2 ««gelfpitl t« Ruhland. ' Zu den mancherlei Dingen, welche deutsche Kolonisten nach Rußland ver pflanzt haben, gehört, wie man uns schreibt, auch das Kegelspiel, das i» Petersburg ganz heimisch geworden ist «nd sich namentlich der Gunst der Officiere erfreut, die es besonders im Lager sehr eifrig Pflegen. Es führt im Zarenreich den echt russischen Namen Seali. Aber der Russe versteht es nicht, sich an dem kräftigen und gesunden Spiel selbst allein zu erfreuen. Es hat für ihn erst dann den rechten Reiz, wenn eS sich gleichzeitig um einen hohen Einsatz dabei handelt. Ungewöhnlich hoch wurde zu Zeiten des Kaisers Nikolaus in der Petersbur ger Garde gespielt, trotz der strengen Strasen, mit denen der Zar die Glücks spieler zu bedenken Pflegte. Die größte Summe aber, die wohl überhaupt beim Kegeln verloren worden ist. hat der Sohn jenes alten Jakoblew zugesetzt, der das jetzige Win terpalais mit Eisenblech gedeckt hat und in der Gunst des Kaisers Nikolaus sehr hoch stand. Lieutenant Jakoblew, der im Gegensatz zu seinem Vater Vater und Söhne! ein wüster Lebemann war, verspielte im Jahre 1840 auf der Kegelbahn an einem einzigen Nachmit tag rund eine Million Rubel! Es war unmöglich, dem Zaren das zu verheimlichen. Nikolaus war außer sich vor Entrüstung und ließ den jun gen Verschwender sofort aus der Liste der Armee streichen. Aber der Alte that ihm leid und er sandte deshalb zu diesem einen Adjutanten, der ihm die Strafe so schonend als möglich mitthei len und den Alten zugleich der dauern den Gnade des Zaren versichern sollte. Der Adjutant fand Jakoblew an seinem Arbeitstische über den Büchern sitzen. Er übermittelte ihm den Gruß des Kai sers und rückte dann mit seiner Un glücksbolschafl heraus, daß der jung« Jakoblew seine Entlassung bekommen hatte. Wie vom Schlage gerührt sank der Alte in den Lehnstuhl zurück. Endlich raffte er sich auf und zitternd und den kalten Schweiß auf der Stirne fragte er: „Um Gotteswillen, was hat er verbrochen?" Ter Ossicier erzählte den Vorfall von der verlorenen Million. Da schöpfte der Alte tief Athem, trocknete den Schweiß, und sich erhebend, sagte er: „Gottlob, daß <S nur das ist! Ich glaubte Wunder, was er verbrochen habe! Aber meinen Sohn so hart zu strafen, um solcher Kleinig keit willen!" Der Alte wurde damals auf achtzig Millionen Rubel geschätzt. Zar Nikolaus ließ die Bahn abbrechen: beim Abschied des jungen Jakoblew verblieb es. Tie Probe. Ein glücklicher Ehegatte hatte kein rechtes Zutrauen zu der Liebe feiner Gattin. In einer romantisch - senti mentalen Anwandlung beschloß er, sich einen Beweis von der wahren Gesin nung seiner Frau zu verschaffen, da durch, daß er sich aufhängte, natür lich nur in slllAis. Er stoppelte also mit vieler Mühe eine Puppe zusammen, verschaffte sich eine ihm täuschend ähnliche Mäste, be kleidete diese Puppe mit seinem ge wöhnlichen Anzug und hing sie auf den Boden in eine schwach beleuchtete Ecke. Er selbst barg sich hinter dein Schorn stein, während ein Brief feiner Gattin den begangenen Selbstmord meldete. Er hatte nicht lange zu warten. Bald hörte er seine Frau mit dem Dienstmädchen die Treppe herauf kom men. „Wenn der Esel sich hätte aus'hällgen wollen," meinte sie, „dann hätte er's schon lange gethan! Aber wahrhastig, da hinten hängt er! Weißt Du. Ma rie, wir werden ihn abschneiden! Geh in die Küche uud hole das Messer, aber renne nicht so, sonst füllst Du! Marie hör mal'! Das Küchenmesser ist ganz stumpf, fällt mir eben ein; geh lieber 'mal 'rum zu Tante Lehmann und erzähl ihr unser Unglück und laß Dir ein recht scharfes Messer geben. Marie, hör 'mal! Tante Lehmann ist am Ende gar nicht zu Hause; gestern meinte sie, sie müsse heut auf deu Markt; geh lieber zu Frau Doctoren, den kürzesten Weg über die Brücke, da kannst Du gut in einer Viertelstunde zurück sein! Marie, srage auch gleich, ob ihr Jüngstes noch nicht besser ist; ich lasse schön grüßen! Marie, laus doch uicht so! Hör 'mal, auf dem Rückwege bring' gleich ein Pfund Zucker mit, aber vom Kaufmann an der Ecke; der ist jetzt recht süß! So, nun geh! Da hängt er nun an der neuen Wasch leine; hätte auch einen alten Strick nehmen können und was nun erst das Vegräbniß kosten wird!" „Ter Teusel soll Dich holen!" schreit er und springt hinter dem Schornstein hervor; sie kreischt auf, läuft hinunter, er ihr »ach; sie stolpert, er auch; beide fallen die Treppe hinunter, während der Wirth seine Thür öffnet und lä chelnd sagt: „Immer Arm in Arm immer zärtlich immer wie die Turteltau ben!" Variante. Wem Gott will rechte Gunst erweisen. Den schickt er in die weite Welt, Damit er satt bekömmt das Reisen Und ihm'S zu Haus erst recht gesällt. Schnelles Avancement. Familienvater A.: „Mir wäre» Bu den schon lieber, als diese Mädels! Hat man auch seine Sorgen damit, si wird doch einmal was daraus!" Familienvater B.: ,O aus den Mädeln erst recht! Sehen Sie, mein ältester Sohn ist erst Lieutenant und meine jüngste Tochter bereits Genera li»!" Wer Allen g es allen will, muß sich viel gefalle» lassen. tN«tuft»dter in der «rokstadt. Es war ein köstlicher Sommcrabend. Wir hatten am offenen Fenster des Cas« Bauer Platz genommen und schauten mit Interesse aus das rege Leben und Treiben unter den Linden. Zahlreiche Equipage», schnelle Droschken jagten hin und her. Fußgänger jeglichen Al ters und Standes gingen lachend und plaudernd aus uud ab. Alles be leuchtet von dem Schein des elektrischen Lichtes: eS war ein so wundervolles Bild, wie nur eine Großstadt, wie nur Berlin es zu bieten vermag. Wir tauschten unsere Bemerkungen über die sen und jenen Spaziergänger, sahen aber bald wieder schweigend auf das Gewühl. An der Ecke der Linden und der Friedrichstraße stauten sich die Wa gen und die Menschen, der Schutzmann senkte seinen erhobenen Arm, und einen Augenblick später flutbete der Strom weiter. „Herrgott, werden m.ine gute Tante und meine lleine» Cousinen aber Augen mache», wenn sie morgen Abend hier sitzen," sagte endlich mein Freund. ~Welche Tante ?" fragte ich. ~Sov iel Du mir bisher aus Deinem Leben erzählt hast, besitzest Du gar keine Ver wandten." „Tu hast Recht, auch ich erfuhr erst heute Nachmittag von dem Vorhanden sein jener sogenannten Tante. Man erinnert sich meistens seiner Verwandten ja nur dann, wenn man in Noth ist ; und so hat auch jene liebenswürdige Tante, die aus einem ganz kleinen Nest morgen zum ersten Mal nach Berlin kommt, sich plötzlich meiner erinnert und bittet mich, morgen ihr treuer Be gleiter sein zu wollen." „Thue es nicht," fuhr ich entsetzt em por, „um Gotteswillen, thue es nicht. Du weißt noch nicht, was Dir bevor steht, aber ich, ich habe es einmal durch gemacht, ein Mal und nicht wieder. Ich habe es erfahren, was es bedeutet, Kleinstädter in der Großstadt herumzu führen." „Aber ich begreife Dich gar nicht," unterbrach mich mein Freund, „was versetzt Dich Venn plötzlich in solche Aufregung?" „Wirst eS gleich erfahren, gedulde Dich nur, bis der Kellner uns zwei neue Sherrh-Cobler gebracht hat und ich mir eine neue Cigarre angezündet." „Vor einigen Jahren, ich war da mals noch Offizier und so stolz aus meine Uniform wie nur Einer, erhielt ich eines Tages vo» einer mir nur sehr oberflächlich bekannten Tante eine Karte etwa folgenden Inhaltes: „Na also, lieber Hugo, ich habe mich endlich entschlossen, nach Berlin zu kommen, um den berühmten Prosessor N. wegen meines alten Magenleidens zu konfultirkii. Line und Mine, das sind Deine beiden bildhübschen Cou sinen, begleiten mich. Na also, lieber Hugo, morgen Mittag 1 Uhr 20 er warten wir Dich am Bahnhos in der Friedrichstraße, damit Du uns Berlin etwas zeigst." Pünltlich stand ich zur befohlenen Zeit auf dem Perron. Ich hatte mir meine schönste Uniform angezogen, ich wollte Eindruck mache» auf die Herze» meiner Verwandten. O, daß ich doch an jenem Tage das ruhige, weniger auffällige Gewand eines friedlichen Bürgers angelegt hätte! Endlich hielt der Zug. Mit zahllosen Kisten bewaff net entstiegen meine zärtliche» Ver wandten, die ich nur schwer nach alten Photographie» wieder erkannte, dem Cousee. „Na, Hugo," begann meine Tante, nachdem sie mich zum Ergötzen der Zu schauer gehörig abgeküßt hatte, „das ist nett von Dir. daß Du gekommen bist. Nun nimm mir 'mal meine Pa lete ab." Ich winkte einen Tienstmann herbei und wollte ihm die Sachen einhändi gen. Aber wie eine Löwin ihr Jun ges, so vertheidigte die alte Dame ihre Schachteln. „Nein, Hugo, auf keinen Fall, man lann nie vorsichtig genug sein, wer weiß, ob dieser als Tienstmann ge kleidete Mensch nicht ein verkleideter Dieb ist." „Nanu, die Olle hat wohl einen Vo gel," brauste der Dicnstmann aus. „Aber beste Frau Tante, wie können Sie nur so etwas denken," bemerkte ich zögernd. „Na, Hugo," sie begann fast alle Sätze mit dem Worte „iia", „wenn Du Dich genirst, dann gib man die Sachen wieder her." Dabei entriß sie mir die Schachteln und belud damit sich und die beiden Cousinen, die verlegen kicherten und, sich heimlich mit dem Ellenbogen an stoßend, mich bisher gemustert hatten. Endlich gelang es mir, die Tante zu versöhnen, die Kasten wanderten wie der aus meinen Arm, und beladen wie ein Packesel trottete ich hinter deu Tamen her. Ein Wagen nahm uns ans und führte uns zu dem Hotel. „Na, Hugo, das ist ja ei» ganz niedliches HauS, wenigstens von au ßen, aber wer weiß, wie es von innen aussieht." Ter Portier erschien und fragte nach unserem Begehr. „Ich mochte ein Zimmer mit drei Betten haben," sagte meine Tante. „Thut mir leid, ein Zimmer mit drei Betten haben wir nicht." „Was, das haben Sie nicht?" fing nun die Tante an. „Was. in solch einem großen Hause nicht 'mal ein Zim mer mit drei Betten? Na, Hugo, Du scheinst uns ja in ein recht nettes HauS gesührt zu haben. Ich sag' es ja immer, in den großen Städten ist Alles Schwin del, Alles nur auf den Schein berechnet. Nicht 'mal ein Zimmer mit drei Betten! Sagen Sie 'mal, wo schläft denn eine alte Dame, die mit ihren beiden Töch tern das Hotel aufsucht?" Ich stand wie aus Kohlen, müßige Kellner und Zimmermädchen hatten sich eingefunden und lauschten mit Vergnü gen dem Redestrom der alten Dame. Vergebens suchte ich sie durch Zeichen unt Winke zum Schweigen zu bringen. „Nein, Hugo, laß nur, das schadet gar nichts, wenn eine alteZFrau ihrem Herzen Lust macht und die Uebelstände hier im Hause ausdeckt." Inzwischen nahte, durch de» Lärm herbeigelockt, der Herr Oberkellner. Er wurde von dem Wunsche der Dame be nachrichtigt und beeilte sich, denselben zu ersüllen. „Gewiß, meine Dame, wenn Sie durchaus ein Zimmer mit drei Betten wünschen, werde ich sofort veranlassen, daß in dem Zimmer noch ein drittes Bett aufgeschlagen wird." Aber auch das war meiner Tante nicht recht: .Nein, ich wünsche gar nichts, denn ich glaube, daß ich etwaige Wünsche sehr theuer werde bezahlen müssen." „Ja, meine Dame," meinte der Oberkellner, „dann bleibt weiter nicht übrig, als daß Sie sich in die zweite Etage bemühen. Ich habe dort zwei Zimmer neben einander, die ich Ihne» billig überlassen kann." „Na, denn man z», Kinder! Hugo, faß mal wieder an!" Die Hilse des Hausknechts ablehnend, belud meine Tante mich wieder, und in der glühendsten Hitze stiegen wir die Treppen in die Höhe. Der Kellner öss »etc die Thüren und wies den Damen zwei sehr hübsche Zimmer an. „Nicht übel, geht so, was kosten die Zimmer?" „Drei Mark pro Tag." lautete die Antwort. „Selbstverständlich beide," meinte die vorsichtige Verwandte. „Thut mir sehr leib, aber so billig können wir es nicht lassen. Jede? Zimmer kostet drei Mark." „Aber Hugo, das ist ja entsetzlich theuer. Jedes Zimmer drei Mark! Aber dann selbstverständlich mit Kaffee und Gepäck?" „Auch das nicht, meine Dame. Uebri genS, wenn Ihnen das auch noch zu theuer ist —" Ich winkte dem allmählich ärgerlich gewordenen Kellner, das Zimmer zu verlassen. „Na, Hugo, dann laß uns nun eine halbe Stunde allein, damit wir uns umkleiden können. Dann holst Dt> uns zum Frühstück ab." Pünktlich sand ich die Damen zum Ausgehen bereit. Wir gingen die Friedrichstraße hinaus und betraten das Pschorr, denn meine Verwandten woll ten einen der großen Bierpaläste ten nen lernen. Das Local war wie immer mit Gästen überfüllt. „Die Lust, diese Lust bringt uns um!" riefen auf einmal drei Stimmen. „Gut. laßt uns dann wo anders hin gehen." „Ja, nur fort von hier!" Unter dein Gelächter der uns nahe sitzenden Gaste verließen wir das Re staurant und gingen zu Sedlmayr. „Nein, hier bleibe ich keine Secunde, die Lust tödtet mich." .Nimm es mir nicht iibel, liebe Tante," erlaubte ich mir zu bemerken, „Du mußt bedenken, daß es Dein aus drücklicher Wunsch war, in ein Bier lokal geführt zu werden, und daß hier, wo beständig geraucht wird, die Luft natürlich nicht sehr gut sein kann." Für einen Augenblick schien ich Recht zu bekommen, wenigstens gelang es mir, die Damen an einen Tisch zv führen. .Laßt uns hier Platz nehmen," bat ich. Wir setzten uns nieder. Gerade als ich bei dem Kellner bestellte, stand meine Tante plötzlich auf. „Nein, aus keinen Fall, an diesem Tisch bleibe ich nicht sitzen. Das Ge sicht mißfällt mir." und sie zeigte aus einen harmlosen Bürger, der in die Lektüre seiner Zeitung vertieft dasaß, „sich Dir einmal den Mann genauer an, der hat keinen guten Blick." „Aber liebe Tante," wagte ich schüch tern zu bemerken. „Laß nur, Hugo," unterbrach sie mich, „ich habe mich noch nie in einem Menschen geirrt." Sie raffte die verschiedenen Schirme zusammen und verließ ihren Platz. Was blieb uns weiterübrig, als ihr zu folgen? Endlich hatte sie eine Ecke ge sunden, in der sie vor bösen Blicken sicher war. Ich bestellte das Frühstück, und wenige Minuten später kam das schöne Bier. „Aber, Hugo, das ist ja gar kein Spatenbräu. Ich trinke nun schon seit einem Jahr,nein, was sag' ich, seit Jahren immer Spatenbräu zu Hause aber das schmeckt ganz anders". „Ja, Taute", erwiederte ich, dann ist es doch wohl viel wahrscheinlicher, daß Du hier das echte bekommst und in ? Deiner kleinen Stadt das nachgemachte, als umgekehrt." Aber meine liebe Verwandte ließ sich ihren Glaub.» nicht nehmen. Polternd und scheltend, daß sie überall schlecht be dient werde, verließ sie das Lokal. Meine beiden Eousinen machten den Versuch, sich meiner anzunehmen, aber sobald die jungen Mädchen den Mund öffneten, um ein Wort zu meiner Ve>» theidigung zu sagen, hielt meine Tante ihnen den Mund zu. Das Frühstück hatten wir nur halb eingenommen, „also nun man firingS Mittag essen und dann die Stadt be sehen". Wir gingen in ein Weinrestaurant. Ter Hunger und Durst überwanden, Gott sei Dank, alle anderen Bedenken meiner Verwandten, und das Diner »urde ausgetragen. „Es ist natürlich selbstverständlich, lieber Neffe, daß Du heute Mittag meii» Bast bist. .Erlaube aber", unterbrach ich meine Tante, „selbstverständlich ist nur, daß ich Alles thue, was in meinen Krästen steht, un, Euch hier den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen und da »ach meiner Meinung eine gute tafel dazu beiträgt, so —' Havon wollten nun aber wieder di« verwandten nichts wissen, und schließ lich einigten wir nns dahin, daß sie das Eouvert, ich aber den Wein bezahlen sollte. Endlich war das Diner vorüber, die Zeit drängte, der Professor, der ausge sucht werden sollte, durste nicht warten, nnd ich ries den Kellner herbei, um zu zahlen. Schon vorher hatte ich mich mit dem Jünger Ganymeds verständigt. „Wenn die Tamen das Essen bezah len wollen, fordern Sie für jede? Eou vert nur 50 Pfennig, das Uebrige be zahle ich, begriffen?" Ter befrackte Jüngling hatte mich verständnißinnig angelächelt, und keine Miene in seinem Gesichte zuckte, als e, die Rechnung aussetzte: „Vier Couverls G sünszig Psennig zwei Mark." ~Na, Hugo, das ist doch endlich ein vernünftiges Restaurant, in das Du uns gesührt hast, das kann ich nicht anders sagen: Suppe. Fisch. Geflügel. Braten. EiS. Butter und Käse, dafür sünszig Pfennige, das ist nicht zu theuer." Die Damen bestiegen einen Wagen, um zu dem Prosessor zu fahren und ich wandte mich heimwärts, denn der kö nigliche Dienst gab mir zu thun. ES war mir unmöglich, mich am Abend und am nächsten Morgen bei der Ab reise weiter um meine Verwandten zu kümmern, und offen und ehrlich ge standen, war ich herzlich sroh darüber. Erleichtert athmete ich am nächsten Mor gen aus, als ich mir sagen tonnte: „nun sind sie fort"; aber eS war noch nicht genug des Kummers. Wochen waren vergangen, fast hatte ich jenen Tag schon wieder vergessen, da erhielt ich eines Morgens solgenden Brief. Ich habe ihn tausendmal gelesen und weiß ihn noch heute auswendig: „Lieber Hugo! Erst heute, es sind, seitdem wir uns sahen, sechs Wochen vergangen, habe ich mich von dem Schrecken, den ich Deiner Unachtsamkeit zuschreibe, so weit erholt, daß ich im Stande bin. die Feder zu halten. An jenem Tage, da wir uns nach dem verhältnißmäßig billigen Mit tagessen getrennt hatten, besuchten wir ein Theater, dessen Name mir Gott sei Dank, entfallen ist. Ahnungslos be traten wir das Haus, aber was sahen und hörten wir? Ein sogenanntes Sit tenbild, wie ich es nie für möglich ge halten. Ich saß wie auf Kohlen. Ob Line und Mine etwas davon verstanden haben, weiß ich nicht, bei gar zu verfänglichen Stellen hielt ich ihnen, unbekümmert um das Gelächter meiner Nachbarn, die Ohre» zu. Ich aber habe Alles verstanden und mache Dir, lieber Hugo, die heftigsten Vor würfe, daß Du nicht auf das Entschie denste von dem Besuch des Theaters ab gerathen hast. Du wirst sagen: „wie konnte ich wissen, daß Ihr dorthin gehen würdet" aber, lieber Hugo, das ist gar leine Entschuldigung, im Gegentheil, ich mache Dir noch einen Vorwurf daraus, daß Du es nicht wußtest. Ueberhaupt bin ich von mei ner Berliner Reise sehr wenig befrie digt heimgekehrt. Ter Arzt hat mir ja allerdings geholfen, aber alles Andere war doch entsetzlich. Nur wie gesagt, das Mittagessen, das kann man selbst hier nicht billiger und besser haben. Wenn ich an meine Hotelrechnung denke, wird mir noch jetzt so schwach, daß Line mir das Riechflacon geben muß. Denke Dir, allein für Licht zwei Mark, so viel gebrauche ich hier in einem Vierteljahr nicht. Das hättest Du, als aufmerksamer Neffe, aber vor her mit dem Wirth anders ausmachen müssen. Im Uebrigen grüßt Dich herzlich Deine alte Tante." „So, lieber Freund, nun habe ich Dich gewarnt, jetzt thue, was Tu nich» lassen kannst." „Laß uns nicht so auseinanderge hen," ries mein Freund entsetzt aus, US er sah, wie ich mich zum Aufbruch rüstete, „gieb mir noch einen guten Kath mit auf den Weg, lann denn Keiner mir helfen?" „Menschen können Dir nicht Helsen/ intwortete ich ihm, „aber behüt' Dich Yott, das sei mein Reitesegen." Der Winterpalast in Zt. Petersburg, das Residenzschloß des Zaren, das auch der jetzige Kaiser, wie oerlautet, im kommenden Winter zu zeziehen gedenkt, nachdem er bisher einen längeren Aufenthalt in demselben ver nieoeii hat. wurde nach seinem Wieder -usbau nach de», großen Brande im Zahre 1837 aus Besehl des Kaisers ItikolauS mit Eisenblech gedeckt. Gene ral Kleinmichel, dem die Leitung des Laues übertragen war, schrieb einen Wettbewerb aus. ES liefen zahlreiche Meldungen ein, da die Arbeit für ein Ztiescngebäude, in dem zeitweilig mehr als 40l)0 Personen gewohnt haben, keine unbedeutende war. Unter Andern hatte sich auch der Vielsache Millionär Jakoblew um die Uebernahme bewor ben und seinen Preis angegeben. Der Zar war diesem Mann, der sich durch Fleiß und Umsicht vom einsachen Baueriijungen bis zum Großkausmanii und Großgrundbesitzer hinausgearbeitet hatte, sehr gewogen. Er wollte seine „Rcellilüt" aber doch einmal ans die Probe stellen und ließ ihm durch Gene ral Klcinmichcl sagen, eS habe sich ein Anderer erboten, die Arbeit um einen Kopeken auss Psund billiger zu über nehmen; sei er hierzu ebenfalls bereit, fo solle er den Zuschlag erhalten. Der Alte besann sich nicht einen Augenblick und erllärte dem General, er handle mit seinem Kaiser nicht. Ablassen lönne er den einen Kopeken nicht, wolle zber Seine Majestät ihm die aller höchste Gnade erweisen, die Bedachung des Palastes don ihm als ein Geschenk anzunehmen, so würde er seinen Stolz darein setzen, sie so solide und schön wie möglich herzustellen. Der Zar war über die Antwort sehr erfreut und Zakoblcw erhielt die Arbeit ohne Ab >uz. Ter Zug d«S Hier müssen wir einen haben! er klärte ich meiner Frau kategorisch. Ein Gartengrundstück ohne Hund ist eine Glocke ohne Klöppel, eine Hochzeit ohne Carmen, Elberseld ohne Barmen. Er darf nicht so groß sein, wie der Hund unseres Freundes, der, wenn er guter Laune ist, sein schönes Haupt zwischen die Teller auf den Tisch legt und in seiner Zärtlichkeit die Freunde derart anspringt, daß sie rücklings ans den Boden sollen. Er dars aber auch nicht so klein sein, daß man ihn sür eine ausgewachsene Ratte hält und daß der Dieb, dem er imponiren soll, ihn aus lacht. Er soll wachsam sein, damit nicht Krethi und Plethi den Garte» be tritt und nächtliche Besucher in verbre cherischer Absicht seine Stimme und Zähne fürchten. Er soll aber auch nicht so wachsam sein, daß man keinen Augenblick schlafen kann, weil er bei jedem uns gar nicht interessirenden vorübersahrenden Wagen sein Alarm signal gibt. Meine Frau stimmte bei und wir gingen auf die Suche. Auf die Suche ist wohl nicht das rechte Wort. Es ist schwer, einen Hund nicht zu kausen, wenn man mit der Idee umgeht, dies zu thun. Man muß ssch in hundereichen Gegenden das sind solche, wo leine Hundesteuer existirt in Acht nehmen, ein fremdes Köter chen freundlich anzusehen. Gewöhnlich hat man ihn dann sofort auf dem Halse und man muß dem Besitzer nachdrück lich auseinandersetzen, daß und warnm man nicht in der Kauflaune ist. Ein Mann mit einem allerliebsten schwarzen Dachshündche», das eine Marke trug, begegnete uns. Als wir dem Thierchen unsere Aufmerksamkeit zuwandten, er klärte der Besitzer: der ist nicht verläuf lich. aber dieser hier. Er zog dabei zwar keinen Dolch, aber ein Hündchen aus dem Gewände, das nicht viel grö ßer war, als ein Dolch. Es war die Tochter des Vaters, den er gewisser maßen nur als Aushängeschild vor sich hertraben ließ, war blind, winselte und streckte die Beinchen aus wie eine Fliege. Wir erklärten, daß wir nicht zuviel Zu trauen zu unserer Erziehungsknnst hätten, und gaben dem Manne den Rath, uns das Thierchen noch ein paar Monate auszuheben, ehe wir uns ent schieden. Aber die Stunde des Verhängnisses nahte. Am Bahnhofe einer kleine» und nahe» Station sprang uns ein weiß und schwarz gefleckter drolliger Kerl mit freundlichen Augen, spielend und necklustig entgegen, der unser bei der Herzen im Nu eroberte. Mit einem Hunde geht» einem so wie mit der Liebe, die Entscheidung ist blitzartig. Wenn wir den bekommen könnten, sag ten wir zueinander und warsen Polio denn er war eS begehrliche Bücke zu. Da hatten wir aber schon die Ant wort: ein Herr in Civil und einem grauen Vollbarte erklärte: „Bitte, das Hündchen ist zu haben. Ueber den Preis werden wir uns schon einigen". Nun hatten wir ihn. Es gibt eine Anekdote, i» der jemand zu einem jun gen Mädchen auss Geralhewohl, ohne sie näher zu kennen, sagt: „Mein Fräulein, lieben Sie mich?", worauf diese antwortet: „Ja", worauf dieser, auss heftigste erschrocken, zu sich sagt: „Jessus, was habe ich angerichtet!" So ging es nns, als der Herr des Hnndes zusagte. Wir baten uns Bedenkzeit aus, aber in den darauffolgenden Ta gen wurde uns klar, Pollo ist, den wir suchen, und wir kehrten zn dem Besitzer zurück, um den Handel probeweise ab zuschließen. Vorher aber kamen eine Masse Erkundigungen, man will doch vorsichtig bei solchen Geschäften sein. Warum er verkaufte? Seine Frau mochte das Thier nicht leiden und er selbst habe sortwährend Angst, daß der Hund von einem der Bahnzüge über fahren würde. Der Herr hatte jetzt eine blaue Uniform und die feuerrothe Mütze des Stationsvorstandes, »nd sein weiß-schwarzer Begleiter sah ihm in s Gesicht, als ob er jedes seiner Worte verstehe. Das Thier war zwar voll ständig Locomotiv-fromm, aber bei den 100 Zügen, die hier täglich verkehren, war es ei» reines Wunder, daß er »och nicht längst zu Knochenmehl zerfahren war. Ferner, welcher Rasse er ange höre? Tavon wußte nun unser Ge währsmann nichts genaues zn sagen; nur daß er keine reine Abstammung hatte und kein blaues Blut in seinen Ader» rollte, stand außer Zweifel. Er mochte der Bastard zwischen einem Fox- Terricr und einem Hunde sein, dessen Elter» ei» Windhund und eine Bullen beißeri» gewesen sein dürsten, wobei nicht ausgeschlossen war, daß ein Spttz und ein Wachtel in die Familie seiner Ahne» gekommen waren. Der Hund paßte in keine der gangbaren Rassen, hatte aber von jeder etwas uud war in solge dessen ein sehr interessantes Exemplar. TaS Kaufgeld wurde auf zehn Mark festgesetzt, io viel, als das Thjer unserem Verkäuser gekostet hatte, zahlbar nach meiner Wahl in einigen Wochen,nachdem wir Erfahrung über ihn gefammelt, und der verdutzte Hund mit einem um den Hals ver schlungenen Bindfaden wurde zu uns in den Wagen gefetzt. Wir wunderten uns über die Ruhe, welche der Verkäufer ob der Trennung an den Tag legte, und die Verzweif lung des Hundes, als es sich durch die anziehende» Pserde sich von Hause fort geführt sah. Das ward mir nachträg lich ganz klar, denn sein Herr wußie wahrscheinlich, daß er ihn nie wieder sehen würde, und der Hund wußte es nicht. Ich habe ein Kind noch nicht so jammern sehen wie Pollo, der in vie lem Augenblick ganz ausgelöst von Schmerz war, und wenn wir ihn nicht mit vereinten Krästen aus das Kissen niedergedrückt hätten, zweifellos durch das Fenster auf die Landstraße gesprun gen wäre. Meine Frau war so ge rührt von seiner Anhänglichkeit, datz ?e den Schlag öffnen und ihn zurück laufen lassen wollte, womit aber dem bisherigen Besitzer sehr wenig gedient gewesen wäre. Wir redeten ihm mit allen Schmei chelnamen zu, streichelten und schmei chelten ihn vergebens. Nachdem wir eine Viertelstunde gesahren, hörte sein lauter Schmerz aus ; er nahm jetzt den Ausdruck eines still-resignirten Fron deurs an, der uns mit traurigen, vor wurfsvollen Augen ansah, und schließ lich. nachdem er eine Zeitlang studirt, mit wem er zu thun hatte, zu wedeln anfing, eine Gemülhsäußerung, welche von uns mit einem wahren Jubel be grüßt wurde. Als wir ihn dann ohne Unfall in unsere Wohnung gebracht hatten, nahm er augenblicklich eine Ocular-Jnspection der ihm sremden Räume vor. Er bestieg die Sosas und prüste die Weichheit der Polsterung, juchie die Küche in allen Theilen all und sprang mit einem wahren Wissens drang aus die Kensterbrettchen, um die Gegend, in der er sich besand, zu inspi circn. Das war, wie wir später leider ein sehen mußten, keine müßigt Neugierde. Er sammelte bestimmte Merkmale, an denen er den Rückweg wieder zu finden vermöchte, und sein erster Gedanke, mit dem er seinen neuen Dienst antrat, war der: wie komme ich in den alten zurück? Aber ob er wie der Mensch in seinem dunklen Drange sich des rechten We ges wohl bewußt war, ob er seine Hei math im Anblick der sich ihm bietenden Speisen und Getränke vergessen halte, er zeigte trotz seines Heimwehs einen Appetit, um den wir ihn beneiden tonn ten. Wir standen in der erleuchteten Küche und sahen, das Dienstmädchen und die Herrschast, vereint zu, mit wel cher Schnelligkeit das improvisirte Abendbrot, Suppe mit eingebrockten Ueberbleibscln unseres Mittagmahles, unter seinen gierigen Schlucken ver schwand. Wie die Teller leer und blank wur den, sühlten wir uns hochgeehrt, und sein Appetit gab uns Gedrückten Hoff nung, daß er sich in unserm Haufe wohl suhlen würde. Und nun war er zu Hause; er wedelte und zeigte bei un serm Abendbrot der Hund war na türlich als Gast vorgegangen eine überraschende Gemüthlichkeit. Er machte allerlei Kunststücke und bettelte so un genirt, als wenn es immer so gewesen wäre und immer so bleibe» sollte. Nach dem er sich gesättigt, benutzte er unser bestes Sopha, um, während wir lasen, einen kleinen Vorschlas zu ristiie», und als wir zu Bett gingen, begab er sich willig nach dem sür ihn zurcchtgebauteii Lager. Er schlief den Schlaf des Ge rechten, nur in der Morgenstunde kam er an mein Bett und tappte so lange, bis ich ihn cinzusteigeu bat, und ich gewährte ihm aus meinen Füßen eine mir ziemlich unbequeme Nachtruhe, um ihm seine erste Nacht in der neuen Hei math recht angenehm zu machen. Er geht nicht mehr von uns, war mnn Verbiet, so fein hatte er in feinem Le ben weder geschlafen noch gespeist, das hatte uns sei» srüherer Verpsleger wie derholt versichert. Er war nicht ver wöyiit worden und die Sonne der Liebe hatte ihm nicht geleuchtet. Als aber das Dienstmädchen ihm in der Morgen stunde das Psörtche» öffnete, um ihm eine Gartenpromenade zu ermöglichen, machte er ohne vorherige Anzeige, ohne einen Dank auszusprechen, ganz un aufhaltsam eine Diversion nach den Kreuzlatien des Zaunes, schwang sich durch die Luke und im nächsten Augen blicke durch die Wälder, durch die Auen nahm er seine Flucht und lachte der Verfolger. Wir waren so verblüfft wie beleidigt. Wir vermochten sein freundliches Be nehmen nicht mit seiner schnöden Deser tion in Einklang zu bringen. Später machten mir un» klar, daß er hier unter dem Einfluß einer gewissen Suggestion handle. Er hatte es sich bei uns entschieden ganz wohl sein las sen, aber der Zug des Herzens war stärker als er, und er stürmte, von einer geheimnißvollen Macht getrie ben, dahin, wo er sich hingehörig glaubte, wo man ihn aber gar nicht haben wollte. Denselben Nachmittag brachte ihn sein Dienstmädchen zurück. Jetzt woll ten wir uns dem Ereignisse gegenüber besser vorsehen: er mußte «»gebunden werden. Sein Vorbesitzer hatte uns das schon als Pflicht gemacht, aber wir .vollten psijsiger sei nund glaubten, ihn durch liebe und gute Behandlung bei uns fester zu binden, als mit Leinen und Ketten. Nachdem er eine Stunde am Fenster sitzend dem wieder rückkeh renden Dienstmädchen nachgeweint hatte, erinnerte er sich, daß er bei uns schon einmal eine vergnügte Nacht zu gebracht hätte, und begann sich häuslich zu sühleu. Jetzt aber wollten wir den Undankbare» i» Kette» schlage» und wir wanderten mit ihm, den wir an einer Strippe führten, nach dem eine halbe Stunde entsernten nächsten Dorfe, um die erforderlichen Folter werkzeuge einzukaufen. Wir führte» ihn? Nein, er führte uns. Ich werde an diesen Traasport Zeit meines Le bens denken. „Pollo" wurde er geru fen. aber er hörte nicht. Er ging sei nen Weg, ohne im geringsten aus uns Rücksicht zu nehme», dasür mußte» wir dies um so mehr thu». Jede Minute verknotete er sich die Leine um die Füße oder würgte sie um den Hals oder schnürte sich den Schwanz ein, und es bedurste stets einer größern Lperation, um ihn zu befreien. Tann fand er jede» Augenblick etwas an den Säumen und Zäunen, was seine Auf merksamkeit in Anspruch nahm, und wir mußten so lange stehen bleiben, bis er sich satt gesehen hatte. Tann wieder wollte er aus irgend welchem Grunde eine Richtung nehmen, die unserem Ziele gerade entgegengesetzt war, und dann hatte er noch andere minuten lange Unterbrechungen, die zu hindern unsere Humanität nicht zugab. Am schlimmsten aber war es im Dorfe selbst, wo er Aufsehen erregte und wo aus jedem Häuschen ein Hund vor die Thür trat, um mit Pollo ein freund schaftliches Verhältniß anzuknüpfen. Wie er da bald hin-, bald herzerrte. wie wir bald nachgaben, bald vorsorg lich und in Herzensangst zurückzerrend intervenirtcn. wo Gesahr in Aussicht stand, das war herzzerreißend. Es machte ihm augenscheinlich Spaß, uns seine Launen sühlen zu lassen, und wir waren von dem durch seine Kreuz- und Ouerzüge dreimal gemachten Wege müde, ehe der große Halsbandeinkaus vor sich ging. Aber auch das machte keinen Eindruck, obwohl die aus silber glänzenden Ouerstreifen mit rother Tuchunterlage bestehende Riviere ihm außerordentlich zu Gesicht stand. Als wir aus dem Rückwege einen Augenblick in die schöne Aussicht versunken anhiel ten, benutzte er einen unbewachten Mo ment, um sich mit einem kühnen Ruck und Sprunge srei zu mächen. In Verzweiflung lächelnd, suchten wir ihn durch Vorhalten von Stöcken, Appor tiren, Springen und Lausen in guter Stimmung zu halten. Er biß in der That den Schäker heraus, tanzte, spielte, hüpfte nebe» seinem keuchenden Brodherrn einher, und schon glaubten wir ihn glücklich hinter dem Drahtgitter des Gartens geborgen, da besinnt er sich, und die Situation überschauend, setzt er sich nach seiner Heimath in Trab unaufhaltsam uneinholbar und ward nicht mehr gesehen. Ties resignirt schrieb ich meinem Ver käufer, daß wir kein Opfer wollen und nicht ein Individuum zu einer Liebe zwingen mögen, die demselben nicht vom Herzen geht. Man hatte uns wohl gesagt, daß es vier Wochen währe, ehe sich ein Hund an den Gedanken ge wöhnt, an dem neuen Schauplatze sei ner Thätigkeit oder Unthätigkeit hei misch zu sein. Er hatte offenbar nur das Gefühl, daß er bei uns zn Gaste war; aber einen Gast, der nichts bezahlt, niemals sich bedankt und in seine Hei math zurückkehrt, so wie sich die ge ringste Gelegenheit dazu findet, kann man eigentlich nicht auf die Länge dul den. Dennoch sandte uns der Herr Bahnhofsinspektor noch zum zweiten Male feinen Pollo zu; wir wollten ihn nun festbinden, in vier bis sechs Wochen würde die Erinnerung an das alte Da sein verblassen und er keine Anwand lung mehr verspüren, zurückzukehren. Wir wagten noch einen dritten Versuch, behandelten ihn karg uud mit Miß trauen. Als ob ihm dies mehr impo nire, als unsere frühere Aufmerksamkeit nnd Liebe, bot er nun alle Liebenswür digkeit auf, deren er fähig war. »in un ser Vertrauen wiederzugewinnen. Er setzte sich neben mich auf den Stuhl, suchte mich auf alle Weise zu veranlas sen, mit ihm zu spielen, bettelte, stellte sich todt. Wenn ich nur süns Minuten aus dem Zimmer ging, heulte er wie ein verstoßenes Kind, srohlockte bei mei nem Wiedereintritt, als wären wir die ältesten und unzertrennlichsten Freunde. „Dieser Jubelquietsch kann nicht lügen," erklärte ich geschmeichelt, „jetzt ist end lich die Ueberzeugung bei ihm durchge brochen, daß er eine warme Heimstätte bei uns gefunden hat. Endlich ist er unser!" Zwei Tage und zwei Nächte lullte er uns in dieses unbedingte Vertrauen. Wo ich stand, schob er mir seinen Kopf zwischen die Arme, sprang meiner Frau aus den Schoß und zeigte die trenesten Augen. Aber als einmal zufällig die Thür dem Postboten geöffnet wurde, drang er unbemerkt aus dem Zimmer nach dem Garten und im nächsten Au genblick trottete er die ihm wohlbekannte Straße nach seiner alten Heimath der Zug des Herzens hatte ihn über mächtig zurückgetrieben. „Sehr geehrter Herr!" schrieb ich mit zitternder Feder. „Es soll nicht sein: Ihr Hund wird bei uns nicht heimisch. Wir geben es aus, um die Liebe eines Thieres zu buhlen, welches uns nur zum Narren hält nnd dessen Herz bei Ihnen weilt. Ich kann ihm weder dieselbe alte Teckc geben, unter welcher er selig schlummernd sein Mit tagsschläschen bei Ihnen abhielt, noch die Eisenbahnzüge vorüberfahren las sen. die ihm in seiner alten Heimstätte eine so liebliche Abwechslung gewähr ten. Ich hoffe, daß Sie und Ihre Gat tin, durch die Treue Ihrer Breatur ge führt, sich seiner wieder annehmen wer den, wie Welter von Strahl des Käth chens von Heilbronn. Ich verzichte aus seinen Besitz." Umgehend kam die Antwort; da» Brieschen hatte einen Trauerrand. „Sehr geehrter Herr! Wir hätten das Thier gern wieder zurückgenommen. Seine unverbrüchliche Treue hatte mich zu Thränen gerührt, selbst die Abnei gung meiner Frau überwunden, aber es sollte nicht sein. Weder Ihnen noch uns war Pollo bestimmt. Als er in tollen Sätzen, athemlos von der langen, weiten Tour, dem Bahnhofsgebäude zueilte, seinen Blick unverwandt auf seine frühere Herrschaft gerichtet, die mit gemischten Gefühlen ihn zu bewill kommnen auf dem Bahnsteig getreten war, rollte der Schnellzug über die Schienen und im nächsten Augenblicke hatte er ausgehaucht." Ter Zug des HerzenS war ihm de- Zuz des Todes. Bezahlt sich das Annon ciren? Aus diese Frage geben die „Mainzer Nachr." mit nachstehender verbürgter Thatsache Autwort: Ein Mann annoncirte. daß er Demjenigen 5 Mark zahle, .der ihm den größten Apfel zuschicken würde. In weniger als 14 Tagen hatte er 15 Säcke der prächtigsten Aepsel beisammen. Hierauf zahlte er vergnügt 5 Mark für den größten Apfel, den er erhalten. Eine mitsühlendeSeele. „WaS? Tu kommst aus dem Leih amt, Freund? Aber, bester Junge, wenn Tu in Geldverlegenheit bist, warum kommst Du nicht zu mir? Ich hätte Dir denn auch glsich 'was zm» Versetzen mitgegeben!"
Significant historical Pennsylvania newspapers