2 Wa» einem Schauspieler pasfire» kann. Wohl seilen ist es einem Secretär so schlecht ergangen wie dem Secretär „Weber" im „Präsident", welcher vor kurzem im Theater einer Provinzialstadt auf die wcltbedeutenden Bretter kam. Dcr unglückliche Weber hatte dabei auf der Bühne, wie eS die Nolle vorschreibt, mit einem „Buckel" zu erscheinen, und er erinnerte sich hieran erst, als cr sch.m auf dcr Bühne stand. Als gewandter Man» aber geht er rücklings zur Eou listc, wo dcr Inspizient in Hcmdärmcln steht nnd den Statisten einschärft, sich nicht so dumm zu benehmen, uud ruft diesem zu: „Um Gottes willen, rasch einen Buckel!" Dcr Jnspizicnt hat nichts GceignctcS bci der Hand, zieht deshalb in ker Noth die Wcstc aus und stopft sie dcm Wcbcr unter dcn Rock. Doch Jammer übcr Jammer! Der Jn spizicnt hat vergessen, den Schlüssel, die Uhr und die Kette, an welcher noch zwei Schützciithciler hingen, ferner einiges Geld aus dcn Tafchcn dcr Weste zu nehmen. Bci jedem Schritt nun. dcn der unglückliche Weber that, klimper ten diese Dinge eine eigene Melodie. Weber war in Verzweiflung, der In spizient nicht minder, denn cr befand >ich wcgcn seiner Uhr in einer wahren Höllenangst. Da spricht Weber: „....man be hauptet, in solcher Hülle könne kein ehr licher Mensch stcckcn!" Kling, klang! und rinigc Silbcrstückc lagen auf der Erde. Das Publikum lacht. Weber ist der Verzweiflung nahe. Der Jnspi zicnt reckt seine Hände in dic Scene und ruft: „Geben Sie um Gottes willen licht aus die Uhr!" Unglückliches Vor urtheil," sagt die „Landräthin", da sällt Wcbcr ein Schlüssel aus dcm Buckel. Erneutes Gelächter. Erregt sagt Wcbcr: „Giaubcn Sie mir, ich habe schon so manchcs Wch dadurch er litten." Krach! liegt die Uhr in Split tern sammt den Thalern ncbcn dcm Schlüssel und den Geldstücken. Der Inspizient stürzt in Hemdärmeln hervor und schreit: „Jesus, Maria! To legst Di nieder! Trampelt der Escl wie a Elephant auf meiner Eylinderuhr her um!" Der Vorhang fällt, einige Knal ler beweisen, daß auf der Bühne jetzt in allem Ernst mit dcn Händen agirt wird. Stürmisches Bcifcillruscn im Publikum. Wieder hcbt sich der Vorhang, und Hand in Hand, die Wangcn hochroth gefärbt, treten die Beiden, holdselig lächelnd, vor die Lampen, um sich unter dem dröhnenden Gelächter des Publi kums zu bedanken. Ja, ernst ist das Lebcn und heiter die Kunst. Erkenne Dich selbst. Dic „Jll. Ztg." bringt unter dcr Rubrik: „Erkenne Dich selbst" einige Fragen zur Selbstcharakteristik, die von bekannten Männern und Frauen beant wortet werden. In dcr letzten Nummer betheiligt sich die Heroine Clara Zicglcr in Berlin an diesem amüsanten Frage iind Antwortspiel in folgender Weife: DeineLicblingseigenschaftenamManne? kharaktcrfcstigkein, Gemüth, Verstand. Humor. Diene Lieblin.zseigenschaf len am Wcibc? Häuslicher Sinn, An muth, feines Gefühl, Verständigkeit.— Dcinc Lieblingsbeschäftigung? Aus übung meincs Berufes. Studium des Wahren, Guten, Schönen. Dcinc Zdce von Glück? Selbstzufriedenheit, Nefundheit. Welcher Beruf scheint Dir dcr beste? Dcr der Menschheit dcn größten Nutzen bringt. Wo möchtest Du leben? In meiner Vaterstadt München), zeitweise in Griechenland and Italien. Wann möchtest Du gelebt haben? Jetzt, oder zur Zeit des Uugustus 30 I. v. Chr. Deine Adee von Unglück? Unheilbare Leiden. Geliebte Personen überleben. Gott- Verlassenheit. Dein Hauptcharaktcr >ug? Strcbcn nach Unabhängigkeit. Dcinc Lieblingsschriftsteller? Grillpar ier, Goethe, Schiller, Stieler. Deine Lieblingsmaler und -Bildhauer? Ra fael, Eanova. Deine LieblingZkom ponisten? Schumann, Mendelssohn- Bartholdy. Beethoven, Wagner (be dingungsweise). Deine Lieblingsfarbe und -Blume? hellblau, Veilchen. Lieblingsheldcn in dcr Geschichte? Armin. Karl d. Gr., Fricsrich d. Gr.. Kaiser Wilhelm 1., Moltke, Bismarck.—Lieblingsheldinnen in der Geschichte? Maria Theresia, Cor nelia, dic Muttcr der Gracchen. —Lieb- lingscharaktere in dcr Poesie? Iphige nie, Sappho, Antigonc, Mcdca, Wal lenstcins Thekla, Max Piccolomini. Deine Lieblingsnamen? Siegsricd, Achill, Armin, Anna, Frida. —Welche geschichtlichen Charaktere kannst Du nicht leiden? Die tyrannischen nnd heimtückischen. —Welche Fehler würdest Du am crstcn entschuldigen? Die in Folge angeborener Schwachfinnigkeit und mangelhafter Erziehung begangen werden. Deine unüberwindliche Ab neigung? Rohheit des Gefühls, Leicht sinn, Steinkohlengeruch, übelriechende Speisen. Wovor fürchtest Du Dich? Vor falschen Menschen. Lieblings ipeise und -Trank? Zahmes Geflügel, gebratenes Fleisch. Chateau Larose. Dein Tcmpcramcnt? Sanguinisch-cho lerisch. Neigung zur Melancholie. Dein Motto? Klar sei der Mensch und «inig mit sich selbst. Zerstreut. Professor: Ach, verzeihen Sie tausendmal, lieber Mül ler, daß ich nicht eher grüßte. Ich war im Zweisel. Von weitem glaubte ich, es sei Ihr Hcrr Brudcr; daun meinte ich, Sie wären es; und nun ist csdoch, wie ich sehe, Ihr Herr Bruder. Sie sehen sich aber auch zu ähnlich! Gutmüthig. „Nee, här'n Se - erscht Hamm Se mir mein Bier umgeschmissen, dann Hamm Se mir mit der Zigarre en Loch in'n Rock ge brannt und jetzt Hamm Se mich ennen alten Filz geschimpft wenn Se nu noch een Wort sagen, setz' ich mich an 'uen anderen Tisch!" le,« «manetVtrt sich. Rudolf Bochow schritt abgespannt and hungrig seiner Wohnung zu. ES war ein arbeilsvoller Tag gewesen und cr sehnte sich »ach der Ruhe und Behag lichkeit seines häuslichen Heerdes. Ein zusricdcncs Lächeln verklärte seine mil dcn, sreundlichen Züge, während cr sich ausmalte, wie wohlig es bei ihm zu Hausc scin würde. Seine Gattin cm psing ihn srcnndlich aus dcr Schwcllc und half ihm dc» cngen Gehrock ab legen und in dcn wcitcn, warmen Schlafrock fchlüpfe». Weder eine Ver sammlung noch eine VorstandSsitznng ihrcs Vereins fand hcutc statt das wußte er ganz genau und so kountc cr sicher scin, cincn gcmüthlichcn Abend zu verleben. Gewiß, aus dcm Tisch stand schon die Abendmahlzeit bereit, die cr sich, von dcr sorglichen Haussrau bedient, trcsflich niundcn ließ, denn er hatte einen Bärenhunger. Die Kinder, die schon ihr Abcndsüppchc» gegessen, boten ihm dcn üblichen Gutenachtkuß und licßcn sich von dem Kindermädchen artig zu Bett bringen. Und friedvolle Stille herrschte, und die von dcr Be rufsarbeit angestrengten Ncrvcn fanden im behaglichen Hcim Ruhe und Er holung. Stillvergnügt lächelt« Hcrr Bochow vor sich hin. Jetzt steckte er den Drücker in's Schloß, um die Corridorthür zu öffnen. Was war das? Lautes Schreien uud Weinen von zwei Kinderstimmen schallte ihm entgegen und als er jetzt rasch in's Wohnzimmer trat, bot sich ihm ein Anblick, dcr wenig Aehnlichkcit Halle mit dcm licblichcn Bild häuslichcn Stilllebens, das noch socbcn scinc Phantasie so angenehm beschäftigt hatte. Fritz und Pauline, dic bciden kleinen vier- und scchsjährigcn Kindcr dcSHau scs, katzbalgten sich aus dcr Erde herum. Im Zimincr selbst dcr gräßlichste Wirr warr. Stühle lagen umgestürzt am Fußboden, daneben die Scherben einer Kaffeetasse und eines Kuchentcllers, Sophakisje», Kleiderbürsten, Da meusticfclcltc» Strickzeug u. s. w. im lieblichste» Durcheinander. Auf dem Tisch stand noch das Kassccgcschirr vom Nachmittag. Bon irgcndwclchcn Vor bereitungen für scin Abendbrot war leine Spur. Rudolf Bochow stand einen Augen blick starr, dcr lächelnde Ausdruck seiner Miene hatte sich jäh in unmuthiges, ärgerliches Staunen verwandelt. Nun trat er an seine Kinder heran, die sein Kommen gar nicht bemerkt zu haben schienen. „Aber Fritz! Pauline!" rief er, sie schaltend an. Dic Kinder sprangen anf und wand ten sich dem Bater zu, Pauline mit schrecklich zerzausten Haaren, Fritz mit hochrothcn Wangen, dic deutliche Spu ren von der älteren Schwester Finger nägel aufwiesen. „Wo ist Mama?" herrschte er die beschämt vor ihm stehenden Kinder an. „Mama ist fort schon seit einer halbcn Stunde," antwortete sein Töch terchcn. „Fort? Aber das ist doch —" Er unterbrach sich, trat zur Flurthür und rief: „Auguste!" Die Gerufene, ein dralles Mädchen mit bloßen, kräftige» Armen, einen hölzernen Kochlöffel in der Hand, stürzte eilig herbei. „Ach Gott, der Hcrr!" sticß sie be stürzt hervor. „Wo ist meine Frau?" fragte Hcrr Bochow und feine Stirn zog sich in finstere Falten. „Madam ist aus! Wohin, das hat sie dcm Herrn aufgeschrieben. Aus dcm Schreibtisch in des Herrn Stube liegt der Zettel." Rudolf Bochow biß sich auf die Lip pen. „Und was ist das hier für eine greu liche Unordnung? Warum find Sie nicht bci dcn Kindcrn?" „Ich ich koche ja eben die Suppe für die Kinder." „Jetzt um halb neun? Eine nette Wirthschaft!" Das Mädchen zeigte einc gekränkte Miene. „Wenn ich doch der Madam beim An ziehen Helsen mußte!" Herr Bochow suhr sich mit dcr Hand übcr die Stiri.. „Es ist gut!" sagte er etwas milder. „Geben Sic dcn Kindcrn zu csscn und bringen Sie sie in s Bett." Der Zettel, den Rudols Bochow auf feinem Schreibtisch fand, enthielt auf dcr cincn Seite eine Wüschcrechnuiig, aus dcr andcr» ein paar flüchtig hinge kritzelte Zeilen von der Hand seiner Frau: „Lieber Rudolf! Werde plötzlich zu unserer Vcrciiispräsidentin gerusen. Vorstandssitzung. Dcnke Dir, dic Meyer, die sür übermorgen dcn Vor trag übcr die „Emanzipation des WeibeS" übernommen hatte, hat plötz lich abgesagt. Irgendwelche Kabalen! Scheußlich! Große Rathlosigkeit natür lich! Woher nun so rasch cinc andcrc Redncrin nchmcn? Bcr>t>»ng wird wahrscheinlich lange dauern. ' Warte nicht aus mich! Habe in Eile ein paar Happen zu mir genommen. Auguste wird Dir das Abendbrot serviren. Gu te» Appetit! Deine Constanze." „Guten Appetit!" Rudolf Bochow lachte grimmig in sich hinein. Für heute war ihm wieder einmal dcr Ap pctik vcrgangcn. Es war ja nicht das erste Mal, daß die Bereinsthätigkeit seine Frau hinderte, ihre Fürsorge ihrer Hänslichkcit zu widmen und daß ihm beim Nachhausekommen statt ge müthlicher Ordnung und Behaglichkeit cin wirrcs Durcheinander eiupsing. Nur war cr gerade heute ganz unvor bereitet gcwcscn und müder und abge spannter als gewöhnlich. Aechzend sank er in den Sessel vor dem Schreibtisch nieder und starrte nachdenklich vor sich hin. Mechanisch streckte cr die Hand nach den beiden Photographien au», die in zierlichen Stehrahmen vor ihm standen. Di« Bilder stellten Constanze dar. das ein» als junges Mädcher., mit hcllcn, frischen Augen, frobgcmuth in die Welt blickcnd, das rcichc Blondhaar in dichten Flcch tcn aufgesteckt das andere als Frau mit dcm Knciscr auf der Nase, das Haar turz geschnitten. Was war aus dcm munteren, frischen Mädchen geworden? Der'Grübelndc scusztc ticf. Welcher Umstand halte diese Umwandlung zu wege gebracht? War es dic kinderlose Zeit der crstcn drci Ehejahre, während welcher dic junge Fra», da ihn seine Beschäftigung den ganzen Tag außer halb des Hauscs scsthielt, sich ost über Einsamkeit und Langweile beklagt hat te ? Oder war es das böse Beispiel ihrer Freundin, der Präsidentin des Vereins „Gleiches Recht", das so unheilvoll auf Constanze gewirkt ? Lauge faß dcr einsame Mann sast regungslos und saun über diese Frage nach. Hätte er gleich zu Anfang ener gischen Widerstand geleistet uud Eon stanze den Eintritt in den Bund dcr Frauenrechtlerinnen nicht gcstattet, alle Unannchmlichkeitc», die darauf folgten, wären ihm erspart geblieben. Aber wer hätte auch ahnen können, daß Eon stanzes Betheiligung an dcr BkrcinS thätigkcit, die er überhaupt nicht ernst genommcn, eine solche Tragweite sür die Gestaltung seines häuslichen Lebens besitzen würde? Zum Unglück hatte man Constanze auch noch zur Schrist sührerin des Vereins ernannt und sie widmete sich ihrer neuen Pflicht mit so viel Eiser uud Gewisseiihastigkcit, als ob das Wohl und Wche ihres ganzen Geschlechts von der Ersülluug derselbe» ibhiugc. Es war bcrcitS II Uhr. als Frau Constaiicc von dcr BorstandSsitznng hcimkchrte. Sie befand sich, wahr scheinlich unter der Nachwirkung der stattgehabte» Debatten iu großer Erre gung. Ihre schmale» Wange» glüh ten. ihre Augcn blitzten unter den sun kclndcn Glascrn ihrcs goldbcränderten Pincenez. „Ah. »och auf!" rief sie aus, als sic beim Eintritt in das Wohnzimmer ihrcs Gatten ansichtig wurde, der dic Hände aus dem Rücken, stumm aus und ab schritt. „Ich glaubte Dich längst zu Bctt." Er blieb mitten im Zimmer stehen nnd blickte mit schmerzlichem GcsichtSaus druck zu ihr hiuübcr. Sie legte Hut und Mantel ab und war noch so ganz von dem, was sie an dcm Abend innerlich be schäftigt hatte, in Anspruch genommen, daß sic den ungewöhnlichen Ausdruck in seinen Mienen nicht gewahrte, ja, sie vergaß sogar ihm zum übliche» Bewill kommungskuß die Lippen zu bieten. Ihre ganze äußere Erscheinung hatte etwas Nachlässiges, Saloppes. Die Abftoßschnur ihtes Klcidcs war losge trennt und ein Stück davon schleifte zer fasert am Fußboden nach. Dcr Kra gcnbesatz am»Halsansschnitt war un sauber und seit lauge nicht erneuert, ihre Finger zeigten häßliche Tinten flecken. Mit Bitterkeit nnd stiller Betrübniß nahm cr davon Notiz. Welch ein Ge gensatz zwischen dem anmnthigen, adretten, mit tadelloser Sorgsalt ge kleideten Mädchen von Einst und der Frauenrechtlerin von Jetzt, die ihm in diesem Augenblick zorniger Erbitterung wie eine Karrikatur aus den „Fliegen den Blättern" vortam. „Ich habe mit Dir zn sprechen, Con stanze," redete cr sie, ihr näher tretend, mit ernster Stimme an. Aber sic hörte gar nicht auf ihn. son dern sprudelte, ganz ersüllt von ihren Neuigteitcn hervor: „Denke Dir nur, die Meyer ist aus getreten. Plötzlich, ohne Augabc irgend eines Grundes. Natürlich—man tan» sich denken: seige Unterwerfung unter das Machtgebot des Mannes. Schmach voll!" Sie nahm den Kneifer von der Nase und rieb mit dem Taschentuch heftig an den Gläsern herum. „Constanze, ich—ich finde, daß Herr Meyer—" Sie ließ ihn nicht ausreden. „Em pörend ist die Rücksichtslcstgkcit," fuhr sie iu ihrer ungestümen Weise so:t, „die Rücksichtslosigkeit, dic darin liegt, daß sie uns so kurz vor dcr großen Ver sammlung, für die sie dcn Vortrag übernommen, absagt. Natürlich, die reine Bosheit von ihr nnd ihrem Ehe tyrannen. Aber, sie haben sich Beide zu früh gefreut. Die Versainmluna wird doch stattfinden und ich springe in die Brcschc." Triuniphireud blickte sie zu ihrem Gatten hinüber, der sich auf die Lippen biß und unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. „Wie? Du wolltest," stieß er her vor, während ihm das Blut in Wangen uud Siiru fchoß. „Den Bortrag übernehmen frei lich!" vollendete sie stolz, voll Selbstge fühl. Tann setzte sie sich an den Tisch, schlug cins dcr Bücher a»s, die sie von der Sitzung mit heimgebracht, und sing an, sich in die Lektüre desselben zu Ver liesen. Erregt schritt Rudolfßochow im Zim mer auf und ab und bemiihte sich, dcn Acgcr, dcr in ihm gährtc, zu bcmei stcrn. An ihr Pflicht- und Gerechtig keitsgefühl wollte cr appcltircn, an ihr gcsundcs Urtheil und zuerst ncrsuchcu. sie in Güte aus den rechten Weg zurück zubringen. Dazu gehörten Ruhe und geistige Klarheit. Er glaubte endlich, das nöthige in nere Gleichgewicht wieder gewonnen zn haben, als Constanze von ihrem Buch aufblickte, mit dem Bleistift, mit dem sie sich ans dcm Blatt Papicr Notizcn machtc, cin paar mal auf den Tisch ausklopfte und ihm stirnrnnzelnd zu rief: „Rudolf, willst Du nicht lieber zn Bett gehen? Du machst mich mit Dei nem Herumlaufen ganz nervöi". „Und Du?" fragte er, feine Wande- rung unterbrechend, „willst Du Dich nicht auch niederlegen?" „Ich?" Sie zuckte entrüstet mit den Schultern. „Wo denkst Tu hin? Ich habe zu arbeiten". „Zu arbeiten?" Er bemiihte sich, seiner Stimme einen möglichst glcich müthigc» Klang zu geben. „Jetzt zur Nachtzeit? Was ist denn das für eine dringende Arbeit?" Sie machte eine Bewegung der Un geduld. „Na höre mal", suhr eSihr ärgerlich heraus. „Wie du nur so so thöricht sragen kannst! Ich stizzir« die Umnsse meines Vortrags und da ich ihn, wie du »reißt,.schon übermorgen halten muß, so habe ich olle Ursache, mich zu beeilen." „Du willst also wirklich den Bortrag halte» ?" Er blickte ihr ernst und ruhig in's Auge. „Aber natürlich!" entgegnete sie scharf und entschieden. „Ich habe mich dazu verpflichtet und ich halte mein Wort. Denkst Du, ich mache es wie die Meyer?" Er that, als ob er die letzte, in etwas spitzem, spöttelndem Tone gehaltene Frage nicht gehört habe und fuhr „im mer mit derselben Ruhe und Gelassen heit" fort: „Hast Du Dir auch über legt, daß Du in diesem Falle Deine häuslichen Pflichten, die doch sür eine verheirathete Fran obenanstehen. wür dest vernachlässigen müssen?" Sie rümpfte die Nase und verzog den Mund. „Häusliche Pflichten? Für die Kin der ist Auguste da und sür die Küche Minna." Sie umfaßte ihren Blei stift und vom Neuen in ihr Buch. „Und nun bitte, laß mich!" Er aber trat dicht an sie heran, ent wand ihr den Bleistift und sagte i» ruhiger, aber entschiedener Weise: „Du gestattest, daß ich Deine Auf merksamkeit noch ein wenig in Anspruch nehme." Sie blickte erstaunt, geärgert zu ihm auf und eine zornige Entgegnung schwebte ihr auf den Lippe».-AbcrZals sie in seine mit sehr ernstem und unge wöhnlich strengem Ausdruck auf sie gc gerichteten Augen sah. senkte sie schwei gend den Kopf. .Haltst Dn es denn nicht für eine Deiner heiligsten Pflichsten, Eonstanze," fragte er. wieder etwas milder, aber doch eindringlich. „Dich selbst um da geistige und leibliche Wohl Deiner Kin der zu bekümmern?" Sie lachte schrill auf: „Na, weißt Du." entgegnete sie spottend, „dieser feierliche Ton! Für Paulinc'S Eutmit kelung sorgen die Lehrerinnen in d?r Schule und sür Fritzchen's gcistigcj Wohl genügt wohl vorläufig Auguste vollauf." Er zuckte zusammen, seine Augen flammten und es hatte den Anschein, als würde er endlich seine ruhige Ge lassenheit ausgeben, aber er bezwang auch diesmal den in ihm aussteigende» Zorn. Er seufzte tief auf und' sagte: „Und ich hast Du nicht Pflichten ge gen mich?" Sie zuckte wieder spöttisch mit den Schultern. „Pflichten gegen Dich? Was soll ich darunter verstehen? Soll ich Dich vielleicht auf Schritt und Tritt behüten unv hinter Dir her fein wie hinter eine»! Bal»>?" Er schüttelte mehr schmerzlich als un willig den Kop'. „Als Du Dich verheira thetest, hast du gewußt daß Du uun in ailcr Zukunft in erster Linie, nein, aus schließlich alle Deine Kräste und Deine Zeit Deinem neuen Berufe zu widmen haben würdest.. Deinem Berufe als Gattin und Mutter." Er sah sie erwartungsvoll an, sie aber verzog geringschätzig lächelnd den Mund und entgegnete, ohne sich ein« Sekuude zu besinnen, schlagfertig: „Be ruf als Mutter und Gattin? Einen solchen Beruf giebt es gar nicht. In erster Linie bin ich Mensch und ich habe auch Pflichten gegen mich." Ihre Er regung und Lebhaftigkeit wuchs und sie sprach mit erhobener Stimme, als stüude sie aus der Tribüne: „Wir Frauen von heute find es müde, immer und ewig nur als Anhängsel des Man nes zu gelten nnd uns widerspruchslos in die recht- und wehrlose Lage zu fü gen, die ein veraltetes Gesetz, eine ver altete Sitte uns anweist. Wir wollen auch thcilnchmen an der Lösung der großen Fragen der Zeit. Wir verlan gen volle Gleichberechtigung mit Euch und die Freiheit, die uns verliehene» Kräfte im Kampf des Lebens bethäti gen zu dürfen. Wir wollen uns nicht immer anf die Küche, die Kinderstube und den Strickstrnmpf verweisen lasten. Wir erklären un-Z als mündig nnd neh men das Recht in Anspruch, srei über uns selbst bestimmen zu dürfen. Und nun —" sie ergriff mit energischer Be wegung den Bleistift nun laß mich an meine Rede denken." Er war sehr bleich geworden, ein lei ses Zittern durchflog feine höh», breit schulterige Gestalt. Doch er raffte sich auf. Seine Brauen zogen sich sinster zusammen, dicht an seine Frau heran tretend. faßte er sie mit festem Griff am Arm und sagte gebieterisch: „Du wirst diese Rede nicht halte», ich ver biete es Dir, Constanze." Sie schnellte empor und außer sich, in maßloser Heftigkeit schrie sie ihm mit gellender Stimme zu; „Du verbietest es mir? Aha! Gelüstet es Dich den Herrn und Gebieter herauszukehren? Mir imponirt das gar nicht. Ich bin ein Menfch wie Tu und ich habc wie Du das Recht zu thun, uasich als rich tig. was ich als meine Pflicht erkenne. Qder willst dn mich vielleicht zwingen mit Gewalt. Ich bin ja nur ein schwaches Weib und Du ein starker Mann und das Gesetz, das famose Ge setz, das Ihr Euch so schlau für Euren Gebrauch zurecht gestutzt habt, giebt Dir ja das Recht dazu. So —" sie blickte ihm mit einer herausfordernden Miene in's Gesicht und kreuzte die Ar me über einander „na, so züchtige mich doch." Er sah ihr fest, aber äut-'rlich rubio in'? Auge nnd entgegnete: „Es liegt mir fern, körperliche Gewalt anzuwen den. Ich will Dir aber bemerken, daß Tu. solltest Du meinen Wunsch, mein Gcbot mißachten, t,i. Folgen zu tra ge» haben wirst." Er wandte sich und schritt zur Thür, während sie höhnisch hinter ihm her lachte. Sie arbeitete noch mehrere Stunden und legte sich dann, angekleidet, aus das Sopha im Wohnzimmer. AIS er am anderen Morgen die Stube betrat, um zu srühstücken. lag sie noch im tie fen Schlaf. Leise trat er vor die Schläserin hin und betrachtete ihre lieb lichen, seiiigeschniltenen Züge, die jetzt iu der Ruhe des Schlafes einen saus ten. sricdliche» Ausdruck zeigten. Alle Liebe, vir ihn einst angetrieben, um das schöne, anmulhsvolie Geschöpf zu werbe», erwachte in ihm und machte ihm das H/rz weich. Lange betrachtete er sie schweigend und seine Mienen zuck ten vor mühsam beherrschtem Schmerz. Dann strich er sich mit der Hand über die Stirn und Auge» und seine Züge nähme» einen ehernen, entschlossenen Ausdruck an. „ES muß scin!" murmelte er vor sich hin. „ES ist die höchste Zeit, wenn es nicht schon zu spät ist. So weiterleben unmöglich! Biegen oder er stöhnte ties aus „brechen!" Als er um ein Uhr zum Mittagessen nach Hause kam, sand er sie am Schreib tisch sitzend und emsig schreibend. Im Wohnzimmer war noch nicht einmal ge deckt. Die Kinder hörte er in der Küche nach der Mama und nach dem Esse» schreien. „Wie steht es mit dem Mittagbrot?" sragte er. Doch sie horte gar nicht aus ihn und er mußte seine Frage wieder holen. „Ich weiß nicht frage die Minna!" entgegnete sie turz, unwirsch. „Du siehst, ich habe zu thun." „Ich warne Dich noch einmal, Con stanze." sagte er ernst. „Sei vernüns tig! Bedenke, was —" Sie unterbrach ihn ärgerlich. „Ich will nichts mehr hören, nichts, nichts' Ich habe den Bortrag übernommen und muß und werde ihn halten. Und nie mand. hörst Du, niemand wird mich daran hindern." Er antwortete nichts, denn er sah, daß mit Worten nichts auszurichten war. Hier mußte gehandelt werde», energisch, mit eiserner Strenge. Schwei gend verließ er das Zimmer, um in einer Restauration seinen Hunger zu stillen. Den ganzen nächsten Tag iiber ging Frau Constanze, mit geringen Pausen, memorireud im Zimmer hin nnd her. Rudols Bochow nahm keine Notiz da von. Er aß, da Minna diesmal das Essen zur rechten Zeit austrug, und be schäftigte sich mit den Kindern, die ziem lich vernachlässigt aussahen und die ihm ihr Leid klagten, daß sie sich gar nicht »iliksen dürsten und daß Mama sic jedesmal zornig anfahre, so ost sic den Versuch machten, ein wenig zu spielen. Abend kam Rudols Bochow früher nach Hause als gewöhnlich. Constanze stand zum Ausgehen fertig, mitten im Zimmer, unter dem Arm hatte sie eine Papierrolle, wahrschein lich das Concept ihrer Rede über die ,E»ianzipatio» des WeibeS." Ihre Augen leuchteten in fast sieberi schem Glänze, ihre Wangen flammten. Es war das Vorgefühl des Triumphes, den ihr der Abend in Aussicht stellte, das berauschende Gesühl der Ehrsucht, das in ihren Adern gährle. Ihre Stimme klang heiser, als sie sich jetzt zu ihm herumdrehte: „Du! So zei tig heute?" „Ich wollte Dir noch einmal vor stellen, in Güte vorstellen bleib, Constanze, ich bitte Dich, bleib!" Ueber ihr Gesicht, das noch eben hell gestrahlt, zog eine dunkle Wolke des Mißvergnügens. Aber gleich daraus zeigte sie wieder eine freundliche Miene. „So sei doch nicht so eigensinnig. Rudols", entgegnete sie sanften Tones! „Ich kann doch unmöglich jetzt mehr ab sagen." „Bedenke doch, daß es sich nm den Flieden unserer Ehe, um das Glück der Kinder handelt", mahnte cr. „Aber sei doch nicht so wunderlich, Rudows! Das ist doch eine ganz unge heuerliche Uebertreibung." Sie lächelte ihn an und cr, bewegt von ihrer uner warteten Sanstmuth, trat an sie heran, faßte nach ihrer Hand und redete ein dringlich >iu sie hinein: „Liebe Con stanze' sich Dir unsere Kinder an, wie vernachlässigt, wie verwildert sie sind! Und ich. ich weiß nicht, habe ich noch ein Heim, ha'ie ich noch eine Frau oder nicht." Sie bewegte nervös die Schul tern und schüttelte mit dem Kopf. Er aber suhr eifrig fort: „So kann es nicht weiter gehen, so nicht! Die Frau gehört in's Haus, ihr Platz ist bei Mann und Kind und nicht aus dem Markt des Lebens, auf dem Forum." Sic machte sich hastig los. Schon war sic mit ihrer Sanftnilith zu Ende. „Weißt Tu, Du bist wirtlich unaus stehlich mit Deinen Deinen spießbür gerlichen Anschauungen. Und nun laß mich —es ist die höchste Zeit!" Sie wollte sich zur Thür wenden, er aber trat ihr rasch in den Weg. Seine Augen blickten sie sest, gebieterisch an nnd seine Stimme klang rauh und ent schieden. „Du bleibst!" Sie taumelte erschrocken einen Schritt zurück und starrte ihn mit weit ausge rissenen Augen an. „Wie?" „Du bleibst," wiederholte cr kurz. Dann schritt er zur Thür, drehte den Schlüssel um und steckte ihn in die Tasche. „Ah!" Sie stieß »S mit geisendem Munde heraus. Ihre Brust ging stür misch auf und nieder. Eine furchtbare Ausregung durchglült' ihren Körper. „Tu —Du willst mich einschließen? Mit Gewalt willst Du mich zurückhal ten? Das ist infam!" Mit einem Satze war sie an feiner Seite und nun rüttelte sie ihn heftig am Arm. „Oefsne!" kreischte sie „öffne! Ich bin keine Sklavin, keine Berbrecherin, dic man cinschlicßcn dars. Ocffnc, sage ich Dir!" Sie zitterte am ganzen Leibe. Ihre Augen flammten. Er machte sich von ihrem Griffe srei und faßte sie an dem Handgelenk. „Qefsne!" kreischte sie. „Nein!" Nichts weiter als dicscS knrze, cncr gisch gcsprochcnc Wort. Da riß sie sich mit einer ungestümen Bewegung von ihm los und warf sich niit voller Wucht gegen die Thür uud rüttelte an der Klinke und trommelte mit den Fäusten gegen dic Holzsüllung. Eine uiiciidlich peinliche Empfin dung durchbcbte ihn. Zum ersten Male fühlte er, wie es sich wie Haß und Bcr achtnng in ihm regte gegen da- Weib, das in zügclloscr Wuth, allcr Mäßi gung baar. wie eine Furie sich gebür dete. „Constanze!" rief cr warncnd. „S» mäßigc Dich doch! Tic Dicnstboten —" Sic aber nahm nicht die geringste Notiz von scincr Warnung. Mit cr ncutem, hcftigcm Anprall stürzte sie sich gegen die Thür. „Qeffne!" schrie sie, „öffne!" Tann, von einer neuen Idee gepackt, drehte sie sich plötzlich um. eilte blitz schnell zum Fenster, dessen Flügel sie ausriß und nun drehte sie sich zu ihm niii. „Laß mich hinaus! oder ich schreie nm Hilse." Er erschrak hestig. Um GotteSwille». Nur keinen öffentlichen Skandal. Ein heißes Schanigesühl dnrchsnhr ihn. Schon sah cr sich und sciuc Frau in aller Munde. Rasch trat er an sie heran und bemühte sich, sic vom Fenster hinwcgzuzichc». „Eon stanzc. ich bitte Dich die Schande, bedenke doch die Schande!" Sie aber klammerte sich mit sicbcri schcrHeiligkeit an das Fcnstcrlrcuz uud ihren Vortheil wahrnehmend, drohte sie: „Wenn Du mich nicht augenblicklich hinauslüßt, schlage ich dic Schciben ein uud ruse die Lcutc aus dcr Straßc an." Und sie erhob mit entschlossener Ge bärde die geballte Faust. Er ließ sie IoS, seine Nerven hielten nicht länger Stand. In dieser Art des Kampfes war sie ihn überlegen. Das fühlte cr. Ihm blieb nichts übrig, als vorläufig nach,»geben. Er griff in die Tasche und reichte ihr den Schlüssel. „Da geh ! Aber das sag' ich Dir; diese Stunde scheidet uns sür immer!" Sie stieß einen Triumphschrei aus; auf feine Worte hörte sie gar nicht. Und nun. ohne Berzug. zur Thür, un terwegs die Papierrolle, die ihr beim Ringen entfallen war. aufnehmend und, ohne sich noch einmal nach ihm umzu wenden, hinans. fort zur Versammlung der Frauenrechtlerinnen. Rudolf Bochow sank erschöpft, völlig gebrochen ans einen Stuhl nieder und verhüllte ächzend sein Gesicht in beiden Händen. Nm anderen Morgen hatten die bei den Ehegatten eine kurze, inhaltsschwere Unrerrcdniig. Frau Eonstanze erklärte, während der Eifer des Fanatismus ihr vom Gesicht leuchtete, daß ihr Lebcn der große» Sache der Fraiienemaiizipa tio» gehöre und daß Niemand in der Welt sie zwingen könne, dem, was sic als ihre heilige Pflicht erkannt habe, je untre» zn werden. Rudolf Bochow aber sagte, cr habe nicht gehcirathct, um das Leben eines Junggesellen zu sühren. Eine Frau, die ihre Familie vernachlässige, um des Intercsscs An derer. Fremder willen, tauge nicht zur Ehc. So gingen sie auscinandcr, äußcrlich kalt und glcichgiltig. Herr Bochow lcilctc unverzüglich die SchcidungSklagc ein wcgcn gcgcnscitigcr „unüberwind licher Abneigung". Frau Constanze fand im Hause der Präsidentin ihres Vereins, einer älteren Wittwe, eine Zu fluchtsstätte. Die Zinsen ihres in die Ehe gebrachten Vermögens wurden ihr regelmäßig ausbezahlt und reichten sür ihre Bedürfnisse hin. Vier Monate später fand dic Schlnßvcrhandliing in der Schcidcangelegenhcit statt, zu dem bcidc Parteicn pcrsönlich cingcladcn waren. Der vom Richtcr pflichtmäßig nach einmal vorgcnommcuc Bcrföh nuugsvcrsuch crwics sich als fruchtlos. Rudols Bochow gab alle seine Erklä rungen in ruhigem, entschiedenem Tone ab. Schon während der ersten fünf Minuten hatte er aus dcm ganzcnAuf trctcn scincr Gattin erkannt, daß sie während der wenigen Monate erhebliche Aortschritte aus dem Wege der Emanzi pation gemacht hatte. Ihre Gestalt nn) ihr Gesicht waren eckig und knöchig geworden. Ihr dunkles, sackartiges, nusaubercs Kleid zeugte von ebensoviel Geschniacklosigleit, wie Achtlosigkeit in Bezug auf ihre äußere Erscheinung. Zhre Redeu uud Gegenreden waren zum Theil in spitzem, höhnendem Tone, z> m Theil in tönendem Pathos gehalten. Tie Scheidung der beiden Gatten wurde ausgesprochen und Frau Constanze kehrte in d.is Haus ihrer Gcsiuuungsge «wssen zurück. Fritz und Pa»line wur den dem Vater zugesprochen, nur ein mal des Jahres wurde der Mutter ge stattet. ihre Kinder bei sich zu sehen. Am aiidcren Tage nahmen Mutter und Kinder Abschied von einander. Die Kleinen zeigten sich scheu und be sangen, die Frau mit den unheimlich funkelnden Augen war ihnen ganz jrenid geworden. Als Frau Constanze eine Stunde später in ihr neues Heim zurückkehrte, ichloß sic sich in ihrem Zimmer ein und .'inc ganze Wcilc ging sie ernstlich mit sich zu Rl'ihe, ob sie sich sür den Abcnd, zufällig war an demselben Tage eine Versammlung anberaumt —nicht durch Krankheit entschiildige» lassc» sollte. Als aber die Versammlung cröffnct wurde, stand sic an ihrem Platze anf oer Tribüne. Ihr Auge flog aufleuch tend über die dichte, andächtige Menge hin, welche den Saal bis zum lctztcn Platz fülltc. Das war i)re Familie— jene Krauen und Mädchen, diu>.rlrauensvoll, gläu big wie zu einer Erlöscrin zu ihr aus blickten. und die sie sich gelobt hatte, ans Noth und Unwissenheit, aus Knechtschast und Unterdrückung zu erretten. Die Kling?! der Präsidentin ertönte jetzt. „Frau Eonstanze Bochow hat da« Wort!" Und ein Ruck ging durch den Körper der Frauenrechtlerin, ihre schmächtige Gestalt richtete sich straff uud stolz auf. Schwärmerei und Fanatismus strahl ten von ihrem fchmalen Gesicht, blitzten aus ihren weit geöffneten Augen, und sie hob an zu sprechen, feuriger, bered ter. zündender als je !. «in« interessant« Skatpartie. Die nachstehend geschilderte Skatpar tie hat den Porzug. nicht etwa gelegt, sondern thatsächlich durch den Zusall gesügt und gespielt worden zu sein. Als psychologisches Moment ist noch zu be achte», daß die Mittelhand während des ganzen Abends keine einigermaßen an ständige Karte bekommen hatte, und daß der Spieler nun, da er zum ersten Male eine gute Karte in der Hand hatte, bis zum Aeußersten zu gehen ent schlossen war. Borhand hat Treff Aß, König, Dame, Bube. Zehn, Neun, Acht, Sie ben, Pique Sieden. Eareau Neun. Mittelhand hat Pique Buben, Earreau Buben, Pique Aß, Zehn König. Eoeur Aß, Zehn, König, Earreau Aß, Sieben. Hinterhand hat Eoeur Buben, Earreau Zehn, König, Dame, Acht, Pique Dame, Neun, Acht, Eoeur Neun und Acht. Im Skat liegen also Coeur Dame und Coeur Sieben. Mittelhand reizt zunächst auf Pique Solo, und da Borhaud dies annimmt und Null-Ouvcrt spielen will daK Null-Luvcrt wäre mit der Carreau Neun übrigens gefaßt so erklärt Mittelhand Grand, das nach der Usance der betreffenden Spielpartie Null- Luvcrt überbietet. Mittelhand wird schwarz, und zwar entwickelt sich das Spiel so: Vorhand spielt natürlich Treff Aß aus. Mittelhand.sticht mit Carreau Buben, wird von der Hinterhand mit Coeur Bube» überstocheu. Hinterhand spielt nun von seiner Force ab und zwar Carreau Acht, Vorhand über nimmt mit Carreau Neun, Mittelhand läßl den leeren Stich mit dem bewuß ten Ausrus: „Den sollt Ihr auch noch haben!" und gibt die Sieben zu. Das ist der verhängnißvolle Fehler, da sonst das Spiel unmöglich zu verliere» ge wesen wäre. Vorhand, der jetzt am Stich ist. fordert den Alten, Mittelhand muß den Grünen zugebe», Hinterhand wimmelt Carreau Zehn. Nun spielt Vorhand seine sechs Treff auf, Mittel hand wirst auf die beiden ersten Stiche die beiden Könige zu, Hinterhand die beiden Carreau, König und Dame. Im weiteren Verlaufe wirst Mittelhand ganz richtig Carreau-Aß weg, da alle Carreau gespielt sind. Sie behält schließlich sür die beiden letzten Stiche Pique Aß, und da vier Coeur noch sch ien, wirst sie auf den letzten Treff, Sieben, das Pique Aß ab und behält Coeur Aß. Borhand spielt nun ihre Pique Sieben, aus die das Coeur Aß fallt. Mittelhand ist schwarz. Brauchen wir hinzuzusügen, daß Mittelhand nur mit äußerster Energie davon abgehalten werden konnte Hand an sich selbst zu legen? Die bösen Zeitungs schreiber. Jni Jahre 1726 wurde iu der Residenzstadt Dresden uud ande re» Orte» vermerkt, „daß sich allerhand Leute unterstünde» und aiimaßcten, Zcitungcn zu schreiben und durch deren Versendung in s Land und auch außer halb, darinnen viele falsche und un wahre, mit anzüglichen, vcrgülletcn und die Gemüther verbitternden Ex pressionen angefüllte Nachrichten aus zustreuen, sowie die fremden und aus wärtigen Zeitungen, in welchen vieler lei widrige, »»wahrhaftige Nachrichten und Raisonncments enthalte», abzu schreiben oder wenigstens zu extrahiren und hiernach in ihren Correspoiidenzen mit wegzuschicken uud öffentlich bekannt zu machen. Da nun durch dieses un geziemende und strafbare Benehmen Lcntc, nnd besonders der gemeine Mann, wie auch Andere, die keinen Un terschied zu machen verstehen, dadurch irre geiuacht, zu falsche» Kouzcptcn und Imprcssioiien nnd zur Unzufrie denheit verleitet würden, so erließ die Regierung gegen diese falschen, widri gen oder sonst bedenklichen und verdäch tige» Zeitungsschreiber die Warnung, sich solches GebahrenS und Raisonnc nients zn enthalten. Wer dagegen han delte. sollte nach Befinden mit Gcsüiig niß, Verweisung aus der Stadt oder bestraft und sonst mit Schimps uud Schande belegt werden." In Leipzig, so berichtet das „Leipz. Tagebl.", dem wir diese Notiz entneh men, wurde »och 1768 ein Kandidat der Theologie, welcher unter dem Na men Franz von Ehrenberg eine Satnre aus Leipzig geschrieben hatte, aus Le benszeit von der Kanzel verbannt. Eigenthümliche Beur» theilnng. Frau vom Lande: Gelt Du der mit der großen Geige (Baß geige) ist der Geschickteste? Bekann ter: Ach nein, im Gegentheil, das ist der Unbcdciitcudstc von Allen! —Frau vom Lande: Und der mit dem kleinen Geiger! ? Bekannter: Das ist ein ganz tüchtiger Künstler! Frau vom Lande: Schau, überall dieselbe Unge rechtigkeit: der Musikant, der net viel kann, kriegt das größte Instrument „im Spielen und der G'schicktest muß sich mit der kleinen Geige zufrieden ge» ben! Neidisch. Na, Kleiner, warum weinst Du denn so?" Ja, die Mut ter hat mir und dem HanS'n Senspfla ster aufgelegt und dem HanS feint ist viel größer als meins!"
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