Si« Verbreche«. (7. Fortsetzung.) „Das ist ganz richtig," unterbrach ihn Sir Hunter. „In meiner Familie trat ein Todesfall ein, welcher mich nöthigte, früher ans mein Gut zurück zukehren, als ich beabsichtigt hatte. Während wir damit beschäftigt waren, bot sich Fräulein Duvivier eine Veran lassung, ihre Verwandten in Frankreich zu besuchen, wozu wir gern unsere Ein willigung gaben." Der Inspektor verbeugte sich noch mals. „ES freut mich, zu hören, daß sie di« Wahrheit gesprochen hat," sagte er. „Im Uebrigen kann ich nur wenig sagen. Sie haben bereits gehört, wie die Anklage lautet?" „Ja. Und ich halte sie für lächer lich und ungeheuerlich," sagte der Land junter lebhaft. „Ich bin ganz der Ansicht meines Mannes," sügte Laoy Hunter hinzu, welche bis jetzt Schweigen beobachtet hatte. Inspektor Saunders blieb nichts übrig, als dies mit Höflichkeit hinzu nehmen. Sir John Hunter war ein wohlbekannter Mann von Einfluß und Reichthum, welchen ein einfacher Po lizeibeamter nicht brüsk behandeln oder einfach abweisen konnte. „Nun. mein Herr." sag!« er, „ich kann nur hoffen, daß Sie und Ihre Frau Gemahlin haben. Sie be greifen wohl, daß die Sache nicht von mir abhängt, ich habe Instruktionen, die ich besolgen muß." „Natürlich." erwiderte Sir John. „Wir sind nicht deswegen gekommen, um Sie verantwortlich zu machen, unser Zweck war, diesen unglücklichen Irrthum so schnell als möglich aufzu klären und Miß Duvivier aus ihrer schrecklichen Lage zu befreien." „Wollen Sie damit sagen, daß Sie eine Aussage zu machen haben?" be merkte der Inspektor, „dann stehe ich zu Diensten. Es wird uns sehr ange nehm sein, Alles anzuhören, was Äe oder Ihre Frau Gemahlin zu sagen haben. Aber ich muß Sie daraus auf merksam machen, daß jedes Wort aus genommen und nach Umständen benutzt wird." „O, ganz gut!" erwiderte der Baron. „Wir sind vollkommen überzeugt von Fräulein Duviviers Unschuld, und Alles, was wir zu sagen haben, kann nur zu ihren Gunsten sein." Inspektor Saunders nahm seinen Platz am Schreibpult ein und trug in sein Buch einige Notizen über Sir John Hunter's soziale Stellung, Wohnung und so weiter ein. Tann begann Sir John Hunter mit seiner Aussage. „Charlotte Duvivier ist mehrere Jahre in meinen Diensten gewesen. Wie lange etwa, meine Liebe?'' sragte er seine Frau. „Ich glaube, drei Jahre," erwiderte die Letztere, „Amy war noch ein kleines Kind, als Charlotte zu uns kam." „Sie können jedenfalls schreiben, drei Jahre," suhr Sir John fort, „sie war mir sehr empfohlen worden, ihre Eltern waren todt, aber sie hatte einen Onkel in Rouen, mit welchem ich be kannt bin, und welcher ein Mann von unzweifelhafler Refpektabilität ist. Er war in Rouen Stadthaupt, eine Stel lung. welche großes Vertrauen voraus setzt und viele Verantwortlichkeit mit sich dringt, besonders in Frankreich. Durch Herrn Duvivier, ihren Onkel, kam sie in unser Haus. Er wünschte, sic solle Englisch lernen, und vertraute sie uns an. Nur dem Namen nach stand sie in unserm Dienst, denn Herr Duvivier ist ein Mann von beträcht lichem Vermögen, ein Wittwer ohne Kinder, und hat immer Fräulein Duvivier wie seine Tochter gehalten. Sie wurde bei uns ganz als Freundin angesehen, und meine Frau und mein Kind hängen ihr sehr an. Deshalb hat sie auch ihren Aufenthalt bei uns auf unsere dringende Bitte bis auf drei Jahre verlängert, obgleich sie eigentlich nur aus ein Jahr gekommen war." „Während sie bei uns war," fuhr Sir John fort, „war ihr Benehmen stets vorwurfsfrei. Weder ich, noch meine Frau, wären in diesem Augen blick hier, wenn dies nicht der Fall wäre." sügte er mit einigem Stolz hinzu. „Wir betrachten Beide die An klage gegen sie als ungeheuerlich, leicht fertig und unmöglich. Wir eilten natürlich zuerst hierher, um Fräulein Duvivier aus ihrer ungewöhnlicheu Lage zu befreien, aber auch um der Be hörde damit einen Dienst zu leisten. Ich lann Ihnen offen sagen, daß Sic vas Versehen wiederholen, das, wie es scheint, bereits begangen worden ist." Inspektor Saunders machte eine ent schuldigende Geberde. „Ich kann Ihnen mittheilen. Sir John, daß ein schwerer Verdacht auf der jungen Dame lastet, für welche Sie sich intcrcssiren. D«r Detektive in Dover, welcher besondere Instruktionen hatte in Bezug auf junge Damen, welche England aus dem Wege nach vem Kontinent verlassen, fand, daß ihr Aeußeres ganz der Beschreibung ent spricht, welche ihm mitgetheilt worden war in Bezug aus jene Dame, die man am Abend des Mordes in Begleitung s:r Ermordeten gesehen hatte. Des halb sand er sich veranlaßt, sie zu ver hasten und ihr Gepäck zu untersuchen. Aus dem Grunde eines ibrer Koffer fund er einen Shawl mit großen Blut flecken. Dieser Shawlist heute von Frau Gregory, der Besitzerin der Villa Rob Roy. als derselbe erkannt worden, welchen die fremde Frau, die am Abend des Verbrechen» in ihr Haus kam, ge tragen hatte." „Was sagen Sie?" rief der Baron. .Ein Shawl, der in Fräulein Duvi vierS Koffer gefunden wurde, ist al» verdächtig erkannt worden?" .Unmöglich!" ries Lady Hunter au». .Ich berichte Ihnen nur eine That fache," erwidert- der Jnspector höflich. „Haben Sie den Shawl hier?" fragte Lady Hunter eifrig,, .kann ich ihn sehen?" Der Jnspector SaunderZ dacht« einen Augenblick nach. „Ja, ich glaube, es wird gut sein, wenn ich Ihnen denselben zeige," sagt, er. „aber überlegen Sie sich die Sache. Ich möchte Ihnen gern behilflich sein. Sie wissen, daß Alles, was Sie hier aussagen werden, sowohl von Seiten der Anklage als der Vertheidigung be nutzt werden wird." .O, wir verstehen das sehr wohl,- erwiderte Sir John ungeduldig. „Zei gen Sie immerhin meiner Frau den Shawl, sie wird dann sofort erkennen, ob er Fräulein Duvivier gehört, oder nicht. Wir haben in dieser Beziehung nicht die geringste Beforgniß." „Sehr gut. Da Sie das wissen, so mag es Holen Sie den Shawl aus den Schrank!" rief er einem Poli zisten zu. der im Hintergrund stand. „Hicr sind die Schinkel." Der Gerusene gehorchte mit einem Eiser, welcher bei den sonst so phlegma tischen Polizisten sehr ungewöhnlich war. Aber das war erklärlich, denn die Person, welche der Jnspector be auftragt hatte, war Sergeant Power. Obgleich er anscheinend'theilnahmlos dvneben stand, hatte er Brusels Mah nung, seine Augen und Lhren offen zu halten, sicherlich nicht vergessen. Das Beweisstück wurde sofort ge bracht. Es war ein schwarzer Damen shawl aus Chenille. von feinster Qua lität. so sanft und schmiegsam, daß man ihn zu einem Ball zusammen drücken oder auch so ausbreiten konnte, um Schultern und Brust zu bedecken. Man sah einige trockene, dunkelfarbig« Flecken darauf, welche den seidenen Stoff hart und rauh gemächt und sei nes Glanzes beraubt hatten. Die Flecke» waren an ihrer Farbe leicht als Blutspurcn zu erkennen. Sobald Lady Hunter dieses Kleidungsstück bemerkte, erbleichte sie und umf«zte den Arm ihres Mannes. „Was ist Dir, meine Liebe?" fragte der Letztere bejorgt. „Erschreckt Dich das Blut so sehr?" „Nein," erwiderte Lady Hunter. „nicht das. Es ist.... ich muß die Wahrheit sprechen: Ter Siawl gehört Charlotte, ich habe ihn selbst für sie als Geschenk gekauft." Der Jnspector Saunders schien nicht überrascht zu sein, er begnügte sich da mit, gejchästsmäßig in sein Buch zu verzeichnen, was Hunter ausge sagt halte, aber der Baron ließ seinem Erstaunen freien Lauf. „Gerechter Himmel!" rief er aus, „daß soll Miß DuvivierS Shawl sein? Ueberlege wohl-, was Du sagst, meine Liebe, sprich nichts der Art aus. wenn Du nicht fest davon überzeugt bist." „O. Himmel, was habe ich gethan!" sagte die Dame im Tone heftiger Angst. ..Aber ich kann nicht anders, es ist sicherlich iyr «hawl, ich habe ihn sofort wiedererkannt." Sir John Hunter machte aufgeregt einige Schritte. „Es ist ganz 'unbe greislich!" rief er aus. „Es ist mir, als ob ich mich in einem Wirbelsturm befinde. Aber ich kann nicht glauben, daß Franlein Duvivier mit diese» Sache etwa- zu thun hat. Es ist voll kommen unmöglich, ich kenne sie seh, gut!" „Nein, Charlotte kann nicht schuldig sein." sagle Lady Hunter. „sie ist sc sanst, so zart, so gut gegen jedermann und sollte eines so entsetzlichen Verbre chens fähig sein? Niemals. Außerdem, wer war diese Dame, welche ermordet wurde? Charlotte kannte niemand außerhalb unseres Kreises, dessen bin ich ganz sicher." „Erinnern Sie sich, gnädige Frau." sagte der Jnspector. „daß die Ermor dete eine Französin war. Fräulein Du vivier hat sie vielleicht schon seit langer Zeil gekannt." „Ich kann und will es nicht für möglich halten," erwiderte Lady Hun- „Ach, noch etwas," fügte sie hinzu, einem plötzlichen Einfall folgend. „Wenn Fräulein Duvivier an jenem Abend in jenes Haus gegangen wäre, so müßten wir es wissen. 'So lange wir in dem Hotel wohnten, hatte sie die Gewohnheit, etwa um zehn Uhr schla fen zu gehen. Meine kleine Tochter Amy schlief bei ihr. Amy, meine Liebe." suhr Lady Hiinter fort, indem sie ihre kleine, goldhaarige Tochter auf hob, welche daneben stand und mit tindlichcni Erstaunen die Uniform des Inspektors betrachtete, „Du liebst Deine Eharlotte, nicht wahr?" „Ja. Amy liebt Charlotte", lispelte das kleine Mädchen lebhast. „Wie schläft Amy, wenn Charlotte mit ihr zu Vett geht?" „Amy schläft immer so." antwortete das Kind, indem es seine kleinen Aerm chcn um den Hals der Mutter legte „Nun. Wa ich gesagt?" rief >.ady Hunter triumphirend. „das Kind war immer gewöhnt, mit den Armen um den Hals seiner Wärterin zu schla sen, Charlolte hat mir ost von dieser Eigenschaft der Kleinen erzählt, und wie sie die ganze Nacht durch sie nicht losließ. Beweist das nicht Miß Duvi vierS Unschuld? Folgt daraus nicht daß sie teinensalls während der Nacht ausgegangen sein konnte? Höre ein mal Amy, was ich Dich fragen werde, und fei recht aufmerksam. Erinnerst Du Dich, daß Du einmal geschlasen hast, ohne Deine Aermchen umCharlot tes Hals zu legen?" Das Kind hatte mit großem Ernst zugehört. „Nein. Amy schläft immer so," war die Antwort, welche durch «ine Wieder holung jener Pantomime begleitet wurde. „Nun also! Ist das kein Beweis?" ries Lady Hunter nochmals triumphi rend. Zärtliche Logik einer Mutter. Inspektor Saunders war selbst Fami- . lienvater und lächtlte, gerührt durH . diese Scene. Aber sowohl er als Sil < John Hunter erkannten natürlich di< i ganze Bedeutungslosigkeit dieser An gabe als Beweismittel vor Gericht. < „Es ist unbegreiflich!" sagte de, Baron, den Kopf schüttelnd, „aber , jedenfalls wird uns wohl erlaubt sein, < Fräulein Duvivier zu sehen?" fragte e . nach einer Weile. „Heute ist das nicht möglich," erwi lderte Inspektor Sauders. „es lieg! i nicht in meiner Macht, diese Erlaubnis - zu gewähren, Sie müssen sich an der Richter wenden, um zu der Verhafteten ' Zutritt zu erlangen." „Ist leine Aussicht vorhanden, daß ! sie gegen Bürgschaft freigelassen wird? , Ich würde mich für jede Summe ver l Pflichten." „Es thut mir leid, aber das ist nicht möglich," erwiderte der Jnspector > ernsthaft, „und das wissen Sie selbst, ! mein Herr." „Nun," sagte Sir John nach kurzer Ueberlcgiillg, „dann sehe ich nicht ein, wozu wir noch länger hier verweilen, ich muß anderswo Schritte thun. Tie ganze Sache ist wirklich höchst erstaun lich, aber ich kann nicht daran glauben, das ist außer Frage." Erstaunt und ' erschüttert verließen die Besucher das Polizeigebäude, nach dem der sorgfältige Beamte die nieder geschriebenen Aussagen von Sir John und seiner Frau durch ihre Unterschrif ten hatte beträstigen lassen. Inzwischen Alte Sergeant Power kein Wort, keine Geberde außer Acht gelassen. Sein Interesse für die Ver haftete war jetzt größer, als jemals. Wie war dieses Räthsel zu lösen? Lady Hunter hatte den Shawl er kannt, das war sicher: und sie tonnte sich schwerlich getäuscht haben. Daraus folgte, daß Charlotte Duvivier auf irgend eine Weise mit dem Verbrechen in der Rob R?y Villa in Verbindung stand. Sowohl die Verhaftete, als die Ermordete gehörten derselben Nationa lität an. War daraus irgend etwas zu schließen? Hatte Robert Power, als er seinen Verdacht auf Saint ban lenkte, die Kette geschlossen odcr fehlte darin noch ein Glied, welches die Gouvernante mit der entsetzlichen That jener Nacht verband? Der junge Ser geant war verwirrt und konnte sich keine Antwort darauf zu geben. „Ich möchte sie gern sehen," dachte er, „vielleicht kann ich .dann zu einer bestimmten Antwort gelangen." ES war nicht schwer. Eharlotte Du vivier zu sehen. Sergeant Pswer war zu Hause im Polizeigebäude und hatte weiter nichts zu thun, als an die Zelle zu gehen, in der sich Charlotte besand, und durch das kleine Fenster in der Thüre hineinzuschauen. Eine Zelle in einem Polizeigesängniß ist kein luxuriöser Raum. Die ganze Einrichtung bestand aus einer hölzer nen Kiste, welche als Bett diente. Sie hatte keine Matratze, noch Bettwäsche, sondern mir eine grobe Decke. Die Gesangenen lagen auf d.'in harten Brett ohne Kissen, wenn sie ein solches nicht ans ihren Kleidern improvisirten. Das beweist wenig Entgegenkommen, besonders solchen Personen gegenüber, welche aus bloßen Verdacht hin verhaf tet worden sind und möglich» Weife nach wenigen Stunden vollkommen freigesprochen werden können. Es ist klar, daß der überwiesene Verbrecher viel mehr Bequemlichkeit hat, als ein Untersuchungsgefangener. Als Sergeant Power durch jenes Fenster sah,, hatte sich Charlotte Duvi vier nicht niedergelegt, «-?ie saß auf ihrem harten Bett, hielt den Kopf in der Hand und schluchzte. Der Sergeant betrachtete das junge Mädchen aufmerksam. „Bedeute» diese Thränen Schuld," fragte er sich selbst, „odcr weint sie nur über ihre schreckliche, kummervolle Lage? ?lrines Mädchen! Das ist wohl mög lich. Vielleicht ist sie auch nur ei» bloßes, unschuldiges Werkzeug jenes Elenden." Während Sergeant Power diesen Redanten nachhing, nahm das junge Mädchen die Hände vom Geficht und blickte erschreckt aus. „Fräulein!" flüsterte der Sergeam »urch die Qessnung auf Französiich „haben Sie Muth!" Eiilauiit über diese Worte de? Tro stes in ibrer eigenen Sprache erhob sich Isharlotte Duvrvier und eilte au die Thüre. „Mein Gott!" rief sie. „Wer sind sie? Wer spricht da?" „Ein Freund." antwortete Roben Power wieder auf Französisch, das er infolge seines Aufenthalts in Paris fließend sprach. „Ein Freund?" erwiderte das junge Mädchen. „Ach, dann sagen Sie mir, warum bin ich hier? Was ist das sür iin schreckliches Verbrechen, dessen man nich anklagt?" „Sprechen Sie leise!" sagte Robert Power, „man darf Sie nicht hören: Tie sind eines Mordes angeklagt, man hat Ihre» Shawl gefunden." „Meinen Shawl?" rief das junge Mädchen, „ach ja, ich erinnere mich, aber ich bin unschuldig, das schwöre ich Ihnen. Ich hatte ihn verloren und wußte nicht einmal, wo er war. bis man ihn in Dover aus meinem Koffer hervorzog und mich verhaftete. O, Monsieur. Sie sehen so gütig aus und sprechen ganz anders mit mir, als die Anderen. Helfen Sie mir! Senden Sie »ach meinen Freunden, nach Lady hunter! Sie ist die Frau von Sir Hunter und befindet sich jetz» Lady Hunter und Sir John sind hier und werden Sie morgen ohne Zweifel besuchen.- uiuerhrach sie Ser geant Power. „Ten, Himmel sei Dank!" riesChar lotte Duvivier erfreut, „-sie werden mich nicht verlassen. Ach. wenn mein On kel in Rouen nur wüßte, was mir de. gegnet ist!" .Er soll es wissen, wenn S»e eS wünschen. Fräulein. Ack werde ibm schreiben, wenn Sie mir seine Adresse sagen wollen," erwiderte Sergeant Power, „aber vielleicht hat ihm Sir John Hunter bereits schon Nachricht gegeben." „Schreiben Sie dennoch, wenn Sie so gut sein wollen, mein Herr, Sir John hat vielleicht nicht daran gedacht. Mein Onkel wohnt in Rouen, Mon sieur Emile Duvivier, rue Lasayette No. 17. Sage» Sie ihm, daß ich un schuldig bin, und er möchte sogleich zu mir kommen. Ich habe nur immer geweint, seit diese rohen, brutalen Männer mich verhafteten und mich in» Gefängniß brachten." „Gut, gut, mein Fräulein," sagte Robert Power, .gerührt durch den An blick von so viel Schönheit und Kum mer. Ohne weitere Überlegung glaubte er fest au die Unschuld von Charlotte Duvivier. „Ich werde Alles für Sie thun, was ich kann, mein Name ist Power, erinnern Sie sich dessen Ro bert Power. Ich bin Polizeisergeant und weiß, wer der Schuldige ist. Sie sollen gerettet werden, wenn es möglich ist; aber nun Adieu, man darf mich hier nicht sehen." Power wars dem jungen Mädchen noch einen Blick der Beruhigung zu, wandte sich um und stand dem Inspek tor Gadd gegenüber, welcher sich ge räuschlos herbeigeschlichen hatte. „Sehr Hübich für einen Beamten," sagte der Inspektor sarkastisch, „Sie unterreden sich »ut den Verhafteten, mein Berehrtester! Sie können sich oon der Sache nicht seru halten, nicht wahr, nach all dem Unsinn, den Sie an zerichtet haben?" Der Sergeant sah, daß er ertappt war. Augenscheinlich hatte der Jn spector lange genug unbemerkt »eben ihm gestanden, um ihn zu beobachten, obgleich er von dem Gespräch nichts verstehen konnte. Aower wußte, daß er einen sehr ernsten Verstoß gegen die Tisciplin begangen hatte, und machte sich jetzt aus die Folgen gefaßt. „Ich werde darüber noch heute Abend berichten," sagte der Jnspector erbost. Lsr war ersreut, eine Gelegenheit zu sniden, die Wuth, die sich in ihm ange sammelt hatte, gegen irgend Jemand und besonders gegen Robert Power auslassen zu löniien. „Inzwischen übernehme ich die Verantwortung. Sie vom Dienste zu suspendiren: wir brau chen keine solche gefährlichen Leute, wie Sie, >nd werden besser ohne Sie aus kommen." „Bemühen Sie sich nicht, noch mehr darüber zu sprechen," erwiderte Robert Power, entrüstet über die Insolenz des Jnspectors. „Berichten Sie darüber, wenn Sie wollen, das ist für mich ganz gleichgiltig. da ich beabsichtige, sogleich meine Entlassung zu nehmen, und da Sie mich vom Dienst suspendirt haben, so kann ich mich empsehlen." Mit diesen Worten wandte verjünge Mann dem Jnspector den Rücken zu und ging, indem cr den Letzteren mit .'inem Gefühl de- Unbehagen- zurück ließ. Nachdem er das Polizeigebäude ver lassen hatte, begann Rodert Power zu überlegen. Das Zusammentreffen mit dem Jnspector war sehr verdrießlich, aber die Sache nicht zu ändern.' Au ßerdem mnßte die Krisis einmal zum Durchbruch tominen. Ter Jnspector hatte eine Gelegenheit gesucht und gesunven, aber auch ohne dieselbe würde er seine Feindseligkeit gezeigt haben. Der junge Sergeant hatte den Jnspector genau beobachtet und wußte, welch' seichte und gewöhn liche Natur sich hinter dem blauen Rock und dem offiziellen Aeußern verbarg, die Krisis einträte war nur eine Frage der Zeit gewesen; Robert hatte die Tyrannei und Kleinigkeitskrämerei seines Vorgesehen schon lange genug ertragen und war derselben müde, Te-Halb nahm er die Sache mit einem Seuszer der Erleichterung aus. Aber was sollte er nur beginnen? Sollte er in Sandbank bleiben? Tazu lag kein zwingender Grund vor. Da er vom Dienst enthoben war. tonnte er Charlotte Duvivier nicht Weiler von Eutzen sein: Sir John Hunter war uittrr diesen Umständen jedenfalls ein mächtigerer Freund, als ein entlassener Pvlüeibeamler. Bei der Untersuchung vor dem Ge riet tonnte Robert Power anwesend lein, wenn er wollte, aber das war Uder flüssig. Ter junge Sergeant wußte von vornherein, daß die Verhandlungen nur eine Förmlichkeit sei und daß ein Ausschub von mindestens drei Wochen gewährt werden würde bei dein Ver vacht. der aus der Angeklagten ruhte. Sein eigenes Auftreten als Zeuge war in diesem Stadium von keinem Nutzen, warum sollte er also die Zwilchenzeit nicht besser ausnutzen? Toni Vrusel war in London: viel leicht konnte cr dort, unterstützt von seinem Freund, mehr ausrichten. a>S wen» er unthätig in der tieinen Stadt blieb. An Geld hatte Robert Power für jetzt keinen Mangel, er hatte sich etwas erspart und sein Onkel. Mr. Pierson, hatte Zwar sein Kapital zum großen Theil für eine Lebensrente weggegeben, aber ieinein Neffen doch ein kleines Zeichen seiner Zuneigung in Gestalt von harten Goldstücken hinterlassen, nebst einem HauS als sreies Eigen sinn. Der junge Sergeant war da her sür einige Zeit aller Sorgen ent hoben: Neigung und Ueberlegung trie. ben ihn zur Hauptstadt. Er entschloß sich schnell. „Nach Konvoi,!" sagte er zu sich, in dem er in Gedanken das einförmige Polizeileben von sich abschüttelte, wel ches ihm in letzter Zeit unerträglich ge ivesen war. Er sühlte sich wieder al« jreier Mann. 19. Nicht weit von Trasalgar - Square führt eine enge Straße aus Scotland Aard, den Hauptsitz der Londoner En minalpolizei, zu. An einem Herbst- morgen ging ein zunger Mann von von stattlicher Gestalt diese Straße ent lang. Als er sich dem Gebäude von Scot land Uard näherte, begegnete ihm plötzlich eine hochgewachsene Gestalt mit buschigen Augenbrauen, welche eben aus der Thür herausgetreten n>ar. „Halloh, Sergeant!" rief der Letz tere erstaunt, „was zum Teufel bringt Sie hierher? Ich habe oft an Sie ge dacht. aber Sie sind wirklich der letzte Mann, den ich in diesem Augenblick zu sehen erwartete." Detectiv Brusel reichte Power die Hand uud zeigte aufrichtige Freude über das Zusammentreffen. So kurz als möglich erklärte der Sergeant ihm Alles, was in Sandbank seit der Abreise des Delectiv geschehen war. und was ihn veranlaßt hatte, nach London zu kommen. „Sie haben ganz Recht, mein Junge,' sagte Tom Brusel, „ich sreue mich, daß Sie hier sind." „Wie steht es mit Ihnen?" fragte Sergeant Power. „Alles ist in Ordnung! Ich hatte eine Unterredung mit einigen meiner Vorgesetzten und habe dabei gerade herausgesagt, was ich dachte. Ich weiß nicht, ob ich sie überzeugt habe, aber man will mich nicht bei Seite Wersen — daraus können Sie sich verlassen." Der junge Sergeant war erfreut, daß es seinem Freunde gelungen war. die gute Meinung seiner Vorgesetzten wieder zu gewinnen. „Wo wohnen Sie?" fragt« der De cectiv, indem er mit Robert Power das Gebäude verließ. ..Bis jetzt nirgends. Ich bin eben angekommen," war die Antwort, „ich habe mein Gepäck auf dem Bahnhose gelassen und bin gerade hierher gekom men. um Sie auszusuchen." „Dann müssen Sie meine Gast freundschaft annehmen; meine Frau wird sich sehr sreuen. Sie zu sehen, sie weiß schon viel von Ihnen." Roben Power hatte jedoch nicht die Absicht, sich bei dem gutmüthigen De tectiv einzuquartieren. „Danke, alter Freund!" sagte er und schüttelte BruselS Hand. Ader es geht nicht. Ich hoffe, noch ost Gele genheit zu zu haben, mich mit Frau Brusel zu unterhalten, aber nicht jetzt. Mich führt ein anderes Geschäft nach London. Ich habe mir vorgenommen, für dieses arme Mädchen Alles zu thun, was ich kann." „Ja, natürlich!" rief der Detectiv. „Ich hatte die unangenehme Geschichte ganz vergessen. Sie haben Recht, ein anderes Mal. Aber Sie könnten dort wenigstens übernachten, ich werde gleich an meine Frau tclegraphiren. es wird sie nicht im Geringsten geni rcii, sie ist an Ueber,aschungen aller Art gewöhnt." Aber Power hatte andere Pläne und ließ sich nicht zureden. Er kannte eine kleine Wohnung inmitten der Stadt, wo er in früherer Zeit sein Zelt ausge schlagen hatte, und zog es vor. dorthin zu gehen. Ter Detectiv redete ihm nicht länger zu, da er sah, daß es ver gebens war. „Gut, gut. wenn Sie so eigensinnig sind," sagte er mit seinem breiten Lä cheln, „dann kann ich nichts mit Ihnen machen. Aber, womit wollen Sie jetzt beginnen? Haben Sie schon Ihr Mor eiibrod gehabt?" „Ja, ich habe gefrühstückt, ehe ich Sie aufsuchte." erwiderte Robert. „Ich habe jetzt die Absicht, in No. 23 Tangersicldslreel einen kurzen Besuch zu machen." „Was? Im Hanse jenes Burschen? Was ist aus ihm geworden?" „Ich ertundigle mich, ehe ich abreiste, man sagte mir. Saint Alban sei mit seiner Frau nach dem Continent abge reist." „Und Sie wollen wissen, ob der Vo gel wirklich in jener Richtung ausge flogen ist?" fragte Mr. Vrusel mit einem schlauen Kopfnicken. „Gut. ich werde mit Ihnen gehen. Ich habe währeng der letzten beiden Tage diese Sache etwas vernachlässigt, aber ich sreue mich, daß Sie gekommen sind, um mich wieder an sie zu erinnern." Die Häuser in der Dangerficldslreet sind schön und geräumig: es ist eine sehr vornebme Straße, in welcher man Kutscher. Lakajcn und zierliche Zim mermädchen erblickt und fast vor jedem zweiten Hause sieht man glänzende Equipagen. Saint Alban gehörte zu der Geldaristokratie und hatte sich in der Tangersieldstreet niedergelassen, seine Wohnung war eine der glänzend sten der Straße. Warum wolltr Power das HauS sei nes Gegners aufsuchen? Vielleicht, um sich davon zu überzeugen, ob die Nach richt von Saint Albans Abreise wahr sei. Er hatte daran bereits gedacht, aber er empfand auch großes Verlan gen, dieses Haus zu sehen, dort umher zu gehen und vielleicht gelegentlich et was von den Geheimnissen von Trasal gar-Square bis nach der Straße, wo Saint Alban wohnte, wenn er in der Stadt war. „Hier ist es. mein Junge," sagte der Detectiv, als No. 23 sichtbar wurde. „Es scheint wirklich, daß die Familie verreist ist, wenigjtenS sind die Vor hangeherabgelassen. Wenn Sie irgend welche Nachforschungen machen wollen, so ist jetzt die Zeit dazu, und wenn die Dienerschaft Sie zu ihrem Frühstück in der Küche einladet, so schlagen Sie es nicht ab:" Aber Sergeant Power achtete menig auf das. was sein Begleiter jagte. Seine Augen und seine Ausmerlsam teit waren anderweitig in Anspruch ge nommen. Als er mit Tom Brusel auf der Straße stand nnd Saint Alban» HauS betrachtete, kam von der anderen Seite eine Frau herüber. Si«. schien von mittlerem Alter zu sein, war sehr armlich gekleidet und sah recht vergrämt aus. Robert Power faßte den Arm de» Detectiv. „Rasch, rasch, ich muß mich verstek- ten!" rief er aufgeregt und verschwand sogleich in einem großen Thorwege, indem er Tom Brusel mit sich i»g. „Was gibt's denn?" fragte der Leh tere rasch. „Sehen Sie dort jene Frau; das ist die Frau, die mich durch ihre Lüge in Manchester in eine so traurige Lag, brachte." Der Detectiv ließ ein leises Pfeifen hören; dann sagte er: „Das ist ein merkwürdiges Zusammentreffen! Was kann sie hier wollen? Ist es ein Zu fall, daß sie hier ist. oder geht sie in das Haus jenes Menschen?" „Das werden wir gleich sehen." er- Jnzwischen war die Frau, ohne zu wissen, daß sie so aufmerksam beobach tet wurde, mit müden Schritten näher gekommen. „Sie ist keine Schönheit," murmelte Brusel, „ich habe niemals an Ihrer Behauptung gezweifelt, daß man Sie falsch beschuldigt hake; jetzt, nachdem ich die Frau selbst gesehen habe, zwei fele ich noch weniger daran. Welcher Mensch wäre verrückt genug, seine Stellung für ein solches Gesicht auf's Spiel zu setzen? Jetzt geht sie ge rade auf das Haus zu, sehen Sie, sie bleibt stehen, um es zu betrachten, und jetzt legt sie die Hand an den Klingelzug." So war es. Die Frau war, vor No. 23 stehen geblieben, und nach kur zem Zögern zog sie die Glocke. Die Thüre wurde von einem Die ner geöffnet, welcher die ärmlich ge kleidete Frau mit dreistem Blick niu sterte, und nachdem wenige Worte ge wechselt waren, sie wieder schloß. Mit einem Blick der Enttäuschung wandte sich die Frau ab. um zu gehen. „Sie müssen ihr folgen und sich überzeugen, wo sie wohnt und was sie treibt." flüsterte Sergeant Power fei nem Begleiter zu. Ich kann es nicht selbst thun, sie könnte mich sehen und erkennen." „Ich folge ihr," erwiderte der Detec kiv, „aber wo werde ich Sie denn spä ter treffen?" „In Johnsons Hotel, Bloomsbury straß»," erwiederte Robert Power, „dort werde ich sür's erste wohnen. Aber nun gehen Sie. mein Bester, damit Sie sie nicht verfehlen." „Gewiß nicht. Ich glaube, das ist ein glücklicher Zufall, der zu etwas führen kann. Aber wie heißt di- Frau?" „Der Name, unter dem ich sie kannte, war Frau Stanley. Nun aber fort mit Ihnen." 20. Mr. Brusel war ein erfahrener Be> amter. Es war für ihn nicht schwer, unbemerkt einer Person nachzuforschen, selbst wenn dieselbe befürchtet hätte, verfolgt zu werden und sich deshalb von Zeit zu Zeit umgesehen hätte, um zu sehen, ob ein Spion in der Nähe sei. Er kannte die erforderlichen Manöver, die kleinen Kunstgriffe und hatte sie oft genug angewendet. Aber in diesem Fall wurden seine Talente und sein« Erfahrung sehr wenig in Anspruch ge nommen. Die Frau, welche der Sergeant als seine Verleumderin erkannt hatte, ging ihres Weges, ohne an spähende Blick« zu denken. In tiefen Gedanken schritt sie mit langsamem, müdem Schritt di< Dangersieldstraße hinab und achtet« nicht auf das, was um sie vorging. Der Detectiv bemerkte, daß sie nicht nur armselige Kleidung, sondern auch schlechte Schuhe trug. Diese hielten kaum noch zusammen, und das erklärte auch ihren unbeholsenen Gang. „Sie ist dem Verhungern nahe, glaube ich," sprach Mr. Brusel vor sich hin. „Ich glaube, wenn sie durchsucht würde, fände man wenigstens ein hal bes Dutzend Pfandscheine bei ihr. Was wollte sie aber nur im Hause dieses Menschen? Geld, natürlich. Und warum Geld? Was hat er mit ihr zu thun? Das muß ich herausbringen." „Vorwärts, vorwärts, meine Liebe," fuhr er fort,- nach der Frau hinüber blockend, „übereilen Sie sich nicht mei netwegen. ich habe Zeit genug und trage kein Verlangen, mich in Schweiß zu lausen." Von der Dangerfieldstraße ging di« Frau, welche Robert Power als Frau Stanley erkannt hatte, weiter bis in die Oxfordstraße. Das lebhaste Ge wühl in derselben erleichterte BruselS Aufgabe noch mehr. Er hatte nichts weiter zu thun, als sich in einiger Ent sernunr hinter ihr zu halten und sie nicht aus dem Gesicht zu verlieren. ES war nicht die geringste Gefahr, daß er bemerkt werden würde, denn sie wandte nicht ein einziges Mal den Kops um, ging ohne Aufenthalt weiter und beschleunigte nur ihre Schritte, als ob sie sich ihrer ärmlichen Kleidung schämte und sich zu beeilen wünschte, aus einer Straße heraus ,u kommen, in der sich so viel» gutgekleidete Perso nen befanden. Erst an einem Platz wich sie von de, geraden Linie ab. „Was? Hier wohnen wir wirklich?" sagte ls Mr. Brusel war, wie bemerkt, ein Sprachkenner. der Französisch und Deutsch sertig. wenn auch mit einem gewissen Accent sprach und sich damit in Scotland Harb besonders nützlich machte. Aber seine Vermuthung war nAI richtig. (Fortsetzung folgt. Annonce. Ein junger Mann mit ausgezeichneten Taus- und Impf, zeugnissen sucht Stellung in einem fei nern Geschäfte! Gefaßt. Frau: Lieben Sü Kinder? Herr: O ia, aber nui fremde. Frau: Nur fremde? Alse meine Tochter auch? Meinen Segen, aeliebter Schwieaersobnl " Richt »«cht «ländlich. Untersuchungsrichter: „In Ihr» Tasche ist ein Portemonnaie mit zehn Doppeltronen gefunden worden kön nen Sie sich darüber ausweisen?" Strolch: „Gewiß, Herr Gerichtshof! Ich hatte mir das Geld eingesteckt, um meinen Schneider zu bezahlen!" «US dem Leben eines Künstlers. Von dem Pariser Schauspieler P. Regnier erzählt einer seiner Verehrer in der „Neue» Fr. Pr.": Ter Kunst, .'er rühmte sich, der Alterspräsident al» ler französischen Schauspieler zu sein, vielleicht nicht seinen lahren, aber seinem erste» Auftreten nach: Dieses hatte thatsächlich im Jahre 1311 statt gefunden. Regnier war damals vier Jahre alt und verdankte seine erste Rolle der Geburt des Königs von Rom. Hundert und Ein Kanonenschuß ver kündeten, daß die Kaiserin Maria Louise eines Sohnes genesen sei. Ein Sohn! Ein Prinz! Vivs t'Lmpsrsur! Die Leute umarmten sich jubelnd auf den Straßen. Frankreich und die Dy nastie Napoleons waren gerettet, gesi chert für alle Zeilen! Neun Jahr« später, wieder 101 Kanonen- IchUsfe, dieselbe Begeisterung: ein Knabe! ein Prinz! Ter neugeborene Sohn der Herzogin von Berry befestigt für immer den Thron der Bourbons: sn sangen die Poeten Viktor Hugo und Lamartine, so jubelte das Volk, lind wieder 45 Jahre später hört Regnier abermals die Il)I Kanonenschüsse, das Jubelzeschrei: »in Sohn! ein Erbe! und daß der Thron Louis Napoleons fest stehe in Ewigkeit! Und was war das Schicksal dieser unter tumultuarischen Freudenrusen des Volkes geborenen Prinzen? Das Ezil und der Tod in fremden Landen. Zur Feier des ersten dieser drei glücklichen Ereignisse, dessen von 1811. hatte ein gewisser Rouge moni .in GelegenheitSstück gedichtet: „Der Olymp, oder Paris, Rom und Wien", eine Verherrlichung von Na poleon als Eroberer/Gesetzgeber. Gatte und Vater. In der Schlußszene er schien sein Erbe, nmgeben von der Weisheit, der Stärke nnd dem Sieg. Für diese kleine, aber hochwichtige Rolle suchte man ein wohlgenährtes Kind mit rothen Backen und einem den künftigen Helden verratheten kecken Ge sichlchen, Das Söhnlein der Schauspie lei in Madame Regnier wurde für pas send dazu gefunden und genau unter richtet, wie es sich zu benehmen habe. Wie überglücklich war der Knirps, als man ihm statt seines Hemdchens eine siitterbeiexte weiße Tunika anzog, da rüber einen Purpurmantel und «uf dem Kopse eine goldene Krone! Bei der Probe zeigte er sich sehr anstellig in seiner Rolle: er hatte auf dem Throne, ?inem Sammetsauteuil, aufrecht zu ste hen. die linke Hand an der Hüfte, mit zer Rechten ein Szepter emporhallend. Zn eigensinnigem Eiser verharrt aber der Kleine schon lange vor dem Aufzie hen des Vorhanges in dieser Stellung: ?r erwüdki wahrend der Szene und läßt >a« Siepier sollen. Zwei Hofdamen ollen ihn die Stufen des Thrones ,in abführen: dazu fühlt er sich jedoch lu groß, zu stolz, er will durchaus al ein gehen, wehrt sich heftig gegen die Hofdamen, verwickelt sich in seinen purpurmantel und unter lautem Nilächter des ganzen Hauses kollert der iionig ven Rom bis Vörden Souffleur» !asten Seine Mutter als Minerva in feine Steüe gestellt, hebt ihn auf. >ber beschämt, verwirrt, vermag er sich aum auf deu Beinchen zu erhalten. Zum Unglück fühlt er auch einen Schmerz auf der Haut von den Gold litlern seiner Tunika und beginnt sich »eftlg zu kratzen. Neues Jubelgeläch er im Publikum. „Unglückliches lind", ruft ihm die Mutter mit fast erstickter Stimme zu. „willst Du endlich lufhören?" „Ich kann nicht, ich an» nicht", schreit der Kleine wei lend und kratzend, .ich habe einen 5lol>!- plus ultr». Richter: Was wollen Sie denn? Mann: Ich bin für morgen eingeladen, z» ejner Verhand lung als Zeuge. Richter: Und Sie sind wohl morgen verhindert am Er scheinen? Mann: Das nicht, aber wenn ich bitten dürft' um einen kleine? Vorschuß, auf die Zeugengebühr! Falsch verstanden. Vater: Hetzt wird mir aber die Sache doch mdlich zu dumm: das sind ja miserable lioten, die Dein Lehrer Dir gegeben hat! Sohn: Hast recht, Papa, hab' »ich schon gedacht, solltest ihm doch mal 'rdtntlich Deine Meinung sagen! Nach der Prüfung. Da« !er (zum Sohne): Examen bestanden. Otto? Otto: Ja, Vater! Aber in mir einen schweraevrllkten Mannt 3
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