Inge. (5. Fortsetzung.) So griff sie in Gedanken nach dem Genusse einer verbotenen Leidenschaft, berauschte ihre Einbildungskraft mit dem Wiederdurchleben vergangener HerzenSsreuden und hatte schließlich nur den einen Wunsch, Hellmuth wieder zu sehen, seine Verzeihung zu erflehen und den alten Platz in seinem Herzen wieder zu erobern. Daß sie auch damit noch nicht zufrieden sein würde, gestand sie "sich nicht einmal selbst. Aber diese «ine Saison in der Großstadt hatte hin gereicht, umFe die Befriedigung solcher Gelüste unter Rettung des Scheins und der gesellschaftlichen Stellung nicht mehr für unmöglich ansehen zu lassen. Nun, sie sah Hellmuth wieder. Die «lte Leidenschaft erwachte sosort in ihr mit ungebändigter Krast. Sie sah, wie er sich von ihr zurückhielt, wie leicht ihm die talte Höflichkeit wurde aber trotzdem gab sie ihr Spiel nicht verlo ren. Sein Inneres mußte ja das Spiegelbild ihres eigenen sein, ein un «estörtes Beisammensein, eine Gelegen heit, die MaStffortzunehmen und—sie hatte gesiegt. Diese Gelegenheit sollte ihr der heu tige Ball geben. In jenen Räumen, in denen so ost ein ganzes Vermögen auf eine Karte gesetzt worden, wollte sie v» spielen, und sie selber wollt« der lockende Einsatz sein. VI. Die obere Etage des Kurhauses lag in einem Meer von Licht, als zu vorge rückter Abendstunde vor dem mächtigen Säulenportal hielten. Diese Räume mit ihrer überreichen Ausstat tung, mit ihren kostbaren Verzierun gen, Meisterwerken von Decken- und Wandgemälden waren noch nicht ein mal ganz vollendet gewesen, als das Jahr 18L6 dem verhängnißvollen Rol len der kleine» Elsenbeinkugel aus dem grünen Tisch sein eisernes: Veto! zuge rufen hatte. So hatten sie nie ihre eigentliche Bestimmung erfüllt. Hinter den dichtgeschlossenen Vorhängen schlum merten sie in halber Dämmerung jahr ein, jahraus. Sie konnten sich an nichts erinnern und keine Träume von ver gangenen Herrlichkeiten haben. Zuwei len führte einer der Beamten des Kur hauses srcmde Gäste auf besonderen Wunsch die breiten, teppichbelegten Marmortreppen hinauf. Dann knarrte der Schlüssel, huschte man über das spiegelnde Parquet, und während man durch die Fluth der Prunkgemächer ging, die in ihrer todten Starrheit trotz der Leichtigkeit aller Formen, der Uep pigkeit der Dekorationen nicht warme Bewunderung, sondern nur Staunen weckte, flüsterte man mit diesem ge dämpften Ton, den man nnwillkürlich annimmt, ob man nun Kirchen oder Paläste besichtigt, und der so verschieden ist von dem freien, jauchzenden Her zensrnf, den wir in eine waldige Schlucht, oder in.die brausende Bran dung hiucinklingen lassen. Werke von Menschenhänden, und seien sie noch so erhaben, binden unsere Zunge, weil sie uns, auch in höchster Vollendung, das Gefühl des Beschrank ten. Endlichen lassen aber Gottes unvergäiigliche, ewig »eueSchöpsuiigs wunder lösen sie, daß auch die lebende Creatur einstimme in den Lobgesang der Himmel und der Beste. Nur wen» in jedem Sommer der alte englische Adel seine glänzenden Feste gibt, zu denen eine beschränkte Zahl von Einladungen auch an die an dern anwesenden Nationalitäten ergeht, öffnen sich diese Thüren gastlich, eilen die Lakaien über die Marmorstusen, auf denen lange, kostbare Seioenschlep pen rausche», mit diesem eigenen Ge riesel. das allein schon Ncrvenprickeln verursachen kann. Was sich dort versammelte, war ein Strahlenkranz von Schönheit und Ele ganz war trotz des internationalen Charakters fast eine geschlossene, sich wohlbekannte Gesellschaft, denn für Viele war ja Homburg das jährlich wie dertehrende Rendezvous, eine Art von festem Punkt in der Flucht vou Er scheinungen. ob man nun von den Ufern der 'Newa oder denen der Seine kam. So war man fast „unter sich", ob gleich von der ungebundene» greihxit des Baoelebens auch ein aufmerksamer Beobachter nicht» verspürt halte, zu Homburg tanzte man eben nicht wie vielleicht Trouville. E» war ein Wan delconcert, das ungefähr den Eindruck eines SubseriptionSballeS machte, nur daS hier der Angelplkntt nicht die höch sten Herrschaften selber waren, sondern verschiedene hohe Gäste gleich Nebenper sonen ihre» besonderen Hosstaat und Sonderdeachtung forderten. Aber auch in diesem auserlesenen Kreise fiel die Erscheinung Cora von BergerS auf. Mau sah sie zum er sten Male hier, die Neugierde führte das Glas an die Auge», uud Erstau nen und Bewunderung fesselten es dort, wenigstens bei den Herren, deren Blicke wie gebannt folgte». Sie kam'cben am Arme des Mar quis von einer Quadrille zurück und schritt langsam der Ecke zu in der Ber ger und Heyden standen. Wieder wie einst, hingen beider Augen an ihr, nur sprach aus denen Hellmuths jetzt die kühle Kritik, die an diesem Meisterwerk der Natur gern einen Fehler, einen Makel gefunden hätte, der einen Rück schluß gestattet auf die innere Hohlheit. Aber vergebens. Selbst wenn noch der verwundete Stolz in ihm gelebt, der lange einem tiefen Mitleid Platz gemacht, selbst dann hätte er es zugeben müssen, die Frau, die sich da näherte, war vollendet schön. Ja, er sah da« heute deutlicher »och als einst, wo er nur die Seele in diesen dunklen Augen gesucht hatte und zu verblendet gewesen war, um die Einzelheiten ihrer Schön heit zu zergliedern. Heute sah er, wie ebenmäßig du schlanke Gestalt war, die ein schweres, langschleppende» schwarzes Seidenkleid umschloß, dessen Glanz gedämpft wurde durch kostbare schwarze Spitzen, ja. er bemerkte sogar mit leichtem Lächeln, daß sie dieieS Schwarz wahrscheinlich nur gewählt, um den Gegensatz zu ihrer lichten Schönheit noch zu verscharren. Bus dem tiefen Ausschnitt des ärmel losen Kleides leuchtete die lilienhaste Frische ihrer Haut. Der stolze Nacken trug keinen Schmuck, aber in den halb blonden Haaren funkelte dciS Braut diadem. Sie trug den kleinen Kopf stolz auf den wundervoll gewölbten Schultern, die großen schwarzen Augen funkelten mit souveräner Verach tung auf ihre Umgebung herab, als fühle sie heute bei jedem Schritt ihre sinnberückende Schönheit, ein Bewußt sein, daß einer eitlen Frau die Sicher heit des „wir, von Gottes Gnaden" gibt. Vor den Herren blieb das Paar ste hen. Eora bewegte langsam den Feder sächer auf und ab und sagte zu ibrem Manne: Weißt Du, man an», ouk oer Herr Mar,,vis seine ganze echt französische Liebenswürdigkeit und Galanterie auf geboten hat, um mich zu überreden, übermorgen mit ihm zusammen auf dem Eiffelthurm zu diniren? Also ein vollständiger EntführungS plan? Dem wir aber dem Ehemann, als der höchsten Instanz, unterbreiten ehrlich, wie wir sind. Man sprach hin und her. Die Idee war verlockend, dem Marquis schien sehr viel daran zu liegen und Berger brannte in der letzten Zeit in Homburg der Boden unter den Füßen. Wenn er seine Frau unversehrt aus der Nähe dieser „allen Flamme" brachte, schien ihm viel gewonnen. Da Du Paris noch nicht kennst. To ra, so wäre Dein direkter Wunsch aus schlaggebend. Willst Du hin? In diesem Augenblick trat Otten zu der Gruppe, der eben eine junge Eng länderin aus ihren Platz geführt, mit der er sich durch eine ziemlich einsilbige Unterhaltung gestümpert, denn da er im Englischen Autodidakt war, so blie ben ihm ihre Bemerkungen ebenso un verstandlich wie ihr sein gemüthliches Schlesisch. Sie hatte aber einen blen denden und prachtvolle Zähne gehabt, der vielseitige Lieutenant zählte diese Quadrille darum durchaus nicht zu den verlorenen Stunden seines Le bens. Sie wallen fort, meine Gnädigste? rief er auf die Frage Bergers, die er eben noch gehört, aber das ist ja zum Verzweifeln! Uebermorgen reisen Hey dens, wenn Sie Ihren getreuen Va sallen nun auch Verlasien, Pfalzgräfin, schönste der Frauen, dann Hilde ich mich während der letzten acht Tage meines Urlaubs entweder zum Säulenheiligen aus— oder ich falle in die Schlinge der nächsten, besten Kokette. Furcht bare Alternative, nicht? Wenn Sie nur ein wenig Talent zum Einsiedler Hütten, Sie Don Juan! Aber so lange man Ihnen auf Ihrem Postament nicht Ihr unvermeidliches Roastbeef mit Remoultdenfauce fer virt, Telephonanschluß nach Bayreuth angelegt ist und die niedlichsten Mäd chen dem sonderbaren Heiligen beichten kommen, sürchte ich nichts für Sie. Vor den Schlingen gewisser Damen schütze ich Sie doch nicht also,. Wohin soll es dann aber gehen? Ist Homburg nicht ein Paradies? In dem, seit nicht mehr gespielt wird, selbst keine Schlange mehr lauert, meinte Heyden. Wo aber Eva noch immer den Apfel darreicht, murmelte Berger, als er den langen, träumerischen Blick sah. den seine Frau auf den jungen Stabsoffi cier warf. Ihre feinen Finger spielten jetzt mit einem Strauß frischer weißer Jasmin blüthen, den sie als einzigen Schmuck am tiesen Ausschnitt der Taille trug, und langsam und zögernd sagte sie: Nach Paris ich bin aber noch nicht entschlossen. Die Musik begann von neuem. Otten, dem dieser Walzer gehörte, ent-- führte die schönste Frau in die Reihen der Tanzenden. Hellmuth nahm am Tanze nicht theil. Am liebsten wäre er nach Hause ge gangen, denn nach einem längeren Ge spräch mit seinem Vorgesehen sesselte ihn hier nichts mehr als ein Akt der Höflichkeit, er hatte die Baronin Ber ger um einen Tanz gebeten. Wer ihm emst gesagt hatte, es würde eine Zeit kommen, in der er mit Eora von Waldau einen Pflichttanz machen würde! Und auf einmal kam er sich so alt vor! Er sehnte sich sosort aus diesem Prunksaal mit seiner strahlenden Gesellschaft, hin weg aus den Rosenaltan ihrer 'Woh nung, oder noch besser, heim in seine geliebte Klause. Ist es nicht eine Thorheit, in der weiten Welt Zerstreu ung und Anregung zu suchen, wenn man ein tranteSHeim sein eigen nennt? Und inmitten dieses blendenden Licht glanzes sah er plötzlich wie eine Vision das einfache Erterzimmer, im Lichtlreis der grünbeschatteten Lampe die edlen Züge seiner Mutler und Inge mit der reinen Stirn und den nie ruhenden, fleißigen Händen. Aber auch das sollte aushören. Fast böse sah er zu Otten, der diesmal bei einer kleinen Französin entschieden mehr Glück hatte. Wenigstens lachten beide, und wenn vielleicht auch hier mit unter eine Wendung mißglückte—diese Augensprache ließ an Deutlichleit nichts zu wünschen übrig. Also so l»alt man Wort, klang plötz lich eine weiche Stimme neben ihm. Wissen Sie, daß es unsere ist, deren Touren sich da vor uns ab wickeln? Er sah wirklich verwirrt zu Eora hinunter, denn trotz ihrer schlanken böhe reichte sie ihm kaum bis zur Schulter. Sie bemerkte seine Verlegenheit, und, sie nach ihren Wünschen deutend, sagte sie leise und sanst: Ich bin nicht böse. Nur können wir nicht jetzt noch eintreten. Zur Strafe führen Sie mich nun nach der Terrasse. Ohne eine Antwort abzuwarten, legte sie ihren Arm in den feinen. Er konnte fühlen, wie sie zitterte, und machte eine Bemerkung über die starke Abkühlung, der sie sich aussetze. Ein „ich erstickte hier" war die ganze Antwort, und doch sah er in einem der Spiegel, an denen sie vorbeigingen, daß sie so weiß war wie die Blüthen an ihrer Brust, und daß die großen Augen in dämonischer Fiebergluth brannten. Wie wir aber manchmal die Gedanken eines Menschen errathen, dessen Hände wir zwischen den unserigen halten, so fühlte Heyden aus dem Zittern ihres Armes, der in feinem lag, aus dem Be ben ihres Körpers, der sich weich und hingebend an ihn lehnte, daß diese Frau ihn liebte, daß sie sein war. wenn er wollte, und daß er seiner Feuerprobe entgegen ging. VII. Da stauo Cora nun über die Balu strade gebeugt und schaute hinab in den Park. Wie eine Schlangenhaut lag die dunkle, schimmernde Schleppe hinter ihr im Mondenlicht, das mär chenhaft auf dem blonden Haupt mit dem strahlenden Krönchen spielte. Die schlanke» Finger griffen nervös in das Geäst des wilden Weines und die gro ßen Augen irrten angstvoll hin und her, denn wo die Leidenschaft spricht, hört die Berechnung auf, und dieses heiße Herz, daß es nie gelernt hatte, Grundsätze an die Stelle von Impulsen zu stellen, zitterte vielleicht zum ersten Mal in einem Gefühl, das dem der Ohnmacht gleich kam. Warum lag er nicht fchon zu ihren Füßen, warum hatte er die kalte Maske noch nicht ab geworfen? Wollte er es ihr so schwer machen? Mußte sie ihm die Zunge lösen? Und wie uns in den innerlich erregtesten Augenblicken oft die banalste Phantasie auf die Lippen tritt, so fand auch die fchöue. gewandte Eora nichts als die einfache Frage: Hat die Versexung in den Stab Sie gefreut? Nicht besonders, denn sie zwang mich zu einem Aufenthalt in der Residenz, und ich bin kein Großstädter. Aber sie muß doch Ihrem Ehrgeiz geschmeichelt haben? Ich bin nicht ehrgeizig. Nicht ehrgeizig? Wie ist das mög lich? Ein Mann ohne Ehrgeiz was will der erreichen in der Welt? Sie befinden sich da doch in einem schweren Irrthum, gnädige Frau, wenn Sie Ehrgeiz als die Haupttrieb feder unseres Handelns annehmen. Die Befriedigung, die er uns verschaffen kann, ist doch immer nur eine äußer liche, ruhelose. Frieden kann er uns nie geben, nicht einmal Zusriedenheit. Je mehr wir erreichen, desto inehr wol len wir. Er gleicht einem Nessusge wande, es brennt immer unerträglicher, je länger wir es tragen. Frieden, Zufriedenheit rief Eora ungeduldig sich zu ihm wendend. Wie alt sind Sie, daß Sie so reden, und seit wann ist die Uniform Seiner Ma jestät eine Büßerkutte, die Entsagung von ihren Trägern fordert? Ich glaube Ihnen nicht einmal. Sie stehen an der Staffel einer Leiter, die zu Ruhm und Ehre sührt. Ein Thor, wenn Sie nicht aufwärts blickten. So bin ich ein solcher Thor. Aeußere Ehre und lauter Ruhm lockt mich so wenig, daß ich mit dem Gedanken um gehe, das Klimmen aus dieser gefähr lichen Leiter ganz aufzugeben. Ich will nächstens den Dienst quittiren und mich aus mein Gut zurückziehen. Er hatte langsam und bestimmt ge sprochen, aber schonend, wie der Arzt zu einem Kinde spricht, das eine bittere Medicin einnehmen soll. Da er in ihrem Herzen gelesen, wollte er sie da vor oewahren, weiter zu gehen, wollte er ihr die Beschäumung einer Abwei sung ersparen. Daß er Berlin verlas sen wollte, mußte ihr genügen. Sie hatte ihn auch verstanden. Aber in diesem Herzen waren die guten Gei ster längst geknechtet und gebunden von den Dämonen der Lust. Und jetzt pei nigte sie ein Gedanke, der sie rasend machen wollte, da er eininal in ihrem Geist ausgetaucht, die Eifersucht auf Inge. So fragte sie voll schneidenden Hohnes, ihm ihr blasses, schönes Ant litz zuwendend: Dars man sragen, wie der Magnet heißt, der stärker wirkt als alle Lockun gen der Reichsstadt, und die Macht hat, aus einem Löwen des SalonS einen „Klausner" zu inachen? Gewiß, Frau Baronin. Es ist die Liebe zur Mutter und die Liebe zur s-cholle. Aber es gibt noch eine andere Liebe, ries sie, ans ihn zueilend, nicht blaß, wie jene beiden, sondern roth, wie un ser Herzblut! Hellmuth! und wieder wie einst schlangen sich die weißen Ar me blitzschnell um seinen Nacken. Hell muth, Du lniiust sie nicht vergessen ha ben, >ene sinnbethörende Zeit des Glücks! Ich habe bereut, ich habe gebüßt, nimm mich in Gnaden wieder aus, Deine, Deine Cora.... Heyden sühlte diesen bebenden Kör per sich an iyn schmiegen, der Dnst des JaSmins stieg zu ihm aus, die weichen Arme tlammerten sich so fest um seinen Hals, das; er seinen Kops nur ein we nig zu seilten brauchte, um seine Lip pen aus das blonde Haar, die blenden den Schultern zu drücken aber sein Herz zuckte nicht. Frau Baronin, sagte er ruhig, ihre Arme sanst lösend. Nicht diesen Titel, keine Erinserung daran. O. sei barmherzig. Hellmuth! Sieh, ich war ein Kind, eitel, thöricht, verblendet. Aber heute.... Heute bietet mir die Frau, die meine heilig geliebte Braut war, als sie hinter meinem Rücken einem ander» ihr Ja wort gab, jene Eora, die. vor ihrem Verlobungsdiner mit dem Millionär sich noch einmal in meine Arme stahl, weil sie neben der beiriediaten Selbst, sucht auch die Süßigkeit der Liebe kosten wollte eine schmachvolle Liaison hin ter dem Rücken dieses Gatten an, da mit auch er betrogen sei, wie da mals ich. j Schneidend scharf klang seine Stim me. Die Empörung des ehrlichen ManneS hatte in diesem Augenblicke den ! Sieg über jedes nachsichtige Gesühl da vongetragen. Die Frau vor ihm zuckte zusammen. Aber noch ein letzter Ausweg blieb ihr. Die zitternden Finger lösten da» Dia dem. Unbarmherzig zerrten sie an den blonden Strähnen und klirrend sielen die flimmernden Steine auf den Bo den. ES sei. Ich werfe von mir, was mich einst gelockt. Wenn Du willst, so löse ich diese Ehe, der die Weihe wahrer Neigung immer gefehlt hat. Auf mei- nen Knien flehe ich Dich an, nimm mich mit in die Klause, läutere mich in der Einsamkeit, sei barmherzig und rette meine Seele! Wenn Du jetzt gehst, in Deinem kalten Tugendstolz mich der Verzweiflung überläßt, so werde ich sin ken von Stufe zu Stufe, ich, Deine ' Eora, Deine erste, heilige Liebe.... Sie sank in die Knie vor ihm und griff nach seinen Händen. Mit dem blassen, thräneuüberströmten Gesicht, den sehnsüchtigen dunkeln Augen und dem wirren blonden Haar wagte diese ! moderne Magdalene alles für die Be ! friedigung eines augenblicklichen Wun sches, der ihr im Moment theurer war als die Ehre, theurer selbst als das so naßlos überschätzte Ich. Zu spät, sagte Heyden ernst, Achtung und Liebe sind todt. »Und nichts, nichts ist geblieben? Sie erhob sich so hestig, daß der zarte Spitzenstoff krachend entzweiriß. Doch, ein tkeseS Mitleid. Gott führe Sie aus den rechten Pfad. Damit ging er. In einem der Borsäle traf er Berger und Otten. Er benachrichtigte den Baron, daß er ihn gesucht, da seine Gemahlin unwohl geworden, uud ging dann mit dem Freunde nach der Gar derobe. Sie ließen sich die Mäntel umlegen und stiegen langsam die Treppe hinab. Als sie sich unten trennen wollten, sagte Otten: Morgen früh erwarte ich übrigens die Entscheidung meines Schicksals. Ich habe, ehe ich herging, einen Brief an Jngeborg von Heyden abgegeben. Dann muß man jedenfalls zugeben, daß Du es geradezu genial verstanden, Dir die Wartezeit zu verkürze». Warum so hestig, weiser Mentor? ! Glaube mir. trotz dieses scheinbaren Leichtsinns wird mich ein „Ja" morgen ebenso von Herzen glücklich machen, als wenn ich die Nacht hindurch unter den Platanen der Allee umhergeirrt und meine Sehnsucht dem Mond und , den Brunnennixcn geklagt hätte. Und wenn die Antwort nun „Nein" lautet? So werde ich es tragen wie ein Mann und ein Soldat. Du bist aber doch der reine Unglücks rabe, Hellmuth, fügte er ärgerlich hin zu, uud als sie sich getrennt hatten, ! hörte Heyden noch, wie sein leichtlebiger ! Freund mit energischem Pfeifen unter > den Klängen des Brautmarsches aus Lohengrin fporenilirrend die Richtung nach einem erleuchteten Kaffee ein schlug. VIII. Lieber Hellmuth sagte Inge am näch sten Mo: gen, als man aus der Veranda den Kaffee nahm, Du hast nachher ge wiß die Güte, mir einige Augenblicke zu schenken. Heyden hatte Jngeborg schon seit ihrem Erscheinen verstohlen, aber auf merksam beobachtet Eins war ihm klar, sie sah nicht aus wie eine glück liche Braut, die dem Geliebten eben ihr Jawort gegeben. Er sagte bereitwillig zu. Frau von Heyden ließ sich von Lud wig nach dem Brunnen führen und die beiden blieben allein. Unwillkürlich lächelte Heyden über die Ironie des Schicksals, das sich da rin gesiel, ihn zum Vertrauten zweier Frauen zu machen, und dann seufzte er bei dem Gedanken, wie anders fein Schicksal gewesen wäre, wenn die blen dende Eora nur einen Theil der Cha rakterstärke und des offenen Freiinnths seiner Schwägerin besessen. Ruhig und ohne jede Einleitung ging diese auf ihr Ziel los und fragte: Weißt Du. daß Lieutenant von Oiten um niich«angehalten hat? Ja. Warum hast Du ihm nicht abgera then oder mich doch wenigstens benach richtigt, daß ich ihn durch mein Beneh 'mcn vor diesem Schritt bewahrte, den ich nicht ahnen konnte? Es klang so viel Erstaunen, fast Entrüstung aus dieser Frage, daß Hell muth lächeln mußte, i Liebe Inge, ich dachte, jede Frau ! müßte es merken, wenn man sie liebt. JngeborgS zartes Gesicht färbte sich dunkelroth. Dann liegt dieser Jrrthnm bei mir wohl in einem Mangel an Erfahrung. >Um jede flüchtige gesellige Höflichkeit sür eine versteckte Werbung zu nehmen, dazu bin ich nicht eitel genug. Zudem hat sich nie jemand ersichtlich um mich bemüht. Ich habe nie Curmacher ge habt, und Paul hielt sich bei seiner Werbung damals nicht mit solchen Albernheiten auf. Hellmuth von Heyden starrte mit offenen Augen dieses Wunder einer Frau an, die zugab, daß sie außer ihrem Manne niemals Jemand begeh renswerth gefunden hatte und die schmeichelnde Huldigung einfach mit „Albernheiten" bezeichnete. Und dabei war dieses Wnnder nicht altersgrau und voll Runzeln der Weisheit, son dern frisch und kühl wie eine Alpen rose. '. Inge sagte übrigens die Wahrheit. Sie hatte nie eine sogenannte „Salon tändelei" gehabt, sie war den Herren in ihrer ehrlichen Schlichtheit unbequem gewesen und sie selbst hatte sich sür ein« derartige Spielerei immer Zu gut ge funden. Denn echte Bescheidenheit kann sich sehr wohl mit dem vollen Be wußtsein des ebenen Werthes paaren. Darum hatten diejenigen, die Jnge botg stolz nannten, auch nicht ganz un recht, aber es war der Stolz des edlen Diamanten, der nur mit seines gleichen geschliffen sein will. Warum sollte ich aber Otten war nen, Inge? Weil ihr Männer einen Korb ja wohl für eine Schmach haltet, und Du mußtest doch.wissen, daß mir nichts fer ner liegt, als der Gedankt einer zwei ten Ehe. Sie strich wie liebkosend über den breiten Trauring an ihrer Hand. Heyden sagte ernst: Verzeihe. Inge, wenn ich an etwas rühre, was Dir Schmerz macht. Du weißt, wie hoch ich Dich schätze, und wirst mir glauben, wenn ich Dir sage, daß eS nur zu Dei nem Besten geschieht. Du bist noch jung. Inge, und die Zeit heilt alle Wunden. Zudem kannst Du doch nur dem Namen nach von einer „zweiten" Ehe sprechen. Er zögerte einen Augen blick. Du warst meines Bruders Braut, nicht seine Frau. Deine Liebe war ein schöner, reiner Traum, aber die Erinnerung an ihn darf nicht stö rend zwischen Dich und Deine Zukunft treten. Du bist reich befähigt, einen Mann glücklich zu machen, und Glück lichmachen ist ja für ein edles Weib eine Lebensbedingung. Jetzt hast Du Dir selbsttos einen Wirkungskreis gesucht. Du lebst für meine Mutter; aber Mama ist alt, wer weiß, wie lange wir sie noch haben. Dann ist der Ausenthalt in der Klause für Dich unmöglich. Jnoe sprang anf. Sie war sehr blaß und in ihren Augen funkelten Zchränen. So machst Du den Brautwerber für Deinen Freund? Ich will Dir nicht zureden, gewiß nicht. Aber ich bin Dein nächster, ein ziger Berather. Otten ist trotz seines scheinbaren Leichtsinnes ein treuer, zu verlässiger Mensch, der Dich aus Hän den tragen würde. Vielleicht gibst Du mir zu, daß, wenn man die HeirathSsrage so eingehend er örtert, doch auch der Begriff „Liebe" einige Berücksichtigung verdient. Ich liebe aber Herrn von Otten nicht, und damit ist die Erwägung in meinen Au gen zu Ende. Eine Ehe ohne Neigung würde ich nie eingehen, denn ich würbe mich nie selber so tief erniedrigen. Was Du vorhin von meinem bedingten Aufenthalt in der Klause sprachst ihre Stimme zitterte und sie winkte ihm mit der Hand Schweigen, als er sie un terbreche» wollte —, habe ich mir schon selbst gesagt. Aber ich meine, ehrlicher Wille findet immer einen Wirkungs kreis, und in ihm mit dem Segen, der auf dem Werke ruht, auch die rechte Befriedigung. Und so muß ich Dich denn bitten. Deinem Freunde in mög lich schonender Form mein „Nein" zu bringen. In meinen Augen genügt der Mangel an Neigung zur Begrün dung vollständig. Und wenn Dir die ser Grund zu unmodern erscheint.... Inge. Eine Sekunde lang versenkten sich ihre Augen tief ineinander, dann sagte sie leise: Verzeiht. Du hast mir heute sehr wehe gethan, Hellmuth. Damit ging sie. Lieutenant Hellmuth kam einen Au genblick der Gedanle, ihr nachzustürzen und sie zu bitten, in der Klause zu blei ben. wenigstens so lange er lekte. Aber die Zeit der spontanen Erregungen schien ihm vorbei zu sein, und so nahm er seinen Hut um Dtten auszusuchen. Daß es mit einem leisen Gefühl tiefin nerster Befriedigung geschah, verhehlte er sich nicht. Na. alter Junge, nimm eS Dir nicht so zu Herzen, sagte er eine Stunde später, nachdem er den unangenehmen Austrag möglichst schonend gelöst. Ich bitte Dich blos, mich mit den üblichen banalen Trostgründen zu ver schonen, etwa zu sagen, daß es eben nicht die rechte war, oder daß an heirathsln stigcn Mädchen kein Mangel ist. Das sonst so muntere Gesicht des flotten Lieutenants war sehr niedergedrückt, die Enden des unternehmenden Schnurr barts hingen melancholisch herab. Eine zweite Eli>abeth finde ich armer Wolf ram nie. Ganz ehrlich gesagt, Kurt, wer weiß, ob Inge und Du auf die Dauer zuein ander gepaßt hättet. Weiß schon, war nicht gut genug für sie. Aber was helfen solche Erwägun gen gegen die unbesiegte Sehnsucht nach den Sternen? Und trotz seines offenbaren Kummers fing er leise an, Wolframs unsterbliche Arie zu pseise». Mama muß mit mir nach Baden- Baden. Jetzt hier still zu sitzen auf den Trümmern meines Glücks, jetzt, wo auch Bergers fort sind.... Bergers fort? Weißt Du es nicht? Er schickte mir vorhin ein paar Zeilen, Die schöne Frau hat sich doch für Paris entschie den und sie haben schon den ersten Zug nach Frankfurt benutzt. Der Teufels kerl von Marquis ist natürlich mit. Nun, was machst Du für ei» merkwür diges Gesicht? Ich? O nicht», mögen sie glücklich reifen. Wir fahren übrigens auch schon morgen. Inge möchte gern noch die Wartburg sehen. So sage ihr Lebewohl in meinem Namen. Ein Wiedersehen wäre ja nur peinlich für uns beide. Und, Hell muth mache sie einmal glücklich. Ich glaube. Du träumst. Junge. Nein, ich habe nur einen meiner hell seherischen Augenblicke. Einmnl wirst Du sie doch besitzen, das ist klar und es ist auch eigentlich gut so. Ihr beide paßt zueinander, ihr seid von einem Stamm. Dritter Theil. ' I. Und wieder war ein langer Winter vergangen. Von ihrem Erkerplatz in der Klause hatte Inge dem Tanzen der Flocken zu gesehen, wie sie sich allmählich einen schmalen, hohen Kamm aus den Bu chenzweigen bauten und ein breites La ger zurecht machten auf dem grünen Untergrund der mächtigen Tannen. Und dann war alles verschwunden un ter der gleichmäßigen weißen Decke. Als klares Jrostwetter den Fernblick nicht mehr hinderte, da lag der Haff spiegelnd wie eine starre Fläche und hinter den beschneiten Dünen wogte eS allein »och ruhelos auf und ab—das war die nie rastende See, die nur am Strande ein Stück weit zufror. Man mußte aber ein gutes Auge ha ben, um von hier aus das Bild mit seinem großartigen Abschluß zu umfas sen und ein reiches Gemüth, das sich genügen ließ an der Strahlentrone, die die klare Wintersonne um die selt sam gezackten Sandberge wob. als dießrechung der Sonne in den Eiszapfenprismen, die lang und schwer von den Wirth schastsgebäuden herabhingen, sah Jn 'geborg nicht. Seit sie im Hanse weilte, hatte die Geselligkeit in der Klause eher ab- als zugenommen. Frau von Heyden ver langte wenig nach Menschen, da sie ihr Töchtercheii so ganz für sich haben konnte, nnd die jungen Mädchen und Frauen der Nachbarschaft waren nie in ein herzlicheres Verhältniß zu ihr getre ten. Anfangs hatte man ihr Unglück und ihre Witlwentrauer respectirt, und die Scheu war geblieben, auch als die schwarzen Gewänder nur noch aus Ge wohnheit getragen wurden. Die Verbindung mit der Stadt war nicht sehr bequem, und Inge strengte die beiden alten Braunen nicht gern ost an. 'Nur zu einem guten Concert fuhr sie fast regelmäßig hinüber, denn eifriger »rch als srüher pflegte sie die Musik. Außer ihrem Flügel hatte sie noch ein Harmonium augeschafft, auf dem sie die Morgen» und Abendandach ten begleitete. Auch ihr Bücherschrank füllte sich mehr nnd mehr. Der Buchhändler in der Stadt bekam einen gewaltigen Ein druck voir der Gelehrsamkeit der jungen Frau von Heyden, und alslnge eininal persönlich eine Bestellung bei ihm machte, begriff er nicht, daß diese juiche Frau mit der zarten Hantsarbe und dem lieblichen Lächeln Maeaulay und Fichte las. Aber trotzdem wie sehr wir auch hineinfliichten in eine ideale Gedanken welt, wie leicht wir auch die Menschen eutbehreil lernen, das unruhig pochende Ding in unscrer Brust machen wir damit nicht still, den Lebens- nnd Lie beshunger un'erer Seele sättigen wir nicht mit den Brosamen abstraften Stu dium?. Vor allem ein Weib nicht. Mag ich der Mann die Einsamkeit sei nes Studirziinmcrs bevölkern mit den Gestalten der Vorwelt oder den Kin dern seiner Phantasie, mag er sich in dem Labyrinth der Forschung verlie ren, bis er den Rückweg jus einfach Menschliche nicht mehr findet das Weib wird immer wieder das objektiv Dargestellte zum subjektiv Empsunde nen machen, ans dem Allgemeinen die Antnüpsuug an das Besondere, an das eigene Ich suchen. Jngeborg machte an sich dieselbe Er fahrung. Die verschneiten Wege schnitten zeit weise den Verlehr mit dem Dorse voll ständig ab, die Jnnenwirthjchast lag noch immer in den Händen der Mam sell. der ihre Schwiegermutter erst aus ihre dringende Bitte zum Frühjahr ge kündigt hatte, da Inge das Hauswesen selber leiten wollte. So kamen lange müßige Stunden; Stunden, in denen Inge den Blick kaum abwandte von dem großen Bilde ihres Mannes und träumerisch mit den sil bernen Armreisen spielte. Dann zog die Vergangenheit an ihrem Geiste vorüber, dann zuckten die kaum ver narbten Wunden von neuem, bis ein feuchter Schlier vor ihrem Auge sie die geliebten Züge nur uudeutlich er kennen ließ, lind aus dem mondbe schienenen Lande der Erinnerung suchte sie einen Weg hinab ins Thal der Zu kiinst. Aber sie fand leinen. Graue, wallende Nebel hielten den Blick anf. Tann klangen Hellmuths Worte in ihrem Ohr nach: Tu kannst nicht ewig in der Klause bleiben! Frau von Hey den war schwächer geworden, wie, wenn sie starb? Diese Furcht vor Nahrungs sorgcn konnte me an sie herantreten, sie hatte mehr als sie brauchte, aber was für ein Zweck band sie dann an dieses Leben? Sollte sie den gebräuch lichen Ausweg adeliger Dameu in ihrer Lage ergreisen und Krankenpflegerin werden? Und für wen, wozu da» alles? Wenn Inge in ihren Grübeleien so weit gekommen war, pflegte sie meistens rasch nach ihrem Ankleidezimmer zu ge hen, wo ein blasses Madchen saß und eifrig nähte. ES war Dore, ihr Schützling. Inge hatte sie in der Stadt im Weißzeugnä hen ausbilden lassen und sorgte auch sür ausreichende Beschästigiing. Dore war geschickt und fleißig nnd ihrer Wohlthäterin ergeben bis zur Anbe tung. Zu ihren Füßen spielte ein kleiner dicker Junge auf einem Kissen. Dann nahm Inge den Kleinen, der ihr verlangend die Aermchen entgegen streckte, und ging, nach einigen freund liche» Worte» an die Mutter, mit ihm auf ihr Zimmer zurück. (Fortsetzung folgt. „Herr Principal, ich komme heut« mit einer Bitte, von dere» Er füllung, ..." „Sie wollen mich an pumpen?!"—„Nein, im Gegentheil ich bitte um die Hand Ihrer Fräulein Tochter!" „Was, im Gegentheil?! Das ist doch dasselbe!" -Markt-Humor. Obstlerin: „Sie, Fräuleinchen!" Aeltliches Fräu lein (sehr geschmeichelt): „Weshalb nennen Sie mich denn Fräulein? Sehe ich so aus?" Obstlerin, „Naja, sür ne junge Frau sind Sie halt doch schon iu att!" cpiuma««uß. „In Ehina hat ein gewisser Theil de« Volkes (amtlich wird 1 v. H. angege ben, doch soll die Zahl jetzt ü v. H. be tragen) von jeher Opium geraucht. ES ist aber keine geistige oder körperliche Entartung dieser wenigen Millionen der chinesischen Bevölkerung eingetreten. Gerade so, wie die schädlichere» Spiri tuosen den Europäern nicht in einer oder zwei Generationen Schaden thun, aber den Indianer rasch aufreiben, so ist Opium unschädlich für die zivilisirten Chinesen (anßer in Fällen des Miß brauchs), aber verderblich sür die wil den Kalschinzen. Die Missionäre beklagen sich, daß die Einfuhr von Opium unter dem Schutze einer christlichen Regierung oder viel mehr durch Händler, die sich zufällig zu irgend einer Form des Christen thums bekennen (wie sie sich zum Bud dhismus bekennen würden, wenn sie in Tibet geboren wären), die Ausbreitung der Religio» Jesu verhindere. Ich finde nicht viel Achnlichkeit zwischen der Lehre uud dem Leben der europäischen Christen und denen jenes großen orien talischen Führers. Wenn die Missio näre die Grundlage der chinesischen Moral (kindliche Liebe) verstanden und würdigten, so würden sie mehr Bekehrte schaffen; aber ein Chinese muß zuerst sein Gefühl sür Recht und Unrecht ab stumpfen, mit oder ohne Opium, ehe er das Christenthum, so wie es (mit einigen Ausnahmen) von den Mis sionären gelehrt wird, aiinehmen kann. Wurden i»e Missionäre gute chinesische Bürger werden, anstatt Ursache oder Norwand'für fremde Einmischung zu sein, so würde ihr Bekehruiigseifer für das Gefühl des Volles weniger anstößig sein. Ich habe zuweilen Missionäre auf gefordert, mir die Opiumraucher in einer Gesellschaft von Chinesen zu be zeichnen, und sie haben niemals die richtige» Personen errathen. Die im Umlanf benndlichen Photographien von schwindsüchtigen oder andern tranken Leuten, die znsällig Opi»m nehmen, sind kein wahres Abbild von den Wir kungen desselben. Eine längere Rundreise durch die materielle Civilisation Europas ruft in Einein die Sehnsucht hervor, schnell zu der weit gründlicher durchdachten Kul tur des himmlischen Reiches zurückzu kehren. Wenn die Spirituosen die europäischen Völker gänzlich werden untergraben haben, so wird China noch immer sein bischen Opium rauchen. Opium ist in China nicht schädlich, wenn der Raucher den Schlaf erlangen tanii, der nach feinem Gebrauch erfor derlich ist. Zu dem geräuschvollen Le ben der westlichen Civilisation, ihrer Irrwisch-Moral, ihrem Kaulquappen- Ehrgeiz »intiitiuas). ihrem Mangel an socialem Zusammenhalt, ihrer unaushörlichen Auslegung. Unzu friedenheit und Verzweiflung paßt das Opium nicht. Der Opiumraucher thut Niemandem ein Leid. Dies allein wUrde das Opi um sür den Europäer Uilgeeignet ma chen. Der Opiumraucher erhebt sich von seinem Schlaf, gestärkt für Körper lind Gedanlenarbeit. Er fühlt keinen Verlust der Selbstachtung, und er achtet Andere. Im äußersten' Winkel deS Kaiserreichs, unler den wildesten Ras sen, hält der chinesische Beamte mit sei nem kleinen Gefolge den Frieden und die WUrde feines ÄinleS aufrecht, selbst wcuu er dem Opiumgenusse ergeben ist. Vor Allem ist das Opium für die Entwicklung der Habsucht nicht förder lich, wählend diefe Leidenschast durch den Trniil angestachelt wird und daher sür den europaischen Ausbeuter de» Ostens fast eine Nothwendigtelt ist. Die zertrümmert« Scheide. Der Ladenbesitzer Schnackelburger sieht mit Angst und Bangen einen Menschen aus dem Trottoir einhertöl peln, welcher einen schweren Pack auf dem Rücken tragt. Jetzt ist er an den großen Schaufenstern angelangt, und der Ladent-esitzer schreit plötzlich vor Schreck aus, denn der Mensch schwankt gegen eine der Scheiben und zertrüm mert nicht blos diese, sondern auch etliche der gläsernen Auslagen. Schiiackelberger rennt aus den Zer störer seines Schaufensters zu und ver langt von ihm Echadeneisatz. Aber dieser versichert hoch und theuer, er sei arm wie eine Kirchenmaus. Zwei Vorübergehende rathen dem Ladenbe sitzer. den Menschen zu visitiren. Die» geschieht, und eS kommt eine Tausend markbankiioic zum Vorschein, von der der Mensch behauptet, sie gehöre seinem Herrn. Er verlegt sich aus's Prote stiren, und zuletzt droht er mit der Po lizei. Aber das Hilst ihm alles nichts; der Ladenbesitzer zieht seine hundert Mark ab nnd giebt dem Ungeschickten seine neunhundert Mark zurück. Der ent fernt sich unter Schimpfen und Dro hungen. An der nächsten Ecke aber lachler sich in'S Fäustchen, und die zwei vorübergehenden Rathgeber, selncSpies gesellen wie der Ladenbe sitzer seinen Schein genau unterjucht, findet er. daß derselbe falsch ist ! - Unverhofft kommt oft. „Wie rasch doch Manches kommen kann! „Sitz' ich da ganz gemüthlich mit dem Lehmann beisammen. Er war vergnügt wie nie. sprach mit uns Allen in seiner bekannten leutfkligen Weis«, und Nachmittags sünf Uhr " —„War er tobt? " „Nein, aber —Commerzienrath!" Nothgedrungeneßerich. tigung. „Ja. meine Freunde", sagte der Pfarrer, als er die Leichen rede hielt, „der Verstorbene wurde schnell dahingerafft und hinterläßt eine trauerndc Wittwe von vieritndzmänzig Jahren!" „Bitte sehr", ertönt eine schluchzende Frauenstimme, „zweiund» 3
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