Wer ist der Schuldige? (5. Fortsetzung und Schluß.) Da schauderte ich zusammen. Die letzte schreckliche Erinnerung rief mich voll in die Gegenwart und auch sie durch mein plötzliches Auffahren, die in schmerzlicher Versunkenheit eine Se kunde geschwiegen hatte. „Ich mag keinem Menschen von dem sprechen, was ich innerlich durch gemacht. Zum Glück war ich Ansang» zu schmerzbetäubt, um viel vou dem zu spüre», was äußerlich um mich vor ging. Man zeigte mir eines Tages Je manden, den die Gerichte mir zum Vormund bestellt, sagte mir, daß ich von unserem Gute runter müsse, da» ein Hauptgläubiger erstanden habe. Der Vormund, ein sehr kurz angebun dener Herr, hieß mich an meinen Onkel nach Düsseldorf schreiben, der dort eine hervorragende Stellung in der Künst lerwelt einnahm. Er verschwieg mir auch keineswegs, daß seine Schritte bei der Familie meines Vaters, die er in meinem Interesse gethan, oh»e Resul tat gewesen, da die neue Linie, (die äl tere war ausgestorben), jeden Ver wandtschaftsanspruch deshalb ablehnte, „weil der verstorbene Majoratsherr meinen Pater ein für alle Mal pekuniär abgefunden und sie im Uebrigen nicht den Wunsch hätten, an die übel berathene Verbindung desselben durch meine Existenz erinnert zn werden." Die Antwort meines mütterlichen Oheims siel zwar freundlicher aus. «der ein Heim bei sich vermochte er der hilflosen Waise auch nicht anzubieten, weil er Junggeselle geblieben und eben im Begriff stände, eine längere Stu dienreise nach Indien anzutreten: „er tvürde aber jedenfalls vorher für ein Unterkommen für mich sorgen." —Und er hielt auch Wort. Eine Woche darauf kam abermals «in sehr freundlicher Brief und reich liches Reisegeld für mich, dem die Wei sung beigefügt war, „ja die erste Wa genklasse bei der Eisenbahnfahrt zu be nutzen, um ohne Fährlichkeit bei einer Dame anzulangen, die zu seinen ge schätzten Gönnerinnen gehöre, eine sehr reiche, allgemein hochgeachtete, sehr fromme Dame, die die Kirche und alles, was zu ihr, selbst aus dem Gebiete der Kunst gehöre, lebhast protegire, und meine Stellung als Gesellschafterin mir sicher zu der einer lieben Tochter des Hauses gestalten würde, wenn ich mich irgendwie darum verdient mache." Mein Onkel bedauerte lebhaft, „daß Verhältnisse es ihm unmöglich werden ließen, mich bei der Durchreise in Em pfang zn nehmen und meiner edlen Protektor»! persönlich zuzuführen, aber er hoffe, auch so werde ich meinen Weg unbehindert in das HauS der hochge stellten Dame finde», die mir ihre müt terlichen Arme öffne." Orts- und Na menSangabe waren deutlich beigefügt, da sie aber nichts zur Sache thun, brauche ich sie wohl nicht zu nennen. Oder wünschen Sie es?" Ich schüttelte das Haupt. Mir wurde heiß und kalt. Ich sühlte deut lich, wir waren an den verhängnißool len Wendepunkt in Romanas Jugend leben angelangt. Die Augen geschlossen halten, konnte ich bei der lebhaften Antheilnahnie nicht länger. Dafür hatte sie, den Ellbogen auf das Knie stemmeud nnd mit der Hand das Ge sicht beschattend, mir den wechselnden Ausdruck der Züge zn verbergen ge trachtet, während sie' hastig, überstürzt weitersprach: „Ten ersten Theil der Reise legte ich ungefährdet, in Bedleitung einer alten Dame zurück, deren Schutz mich mein Vormund anempfahl. Auf einen Kreu .zungspunkt, wo ich den Zug wechseln mußte, trennten wir uns. Ich hatte ein bischen viel Zeit damit verloren,ihr mit dem vielen Handgepäck in's Coupe zu helfen uud mußte nun selber eilen, Sie andere Perronseite zu gewinnen. Schon läutete die Glocke, nnd der Schaffner riß mir. nicht meiner Bitte »m eiu Tamcncoupe achtend, den ersten besten Wagen erster Klasse auf, in dem ein einsamer Passagier saß. Ich stolperte über seine ausgestreckten Füße hin und weckte ihn dadurch aus seinem Halbschlaf. Er fuhr mit einem Eutschuldigungswort in die Höhe und zog die seidenen Lichtschützer an der Deckenlampe etwas auseinander, daß ein gewisses Halbdunkel entstand, in dem man die Gegenstände zum Theil wenig stens erkennen konnte. „Ein junger, schöner Mann natür lich?" siel ich mit heftig aufrasender Eifersucht ahnungsvoll ein. „Ein großer, schlanker Mann mit lerer Jahre, mit sehr weißen Zähnen und einem dunklen Vollbart, über den eine gepflegte Hand mit Juwelen am kleinen Finger häusig liebkosend Hin suhr," entgegnete sie dumpf. „Weiter, weiter" drängte ich aufge regt. „Ich saß ängstlich, wie ein verschüch tertes Vögelchen, in meine Ecke gedrückt, und er gähnte ein paar Mal ganz kräf tig." „Entschuldigen Sie,„ bat er höflich. „Ich bin eine Nacht schon durchgereist und ein bischen stark ermüdet." „Bitte, geniren Sie sich nicht,schlafen Sie ruhig weiter, ich werde mäuschen still fein," entgegnete ich befangen. Ich weiß nicht, was den Mann ver anlaßte. nnn erst recht den Lampen schirm sortzuziehen! aber er that es mit einem energischen Ruck. „Man muß sich doch wenigstens sehen uud erleunen können, mit wem man das Vergnügen haben wird, eine Nacht zu fähren," und dann erst erstaunt: „Reisen Sie ganz allein, mein kleines Fräulein?,, Ich erzählte, zutraulich gemacht durch den väterlichen Ton. die Wie» und Warums und wie in der Eile in dieses Kupce gerathen, und nach einer Stunde kannte der gewandte Ausfrage« meine ganze unschuldige Lebensge- schichte. Merkwürdigerweise war Keiner von uns mehr müde, und wir plauder ten ganz unbefangen und munter. „S>e stehen also ganz allein, mein liebes Kind," schloß er mit einem Lä cheln, dessen Sinn ich in meiner Kin derunschuld nicht begriff. „Sie wer den es bei allen Göttern nicht lang« bleiben, und ich beneide den, der Ihnen seinen Schutz angedeihen lassen darf." Ich lächelte ihn dankbar an. Der Mann war mit mir armem Ding gar so freundlich und wohlwollend. Ich kam mir ordentlich geborgen unter dem warmen Blick seiner dunklen Augen, der liebreichen Besorgtheit um mein Wohlbefinden vor, mit der er seine ei gene Reisedecke mir über die Knie brei-t tete und sich selber in den weichen, kost bare» Pelz einhüllte. eine Frostig keit, die ich übrigens nicht begreifen konnte, da, trotzdem wir bereits im Spätherbst waren eine drückende Gewit terschwüle um uns braute. Unter dem monotoneu Klappern und Schaukeln schlief ich ein, und beim Er wachen fühlte ich immer die ausdrucks vollen Augen mit einer Art zärtlicher Wachsamkeit auf mir, wenn ich beim gellenden Lokomotivpfiff emporschreckte. „Fürchte Dich nicht, kleinesMädchen, ich wache," schien der sonnig - warme Blick zu sagen, und beruhigt lehnte ich das Haupt wieder zurück an das Sitz- Polster »nd schlummerte weiter. Plötzlich weckt mich ein schrecklicher Ruck, ein Poltern und, Stampfen der gellende Pfiff des Dampfvenils. Ein Stoß, den ich selbst gegen die Seiten wand erhalten, mächt mich ein wenig dumpf und betäubt im Kopf, und als ich entsetzt die Augen ausreiße, stoppt der Zug anscheineiid aus freiem Felde und mein Gegenüber steht, bleich vor Schreck, besorgt über mich gebeugt und wäscht mir die Schläfe mit Kölnischen« Wasser. „Es ist Ihnen doch nichts geschehen?" forschte er ängstlich, und als ich kopf schüttelnd verneinte, nachdem ich mit beiden Händen an meinen heilen Glie dern herumgetastet: „Erschrecken Sie nicht, wir sind gut davongekommen, es muß irgend etwas da vorn passirt sein. Hören Sie das jammervolle Schreien und Lainentiren da vorn am Zuge?" Die Nacht war so stockfinster, daß man, als wir gemeinsam den Kops zum Fenster heraussteckten, nichts er kennen konnte, und der dichte Nebel da außen erschwerte es noch, aus dem röth lichen Glas und Qualm voru an der Lokomotive irgend etwas herauszufin den. ' Mein Begleiter ries einen der hastig vorbeilausenden Leute an, und hastig lam die Entgegnung: „Aus einen Güterzug durch falsche Weicheustelluug gerathen." „Ja, mehrere Todte und einige Verwun dete." „Werden wir weiter fahren?" fragte mein Begleiter. Der draußen, der eS eilig hatte, topf schüttelte. „Die Geleise müssen erst frei gemacht, die Verwundete» geborgen werden. In drei bis vier Stunden vielleicht." „Und -so lange sollen wir hier ans freiem Felde kampiren?" rief er unge duldig. „Bitte, lieber Mann," er senkte seine Finger in die Westentasche und streckte de» Arm ihm zu, „inachen Sie uns doch die Thür auf, die nächste Station kann nicht weit sein, wie?" „Zehn Minuten," schon war der Beanite vorüber. Der Herr hing sogleich den Ledergnrt seiner Tasche nni, rollte die Reisedecke zusammen und nahm diese und meine Handtasche unter den linke» Arm, wäh rend er mit ruhiger Autorität mir ge bot. zu folgen, nnd mich, nachdem er mit einem Sprung den tiefliegenden, arg durchnäßte» Lehmboden erreicht, i» seinen Arme» sanft heraushob. Ein bischen erschreckt stand ich neben ihm und that gehorsam, was er wollte. Ich hätte ebenso gut daran denken kön ne», meinem Vater zu opponiren, als diesem selbstbewußt und herrisch aus tretenden Beschützer. Auf fein Geheiß schloß ich di« Augen und hing mich, von ihm geleitet, fest in seinen Arm, als wir an all dem Graus, dem Jammer, den Wehelauten, dein Getöse und Meuschengeivoge an der Spitze des Znges vorüber müßten. Tapfer kämpften wir uns durch den Hagelschauer bis zum kleinen Stations gebäude, aber aus den zehn Minuten per Bahn wurde eine Stunde zu Fuß iiber Sturzacker »nd Stoppeln hin. Dort wurde uns eine herbe Enttäu schung. Die kleinen Wartesäle waren bereits gestillt mit ächzenden Menschen, Aerzten und besorgten Angehörigen; je des Zimmer war vergtbeu. Der Sta tionsvorsteher schrie uns unwirsch an, kr habe genug Last schon mit den Ver wundeten. als m«in Begleiter um ei» trockenes Plätzchen, für mich wenigsten», bettelte. Was auch nachfolgte, ich mnß e» zu meines VerderberS Rechtfertigung sa gen, es war wenigsten» nicht schurkisch vorbedacht nnd überlegt. „Gehen Sie nne Viertelstunde weiter da hinüber zum Marktflecken, da ist sogar ein ganz guter Gasthof", rieth nnS der Beamte, als er meines Begleiters rathlose Ver legenheit sah. „Wollen Sie, Fräulein?" Natürlich wollte ich. Zurück zum Kupee konnten wir in dem Unwetter, in »aS sich jetzt sogar salbe Blitze mischten, doch unmöglich. Ich zitterte vor Frost am ganzem Leibe. Mein dünnes Schuhzeug war von dem Gang durch hohe Wasserlachen durchweicht. Meine Zähne schlugen klappernd zusammen, so durchkältete mich das nasse Zeug. Auch die Er schöpfung durch die ungewohnte, lange Reife mochte das Ihre dazu thun, daß ich wie Espenlaub bebte. „Sie armes, kleines Ding", sagte er mitleidig und prsßte meinen Arm fest in den feinen, während wir nun den Chausseeweg auf da» erleuchtete Oert !hen hinunter eilten. .Wie Sie bei der Gewitterschwüle nm> so frieren Dünnen ich bin wie in Schweiß gebadet.'^ „Ja, Sie in Ihrem schweren Pelz", lachte ich. „Wollen Sie ihn?" „Da müßten Sie mich mit dem Pelz schleppen." „Glauben Sie, daß ich das nicht gern thäte?" erwiderteer, und bei einem furchtbaren Gewitterfchlag,.der sich jetzt über uys entlud, sah ich seine Augen so sonderbar glänzen, daß mir angst und bange wurde, ich weiß uicht warum und weshalb. Sie wollte wieder einePause machen. Die Worte kamen immer stoVender über die widerstrebenden Lippen. Aber meine Spannung war so fieberhaft, den Kelch bis auf den Bodensatz zu lee ren, daßHch sie mitleidlos weiter drängte. Nun sprach sie wie gehetzt und so leise zwischen den verhüllten Händen hin durch, daß ich all meine Sinne schärfen mußte, um sie zu verstehen. „Im Gasthos hatten die Gutsbesitzer der Umgegend ihren Vereinsabend. Gastzimmer und Nebenräume waren überfüllt. Man wies uns aus purer Gefälligkeit das Zimmer eines Herrn an, der es doch wohl vor Morgen nicht benutzen würde." Mein Beschützer bestellte zu essen, und: „Das Beste, was Sie' im Keller haben, Ungar- oder Malaga, ja mei netwegen auch eine Flasche Sekt, wenn Sie ihn doch gerade kaltgestellt haben; mir bringen Sie aber vor allen Dingen einen Cognac, aber kein hiesiges Zeug, und dann schicken Sie ein Mädchen des Hauses mit trockenem Schuhzeug sür— für meine Tochter heraus," beorderteer den Kellner, der uns die Lichter an zündete. „Sie müssen sich'S eine Weile schon gefallen lassen, daß ich Sie vor den beuten wie mein liebes Töchterlein be handle und verziehe, es ist am besten so, glauben Sie mir," sagte er, als der durch ein splendides Trinkgeld will fährig und geschmeidig gemachte Kell ner sich heräusgedienert hatte; dabei kniete der elegante Weltmann schon vor mir nieder, zog mir Schuhe und aus und hielt meine erstarr ten Füße erwärmend in seinen glühend heißen Händen, in denen die Pulse un ruhig zu zucken schienen. „Mich regt die Gewitterluft immer so merkwürdig auf," erklärte er, als ich mich wunderte, welch fliegende Räthe ihm über das ganze Gesicht hin bis un ter die dunklen Haarwcllen stieg. Da bei sprang er jäh auf, als hätte ihn etwas heftig gestochen, und beorderte das eintretende Stubenmädchen barsch, mir die mitgebrachten Strümpfe anzu ziehen. ..Sehen Sie doch mal zu, ob nicht irgend ein freier Winkel im Hause noch für mich aufzutreiben ist, meine Tochter möchte gewiß bald schlafen gehen." Er riß das Fenster auf und streckte den heißen KM i» den strömenden Regen hinaus, während der flinke Kell ner den Tisch deckte und die Flaschen, auch die im Eiskühler, darauf hinsetzte. Mein Beschützer bediente mich anf merksain bei Tische. Mit halber Ge walt drängte er mir das erste Glas süßen, seurigen Weines, denn des Va ters Leidenschaft für geistige Getränke hatte eine Art abergläubischer Scheu gegen solche bei mir erweckt. Ich aß mit jugendlich frischem Appetit, nnd er sah mir, selbst,wenig genießend nnd den Cognac sich stark mit Selterwasser mi schend, mit lächelndem Vergnügen zn. Der Wein hat-ein wohliges Gesühl von Wärme nnd gesteigerten Lebenskräften mir durch den ganzen Körper verbrei tet. Er mundcte überdies, dem kindli chen Gaumen, nnd ich ließ mir nicht unschwer ein zweites nnd drittes Glas ausreden. Dann goß mir mein freund liche'' Beschützer aus der weitbauchigen Flasche ein, deren rosiger Schaum eis kühl über die Lippen glitt und innen brannte nnd glühte. Das Einzige, was in meiner Erin nerung steht, ist: daß ich zu lachen und thöricht zn lallen begann, und mein Beschützer auch lächelte. Dann sah ich seine Augen sehr nah, oder glaubte sie nah zu sehen, weil er mich festhielt, als das Zimmer sich im Kreise mit mir zn drehen begann, hob nnd senkte. Aber dann waren's wieder die Latcr nenaugen der Lokomotive, die mich an glühten und mir Angstschweiß auspreß ten. Ein gräßlicher Traum quälte mich. Der keuchende Loloniotivathem sengte meine Wange, die Knpcewände drückten mich zusammen bis zum Ohn machtSgefühl. Dann Nacht, tiese Nacht völlige Bewußtlosigkeit" Acchzend hatte sie sich das letzte Be kenntniß von den Lippen gerungen; nun aber überstürzten sich formlich die Worte: „Als ich nächsten TageS erwachte, war ich derart betäubt, daß ich mich nicht besinnen konnte, wo ich mich be fand. Mein Kopf war schwer, meine Glieder wie zerschlagen, und ich erhob mich mühsam von dem Bett, auf dem ich angelleidet lag, und schleppte mich znr Klingel/' DaS Hausmädchen sah mich ein Bis chen moqukantjan: „Fräulein hätten wie eine Todte geschlasen und seien nicht auszurütteln gewesen, als der Herr Pa pa mit dem Krühzuge abreisen mußte. Der Herr Papa ließe sag.n, ich möchte meine Tour »ur ruhig fortsetzen. Er habe das Alles wohl übrigens noch ge nauer angegeben in dem Briefe, den er für Fräulein vor der Abreife auf den Tisch gelegt." Mit wirbelndem Hirn griff ich, als das Mädchen fort ivar, instinktmäßig nach dem verschlossenen Kouvert und war um nichts gescheuter, als ich einen Hundertmarkschein in den Fingern kni sterte. Was sollte das? Hatte er sich ver griffen? Vielleicht den Inhalt zweier Briefe verwechselt? Allmälig dämmerte mir eine schwache Erinnerung des gestri gen Abends. Ich erröthete heftig. Ich begann mich der Unmäßigkeit zu schä men. die mich benebelt und sinnlos machte. Was möcht« mein Beschützer nur von mir denken! Bei Gott. Jbelius, das war Alles. Kein Mensch hat mir'S nachher glauben wol len, daß ich nichts wußte! Mechanisch packte ich den Geldschein in meine Handtasche. Ich mußte ihn ihm doch zurückgeben, wenn ich ihn wie der traf. Denn daß ich ihn wiedersehen würde, war ja ganz selbstverständlich. Wußte er doch aus meinem harmlosen Geplauder, wohin ich mich begeben wol le, und hatte lächelnd erwiedert: „Dann sind wir ja, so zu sagen, Nachbarn; ich komme per Dampfer oft Nachmittags hinunter »nd sehe mich dann natürlich mal nach Ihnen um." Die Rechnungen im Gasthof fand ich alle beglichen; es mußte sogar in gentil ster Weise geschehen sein, denn Wirth und Dienerschaft erstarke» in Devotion »nd überboten sich im Diensteifer, mir in de» Omnibus zu helfen, der mich zur Eiseiibahnstatio» brachte. Haus und Arme meiner mütterlichen Beschützerin öffneten sich mir so weit und warm sie nur konnten. Es war ein Haus voll echter Frömmigkeit seligkeit. Ihren großen Zieichthum ver wandte die alleinstehende, verwittwete Ministerin fast ausschließlich zum Wohlthun, zu Werken der Nächstenliebe, der christlichen Barmherzigkeit! Nur mit mir allein hatte sie weder Mitleid noch Barmherzigkeit, als sie mich fünf Monate später mit Schimps und Schande zum Haufe hinaus jagte. Auf meine» Onkel, der ihrem ehrsa me» Dach die Blamage zugefügt, war sie wüthend, und meinen Betheuerun gen völliger Unwissenheit begegnete sie mit ungläubigem Lachen mit Ver achtung. Meine große Jugend verschärfte nur ihre Verurtheilung bodenloser Verlo genheit und Vcrderbtheit. Wie ich mich dann durchs Leben schlug, gemieden, verachtet, scheel ange sehen, wo ich um Arbeit flehte, was soll ich Ihnen das ausmalen. Eine Weile reichte die schmaleSumim aus, die mir mein Vormund beim Ab schied eingehändigt »nd meine Gönnerin mit geringschätzender Großmuth verdop pelt hatte, mein Leben und das eines zweiten armen Wesens zu fristen. Zwei, drei Jahre mit ängstlichster Eittschränkliiig hat es gereicht. Daun griff ich in meiner Desperation den ängstlich behüteten Hundertniartfchein an. O, ich war inzwischen ja sehr welt kliig geworden. Das Elend und die Gemeinschast niit Proletariat hatten mir über manches die Augen geöffnet, zum Beispiel, daß der Schein mein mir wirk lich bestimmtes Eigenthum, der Prei» eines himmelschreienden Frevels war! Wäre ich wie andere Mädchen erzogen, ich hätte auch wohl Beschäftigung in meiner Sphäre gefunden, aber von Handarbeiten und dergleichen verstand ich rein nichts, und wer konnte ein«' Lehrerin in Musik und Sprachen ge brauchen, die sich mit einem Kinde auf dem Arm präsentirte und als Entschul digung ein lächerliches Märchen her stäminelle, das kein Schulmädchen ihr mehr geglaubt hätte. So schrieb ich Note» und Manuskripte ab, wenn ich solche anvertraut bekam, und " „Fand sich denn kein Helfer in Ihrer schreckliche» Lage?" siel ich aufgeregt ei». „O doch, viele, wenn ich gewollt hätte," sagte sie mit unsäglicher Bitter keit. „Keiner wollte es ja ans's erste Wort glauben, daß dem Mädchen, daß Mntter war, vor d?r Schande ekelte, i Sie werdeii'S aber müsse», wenn ich Ihnen sage, daß ich und mein Kind Hunger litten. Die Angst um dieses, die bittere Sorge um eiu Stück Brod machten mich kühn genug, in einer Officin zu flehe», daß man mir Arbeit gebe. Man schickte mich achselzuckend fort. Als ich über den Flur ging, hörte ich drinnen im Privatcontor des Druckereibesitzers eine Stimme, die niir das Blut stocken machte. Ich stürze zurück, herrsche den ersten Besten an: „wer da drinnen beim Chef fei?" Der Geschäftsführer ficht mich an. als wenn ich verrückt geworden. Ir gend ein vorlauter Lehrjunge erwidert schnell anstatt seiner: „O ein großes Thier, sie haben ihn jetzt auch in den Reichstag gewählt." - „Na. nu wird er wohl noch mal so eingebildet werden, der leidige Groß niannSdünkel fehlte ihm ja nie, und sie bücken sich Alle vor dem gewichtigen Herr», als fei er Wunder wer," lachte ei» junger Gehilfe dazwischen. „Ein sehr achtungswerther, ein sehr gescheidter Herr, der die allgemeine Hochachtung im vollsten Maße verdient durch exemplarisches Leben; streng frei lich,streng in allen Anforderungen, aber bei so musterhaftem Wandel hat man das Recht dazu," schlug der Geschäfts führer salbungsvoll den Uebermuth der Jugend nieder. „Was wollen Sie noch, liebes Kind? Ich sagte Ihnen doch " Da bat ich bescheidentlich, mir doch den Name» und Wohnungsort des Herrn Abgeordneten zu nenne». Und man willfahrte mir mit einem mit leidigen Seitenblick ans meine faden scheinige» Lumpen und fügte hinzu, „daß er als sehr mildthätig weit und breit bekannt sei und ich keine Fehlbitte thnn würde." Ich hab' ihn nicht blos gehört, ich hab' ihn auch »och aus der Stxaße ge fehe» und dann bis zum Rheinufer verfolgt, als er dort auf den Dampfer stieg, immer dasselbe selbstgesällige, angenehme Lächeln aus den Lippen, die unter dein schwarzen Bart intensiv roth hervorschimmerten. Die verkom mene Gestalt in Lumpen hat der in modischen Ulster warm eingeknöpfte, große Herr natürlich keines Blickes ge würdigt. Ich verkaufte mein letzteSStück Habe, das Bett meines Kindes, um das ge ringe Fahrgeld zu der nahen Fabrik« stavt bezahlen zu können. Es war ja auch ganz gleich. Die stille Verzweis- ?unq Von damals fand ihren Abglanz 'n Ton und Geberde. „Eine Aenderung mußte eintreten, ich hatte keinen Groschen mehr, womit ich die Miethe für die Ecke bezahlen konnte, in der wir schliefen, keinen Pfennig für Milch oder Brod für mein elend-schwaches, wimmerndes Kind. Es war Abend, als wir ankamen; ein rauh-stürmischer Oktoberabend. Mein Kind und ich schauderten vor Kälte in den dünnen Lappen, die der eisige Nordost durchwühlte. Ich sah in die erleuchtete», nnver hüllte» Parterresenster, in Palmen und Statuen geschmückte, mit gediegene« Compact ausgestattete Räume, dann in eiu eichenmöblirtes Speisezimmer, nni dessen von antiker Hängelampe bestrahl ten Tisch vier oder fünf wohlgenährte, kräftige, blonde Kinder, zwischen sechs und fünfzehn Jahren, Knaben und Mädchen faßen und sich mit einem Gefell schaftsspiel vergnügten, zu dein die Mutter eben feines Naschwerk als Ge winnst einsetzte. Lauter gesunde, wohlgekleidete, wohl genährte Kinder, seine Kinder ohn« Zweifel und die dieser frischen, blondem vollen Frau mit den Nubensfarben uut den klaren, kalten Grauairgeu. Mir gab'S einen Stich in's Herz, und die dumpfe Schicksalsergebung schlug in wildtrotzige Auflehnung um, als mein Kind da so kläglich anszu jammern anfing vor Kälte und Hun ger, so matt vor Schwäche, daß es einen Stein erbarmt hätte und mir das Herz im Leibe umdrehte vor zornige»' Weh. Weiter schauend kam ich an dii Fenster eines Raumes, der wahrschein lich das Privatbüreau des Fabrikbe sitzers war. Halb bestrahlt von einem Gasarm über seinem Haupt, saß er an einem Diplomatenschreibtisch, die Feder zwar in der Hand, an deren kleinem Finger der Solitär Regenbogenstrahlen sprühte, aber nicht schreibend, sondern müßig in den geschnitzten Sessel zurückgelehnt, ein glücklich zufriedenes, stark selbstge fälliges Lächeln aus den vollen Lippen, den gewohnten Ausdruck jovialer Lie beswürdigkeit auf'dem Gesicht, wodurch er so viel Vertrauen einflößte. Ich sagte mir: hier mnß sich ein be sonderer Ausgang finden, und ich ent deckte ihn auch und klopfte an die Dop pelthür, die dann von innen auch ge öffnet würde. Geblendet vom Licht innen, konnte er mich im Dunkeln auf der Schwellt nicht gleich sehen. „Wer ist da?" fragte er freundlich, mit jenem unveränderten Wohlwollen, mit dem er Hoch und Niedrig zu bestricken verstand, daß er sich einer Beliebtheit, einer Achtung, ja Verehrung weit im Kreise erfreute, die jede Anschuldigung gegen ihn wie eine Verketzeruug geahndet haben wurde. Ich trat schnell ein. um ihm nicht Zeit zu lassen, mir die Thür vor der Nase zu schließen, und ging bis an das helle Gaslicht vor, und er wich schritt weise vor mir zurück, wie vor dem Geist einer vom Tode erstandenen. Weiter als bis zu dem Tisch konnte er freilich nicht. Da lehnte er sich wankend und todtenbieich mit dem Rücken an." „Was was wollen Sic?" brachte er mühsam über die bebenden Lippen. „Das will ich," sagte ich entschlossen und wollte das einschlafende Kind ihm in die Arme legen, die er mit krampf hafter Angst hinter dem Rücken ver steckte. „Ich? Ich will von Ihnen nichts für mich, ich verachte Sie, ich verabscheue Sie! Aber ich fordere für das unschuldige Product Ihres Ber brechens einen warmen Platz unter Ihren Kindern da am Familientisch." „Scht," warnte er ängstlich, „schreien Sie doch nicht so, seien Sie doch ver nünftig, lassen Sie doch mit sich reden. Natürlich will ich für Sie und das das das da sorgen. Aber wie kann ich als derheiratheter Mann in meiner Stellung als Kirchenrath, Stadtverord neter, Abgeordneter wohl daran denken, das —das da in's Haus zu nehmen. Fahren Sie doch nicht wieder aus," be schwor er mich, und er kam mir unsäg lich erbärmlich in seiner unmännlichen Furcht vor, mit der er hastig die Rou leaux herunterließ und an der Tapeten thür horchte. „Seien Sie doch leiser, um Gotteswillen leiser, gehen Sie doch, gehen Sie doch," drang er. „Lassen Sie mir Ihre Adresse. Auf mein Ehrenwort (fein Ehrenwort!), Si? sollen morgen schon haben, was Sk irgend verlangen." „Dann müßte ich heute Nacht auf der Landstraße kampiren, denn ich habe keiilen Pfennig mehr," war meine ver ächtliche Entgegnung. „Für mich auch gut, meinetwegen, mir liegt nichts da ran in Wohlleben gedeihen." Er riß mit fliegenden Händen schon die Schreibtischlade auf, und vielleicht, vielleicht, hätte die schwache Mutterliebe sich das moralische Anrecht abkaufen lassen. Das finstere Geschick hatte es aber anders bestimmt. Eine Ecke des Schubs, heftig aufgezogen, traf leicht das Kind, das es plötzlich geweckt, jam> niervoll aufschrie. Der Mann stierte mich in hilflosem Entsetzen an. als plötzlich die Tapeten thür ausflog, und die blonde, große Frau erstaunt Hindurch sah. „Was hast Du d<nn da für seltsa men Besuch, Ernst? Ich hab' mir doch so oft gesagt, daß die Leute hier herein kommen und den Smyrnatep pich beschmutzen!" ries sie scharf und er stand wie ein gescholtener Schulbube vor ihr. (Jemand hat mir später ge sagt, daß er als Director der Fabrik, die er freilich vierfach gehoben, sich in das ganze Anwesen hinein geheirathet durch eine Verbindung mit der Wittwe seines frühereu Chefs.) „Das ist doch keine von den Fabrik arbeiterinnen?" fragte sie verwundert, ihre etwas hervorquellenden Augen starr auf mich heftend. „Wie kommst Du zu der, Ernst? Was soll der Schreihals hier? Raus, rau»! Ge» «öhne un-Z doch nicht dciS Bettelvolk schon in's HauS; .sie kann sich in der Fabrik ein paar Groschen schenken las sen." Tie kaltblütige, grausame Nicht achtung. der hochmüthige Ekel der Wohlhabenheit gegen die Armuth brachte mein sto!j«S Blut auf und riß mich zornig hin: „Ich bettle nicht für mich, Madame, ich will gar nichts, ich würf'S diesem diesem da vor die Füße; aber da» Würmche» hier gehört so gut hierher, wie Ihre Kinder. Fragen Sie ihn doch, ob er eS wagt, sein eigen Fleisch und Blut hinauszuwerfen." „Ernst! Ernst!" schrie die arm« F.u» entsetzt aus. ES hatte sie in'» Herz getroffen. Dann ging sie mit großen Schritten auf ihn zu und rüttelte ihn, der ein Bildl jämmerlicher Zerknirschung war. das wahr? Ist das wahr?" rief sie ganz außer sich. Er hatte ersichtlich in seiner peinli che» Lage einen Entschluß zu fassen: „Wie kann ich da» wissen, liebes Kind!" stammelte er. „Was wahr an der Sache ist, will ich Dir offen eingestehen. Ich reiste damals mit den» Fränlein zu sammen, als ich aus Valparaiso zu rückkam. Wir hatten das Eisenbahn unglück, womit ich Dir mein verspätete? Eintreffen erklärte. Die Verhältnisse nöthigten uns, ein Zimmer zu nehmen. Fräulein da war stark angetrunken, an geheitert, vergnügt, zutraulich, und und " Die.erbärmliche Anschuldigung wollte vor meinen entsetzensstarren Augen doch wohl nicht ganz glatt über seine Lip pen. „Ich war mehrere Monate ja von Dir getrennt, und gerade durch meine exemplarische Treue " „Ich verstehe, das Frauenzimmer da hat Dich auf zu harte Probe gestellt. O, diese niederträchtigen Geschöpfe, die auch die besten Ehemänner wankend machen können mit ihren abscheulichen Künsten," rief sie in sittlicher Entrü stung. die Hände anklagend zur Decke streckend. Der Erbärmliche schwieg. Er schwieg noch, als ich ihn mit einem Blick ansah, der ihm das Blut in'» aschgraue Gesicht trieb. „Ich habe übrigens die Dame abge funden, sie wird's nicht streiten können, vertheidigte er sich hastig. „Mich geht das also gar nichts an, zudem kenne ich das Mädchen ja gar nicht. Kann also nicht wissen " „Natürlich, natürlich." siel ihm die würdige Gattin vertheidigend in'S Wort. „Der angesehene Fabrikbesitzer ist ein schöner Schirm für ein abenteuernde» Dämchen. Da weiß man wohl, daß öffentliches Aergerniß vermieden und lieber geblecht wird, ehe man die Re putation antasten läßt. 'Bischen spät ist Ihnen das allerdings eingefallen, mein Kind. Sie sind übrigens stark auf dem Holzwege, wenn Sie glauben, hier erpressen zu können," ftihr sie mich Höhnisch an. „Haben Sie sich dem Ersten Besten an den Hals geworfen, so tragen Sie auch die Folgen. Und nun heraus, 'raus, marsch 'raus, sage ich. Hüten Sie Ihre Zunge. Hier kennt man uns. Ich lasse Sie sonst als Vagabondin und Schwindlerin noch arretiren." Sie jagte mich bis vor die Thür und er ließ es geschehen. Aus dem Hose stand ich wie erstarrt, und mein Kind schrie zum Gott erbar men. Da trat das unmenschlich harte Weib heraus und kettete den Hund ab. „Werden Sie jetzt gehen?" rief sie heraussordernd. „Karo, hetz' sie! Ksss " Ich flog besinnungslos von bannen, von dem Hund verfolgt, die Landstraße entlang, vorwärts, immer vorwärts; ich weiß nicht mehr, wie lange wohin. Da blinkt mir der Rhein im Later nenfchein wie ein Helfer in der größten Noth und thnt mir die rettenden Arme auf. Hoch im Arm schwinge ich da» Würmchen, das eben nur -schwach noch ächzt, und schleudere es von mir in die aufspritzenden Wasser und nnn ich nach es wieder erhaschend und an mich pressend mit der wahnsinniger' Kraft der Verzweiflung.... Leider Gottes bin ich eine Schwim merin, und der Lebensinstinkt regte sich wohl unbewußt bei einem Geschöpf von noch nicht 17 Jahren. So bin ich wohl noch ein Mal hoch getaucht, und man hat mich gesehen und ausgefischt. Jene zuerst, die Zeuge waren, wie ich mein Kind in'» Wasser warf. —" „Al« Kinde»mörderin hat man mich dann hier in'» Gefängniß gesperrt." Sie verstummte, und wir saßen starr und still. Ich breitete ihr meine Arme nicht au». Düster brütend starrt» ich in den See, der sich unter segelnden Wol ken allmälig bleigrau färbt«, und dann stand ich auf und reckte die erlahmten Glieder. Ueberlegen wollte ich und mir Zeit gönnen in diesem Widerstreit der Ge fühle. und ihre beiden Hände ergrei fend. stammelte ich Verworrene», von: „Mutter vorbereiten, Vorurtheile be lümpfen, gewinnen. „Ja. wenn ich allein wär« auf der Welt!" war m«in kläglicher Au»rus, mit dem ich sie eine Sekunde leidenschaftlich an mich preßt? und fir frei gab, die leicht taumelte. Dann schieden wir. Einer den Kopf dem Andern rückwärt» zugekehrt, so lange wir un« sehen tonnten. Al» ich nach einer Nacht der Ueber legung handeln wollte, war e» »u spät. Romana war fort, spurlo» verschwun den. Niemand wußte wohin. Ei» paar Zeilen hatte sie mir zurückge lassen. Nun fitze ich ein volle» Jahr schon wieder in meinem australischen Land hau», ein einsamer Mann, am einsa men Heerde, inl besten Manne Salter. tisnd-.> Ufrtkantsche RechtSpsteAt. Von afrikanischer Rechtspflege theilt Th. Sselmann in den Münchener „N. N." cmige Züge mit. Für politische Vorgehen ist „das Auffressen" bei meisten afrikanifchen Gewaltherrschern die beliebteste Strase, ein summarisches Verfahren, welches das mühsame Ge schast des Rcchtsprechens ungemein er leichtert. Als Stanley beim Kaiser Mtesa am Viktoria-See weilte, erlebte er eine solche Strafvollziehung. Der Kaiier übertrug einem seiner Unter häuptlinge die Ausführung des Straf besehls gegen einen kleinen Herrscher, der sich meuterischer Umtriebe verdächtig gemacht haben solle. Der Vollstreckungs beamte sammelte eine Schaar, überrum pelte das Torf des Angeschuldigten und ani andern Tage hatte dieser aufgehört zu existiren. Alles ohne Ausnahme muß über die Klinge springen, die Ort schaften werden niedergebrannt und die Heerde» weggetrieben; wie ein Land, das die Heuschreckenschwärme abge fressen haben, liegt das Gebiet da. Im Gegensatz hierzu hat sich bei eini gen Völkern schon ein gewisses geregel tes Rechtsverfahren ausgebildet. Die Kimbuuba in Ccntraläfrika besitzen eine förmliche Proceßordnung. Glaubt ein Kimbunda von einem StammeS genossen geschädigt zn sein, so begiebt er sich zum Häuptling, um den Proceß anhängig zu machen. Es wird ein Termin bestimmt und zu diesem der Gerichtshof, der a»S den Aeltesten deS Ortes besteht, zusammenberufen. Können sich die Parteien nicht aus gleiche», so kommt die Sache vor einen besonders ernannten Gerichtshof. Vor Beginn der Sitzung muß den Richtern ?in Geschenk, „das Mundöffnen" dar gebracht werden, das aus Schafen, Zit zen, Zeugen oder auch aus Sklave« besteht. Hat eine Partei kein richtige» Zutrauen zur Gerechtigkeit ihrer Sache and befürchtet sie verurtheilt zu werden, so überreicht sieden Richtern außer dem Neschen! des MundöffnenS noch da» Neschen! um Gnade, das bedeutend verthvoller ist. Sie darf dann ziem lich sicher auf ein günstiges Urtheil rech nen, wenn nicht die Gegenpartei einen süchtigen Anwalt oder mächtigen Gön ner hat. Bei dem tief eingefleischten Glauben in Zauberei, der alle unangenehmen Zreignisse für einen Ausfluß derselben hält, ist es natürlich, daß die Leitung zeS Gerichtsverfahrens oft in den Hän den des Medizinmannes, als des Sach verständige», ruht. Bei den Kafferz haben sich zur Ermittelung des Schul digen sämmtliche Bewohner des OrteS im Halbkreis niederzulassen, während »er Hexendoktor mit seiner Gefolgschaft den Kreit vervollständigt. Hat er sich in die nöthige Begeisterung versetzt, so wirst er sich plötzlich zu Boden und lriecht nun auf die scheu am Boden dauernden zu. Er will de» „Zauberer" herausriechen. Und natürlich gelingt ihm das. Sowie er den Schuldigen mtdeckt hat, kommt es nur darauf an, diesem ein offenes Gestündniß zu er preffen, wofür man sich verschiedene niedliche Folterarten zurecht gelegt hat. Vielfach in Anwendung kommen zur HerauSsinduug des Schuldigen die Or dalien, die Gottesurtheile. In der Gegend der Sierra Leona bedient man sich gewöhnlich eines Trankes, der mit iem Bitterwasser viel Aehnlichkeit hat und das rothe Wasser genannt wird. Ast Jemand der Zauberei oder de» Diebstahls angeklagt, so erbietet er sich, um seine Schuldlosigkeit zu beweisen, das rothe Wasser zu trinke». Der An-- geklagte wird zuerst feierlichst ermahnt, sein Verbrechen zu gestehen. Dann läßt man ihn sich den Mund mit Was ser ausspülen, damit er nicht ein Ge genmittel verborgen halten kann. Da rauf muß er ein Stück Kolanuß ver schlucken und nun wird ihm der Trank in einer Kürbisschale gereicht. Acht, zehn und zwölf Mal hintereinander muß er ebenso schnell das rothe Wasser hin unterstürzen, als es in der Flasche nach gefüllt wird. Der Trunk soll als Brechmittel wir ken, und es kommt darauf an, daß der Angeschuldigte das verschluckte Stück Kolanuß wieder von sich giebt. Läßt der günstige Ersolg auf sich warten, so versäumen es die Freunde des Ange klagten nicht, an ihn heranzutreten und ihm in einem langen Sündenregister alle seine kleinen Vergehen und Ver schulden aufzuzählen, deren sie sich nur entsinnen können. Es herrscht nämlich die seste Ueberzeugung, daß das rothe Wasser so lange ohne Wirkung bleibt, als nicht alle Verstöße gegen Recht und Sitte offen gebeichtet sind. Mit dem Bewünschten Erfolg ist der Angeklagte srei, andernfalls wird er, wenn er nicht an dem edlen Tranke stirbt, mit einer Strafe, die der Schwere des entdeckten Vergehens angemeffen ist, belegt. Das Pech. Radfahrer: Aber ich habe doch ein Pech, das gar nicht zu beschreiben ist! Lasse ich mich da vor zwei Jahren in der Unfallversicherung mit einer hohen Summe versichern und jetzt Herr: Na, ist Ihnen was pas firt? Radfahrer: Eben noch gar nichts, das ist ja mein Pech! Verleumdung. Vater: Sie behaupten also, daß mein Sohn nie mals AbendS betrunken heimkommt. HauSwirthin: Nein, er kommt immer erst Morgens! Durch muß er. Student (vor dem Examen): Komm' ich durch, so putz' ich alles durch undsall' ich durch, so brenn' ich durch! In der Freundschaft ver schenken wir unser Herz iu der Lieb« nimmt man es uns. Nicht Klavier spielen ist ein ebenso seltenes wie liebenswürdiges Talent. Das Verdienst vieler Männer besteht einzig uud allein darin» ihre Frau geheirathet zu habe». 3
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