, und dann starb er und ließ mich der Himmel gebe seiner Seele die süßeste Ruhe zurück, und das ist Alles!" Sie schwieg eine Weile, verloren in der Erinnerung an den Pflegevater. „So, nun weißt Du, wen Du ge» heirathet Host," sagte sie endlich, „ich hoffe. Du bist darüber nicht bekllm rüber." Er ließ ein kurzes, etwas erzwun genes Lachen hören. „Und das ist AlleS, was Du weißt, Paulette? Du hast keine Spur vonDei schafi? Sehr seltsam!" „Keine Spur. Es ist wahr, es befand sich eine Kette mit verschiedenen An hängseln an meinem Halse, aber das hilft nichts, es war kein besonderesZei chen daran. Ich trage sie noch." Sie wendete das Haupt, um ihm die goldenen Kettenglieder zu zeigen, die sich rings um ihren weißen Hals an schlössen. „Sieh' diese seltsames Dinge." sagte Paulette; „hier ist ein fürchterlicher Drachenkopf, mit Smaragden statt der Augen; hier em Herz, aus dessen Ru binen-Adern Blut zu spritzen scheint; hier wieder eine goldene Hand, die eine Schlange aus Korallen festhält. Wer kann diese kostbaren Dinge bei einem Kinde gelassen haben, das in einem schlechten Shawl an dem Meeresufer unter Felsen ausgesetzt wurde, um eine Beule der Fluth zu werden?" „Hast Du nicht schon viele Stunden über dieses Mysterium nachgedacht?" fragte St. John lächelnd, und er neigte sich, um die blühend weiße Haut unter der Kette zu küssen. „Hast Du nicht da von geträumt, eine geborene Prinzessin zu sein, die noch einmal zu ihrem Rechte kommen kann? Ach, welch' ein liebliches Hälschen!" Sie wich vor der Liebkosung zurück und wechselte die Farbe. „Jch hab« Dir gesagt," sprach sie langsam, „daß ich keine Geheimnisse vor Dir haben wolle. Du sagst, es sei ein liebliches Hälschen, Wilhelm? Warte einen Augenblick und Du sollst sehen, daß es schrecklich ist." Sie nahm eine Phiole von dem Ka min-Gesimse, schüttete etwas von d«r«n Inhalt« auf ei» Taschentuch, und fuhr damit mehrmals über den Hals. Jetzt neigte sie sich zu ihm, bleich wie ein Gespenst und fragte: „Nun, sage mir, was siehst Du jetzt?" Er blickte hin und ein Schrei entfloh seinen Lippen. Was sah er? EinenHals, so wunderbar schön an Form und Farbe, wie ein Meisterstück der Bild hauerei, aber mit einer breiten blut rothen Linie bezeichnet, einer schauerli chen Linie, so scharf gezogen auf der schneeigen Haut, als wenn sich jeden Augenblick ein Strom BluteS daraus ergießen könnte. „Großer Gott, Paulette, was ist da??" fragte St. John, mit halb erstick ter Stimme. „Es ist ein Muttermal." antwortete sie. „War jemals etwas häßlicher? Du es, Paulette? Ich sah es nie zuvor, gewiß nicht." „Mein Pflegevater lehrte mich das schon vor langer Zeit ein ioenig Farbe geschickt angewendet, und siehe es ist fort. Der Anblick davon macht mich krank erfüllt mich mit unaussprech lichem Entsetzen. Würde irgend wer, der das gesehen, mich wieder schön nen nen?" Er streckte seine Arme aus, aber sie entwich ihm und lief wieder zu dem Schreiblisch in der Ecke. Als sie zurück kehrte, erschien der bezaubernde Hals weiß und jede Spur des Males war verschwunden. Das glänzende gelbe Haar schien mit der blühenden Haut zu kosen. „Und jetzt," sagte sie, während das Blut in ihre Wagen zurückkehrte, „habe ich meinen Vorrath an Bekenntnissen erschöpft. Jetzt ist die Reihe an Dir, Wilhelm." Seine Miene veränderte sich. „Eine böse Versuchung. Ich würde lieber nicht von mir sprechen am wenigsten zu Dir. Laß uns einen an dern Gegenstand wählen." „Auch gut! Fräulein Slahl, die Sä ngerin, gibt heute nach dem Theater ein Souper. Willst Du dabei sein, wenn auch nur, um meine Liebhaber zu ver scheuchen und mich im Zaume zu hal ten mit Deiner Eisersucht?" „Ist Varneck nicht einer von Fräu lein Stahls Günstlingen?" fragte St. John. „Das w«iß ich wirklich nicht," sagte sie gähnend, „es ist aber sehr wahr scheinlich." Dann ließ sie ihr Haupt an seine Brust sinken und sie saßen am warmen Kamin, während der melancholisch« Wintertag hinstarb, zwei junge Thoren, aber gewiß zwei außerordentlich glück liche. Es galt ihnen ziemlich gleich, ob der Findling vom Seeufer als eine Prinzes sin oder als eine Bettlerin geboren war; es galt ihnen gleich, ob derDecorations maler ein musterhafter junger Mann oder ein finsterer Taugenichts war mit zufriedenen Lippen tranken sie ohn« Bedenken ihr kleines Maß von Glück ach, es ist so klein für uns Alle! Aber auch so muß es mitDank empfangen werden. Varneck ging diesen Abend in'sThea ter und nahm «in«n Orchtst«r-Sitz ein. Er hatte das Herz in seinen Blicken. Im zweiten Akte erhob er sich und ivarf der goldgelockten Titania der Bühne ein Camelien-Bouquet zu, aus dem ein Bracelet mit Brillanten fchim- Ein rasches Erröth«n flog über ihr kleines Feengesicht. Sie berührte das glitzernde Ding nicht; es lag, wie es siel, und funkelte im Lichte der Lam pen, bis endlich ein Schauspieler es aufhob, und unter einem Ausbruch von Applaus es ihr an den Arm legte. In dem Momente, als der Vorhang fiel, stürzte Varneck hinaus. Er traf Paulette gerade, als sie aus dem Zim mer der Schauspieler trat. „Ich bitte, darf ich Sie zu Ihrem Wagen geleiten?" fragte er in leisem Tone und mit leidenschaftlichem Blicke. „Nein, nein!" Sie trat einen Schritt zurück, dann streckte sie ihre Hand aus, in der das Bracelet lag. „Nehmen Sie es, rasch! Machen Sie hier keine Scene! Rasch! Es brennt mich in der Hand!" „Wie grausam Sie sind!" murmelte er vorwurfsvoll. „Andere dürfen Ihnen schmeicheln, zum Beispiel dieser Deko rationsmaler mit dem Corsarengesicht; aber für mich haben Sie nur Borwürfe. Sie küssen die Blumen, die er Ihnen gibt die nitinigen haben Sie ohne Zweifel unter Ihre Füße getreten." Als er noch sprach, eilte Jemand durch das Gedränge auf sie zu und stieß Varneck heftig beiseite, indem er Pau lette thatsächlich von diesem wegriß. „Zurück!" zischte St. John mit blei chen Lippen. „Ich hoffe, daß ich nicht nöthig haben werde, Dich zu tödten!" „Mein Gott! Mensch!" schrieVarneck Aber St. John wartete seine Ant wort nicht ab. Er erfaßte seine lieblich« Beute und eilte mit ihr die Stiege hinab. „Ich werde diesem Manne noch eln Leid murmelte er durch seine Wagenfenster, ihre schwarzen Augen blickten erregt, ihr Gesicht war blaß. „Bielleicht weißt Du es nicht," sagte sie, „aber Du hast nahezu meinen Arm (Fortsetzung folgt.) Turin« Papyrus roh, aber flott und äußerst komisch gehaltene Illustratio nen zu den anbei vermerkten Liebes abenteuern eines alten geckenhaften Priesters mit einer Sängerin aus dem Ammonstempel. Die Bilder, wi« d«r Älte sich den Bart schabt, die Schöne sich schminkt, erwecken die Heiterkeik d«Z Beschauers und erinnern lebhaft an die Schöpfungen unseres Humoristen Busch. Die Rückseite dieses PapyruS und des Papyrus im Britischen Mu seum füllen komische Thierscentn, wie sie sich für die Künstler der Neuzeit aus d«m Thier-Epos: „Reineke der Fuchs" «rgeben würden. Belustigend wirken hier die Zeichnungen aus der „verkehrten Welt": Ein plumpes Nil pferd sitzt auf einem Sykomorenbaum und ein Raubvogel, Adler oder Sper ber, steigt die angelehnte Leiter hinauf. Ein Hase führt einen Löwen am Stricke. Selbst das Heiligste bleibt den Spöttern nicht heilig: wir sehen unter anderen Gott Osiris als Esel dargestellt, vor ihm eine in Osiris ent schlafene Häsin, die ihm ein Todten opfer darbringt, ihr Fürsprecher ist ein Ochse. Der Schakal erscheint mit Ranzen, Stab und Palette, neben ihm erblickt man ein Schaf; er tritt hier als „Schreiber" auf, und diese Darstellung ist offenbar als Satire auf den Lehrer und Erzieh«! der Königlichen Kinder aufzufassen. Ihm folgt der Wolf. Er hat einen Stecken über die Schulter gelegt, an dem er einen Sack trägt. Nach Hirtenart bläst er die Doppelflöte und treibt eine flott gezeichnete Ziegen heerde vor sich her. Eine feiste Katze mit gestreiftem Fell, einen gekrümmten Stab in der ausgestreckten linken Pfote haltend, ist als Hüterin von sechs Gän sen gedacht; das siebente kleinste Gäns chen trägt die Katze auf dem rechten Vorderarme. Die Aegypter waren im Allgemeinen heileren, ruhigen und gutmüthigen We sens; beißender Spott lag ihnen fern; und so wird es erklärlich, daß sich,au ßer den oben beschriebenen Papyri keine weiteren Belege in ihrer Literatur fin den, die auf eine besondere Bevorzu gung der Satire deuten könnten. Nur im privaten Briefwechsel der „Schrei ber", d. h. der gelehrten Staatsbeam ten, tritt der Spott hin und wieder drastisch zu Tage, wenn es sich um Ur theile über Amlsgenossen handelt, die sich unverdienter Weise der besonderen Gunst ihrer Borgesetzten erfreuen oder gar durch die Huld Seiner Majestät des Königs beglückt werden. So be richtet ein Schreiber in einem Brief« (Papyrus Anastasi 1, nach Lauth) an seinen entfernten Freund, der sich wahrscheinlich nach einigen ihm be kannten Persönlichkeiten am Hofe er kundigt hat: „Laß mich Dir das Bild des Schreibers. . . . entWersen, die Leuchte des öffentlichen Getreidespei chers. Er hat nie gearbeitet, sich nie beeeilt seit seiner Geburt; jede onstren gende Thätigkeit ist ihm ein Greuel, er kennt si« nicht, «r ruht wie ein Todter im Grabe, aber seine Glieder sind ge sund, doch die Furcht des guten Gottes leitet ihn nicht. Kasa, der Aufseher der Heerden, der Wortschwall, Ame nuahsu, der hundertjährige, er ist noch immer frisch und munter. Nacht, der Weinsack, an dem Du Dich so inanck>tz Mal belustigt hast? Ich will Di, auch sprechen von dem Befehlshaber der Söldlinge in Anu (Heliopolis), klein war er ein Käser, groß wurde er zum Bocke; er befindet sich sehr wohl in sei nem Hause. Du hast ja bei ihm ge wohnt. Hast Du nicht den Namen des .... gehört, des Schlemmers, der aus dem Boden hinkriecht und sich nicht sät tigen kann, die Kleider zerlumpt? Siehst Du ihn Abends in der Dunkel heit. so sagst Du: „Ein Enterich ist mehr Werth, als er!" Und doch ist er ein Ossicier, ein Beamter der Wage. .. Bläst man ihn an, der doch ein Oisicier ist, so fällt, er hin, wie ein Blälier — G e w i s s« nhaft. Gendarm Peinlich wird Augenzeuge einer Thier quälerei und erstattet hierüber folgend« Anzeige: „Gestern Abend« s«!»s Uhr sah ich. wie der Kutscher Lorenz Meier in der Schmiestraß« sein Pserd durch Schläge roh mißhandelte. Ich notirte ihn deßhalb und letzte meine Patrouill« sort, Nach einiger Zeit ober fiel mir «in. daß ich nicht das gesetzlich vorge schriebe»« Aergerniß an seiner Hand lungsweis« genommen hatt«. Ich kehrt« deßhalb um. traf ihn glücklicher Weis» noch bei der Thal, nahm daran das tion," Natürlicher und unna türlicher Tod. Ein ungarisch»» Dorsburgermeisler berichtete dieser Tag« an skine vorgesetzte Behörde wörtlich Folgendes: „Hierorts starben im Laus» des verflossenen Monats zwols Perso nen. Eine Person, ein Selbstmorder. starb eines iiatärlichen Todes, die übrigen Eis standen in ärztlicher Be handlung." Nicht im Verhältniß. Banlier <zu seiner Frau nach der Soiree): „Du. Frau, der Dichier Bitter! hätt auch m«hr Wiß' machen können lür den Appetit!" Vorsichtig. A: „Warum nehmen Si« den» eigentlich Ihren Jungen nicht mehr mit zum Bier?" B: „Ter geht jetzt schon in die Schule, und da konnt' er am End' nachzahlt«» wi« viel ich trink 3
Significant historical Pennsylvania newspapers