Das Muttermal. (1. Fortsetzling.) rock, der ihrem Gatten gehört«. Diesen Ivars sie um sich, so daß er ihr Haupt Hedeckte, dann trat sie an das Bett, er, griff das verlassene Kind, und nachdem sie es unter dem Kleidungsstücke ver borgen, floh sie damit hinaus in die Nacht. Sie nahm den Weg nach dem Mee resufer. Es war die Zeit, in welcher die Ebbe endet und die Fluth beginnt. Der Wind blies in heftigen Stößen durch die Finsterniß. Sie klitterte die schwarzen Felsen hinab, und scheu um sich blickend, sah sie einen Streifen Sand, den die zurückweichenden Ge halbe Stunde später wieder von dem Meere überfluthet sein mußte. Hier, durch einen hohen Felsen vor d«m Winde geschützt, stand das Weib unter dem Nachthimmel, an dem sich kein ein ziger Stern zeigte, der sie anklagen konnte, und hier legte sie das verlassene Kind nieder; athemlos blieb sie darüber gebeugt einen Moment stehen und her und näher kamen, und dann wen dete sie sich ab und floh zurück, nach dem Hause. Sie schloß die zitternder Hand, dann schaffte sie das Geld und worauf sie ihr Lager aufsuchte, um zu Vergebens! Es schien ihr, aks ob das Wehklagen des Kindes durch den Kamin zu ihr dränge sie hörte es an den Fenstern, in allen Winkeln desHau ses. An allen Gliedrn zitternd, mit kaltem Schweiße bedeckt, erhob sich das Weib noch einmal und nahm den Frie srock ihres Mannes wieder von dem Na gel herab. Die alte Wanduhr schlug eben Zwölf. Mit zuckenden Händen zog sie den Riegel an der Hausthüre zu- Sie taumelte den Felsen hinab, und nach jedem Schritte brauste die schäu mende Brandung ihr lauter in dieOH vor ihr in der Finsterniß und brach schäumend vor ihr nieder, so daß sie athemlos und vom Wasser triefend, zurückschreckte. Ein Schrei drang über die Lippen des Weibes. Siehe dieFluth auf die verhängnißvolle Stelle, mit weitgeäffneten Augen und blutlosen Lippen »we Mörderin! Gerade ein Jahr nach dieser v:rhäng nißvollen Nacht, in der Dämmerung ei nes windigen Frühlingstages, kam ein Wagen über die einsame Straße herangerollt und hielt vor dem von Wind und Wetter heimgesuchten Haust, das an dem Wege nahe der See stand. Aus dem Wagen stieg eine Dame, tief verschleiert und in tiefes Schwarz ge kleidet, und pochte an die Thüre um Einlaß. Sie erhielt keine Antwort. Das Haus erschien finster und schweig sam wie ein Grab. Die Besucherin drückte auf die Thürklinke. Diese gab unter ihrer Hand nach. Die Dame öff nete die Thüre und glitt unangemeldet in Frau Christophs Wohnstube. Auch da herrschte Finsterniß; eS brannte weder eine Kerze, noch gab es Feuer im Kamine, aber als die Schritte der Fremden auf dem Fußboden sich hörbar machten, rief von dem Bette in der Zimmerecke «ine Stimme mit zit terndem Tone: „W«r ist da?" Wie Jemand, der mit der Oertlich teit vertraut ist, ging die Besucherin zu dem Kamingesimse und tastete nach ei nem ZLndhölzchen. Sogleich durch brach der schwache Lichtschimmer einer Talgkerze die Finsterniß der Stube. Er beleuchtete das Bett in der Sluben ecke, und darauf ausgestereckt lag, wie ein Gespenst und sterbend, das alte F ischerweib. „Wer ist da? kreischte sie wieder, und erhob ihr graues Haupt von den Kis sen und starrte auf die schwarze Ge stalt, die jetzt rasch an ihrer Seite stand. Die Besucherin warf ihren Schleier zu- Kind?"' Der Kranken gespenstisches Gesicht wurde aschfarben. Mit hohlen Augen starrte sie auf ihren Besuch, aber von ihren zuckenden Lippen kam kein Laut keine Antwort. „Mein Kind!" wiederholte die An dere und ein Zittern ging über ihre ganze Gestalt und mit fieberhastemEi fer sah sie sich in der Stube um „das ich Euch und Doktor Walter vor einem Jahre des Nachts zurückließ. So sprecht doch! Ist es hier oder bei ihm?" Frau Christoph stieß einen wilden, entsetzlichen Schrei aus. Dann sank sie Bett zurück. „Ihr!" keuchte sie. „Ihr seid um den Balg gekommen! O Herr des Him mels!" ich kommen würde? Was habt Ihr ge than mit dem Kinde? Ist es da, frage PH, oder bei dem Doktor?" Die Kranke hielt mit beiden ausge- streckten Händen, nxlche Geiersklaue» glichen, ihre Besucherin von sich ab. „Hier? Nein! Nein! O Gott, Nein! Christoph und die Jungen liegen'auf dem Meeresboden, sie kommen nie v«- der zurück. Und ich liege sterbend hier allein. Ist das nicht genug? Geht fort geht fort in Gottes Namen!" „Ich werde es sagt mir nur was mit dem Kinde geschehen ist," antwort tete die schwarze Gestalt, und sie kam «äher und neigt« sich über das Bett, wie eine bleiche Madonna. „Zurück!" schri« das Weib. „Ich habe es nicht erhalten, sage ich! Warum quä let Ihr mich? Haltet Euch zurück! Horch, hört Ihr das Geräusch in dem Kamin?" Sie schnellte wie ein Ball von dem Bette empor. Ueber ihr zuckendes Ant litz ergoß sich ein Ausdruck, finsterer Reue und verzweiflungsvoller Furcht, so schrecklich, daß die schwarze Dame, die an dem Bette stand, instinctiv zu rückprallte. „Horcht! Da in dem Kamin und dort, am Fenster! Hört Ihr es denn nicht?" „Ich höre nichts als den Wind," antwortete die Frau in Schwarz. „Was meinet Ihr? „Lauschet: Es kreischt, es wimmert! Es ist um mich gekommen! Gott! Gottl Halt es ab von mir und ich will Alles sagen! Halte es ab von mir!" Mit einem Schrei, der das ganze Haus durchdrang, streckte sie ihre fleischlosen Arme vor sich hin. Ein Krampf erfaßte und schüttelte sie einen Moment. Dann fiel sie auf das Bett. In demselben Augenblicke wurde die Thür geöffnet und ein Mann trat ein. Es war Doktor Philipp Walter. „Was? Ist der Patient schlechter?" sagte er und eilte vorwärts, wobei er die Gestalt in Schwarz sanst zur Seite drängte. „Ich bin froh, einmal doch J emand hier bei ihr zu finden. Die Nach barn kommen so selten." Er neigte sich über Frau Christoph, betrachtete sie, fuhr zurück, erfaßte dann eine ihrer zusammengeballten Hände, und ließ sie wieder fallen. „Ist sie todt?" fragte die Frau in Schwarz. „Sie ist todt," wiederholte Doktor Walter, etwas überrascht von einer Stimme, die so verschieden war von de nen, die er in dieser Gegend zu hören gewohnt war. Sie trat einen Schritt vorwärts und stand ihm gegenüber. Sie richtete ihre großen, flammenden Augen auf ihn und sagte: „Doktor Walter, wo ist mein Kind?" Er sah sie erstaunt an. Er erinnerte sich nicht dieses Antlitzes, von so sel tener Schönheit es auch war. „Madame?" „Das Kind, vor einem Jahre hker ge boren," rief sie, indem sie ihre mit fei nen Handschuhen bekleideten kleinen Hän!de zusammenschlug und ihre ganze Gestalt erbebte „das Kind, welches ich Ihrer Obhut und der dieses Weibes anvertraute, das Kind, welches nicht hier ist und demgemäß bei Ihnen sein muß." Ein schwaches Wiedererkennen däm merte in den ruhigen, dunklen Augen des Doktors an, aber es wich sogleich dem lebhaftesten Erstaunen. „Sie sind von irgend einem Irr thume befangen," sagt« er freundlich. „Ich erinnere mich Ihres Gesichtes —> ich erinnere mich auch der etwas seltsa men Umstände Ihrer Erkrankung hier, aber ein Kind Ihr Kind und mir anvertraut? Das ist mir ein« Neuig keit! Ich bekenne, daß ich davon nicht das Geringste verstehe." Sie stand wie in Stein verwandelt. „Bor einem Jahre ließ ich es hier des Nachts sür Sie und für dieses Weib. Ich hatte eine Aufgabe zu lösen, die mich nicht anders handeln ließ ich hatte viele Meilen zu reisen. Warum foltern Sie mich nun? Es ist nicht gü tig! Nicht großmüthig! Sie verstehen mich gewiß und das Kind befindet sich bei Ihnen, oder Sie wissen wenigstens, wo es ist." Der Ausdruck des Erstaunens auf dem Gesichte des Doktors wurde lebhaf ter. Es war eine seltsame Scene die elende Stube außen der düster da hinsterbende Tag, im Bette die Leiche des alten Weibes und an ihrer Seit« die beiden Personen, der rüstige Land arzt mit seinem ruhigen, aber über raschten Gesichte, und die elegante Dame in ihrer reichen Trauerkleidung mit flammenden Augen und todtenbleich in ihrer schrecklichen, Erregung. „Ich habe Ihr Kind nach meinem letzten Besuche bei Ihnen niemals ge sehen." sagte Doktor Walter. „Ich habe niemals gewußt, daß Sie es meinerOb hut, noch der eines Anderen überlassen. res ,n diesem Haus- gewesen? fragte „Niemals bis gestern, als ich zuerst von Frau Christophs Krankheit hörte d k S' ch „Niemals!" antwortete Doktor Wa lter. Sie richtete sich ernst vor ihm auf, sah ihn scharf an und blickte auf seine gewöhnliche, etwas abgetragene Klei sich mit einer plötzlichen Bewegung zu seinen Füßen nieder. „O, ich weiß es," rief sie. „ich verstehe jetzt Alltö! Sie sind von meinen Fein- Sehen Sie: Ich knie vor Ihnen!' Sa gen Sie mir! Ist es nicht so?" „Madame, Sie sind außer sich," rief der Doktor, der sich beunruhigt zu füh len begann. „Ich bitte, fassen Sie sich, Ihre Feinde? Bedenken Sie doch, daß „Sie kennen dieselben!" schrie sie. „Sie kennen sie, denn sie sind hier ge wesen, haben sich Ihnen entdeckt und Sie h«ben ihnen mein Kind ausgelie fert. Thörin, die ich war, es an einem Orte, wie dieser für sicher zu halten: Nun, was haben Sie gethan mit dem armen Wesen?" „Stehen Sie auf!" sagte der Doktor sanft, denn er glaubte in seinem Her zen, daß dieses schöne Geschöpf eine Wahnsinnige f«in müss«. „Wie tann ich Ihnen das sagen, was ich selbst nicht weiß? Wi« könnte ich irgend Jeman dem etwas überliefert haben, das ich selber gar niemals besaß?" Sie hielt seine Kinee noch mit ihren convulsivisch zuckenden Armen umfaßt. ,Si« wissen es und nur Sie. Hören Sie auf, mein Herz zu zerreißen! Ha ben Sie kein Weib kein eigenes Kind, das Sie empfinden heißt, was ich empfind«? Ich habe in der ganzen Welt nichts, als dieses Kind. Wo hat man es verborgen? Sagen Sie es mir! Sagen Sie es! Ich bin auch reich und auch ich kann Sie belohnen!" „Gnädiger Himmel!" rief der Dok tor, „wache ich, oder träume ich? Ich bitte Sie, sich zu erheben und sich zu be ruhigen. Wollen Sie mir denn nicht glauben?" Sie sprang empor; ihre Blicke schleu derten Blitze. „Ich laiin nicht ich werde es nicht, bis Sie mir sagen, wo meinKind ist!" „Dann," sagte der Doktor ruhig, „lassen Sie uns diese Zusammenkunft beendigen. Ihre Fortdauer kann sür uns Beide nur qualvoll sein. Ich wie derhole, daß Sie sich unter dem Ein drucke einer seltsamen Täuschung befin den. Leben Sie wohl, Madame! Ich Wache zu finden. Wenn ich Ihnen sonst in irgend einer Art dienen kann, befeh len Sie über mich." Sie trat ihm mit einem Blicke ent gegen, der bestimmt schien, ihm bis an seinen Sterbetag imGedächtniß zu haf ten. NochJahre nachher sah er im Wa chen und im Schlafe diese schwarz ge kleidete Gestalt» wie sie da stand in dem ärmlichen Todtengemach, wie ihr wei ßes Antlitz schimmerte in dem düsteren Lichte ihr weißes und doch so rache erfülltes Antlitz mit den drohenden Au gen, die finster auf ihn gerichtet waren. „Noch einmal," zischte sie durch ihre Zähne, „wollen Sie mir sagen, wo ich mein Kind finden kann?" „Mit Freuden würde ich es thun, wenn ich könnte," erwiderte er. „Ich will nicht diese Antwort haben. Ich frage Sie nur um eine Silbe ja oder nein?" „Dann muß ich Nein sagen," ent gegnete der Doktor. schritt nach der Thüre. „Erinnern Sie sich, daß wir uns wieder treffen," sagte sie, dann eilte sie in den Wagen, der außen aus sie war tete. Doktor Walter hörte diesen in der Dunkelheit fortfahren. Er stand allein bei der Leiche des Fischerweibes, und an dem bisher heiteren Horizonte sei nes Lebens hatte sich plötzlich eineWolke erhoben, nicht größer als die Hand ei nes Menschen. Doktor Walter erwähnte die Sache nicht gegen Aennchen. Einige Tage nach Frau Christophs Tode kam er eines Abends müde und erschöpft heim und trat mit leisem Schritte in das weiße Häuschen, worauf er immer vor einer halbgeöffneten Thüre anhielt und hineinblickte. Das anmuthige Wohnzimmer war voll Licht und Wärme. Ein runder Theetisch, mit fle ckenlosem Damast bideckt, stand in der Mitte des Raumes. Der Dust geröste ten Brodes und Thees regte die Le bensgeister an. Der Stuhl des Doktors nur mit Zitz bedeckt und von ganz gewöhnlicher Art, denn der gute Mcdi- Frau, die, fröhlich wie ein Kind, am Kamine saß. Ein mädchenhaftes Wesen mit Grüb chen im Kinn und fangen und wohl ses Haar schien ein Leben für sich zu haben, so wallte eS, so hob und senkte es sich schimmernd, denn das zwei Jahre zählende Kindchen der kleinen Mutter spielte mit dieser Versteckens Walter hielt seinen Athem an, und im Schatten der Thiire stehend bewachte er das schöne Bild. Das lachende Kind tauchte in die goldgelben Schlingen voll Licht und Glanz und sah dann wieder daraus von einer Aureole umgeben. „Sanft!" warnte Aennchen. „sanft Herzchen! Wenn Du mir Haare raubst, geh' ich nach des Doktors Pillen schachtel!" Und das kleine Gesichtchen fuhr zu rück, es verschwand in der Glorie. Die Mutter bedeckte es mit Küssen. Dann nahm sie das Kleine auf ihre Arme, er hob sich schäkernd, lief mit demselben, und die Beiden liefen geradezu dem V ater in die Arme. Der kleine Liebling wurde nach ei nem väterlichen Kusse sofort auf den Boden gesetzt und er lief und holte die Pantoffeln des Vater!. Nachdem die! geschehen war, nahm er auf den Knien des Papa Platz und schaukelte sein« kleinen weißen Füßchen. „Mein liebes Männchen ist wohl recht ermüdet heute Abend," seufzte Aennchen, indem sie neben dem mit Zitz bedeckten Lehnstuhle niederkniete, „und da zwischen seinen Augen gibt es einige böse Falten. Ach, wie häßlich ist es doch, arm zu sein!" „Nichts von alledem, Du thörichte? Aennchen," sagte der Doktor. „Ich hasse Undankbarkeit. Ich fühle mich so glück lich wie Adam vor dem Falle. Da! Sieh in meine Augen! Bist Du es müde, meine Armuth zu theilen?" Sie erhob ihre langen Wimpern und sah zu ihm empor. „Ich denke, dqs brauche ich nicht zu beantworten," sagte sie; „mein liebes Männchen weiß es. Aber Geld ist ein sehr artiges Ding, Philipp. Man wird es doch zuweilen müde, sich zu quälen und abzuplagen und zu sehen, wie der Gatte Falten bekömmt und grau wird vor der Zeit. Ich wäre froh, wenn ich reich wäre, nicht so sehr meinethal ben. als Deines und unseres Kindes willen." Sein ermüdetes Antlitz nahm jetzt einen solchen Ausdruck von Kummer an, daß sie einen Augenblick wegen ih rer Worte besorgt war. Er erhob sich mit dem Kinde auf dem Arme und schritt einige Male durch das Zimmer, das Kleine zärtlich an die Brust drü ckend. „Aennchen, mein theures, kleines Weibchen," sagte er jetzt eifrig und ha stig, „sprich nicht so! Thu' es nicht! Du weckst einen Dämon in mir ich werde von ihm zu Etwas versucht, das ich nicht thun kann, nicht thun will das nicht zu thun ich geschworen habe— feierlich geschworen! Du verstehst mich nicht, und es ist mir auch lieber so. Laß es vorüber gehen; aber mein Liebling muß zufrieden sein mit den Gütern, die ihm Gott bescheerte sie muß mich hinnehmen wie ich bin und das Beste aus mir machen einen armen, ar beitsamen Doktor, der sür sie arbeiten, für sie leben und für sie sterben will, wenn es nöthig ist!" Sie ging zu ihm hin, und da sie die Kleinere von Beiden war, drückte sie einige Finger in ein Knopfloch seines Schlafrockes und blickte empor in sein Gesicht. „Philipp, Du verbirgst etwas vor mir!" Er veränderte die Farbe, aber nur für einen Augenblick. .Es ist wahr mein Verlangen nach dem Nachtmahle. Verzeihe mir, aber ich denke, das geröstete Brod wird kalt." „Ich habe in Wirklichkeit diesen Ver dacht schon länger als seit heute." „Ich liebe dieses Wort nicht, mein Schatz!"antwortete er ernst. „Verdacht! Dir niemals etwas v»renthalten, das zu wissen Dich glücklicher macht. Dessen sei versichert, jetzt und immerdar." Doktor Walter zündete eine auf dem Kamingesimse stehende Lampe an. „O," rief Aennchen, „jetzt setzest Du dich wieder zu Deinen abscheulichen Büchern und Niemand soll Dich stören, wenigstens bis Mitternacht!" in sein Studirzimmer, welches an der anderen Seite der Vorhalle lag. Es war ein kleines, gewöhnliches Zimmer, Er zündete sich selber «in Feuer an, nahm Bücher von den Brettern, stellte seine Lampe auf ci>ien mit grünem sichtbar. Er sei/ztc tief, als er seineßü ner Ruhe folgten. Das Studirzimmer war todtenstille, nur die Kohlen tnister ten aus dem Feuerrost und die Blätter Es war mehr als wahrscheinlich,daß Walter nun die einzige wachs Person im Hause war. Er erhob sich demzu- Thüre des Hauses. Auf der Schwelle stand in der finsteren Frühlingsnacht ein Mann. „Ein Wort mit Euch!" fügte «r lsE-'bl'bt" t tete Doktor Walter. „Wollt Ihr hin zur Hälfte von einem Barte bedeckt. Seltsam genug, zog er seinen Hut z nicht, als er eintrat. I „Ich bin in dies?: Nacht hierher ge sandt worden," begann er in einer wohl modulirtcn Stimme, »um mich mit Ihnen üb«r eineSach» von großerWich tigbeit zu berathen." e» Sie selbst oder Jemand Anderen?" fragte der Doktor. jemand Anderen." „Sie haben eine späte Stunde ge wählt," sagte der Doktor Walter; „aber sprechen Sie." Der Fremde fuhr empor und seinen Stuhl mit Gehalt zurückstoßend, sah er dem Arzte in die Augen. „Wo istdasKind?" fragte er, und je des Wort kam mit besondrem Nach druck von seimn Lippen. Doktor Walter stärkte den Frager betroffen an, aber er sammelte sich rasch „Was soll das?" rief Doktor Wal ter. „Ist dies Irgend ein stupiderScherz, oder wird mir in nüchternem Ernste Zuerst wer sind Sie?" „Ich bin von txr Mutter des Kindes hierher gesendet," antwortete der An „Mein Name hat für Sie nichts zu be sicht, Namen zu nennen. Aber die Frage ist kein Scherz; sie wird Ihnen im Ernste gestellt in schrecklichem, ge fahrdrohendem Ernste wo ist das Kind?" „Dann," sagte Doktor Walter, „muß ich jetzt antworten, wie ich vor einer Woche antwortete! Ich weiß nichts, ab gen und Diejenige, welche Sie hierher gesendet, ist entweder das Opfer eines Mißverständnisses, oder eine Wahn sinnige." „Keines von Beiden; aber eine Mut ter, welcher Dasjenige geraubt worden ist, was sie entschlossen ist, auf jede Gefahr hin wieder zu gewinnen auch Sein Blick glitt bei diesen Worten über das ärmliche Meublement des Studirzimmers hin. „Gehen Sie," sagte der Doktor. „Diese Sache fängt an, unglaublich lä cherlich zu werden!" „Und es hat noch nie ein armer Mnnn gelebt, dem der Gedanke anGold nicht süß war. Doktor Walter, lassen Sie uns einen schönen Tausch machen. Ich halte hier eine volle Börse; Sie be sitzen ein Wissen, das doch seinen Preis zehntausend Thaler." „Danke!" sagte der Doktor trocken; „zu viel, ich versichere Sie!" „Dann Zwanzigtausend l" „Noch schlechter!" „Fiinfzigtausend!" „Sie schmeicheln mir sehr. Ist msr denn das Wort Schurke so deutlich in das Gesicht geschrieben? Müssen Sie denn glauben, obwohl lhnen das genug ist, mich zu versuchen, es ihr zu rückzustellen?" „Hunderttausend Thaler?" sagte der Andere, als ob der Doktor nicht gespro chen hätte. Walter schritt zu der Thür und öff nete sie. „Gehen Sie!" rief e,r mi einer Don nerstimme. Dir Fremde näherte sich der Schwell«. „Geld kann also Ihr« Lippen nicht „Hören Sie nicht?" schrie der Dok tor, indem er in die finstere Nacht hin aus zeigte. „Weil ich nichts weiß! Diese lächer lich« Thorheit deutet entweder aufßos heit oder auf Wahnsinn. Wenn die Mutter des Kindes ihre Feinde inßer dann soll sie es bei Ihnen suchen." „Sie hat es bereits gethan. Dort ist es nicht. Sie sind zu schlau, es dort zu lassen, wo sie es sehen oder hören kann. duld!" rief der Doktor. „Wer ist sie und wer sind ihre Feinde? Wie soll irgend ein vernünftiger Mensch in einer so unterhandeln!" „Das verlangt man nicht von Ih nen," erwiderte der Andere hochmii thig. „Sie sollen nur die Frage beant worten, die ich Ihnen gleich Anfangs vorgelegt. Ihre vorgeschützte Unwissen heit täuscht mich nicht im Geringsten. Der Mann und diese Frau haben Sie nicht für ihre Interessen gewonnen und blieben Ihnen immer unbekannt." „Meine Zeit ist zu kostbar, um sie länger zu verschwenden. Gehen Sie, oder ich muß Sie über Hals und Kops hinauswerfen!" Der Andere machte ihm eine tiefe Verbeugung. „Der Maulesel, der nicht gestreichelt sein will, kann bisweilen angetrieben werden," sagte er. „Gute Nacht, Herr Doktor Walter." Und damit ging er seiner Wege. Doktor Walter kehrte nach seinem Studirzimmer zurück, stellte die Bü cher wieder auf ihre Bretter, sah auf seine Taschenuhr und fand, daß nur noch eine Stunde aus Mitternacht fehlte. Dann nahm er seine Lampe und stieg hinauf nach dem Zimmer seiner Gattin. Sie lag auf ihren Kissen in tiefem, süßem Schlafe, mit gerötheten Wangen und glücklich wie ein Kind, ihr fchö- Liebling. Der Doktor beschattete die Lampe mit seiner Hand und sah «ms sie hinab. Sein Antlitz zeigte eine lebhafte Bewegung. Er erfaßte.eine Handvoll v»n Aennchens goldblondem Haare und drmkte es an seine Lippen. „MeineTheuren!" flüsterte er. .meine kostbaren Schätze! Was gibt es noch, Alles, aber das das? Niemals! So wahr mir Gott helfe!" einen Stuhl am Fenster, zu Häupten des Bettes, preßte sein sorgengefurchtes Antlitz an eine Scheibe und starrte ge saß er bis an den Morgen. Man stand früh auf in dem Hause des Doktors, aber Aennchen sah nichts von ihrem Gatten, bis die Frühstücks glocke ertönte.^ Meeresufer zurückkehren. „Wie hager und blaß Du aussiehst!" rief sie. „Diese fürchterlichen Nachtftu dien reiben Dich auf, Philipp. Ich will es wirklich nicht haben, Du gewissenlo ses Männchen!" „Ich kenn« Ihre Schlauheiten, Ma- Erwiderung abzulocken. Du wünschest nur, daß ich Dir sag«, Du seiest rosig wie das Morgenroth und zweimal so rosig. Ich schlief nicht gut letzte Nacht Haus und durch den befcheidenenGar ten nach ihrem eigenen Willen zu bewe gen. Es war ein lieblicher Frühlingstag. Ach, wie schmerzte Aennchens Herz später die Erinnerung an dessen Son nenschein, an die singenden Vögel und Nach dem Mittagsmahle versank das Kindchen auf der Matte vor der Thüre in Schlaf und es wurde von den weißen Armen der liebevollen Mutter empor gehoben und nach dem Wohnzimmer gebracht, um in dessen Stille und Hnlb- „Störe sie nicht Kathi," sagte die kleine Mutter zu ihrem Mädchen. „Die Arme ist müde. Wenn Jemand kommt, führe ihn in das Studirzimmer. Ich habe einen Gang zu machen." So war das Haus der Dienerin und dem Kinde überlassen. Niemand kam und Kathi hielt sich von dem Wohnzim mer ferne, das jetzt nur dem Schlafe des kleinen Lieblings geweiht war. Der Nachmittag ging in die Dämmerung über. Dann erschienen der Doktor und Aennchen miteinander an dem Thore in der häßlichen, altmodischen Küche. „Wo ist unser kleines Herzchen?" war die erste Frag« der Mutter, als sich ihr schönes, lachendes Gesicht an derThüre der Vorhalle zeigte. „Sie schläft wie «in Engel, Ma dame," antwortete Kathi. „Ich habe keinen Laut von ihr gehört, seit Sie fortgingen." „Ist es möglich!" rief Aennchen in spottendem Tone, eilte in das Wohn zimmer und zu dem Sopha, auf das sie ihren Liebling gebettet hatte. Zu ih rer Ueberrafchung fand sie das Fenster, das nach einer mit Weinlaub behange nen Veranda hinaussah, weit offen. Nur der Fenstervorhang war herabge lassen. Sie zog ihn empor und das letzte Licht des Sonnenunterganges strömte in das Zimmer. Sie wandte sich wieder dem Sopha zu. Ein wilder Schrei brach von ihren Lippen! Die weißen Polster lagen alle da, noch war der Eindruck des kleinen Lockenhauptes auf ihnen zu se hen, aber das Kind war fort. „Philipp!" schrie Sknnchen und stürzte entsetzt und bleich dem Doktor entgegen, d«r eben in di« Thüre trat. „Wo ist sie, Philipp?" „Wer? Was? Meinst Du unser theu res Kind?" „Sie ist fort.!" schrie die Mutter, wie wahnsinnig und überwältigt von Ent setzen und Angst. „Mein Kind!" Sie stürzte nochmals zu dem Sopha, warf die weißen Polster auseinander uizd Todtenblässe überzog ihr Antlitz. „Sie wird in ein anderes Zimmer gelaufen sein!" stammelte er, „in's Studirzimmer, vielleicht in die Küche, Kathi! Durchsucht das Haus mein Gott! Was ist das?" Er beugte sich nieder und hob von dem Fußboden neben dem Sopha einen feuchten Wasserschwamm auf. Aenn chen erfaßte diesen. Ein Beiden bekann ter Geruch machte sich bemerkbar. Der Schwamm war mit Chloroform ge tränkt. Jetzt starrten sie einander an mit bleichen, entsetzten Gesichtern. „Philipp!" rief sie keuchend, „wer kann das gethan haben? Ach, mein Herzchen! Mein einziges süßes Kind chen!" Und sie erhob ihre Arme mit ei nem wilden Aufschrei und stürzte dann bewußtlos zu Boden. Der arme Doktor Philipp Walter! Er durchsuchte jeden Winkel des Hau ses, er setzte alle Nachbarn in Bewe gung, die ganzeUmgegend wurde durch streift; es war vergebens. (Fortsetzung folgt.) Sie: Diese reizende lluischigeWald wr. Bewerberin: O, wenn es nur «s ist, halten Sie die Stelle sür mich isfen. Bis morgen werde ich eine Schei dung erwirkt haben. D«r «etfr»«. Dem Reifrock widmet Direktor Hanl Voesch in der „Frlf. Ztg." eine ge schichtliche Studie. Dieses Gestell war -ine spanische Erfindung: von seiner Entstehung erzählt man, daß eine ma- Zieifen mehrere folgen ließ, die unteren stets größer als di« oberen und mit Schnüren an diesen befestigt. Bald ward dieses Möbel, vondessenlUrsprung Sebastian Münster in seiner 1543 zum ersten Male erschienenen KoSmographie sagt« : „Di« spanischen Weider schlagen auch um ihren Bauch einen hölzernen mit sie prächtiger einbergehen", auch von Fischbein, steifem Filze, Draht- und Eisenreifen gefertigt. Damals glich der Reifrock einer Glocke oder einem nicht lange, bis er als Vorlage für Trinkgeschirre, die umgestürzt die Ge stalt einer Dame im Reisrock hatten, benützt wurde. In den Museen finden sich noch manche dieser originellen Be cher. die in neuerer Zeit irgend Jemand Brautbccher getaust hat. Von Spa nien aus verbreitete sich die neue Mode Karl IX. 1561 genöthigt sah, die ten. Nach Teutschland gelangte die spaiiische Mode erst später; sie kam nur allmählig zur Annahme und bewegte sich zunächst in bescheidenen Formen. Die Moralisten jener Zeit gingen daher ziemlich glimpflich mit dieser WestphalS Schrift „Wider den Hof fahrtsteufel" (1563) wird ihrer nur mit den Worten gedacht: „Es ist gar ein neuer Fuud, daß man die Weiber- welches vornhin mit Filz ge schehen ist". Und Andreas Oslander bemerkt über den Reisrock: „Ferner unten an den Weibskleidern, die haben diesen Nutz und Zierlichkeit: Wann ein Weibsbild nahe an einem Tisch steht, oder aber niedersitzen will, so stehen die oberste» Kleider von wegen des Reise» über sich, eines Schuhes hoch, also daß man darunter die ander» geringen und nachgiltigen Kleider sehen tann." Die Auswüchse dieser Mode kann man am besten in der Kostümgalerie Grenzen sich bewegenden glockenförmi gen Reifrock: es kam vielmehr der ton nenförmige ans, der von der Taille auZ dann senkrecht herabzufallen: man hätte ihn -»I» Bierfaß heißen könne». Auch hier gab es wieder vielerlei Abwande lungen. So finden sich tonnenartige Rciiröcke, bei denen die Zaillenscheibe nicht wagrecht war, sondern am Rande dere, bei denen die Scheibe sogar noch über den abfallende» Rock hinaus stand. ! Der niedersächflsche Dichter Johann gedicht „van almodischer Klederdracht" > über diese Form des „Vertugadin", auch „Eachcbastard" genannt, findet Arme darauf ausruhen lasse» tonnt« ! und Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs, wie Schnupftuch, Handschuhe, Geld beutel, Scheere, Nadelkissen ». f. w. wie aus einem Tisch ihren Platz fanden. Im ersten Viertel des siebzehnten Jahr hunderts tam das Ungethüm säst über all wieder aus der Mode: nur di» Spanier konnten sich gar nicht von ihrer großartigen Erfindung trennen. Ganz starb diese Thorheit indessen nicht aus. Und unter Ludwig XIV. er wachte sie zu »«uein Leben. Selbst verständlich auch wieder in Deutsch land. Wie sagte doch ein die Ber welschuiig Deutschlands geißelnder Satiriker: sollt ein Franzos es wagen. Die Sporen auf dem Hut, Schuh an der Hand zu tragen. Die Stiefel auf dem Kopf, ja Schellen vor dem Bauch, Anstatt des Nestelwerks: der Deutsch« thät es auch!" Und dann nach mancherlei klmwäl zungen in der Geschichte der Staaten und Sitten kam unter Frau Eugenies Regime der Reifrock als Krinoline zur Herrschaft. Nicht lange freilich dauerte diese Herrlichkeit. Wann wird sie un serem Kulturleben wieder erstehen. Der älteste Lehrer der Schweiz schreibt der „Bund" Co lumdan Rusfi in Andermatt, sängt an Bersassuna und sitr die ölten Rechte sei ner „Sl'uitinoer" zu stimmen. Und letzthin Hai er es >ogar gewagt, eine zum ersiinmale in seintm Leben aas Dampfschiff nach Brunnen zu b«. steigen. Der nun im 8'». Jahre ste hende Greis fand früher leine Zeit für oas Vergnügen. Mit 13 fahren über nahm er die Orgel, mit 15 Jahren di» jland trat. Triumph der Malerei. Maler Schmierleius Tropsngemälde befallen wurde! Pech. Dame (Mutter vieler Töchter): Drei Viertel Jahre lang hab' i ich ihn so weit hatte, daß er sich ent > schloß zu heirathen. nun heirathet er »der keine von meinen Töchtern!" 3
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