Hrästn Daran. «-M- «°«- «»,»« I. Kapitel. .Sie können nicht ermessen, wie sehr <ch Ihnen dankbar bin, wie hoch ich Sit verehre, und doch wünschte ich, Sie hät ten meinen dringenden Rath besolgt und wären mit Ihrer Tante aus Paris geflohen," sprach Professor Etoile, wäh rend er der Gräsin Cecile Daron die Hand drückte. „Versprechen Sie mir. daß Sie sich endlich Ruhe gönnen, über lassen Sie jetz! den Deutschen der Schwester Maria-Martha, es geht ohne hin bald mit ihm zu Ende; eS ist keine Hoffnung mehr. Ich bitte Sie ernst lich. schönen Sie Ihre angegriffenen Nerven." Aber anstatt dem alten Arzt und treubewährteil Freunde der Familie zu gehorchen, blieb Gräfin Daron dennoch im Gemache, als der Professor sich längst entfernt hatte; sie schlich sich leise wieöer an das Bett und beugte sich angstvoll über den mit geschlossenen Li dern wie todt Daliegenden. Eine kleine Wunde unterhalb der Rippen, in der eine Chassepotkugel stecken geblieben war, hatte der Arzt als lebensgesährlich erklärt. Mit tiesem Mitleid sah sie aus das Gesicht des Sterbenden. „Er ist ein Feind meines heißgelieb ten Vaterlandes ich Hasse die Deut schen und doch, wie bange ich um ihn —wer hätte das jemals gedacht." Cecile kniete nieder und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. Ihr eleganter Salon war jetzt in ein düsteres Krankenzimmer umgewandelt. Die vergoldeten Möbeln, die prächtigen Konsolen, die türkischen Vasen und rei zenden Nippsachen waren sämmtlich entfernt. Nur ein bequemes Bett, in dem der Kranke ruhte, ein paar Tische, eine Lampe, die eiu gedämpstes Licht ausstrahlte, und eine große silberne Schüssel mit Eis gefüllt, das war Alles. Paris war seit Monaten von den Deutschen eingeschlossen. Unter den Einwohnern herrschte Noth und Erbit terung. während draußen der Kanonen donner krachte und drinnen die Grana ten einschlugen. Die Lazarette der Stadt waren alle iibcrsüllt, deshalb hatte Cecile daran ihr elegantes Palais zur Untertunst für die Verwundeten und Sterbenden, die i» die Stadt gebracht wurden, bereit willigst angeboten. Mit uneiidlichem Eiser hatte sie selbst die Dienste einer sorgsamen Krankenwärterin übernom men. Sämmtliche Räume ihres HauseS waren bereits besetzt, Cecile hatte zum eigenen Gebrauch nur noch ihr Schlas gcmach und den daneben befindlichen Salon. Zuletzt wurden in Begleitung des Professors Etoile noch drei Schwer verwundete, zwei Franzosen und ein Deutscher, gebracht. Die Franzosen bettete man zu edener Erde, sür den Deutschen aber war kein Raum mehr vorhanden. „Kein Platz mehr," entschied mit fester Stimme der Portier, „kein Platz mehr sür den Deutschen!" Prosessor Etoile. der die Verwunde ten in die Stadt gebracht hatte, runzelte die Stirn. „Der ist gerade am schlimmsten daran," sagte er. „wohin soll ich ihn bringen?" Da kam Cecile. „Was gibt es?" fragte sie den Arzt. „Ach, ein Sterbender, und Crinol behauptet, er kön«e durchaus nicht hier bleiben." Sie warf einen Blick auf die Bahre; in demselben Moment öffneten sich die Augen des bisher Bewußtlosen, und <eine Lippen seuszten: „Erbarme»!" Ein Beben durchzuckte ihre Glieder. „Hinaus in mein Zimmer." befahl sie. „rasch!" Erstaunt sahen sich die Diener an. „Wohin?" sragle Crinol. „In mein Zimmer," wiederholte si» bestimmt, „bis der blaue Salon sür den Verwundeten in Stand gesetzt ist!" Mit unglaublicher Schnelligkeit wur den die Möbel aus dem Salon geschasst und das Bett sur den Kranken hinein gestellt. Tann kam eine barmherzige Schwester und der Aisistenzarzt des ProsessorS Ctoile untersuchte die Wun den des Deutschen, operirte und verband ihn. Ce >le bemühte sich, die Schmer ze» ihres Schützlings zu mildern. Von Zeit zu Zeit machte sie srische Umschläge auf seine Stirn oder brachte kleine Eis flückchen in seinen Mund. Während .der ganzen Nacht nab der Operation lag der Verwundete regungslos da wie ein Todter. Beim Morgengrauen ging ein Schauder durch seine Glieder, er murmelte einige Worte. Cecile beugte sich über ihn und sragte in deutscher Sprache, ob er etwas wünsche. Er schlug die Augen auf und sah sie iange »it. .Wo bin ich?" stöhnte ei. „Bei mir," sprach sie mit tiesem Mit leid. „Sie sind gut aufgehoben, küm mern Sie sich nicht weiter." Ein mattes Lächeln flog über feine Züge. „Ein Engel!" flüsterte er. Sie erneuerte die Umschläge und reichte ihm das GlaS zum Trinken. „Sie sind so gut!" Er machte eine Bewegung mit der Hand, sie verstand seinen Wunsch und reichte ihm die ihrigt. Seine Finger schloffen sich, und so blieb sie stunden lang neben ihm sitzen, ohne den Versuch zu machen, ihre Hand aus der seinigen zuziehen. Am nächsten Tage, als der Professor kam, um nach dein Deutschen zu sehen, fand er ihn zwar bei vollem Bewußt sein, aber als man Etoile sragte, was «r von dem Verwundeten halte, schüt telte er das greife Haupt und sprach: ' „Verloren. ES kann zwar noch «inige Zeit währen, wie eS scheint, allein Hofsmmg wäre vergeblich." Der Arzt bemerkte nicht das Zucken der Augenlider der Gräsin, nur fand er sie bleicher und abgespannter, als sonst, weshalb er seinen dringenden Rath, sich mehr zu schonen, wiederholte. Allein sie gehorchte ihm nicht. Täglich sand er sie bei Abensberg, so hieß der Berwundete, den sie mit unermüdlicher Sorgfalt pflegte. Schwester Maria- Martha erzählte dem Professor, daß die Gräfin sich auch Nachts keine Ruhe gönne, so daß sie, die Schwester, eigent lich hier ganz unnütz wäre. So gingen Wochen vorüber. Das gräfliche Lazarett fing schon an. sich allmählich zu leeren. Draußen hatte der Kanonendonner aufgehört, der Friede war geschlossen. Die Bewohner von Paris athmeten erleichtert aus und wenn auch Wuth. Rache und Haß in der Brust der meisten glühte, im Palais der Gräsin Daron waren solche Aus brüche auf das Strengste verboten wor den. Professor Etoile sah mit ernstlicher Besorgniß das immer bleicher und schmäler werdende Gesicht der Gräsin und rieth ihr. die Pflege ihres Schütz lings nunmehr der Schwester Maria- Martha zu überlassen. Ungeachtet des großen Vertrauens, das Cecile auf die Kunst des Prosessors setzte, tonnte sie Abensberg nicht so hoff nungslos verloren geben. „Ich will, ich muß ihn retten!" sagte sie sich täglich und schien alles andere über diese Aufgabe zu vergeffen. Ein Theil der im Palais der Gräfin untergebrachten Verwundeten war ge storben, der andere war als genesen entlassen worden; nur der junge Deut sche lag noch immer in dem blalien Salon. Gras Thionville. der Vetter und Verlobte Ceciles, berieth sich mit Doc tor Etoile darüber. Er wünschte leb hast, daß auch dieser Gast endlich ous dem Palais seiner Cousine entfernt werde. Allein Etoile beharrte auf sei nem Ansfpruch, daß ein Transport den Tod beschleunigen würde. Dasselbe hatte er auch schon der Gräfin Daron gesagt. „Meine Cousine ist nicht wieder zu erkennen," rief Thionville, „ich finde es wie soll ich doch gleich sagen nicht passend, daß sie den jungen Deutschen neben ihr Gemach gebettet, daß sie ihn pflegt, als wäre es ihr Bruder odcr Verlobter. Schon öfters habe ich mich mit ihr deshalb ernstlich entzweit. Nie vorher sah ich sie so eigensinnig. Zum ersten Mal. seit ich sie kenne, und das ist gerade so lange, als sie lebt, verwei gert sie mir den Gehorsam, sie, die frü her so gefügig war." Henri Thionville sprang von seinem Stuhle aus und stellte sich mit ver schränkten Armen dicht vor den Arzt, der seine Augen musternd aus dem Er regte» ruhen.ließ. Welch ein hübscher Meusch, dachte sich Etoile und besah mit dem Wohlgesal len eines Arztes die stolze Kraftgestalt Henris. „An Ihnen, Doctor, ist es. da ein Machtwort auszusprechen." suhr Thion ville sort, „Sie sind der vertraute Freund der Familie von jeher gewesen, Ihnen wird, Ihnen muß sie gehorchen. Sagen Sie ihr, daß der Deutsche end lich aus dem Hause soll. Es sind an dere, noch weit gefährlicher Verwundete transportirt worden. Man hatte bei unseren Leuten nicht immer eine so übertriebene Schonung. Sagen Sie ihr, daß daß es höchst unpassend ist, daß sie Tag und Nacht immer um die sen Menschen ist. Kurz, trachten Sie, daß er endlich aus dem Hause kommt, meine Geduld ist erschöpft, ich ertrage es nicht länger." „Verehrter Herr Graf." sprach Ctoile sich erhebend, „wenn Sie Derartig«? im Schilde süh>en,.dann lassen Sie nur mich aus dem Spiel." „Nein," rief leidenschaftlich erregt Henri, „gerade Sie müssen es in die Hand nehmen, denn mir gehorcht sie nicht mehr; sie ist ganzlich verändert in ihrem Benehmen." „So lassen Sie uns ruhig die Sache besprechen, Herr Gras, ich kann und will meiner Pflicht nicht zuwider han deln. Ein Transport ist lebensge fährlich; das heißt, sterben wird er ja aus alle Fälle, allein Ruhe und Scho nung können den Tod noch einige Zeit aushalten. Ich kann also nicht bestim men, daß er weggebracht werden soll. Etwas anderes wäre es, wenn er selbst das lebhafte Verlangen hatte, in seine Heimath zu kommen, damit er dort sterbe. Mich aber will dünke» —" „Daß er sehr gern da weilt." unter brach ihn zornig vuflachend Thionville. „Natürlich, es ist sehr angenehm, eine Cecile zur Pflegerin zu haben, ihre melodische Stimme zu hören, in der jede Silbe Mitleid verräth. Sie ist ja den ganzen Tag bei ihm. liest ihm vor, reicht ihm selbst die Speise» und tostet seinen Wein." „Wer hat Ihnen das gesagt. Herr Graf? Haben Sie es vielleicht selbst ge sehen?" .Das nicht, aber die Wärterin Ma ria-Martha hat mir die große Güte meiner Cousine gerühmt." „Nun, das ist noch kein Unrecht," sprach Etoile. „Also weiter, ja. ich bin der Freund des Hauses, ich habe schon als Knabe mit dem Vater Ceciles gespielt und ihre Mutter. Gott lasse sie ruhen in Frieden! hoch verehrt. Ich möchte also jetzt zu Ihnen als Freund der Familie spreche». Ich rathe Ihnen, gehen Sie nicht schroff vor, um Ihren Willen in dieser Hinsicht durchzusetzen, denn Frauen sind gar eigenthümlich. Sie schütten nur Oei in'S Feuer, wenn Sie es dahin bringen, daß Abensberg das Palais verlassen muß. Bedenken Sie, der junge Mensch kam sterbend zu ihr, sie übernahm es, ihn zu pflegen, was sie schon bei vielen anderen auch that, verband sie doch auch eigenhändig die Kovswunde des deutschen Obersten Bergh, weil sonst Niemand zugegen war. Wie habe ich mich über den kunstgerechten Verband gefreut! Wahr haftig, Ihre Cousine hat sich tüchtige Kenntnisse erworden. Nun also, da sie so lange den deutschen Hauptmann pflegt, ist es doch nur natürlich, daß sie sich für ihn interefsirt, wie eine Mutter sich um ihr krankes Kind sorgt. Das liegt einmal den Frauen im Blut, daß ihnen derjenige immer am nächsten ist. der ihrer Hilfe am dringendsten bedarf. Bleiben Sie ruhig, bis er stirbt, es wird nicht mehr lange währen. Wie, Herr Graf, Sie werden doch auf einen Sterbenden nicht eifersüchtig sein?" Henri machte eine ungeduldige, ab wehrende Bewegung. . „Ich habe gestern den Oberst Hahn gesprochen, er sagte mir, daß Oberst Bergh die nächste Woche heimreise. Ich bitte Sie, bestimmen Sie Bergh, daß er seinen Landsmann sortschasst, er wird sich jedenfalls an Sie wenden, um Ihre Erlaubniß einzuholen." „Ich werde ihm sagen, daß dies den Tod zur Folge haben würde, und dies zu verhindern ist meine Ausgabe. Nur wenn Abensberg heim verlangt, müßte vor Allem sein Wunsch berücksichtigt werden." „Der wird in den Armen meiner Cousine sterben wollen," ries erröthend Thionville. „Sind Sie denn ganz mit Blindheit geschlagen. Herr Professor, daß Sie nicht einmal sehen, daß der Deutsche in seine sanste Pflegerin ver liebt ist?" „Lieber Graf, ich sehe, daß man mit Ihnen kein vernünftiges Wort sprechen kann," sagte Etoile. „und empfehle mich Ihnen. Das aber weiß ich, wenn auch mein Haar gebleicht und meine Gestalt von der Last der Jahre gebeugt ist. daß, wenn man den Tod im Leibe fühlt, daß dann die Liebesgedanken schwinden. Gott besohlen, Graf Thion ville!" „Oberst Bergh bittet, seine Aufwar tung machen zu dürfen, um Abschied zu nehmen," meldete der Diener, indem er der Gräfin die Karte des Obersten überreichte. „Ist mir willkommen." sagte sie und ging dem Obersten mit herzlichem Gruß entgegen. „Ehe ich von hier scheide." sprach Bergh. indem er sich vor der Dame des Hauses lies verneigte, „drängt es mich. Ihnen nochmals meinen Dank akiSzu spiechen sür all' die großmüthige Güte, die Sie mir während meiner Krankheit erwiesen haben." „Und die Sie so rasch als möglich 00» sich wiesen, indem Sie, kau», halb genesen, aus meinem Hause schieden," lächelte die Gräsin. „Aber es sreut mich, daß Sie noch einmal gekommen sind. Ich muß gestehen, Ihr Deut schen seid dankbar." „Gräsin, und ich muß Ihre Groß muth bewundern." Sie machte eine unwillige Bewegung. .Bitte, berühren Sie die>eS Thenia nicht." sprach sie. „erzählen Sie mir lieber von Ihrem unglücklichen Lands mann Abensberg." „Ich weiß nichts von ihm," erwiderte der Oberst, „ich habe nur gehört, daß er bei Chatillon kämpfte und daß er tödtlich blessirt nach Paris und zwar in Ihr Palais gebracht wurde. Sonst ist er mir so fremd, ja noch fremder, als Ihnen, die Sie ihn so aufopfernd selbst pflegen. Als ich mich heute bei Professor Etoile verabschiedete, sagte er mir. daß Abensberg seiner Auflösung nahe sei. Er habe ihm die grausame Wahrheit aus sein dringendes Verlan gen selbst mitgetheilt und ihm vorge schlagen, sich heimtransportirtn zu las sen; dagegen aber habe sich Abensberg gesträubt. So will ich denn jetzt zu ihm, um seine letzten Wünsche mit nach Deutschland zu nehmen." Der Oberst erhob sich und drückte einen langen, chrsurchlsvollen Kuß auf die Hand Ceciles. „Gott segne Sie!" sagte er beim Ab schied. „Möge er Ihr gütiges Herz in dem Maße beglücken, wie Sie es ver dienen." .Mein junger Kamerad." sprach er. die abgezehrte Hand Abeitsbcrgs erfas send, „ich habe mit Ihrem Arzte Etoile üb?c Sie gesprochen, er meint, man könnte es wagen, Sie in die Heimath zu bringen. Ich würde Ihnen gerne diese Gefälligkeit erweisen und Sie selbst an Ort und Stelle begleiten." „Nein, nein," scuszte Abensberg, „lassen Sie mich hier sterben." .Wenn Ihnen der Gedanke an die Reise so peinlich ist, so bleiben Sie," erwiderte beruhigend Bergh, die Ausre gung des Kranken gewahrend. .Der Gedanke ist mir schrecklich." flüsterte Abensberg, „allein, wenn Sie, Herr Oberst, mir einen Gesallen erwei sen wollen, so grüßen Sie die Meinigen sagen Sie iknen, sie sollen sich trö sten—es ist am besten—am besten, daß ich sterbe —" Der Oberst schob eine» Stuhl neben das Lager, setzte sich nieder und schrieb sich die Adresse auf. die ihm Abensberg angab. Er versprach ihm, Alles nach Wunsch zu ersüllen. Nachdem der Oberst das Kranken, zimmcr verlassen halte, kam Cecile herein. „Sie sind aufgeregt, mein Freund." sagte sie und legte ihre Hand auf feine Stirn. Er nahm die Hand und führte sie an seine Lippen. , „Nein," sprach er, „nicht aufgeregt, aber die Erinnerung übermannte mich, ich wunderte mich —" „Ueber was?" fragte Cecile und setzte sich ans den Sessel, den soeben der Oberst verlassen hatte. „Ueber mich, über die geheime Macht, der ich sterbend noch unterliegen muß. O Cecile, wie danke ich Ihnen, daß Sie mir erlauben, da sterben zu dürfen. Sie wiffen nicht, welch' eine Wohlthat Sie ausüben. Der Gedanke, fort zn müssen, wäre mir mehr als schrecklich gewesen. Ich habe gestern Eloile über ineinen Zustand befragt und ihn gebeten, mir die reine Wahr heit zu sagen. Er sagte mir. daß mein« Tage gezählt—daß keine Hcssnuna aus Genesung vorhanden sei. Deshalb darf ich sprechen, sonst müßte ich schwei gen und das, was mich so mächtig be wegt, in meinet Brust verschließen. So aber kann es Sie nicht kränken, wenn ich Ihnen gestehe, daß Sie un umschränkt in meinem Herzen herr schen!" Sie nahm seine Hand und legte fn a» ihre Wange. „Cecile, ich weiß eS. daß—Du mein» Liebk erwiderst. Ich höre eS an dem Ton Deiner Stinime, ich fühle es im Blicke Deiner Augen. Mein ganzes Sein ist erfüllt von diesem Glücke, daß ich in den letzten Stunden meines Le bens noch genieße. Wir beide lieben uns lieben uns hoffnungslos aus irdische Vereinigung auf irdische Wonne —" Cecile erhob sich, beugte sich über ihn und küßte ihn. Beide konnten lange nicht sprechen, dann begann Abensberg wieder: „Geliebte, laß dir sagen, daß ich nie. MalS dieses Geständnis; über meine Lip pen gebracht hätte, wenn mir nicht ge stern von Etoile meine baldige Auflö sung angekündigt worden wäre. Viel leicht ist es gut, daß ich von Dir schei den muß, denn höre mich, ich habe dem Oberst meine letzten Gruße mitgegeben sür meinen alten Vater und—sür mein junges Weib." Cecile suhr zusammen. „Warum hast Du mir das nicht frü her gesagt?" „Warum?" wiederholteer. „Weil ich sie beinahe vergessen hatte und bann, als ich meine Liebe von Dir er widert wußte, aus Feigheit.—Verzeihe mir, aber ach! Der Tod wird ja alles schlichten. Sieglinde ist schön, sehr schön. Ich glaube, daß sie mich liebt nach ihrer Art. AIS ich mich mit ihr vermählte, war ich glücklich; bei der Trennung weinte sie herzzerreißend an meiner Brust, halb ohnmächtig legte ich sie in die Arme meines Vaters. Ihre ersten Briese waren mein Entzücken. Aber dann kam eine ganz andere Er-, kenntniß über mich. Ihre Briefe wur den seltener, kühler und ach! es waren Seiten voll alltäglicher kleiner Vorfälle, kaum der Rede werth, die nur sie inter essirten. Weder Sorge noch Angst noch Zärtlichkeit war für mich darin zu finden. Die arme Kleine hatte mich nicht getäuscht, und ich selbst täuschte mich nicht in ihr. Ihre wunderbare Schönheit hatte mich entzückt, ich sragte mich nicht, wie ihr vharaktcr, noch wie ihr Gemüth beschaffen sei. Ich dachte nur an ihre prachtvollen Augen, die groß, glänzend und dunlel sind, wie ich sie noch nie gesehen. Ja, Sieglinde ist bezaubernd aus den erste» Blick, von Überraschender und mächtig wirkender Schönheit. Aber das ist auch Alles. Als ich mich von ihr getrennt hatte, da waren meine Gedanken voll von den neuen Ereignissen. Ich dachte die ersten Tage, während ich mit meinem Regi ment nach der Grenze eilte, wohl an sie, aber ihr Bild schwand immer mehr aus meinem Sinns, als ich ihre Briese las. Es war nicht Schmerz, den ich sühlte, sondern eine Art—wie soll ich mich doch ausdrücken? Gleichgiltigkeit, daß sie >so arm an Gemüth war. Hatte ich länger mit ihr zusammen gelebt, würde ich Schmerz darüber empfunden haben. Zn der Entfernung von ihr war dies anders. Auch waren die Eindrücke der Gegenwart so drastisch, daß ich keine Zeit fand, mich über sie zu grämen. Ich war todesmuthig ich sehnte mich zwar nicht nach dem Tode, aber ich sürchtete ihn auch nicht. Denn ich hatte ein Empfinde», als verlöre ich mit die sem Leben auf der Welt nichts, gar nichts. Es war eine gänzliche Gleich giltigkeit gegen meine eigene Person über mich gekommen während der letzte» großen Ereignisse. Als ich nach meiner tödtlichen Ver wundung die Augen aufschlug und in die Deinen blickte, da ging etwas in mir vor, sür das ich keine Worte finde. Und dann—als ich Dich tage-, wochen lang so um mich bemüht sah ach! da kehrte die Sehnsucht zum Leben in mir zurück. Und obschon ich am Rande des Grabes stehe, ersaßt« mich doch ein mächtiges Gefühl, von de», ich früher keine Ähnung hatte die Liebe zu Dir. So schwer ich körperlich auch litt, war es doch cin unendliches Entzücken, wenn Deine Hand mich berührte. Wie ei» elektrischer Strom de» Körper durch zuckt. so durchzuckte mich die Wonne. Darin liegt ei» Trost sür meine letzten Stunde», daß ich Dich fand, daß ich bei Dir—sterben darf." Sie hatte ihren Kops auf sein Kissen gelegt und die Auge» geschloffen. So wunderbar, wie bei ihm, war auch bei ihr die Liebe gekommen. Von der ersten Stunde, als sie ihn sah, war ihr Geist gebannt, obne daß sie sich klar darüber war, ohne daß sie im Drange der Verhältnisse, in all' der Sorge und Angst, die sie um ihn litt, sich Rechen schaft gab über das unerklärliche Ge fühl. das sie zu ihm zog. Sie lebte nur in der Gegenwart, kein Gedanke: wie wird, wie soll es werden? war bis her an sie herangetreten. Nun plötzlich, als sie ihr eigenes Empfinden von sei nen Lippen hörte, stand das Schreckens gespenst der Zukuust. vor ihr. Wie dann wenn er nicht mehr ist? Eine surchtbare Oual überkam sie. «ine namenlose Angst. Unmöglich, weiter zn leben ohne ihn ' — unmöglich! Bisher hatte sie jeden Selbstmord in tiesster Seele verachtet, nun war eS das einzige Rcltungsmittel. an das sie sich klammern zu müsse» glaubte. Sie bob de» Kops und sah. daß schwere Thränen seine blassen Wangen netzte». Sie beugte sich über ihn und wischte sie hinweg. Am selben Abend, als Professor Moile den Kranken nochmals besuchte, bat ihn Cecile, er möchte in ihr Gemach kommen, fie habe ihm etwas mitzu theilen. „Was ist eS. liebe Gräfin?" fragte er mit besorgter Miene in ihr todtenblasjeS Gencht schauend, „wai hüben Sie auf l dem Herzen?" »Sehr viel Schweres, lieber freund, und je eher ich spreche, desto besser wird es sein. Ich bitte, mir einen Dienst zu erweisen." „Reden Sie; was in meiner Macht liegt, werde ich thun," erwiderte er, sich neben ihr aus das Sopha nieder, lassend. „Haben Sie Zeit, daß ich Ihnen auch meine Bitte ciliaren kann?" Er zog die Uhr. .Es ist zehn Uhr; eine Stunde kann ,ch Ihnen schenken, wenn eS aber sehr nöthig ist, würde ich die ganze Nacht für Sie opfern." „Was ich Ihnen zu sagen habe, da mit Sie mich begreisen, um meine Bitte zu erfüllen, wird nicht sehr lange wah ren. Sie kennen mich seit meiner Kind heit. Sie wissen auch, daß mir jede Lüge verhaßt ist." Etoile ifickte zustimmend. „Meine Verlobung mit Henri ist .ine Lüge geworden!" sagte sie fest. Ich muß diese Verlobung lösen, denn ich kann sein Weib nie und ni,inmer werden." „LH!" rief Etoile aus. „was höre ich?" „Tie Wahrheit," erwiderte sie, „ich kann nicht anders. Es ist eine reine Unmöglichkeit." „Warum, Cecile?" „Weil ich ihn nicht liebe!" „Seit wann sind Sie denn zu dieser Erkenntniß gekommen? Sie sind doch seit Ihrer Kindheit Ihrem Vetter be stimmt gewesen und haben sich nie da gegen gestraubt. Ihr Vater hat Sie auf seinem Todtenbett noch mit Henri verlobt. Seit einem Jahre ist diese Verlobung eine öffentliche, und nur der Krieg hat die Vermahlung verhindert. Jetzt plötzlich sind Sie nicht mehr ge willt, Ihr Versprechen zu erfüllen! Sie sind die letzte Frau, die ich sür wan kelmülhig. die ich eines Wortbruches fähig hielt." „Ob ich wankelmüthig bin, darüber will ich nicht streite»! halten Sie mich dafür, ich nehme diesen Vorwurf hin. ohne mich dagegen zu wehren. Was dm Wortbruch betrifft, so ist er in die sein Falle eine Nothwendigkeit gewor den; denn ich liebe Henri nicht, habe ihn nie geliebt. Ich hatte als Kind keine Abneigung gegen ihn, und als ich erwachsen aus dem Institut heimkehrte und meine Eltern mich baten, ihren Herzenswunsch zu erfüllen und mich mit Henri zu verloben, wollte ich sie nicht durch ein Nein betrüben, zudem glaubte ich. ihn zu lieben, aber es war Selbst trug, Selbsttäuschung, diese scheinbare Liebe. Ich möchte meine Elter» nicht anklagen, u»d doch sollte man Kinder nicht zur Heirath zwingen. Sich sür das ganze Leben an einen Menschen binden, den man nicht liebt, ist furcht bar." „Warum aber lieben Sie Henri nicht? Er ist schön, geistreich, ist Ihnen ebenbürtig, und was die Hauptsache ist, er vergöttert Sie. er liebt Sie leiden schaftlich. Sie sind sein Ideal, sein Alles!" Cecile hatte das Lob Henris ruhig angehört. „Doctor," sprach sie, „ich bin noch jung, erst vicrundzwanzig Sie sind nahezu sechzig, wie ich glauM und doch kenne ich die Menschen besser, als Sie. Ich habe Henri als Kind sehr gern gehabt, weil er mir ein angeneh mer Spielgesährte war, dann sah ich ihn viele Jahre nicht mehr. Als ich aus dem Institute hcimtehrte und stets den Wunsch meiner Eltern hören mußte, suchte ich mich gehorsam zu sügen. Henris Erscheinung ist ja bestechend, zudem wollte er mir gefallen. Es war natürlich, daß ich mich nicht sträubte, sondern vor Allem meine Eltern zusrie den stellen wollte. Ich hatte ja ihn auch ganz gern, ich dachte, es sei ivohl Liebe, wenn ich mich sreute, daß er kam, und betrübt war. ivenn er ging; was weiß ein Kind von Liebe! Aber solches Gernhaben, Doctor, genügt zur Ehe nicht!" „O ja, ich hatte meine Frau gern, und wir sind sehr glücklich zusammen gewesen." „Sie gingen ganz in Ihrem Berufe aus," unterbrach ihn Cecile. „Glauben Sie? Sie mögen rech» haben, niein höchstes Interesse war meine Arbeit. Und zudem, meine Frau verstand mich zu behandeln, sie war im mer lieb und freundlich gegni mich, nie launisch, nie eifersüchtig. Immer ver ehrte und achtete sich mich, und darum ging Alles glatt und gut. Wir hatten uns nicht aus Liebe geheirathet, fon dern aus Vernunstgründen, und das war unser Glück." .Mag sein, daß dies in einzelnen Fällen paßt." sagte Cecile, „ich gehöre nicht zu jenen Menschen, und deshalb bitte ich Sie, sagen Sie Henri, daß ich ihm sein Wort und seinen Ring—dabei zog sie einen Brillantring aus der Tasche—zurückgebe." „Und die Grunde." „Erlassen Sie e» mir. darüber zu sprechen." Eloile erhob sich. „Das genügt mir. aber Graf Thion oille wird sich nicht so abspeisen lassen. WaZ soll ich ihm dann sagen?" „Sagen Sie ihm, da« er meinen Willen zu achten hat. daß sich eine Frau, wie ich bin, nicht zwingen laßt; kurz, daß ich zur Einsicht gekommen bin, daß ich ihn nicht so liebe, um seine Gattin werden zu können." „Cecile. ich finde das sehr unrecht oon Ihnen gehandelt: wen» man solch' ein Verhältniß löst, gehören tristigere Gründe dazu, als Sie angeben." „Tristigere? Ist das nicht der schwer wiegendste. wenn ich sage, daß ich ihn nicht liebe?" „Nein, denn die» hätten Sie schon vor einem Jahre sagen müssen." „Als mein kranker Vater meine Hand in die Henris legte, hatte ich nichi den Muth, ihm zu widersprechen. Wenn es heute wäre, würden selbst die Bitten meines sterbende» Vaters mich nicht mehr bestimme» können. Ich kann l einfach nicht mehr." „Wären die Zeiten nicht so traurig, so würde ich denken. Sie lieben einen Anderen. So aber ist dies nicht mög lich. Seit Monaten sind Sie in Ihrem Palais als Krankenwärterin thätig: daß Sie sich in einen Sterbenden ver liebt haben sollten, ist mir, dem Arzt, nicht glaublich." Cecile lächelte. „Ein Arzt ist nicht immer ein Psycho loge. obschon er es sein sollte." „So gestehen Sie also eine Untreue, Gräfin?" ..Untreue? Das ist nicht das rechte Wort." „Also doch!" seufzte Etoile. „Wo hin soll diese Verirrung führen?! Ein sterbender Deutscher! —Unfaßlich! Sie fordern das Schicksal heraus, wenn Sie mir auch vorwerfen, ich sei kein Psiichologe, so viel kenne ich mich doch aus. daß Thionville sich das nicht ge fallen läßt. Er wird rasen und Alles aus das Spiel setzen, um Sie zu ver hindern. eine Thorheit zu begehen. Uebngens, was ereifere ich mich, arme Cecile, der Tod wird alle Wirrnisse lösen. Lassen Sie vor der Hand die Sache beim Alten." ..Nein, nein, Henri martert mich mit seinem Drängen. Jeder Blick seiner Augen quält mich. Und nun will er noch den Herrn in meinem Hause spie c len, will mir nicht nur Rathschläge, I sondern sogar Besehle ertheilen. Bis cher war ich zu ermüdet von alledem, was auf mich einstürmte, war zu er mattet, mich dagegen zu wehren, aber nun ist meine Geduld zu Ende, ich will frei sein! Frei, hören Sie, und müßt« ich mir diese Freiheit durch den Tod erkämpfen! Dies mein letztes Wort. Kein Zwang soll mich hindern, das zu thun, was ich als recht, ehrlich und wahr erkenne. Was liegt mir an dem Gerede der Menschen, was an dem Urtheil der Welt, die mich und mein Fühlen nicht versteht! Das weiß ich. daß kein Mensch auf Erden mir fremder ist, als Henri. Wenn er mich wirklich liebte, mehr als sich selbst, müßte er empfinden, wie er mich mit seittem Zwingenwollen ganz von sich stößt. Er aber handelt nur unter dem Einflüsse seines Willens, nicht seiner Liebe, t»e nur dem Egoismus entspringt." Etoile nahm seinen Hut. „Ich sehe." sqgte er seufzend, „daß man nicht mit Ihnen spreche» kan»! Sie werfen dem armen Thionville seine Liebe vor wie ein Verbrechen. Kein Mann ist solch ein Lamm, daß er sich einer tollen Laune wegen zurückstoßen läßt. Er hat Ihnen keine Ursache zur Unzufriedenheit gegeben. Wenn es ihm auch von Anfang an nicht recht war, daß Sie Ihr Palais als Lazarett ein räumten, so ließ er Sie doch gewähren. Daß er eS unstatthaft fand, wen» der Deutsche »och blieb, »achoem sämmtliche Franzosen das Palais verlassen hatten, ist doch auch natürlich. Sie hegen ein übertriebenes Interesse für Leonhard Abensberg. Durch vieles Nachtwachen, durch Ukdermüdüng, durch die schrcckeu erregenden Anblicke. die Sie nicht ge wöhnt. dn'rch die vielen Todesfälle in Ihrem Hause sind Sie krankhast über reizt. Wenn Abensberg seinen Wun den erlegen ist. wird auch die Vernunft bei Ihne» wieder einkehren. Darum rathe ich Ihnen dringend, reizen Sie den Grasen nicht, damit er sich nicht selbst Lust macht, denn auch er leidet schwer, das lann ich Ihnen sagen. Und nun Gott besohlen, Gräfin!" 2. Kapitel. „Welch ein Unglück," jammerte Pro fessor Abensberg, „ach. daß ich so alt. so hilflos bin, und Du so jung, so schön!" Da lachte eine silberhelle Stimme laut auf. „Das ist eine drollige Ansicht von Dir. Schwiegerpapa." „Für Leonhard ist Deine Unersah renheit und Deine —". er seuszte schwer auf, „ein großes Unglück." „Nein, Dein Eigensinn ist eS, lieber Schwiegerpapa. Wenn Du nicht so übertrieben angstlich wärest, würde ich jetzt in Paris sein und Leonhard pflegen können. Aber da bildest Du Dir ein, daß eine junge Frau wie ich nicht allein nach Paris reisen kann." Sie hatte sich von dem Sopha erho ben und stand vor dem Prosessor, der mißmuthig zu ihr aussah. Sie ist zu schön, dachte er, so lange ich lebe, sah ich kein schöneres Weib, und doch, ach. ich wünschte, sie wäre das Gegentheil von dem, was sie ist. „Was soll setzt geschehen?" sragte die junge Frau. „Wozu hast Tu Dich entschlossen?" „Ich habe keine Wahl." seufzte der Professor und wischte sich mit zitternder Hand eine Thräne aus den Augen. .Er muß allein in der Fremde ster ben und ich kann nicht zu ihm und Tu noch weniger." .Laß uns zusammen ein vernünfti ges Wort sprechen." sagte sie und setzte sich neben ihn. „Was kann ich dasür, daß ich jung bin, und Du. daß Du alt bist? Du kennst mich erst seit kurzer Zeit, seit mich Dein Sohn zu Dir brachte. Als wir die Nachricht von seiner lebensgefährlichen Verwundung bekamen, erbot ich mich, zu ihm zu eilen. Du aber läßt mich nicht 'ort, machst mir meine Jugend, mein« Schön heit zum Vorwurf." (Fortsetzung folgt.) Besonders Pech. Fräulein A.: Ist das nicht romantisch, ich gerieth beim Baden in eine Tiese, »in junger Mann rettete mich und wir verlobten uns, das ist doch reizend. Fräulein B.: Na. Sie haben gerade Glück ge habt. Ich bin sechsmal schon in die Tiefen gerathen, und wurde von sechs jungen Männern gerettet, aber jeder war leider verheiralhet. Ei n« mod «r n«E h «. Er: Sag' mal. Frau, weshalb versteckst Tu denn eigentlich den neuen französischen Roma», soll ich ihn nicht lesen? Sie: Rein, Du bist scho» verdorben genug! »er Ton allen Idealen, mit denen sich arme Menschenseelen umhertragen, ist ein Geldbries, d. h. cin recht schwe rer, dicker Geldbries bekanntlich aner kanntermaßen das höchste! Natürlich ist dabei die Voraussetzung, daß man ihn bekommt, nicht etwa, daß man ihn fortschicken muß. Der stucl. msci. Willibald Durstig hielt in seiner Eigenschaft als junger, gebildeter Mann naturgemäß auch dieses Ideal, nebst andern Jdeälern. wie Bier, Tabak und hübsche Mäd chen, ungemein hoch, und so erstrebte er es denn mit allen seinen K-ästen, von seinem verehrten Herrn Papa, der mitten drin im flachsten Lande wohnte, möglichst viel Geldbriefe herauszuschin den. Diesmal hatte er wieder als gro ßer Idealist an seinen Alten um 3VS Mark geschrieben und derselbe hatte ihm, wie das so der Väter Art ist, vor läufig nur 50 Mark geschickt und auch diese nur von einem langen, langen. l 6 Seiten starken Ermahnungsbries (immer noch besser wie ein Mahnbrief A. d. R.) begleitet. ' Dadurch halte denn nun natürlicher weise der Brief als solcher, wenn auch nicht an wirklichem, inneren Gehalt, s» doch an specifischem Gewicht bedeutend zugenommen. Papa Durstig srankirte die Geschichte aber blos in der gewöhn lichen Weise und der kleine Postfchwede auf dem entlegenen Haidedorfe hatte diesen Fehler in seiner ländlichen Träu merei auch weiter gar nicht bemerkt und die Sache so durchschlüpfen lassen. In der Universitätsstadt, wo alle Men schen betanntlich viel schlauer sind, alz anderswo, war auch der abfertigende Postbeamte bedeutend geweckter gewesen, hatte den Schaden sofort entdeckt, dcr dem Staat ous dieser Sache erwachsen konnte, und schrieb auf den Brief (eS war »och in der alten Zeit der Fremd wörter) die kurzen Worte: Ungenügend srankirt. setzte in der Eile seinen Stem pel daneben (wie er meinte) und nun mußte Willibald zu seinem großen Schmerz ein Strasporto bezahlen. Nun. das wäre angesichts Geldsen dung jawohl noch zu ertragen gewesen. Wie erstaunt war aber unser Studio, «ls er nach rascher hastiger Oeffnung des Briefes noch einmal das Couvert be trachtete und ous demselben einfach das Wort: ..Ungenügend" vorfand. Ueber die beiden Silben „srankirt" hatte jener eilige Postmenfch nämlich in seiner hast den Stempel gedrückt: Postamt so und so. .Donnerwetter noch einmal: Unge nügend? Postami so und so. Was er laubt sich den» die.Behörde mit mir sür Scherze?" so reflectirle Willibald in sei ner grenzenlosen Wuth, anstatt 3W ideal erschnterMcirk nur 50 erhalten zu habe», und sosort ging er mit dem be leidigenden Couvert auf das hochwohl löbliche Postamt, wo ihm denn auch na türlich alsbald vollständige Aufklärung und Satisfaction zu Theil wurde. Nachdem Willibald aber durch einige Schoppen beruhigenden Gerstensaftes oUmählig wieder zu kühlerer Ucberle gung gekommen war, reifte in seinem auch bereits ein famoser, fast unübertrefflicher Gedanke: Er packte nämlich das betreffende Couvert sorg fältig in ein anderes und schrieb dazu folgende ideale Zeilen: Lieber Vater! Von Deinen guten Rathschlägen hab» ich bestens Notiz genommen! Damit Du aber siehst, wie man hier im klebrigen Deine Handlungsweise auffaßt, schicke tch Dir anbei das Couvert Deines Getd brieses. aus welchem amtlich bescheinigt ist. daß cin solch winziger Geldbetrag kür hiesige Verhältnisse ungenügend istk Dein Sohn. In wenigen Tagen kamen naturge -mäß die rcstircnden 250 Mark hinter her! Auf dcr Alp Grüm* einem Aussichtspunkte in der Nähe des Bernina - Hospizes, erfreut den Leser des Fremdenbuches der nachfolgende Erguß eines srohgestimmten Sachsen: .Es hat D'r mancher Alpensee Ae wiinneibar' Gouleur, Doch wie der Lago Bianca hier Gesällt m'r geener mehr. Ob smaragdgrün, ob himmelblau. So scheen gann geener sein. Das Scechen guckt ja g'rad so aus. Als war's voll Aeppclwcin." Doch hart neben der poetischen Laune steht die Prosa des Lebens mit seinen harten Gegensätzen. Da schreibt ein Deutscher: „So groß die Engländer als Nation sind, so klein und unma nierlich sind sie als Individuen, wie uns die Erfahrung gelehrt hat, die wir heute hier gemacht haben." Auch die Politik treibt ihr Wesen in einer Ein zeichnung: „X. X...,Alsace, France," wozu ein wackerer Deutscher dann drei faustdicke Fragezeichen gesetzt hat. Da neben zur fröhlichen Abwechslung die allerliebsteJnschrist: „KäthchenThieme. Backfisch aus Dresden, nebst Eltern und Schwester," und das Allerheitcrft« in salzender Emzeichnung, Heren Ver fasser dem Fremdenbuche wenigsten» «ine praktische Seite abgewonnen hat: .X. X.. Zahnarzt. Spezialist in äußerst haltbare» Stistzähnen. wohnt (folgt genaueste Angabe der Adresse)" Der Man» scheint in seiner Art bedeu tender. als die bekanntesten englischen und amerikanischen Reklamekönige. denn er besorgt di« s«ine wirksam und billig. Gauner-Stolz. Richter: Ein so siecher Gaunerstreich ist mir denn doch noch nicht vorgekommen! Gauner! Na,, da sollten Sie erst von dem Streich hören, den ich vor einem Vierteljahre ausführte ! Mund und Nase würd.m Sie aufsperren! Aus der Geographie stunde. Lehrer: Weiß Jemand von Euch, wo Madeira liegt? Emil (Sohn eines Weinhändlert); Ja. ia meines Papas Keller! 3
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