6 Schicksalsfügungen. Eine an der kahlen Wand hängende Bergmanns-Lampe erhellte mit trübem Schimmer ein niedriges, enges Gemach, das die beiden Betten und zwei Koffer sast ganz ausfüllten. Auf den Koffern saßen zwei junge Männer. Alfred, der Ältere, ein Mann von starkem, plum liem Körperbau, mit aschblondem Haar und Schnurrbart, kleinen, hellgrauen Augen und bleichem Gesichte, welches von den in die Haut gedrungenen lentheilchen wie mit blauschwarzen Punkten und Striche» tätowirt erschien/ war damit beschäftigt, die durchgerie benen Stellen einer Hofe auszubessern. Konrad. feinem Kollegen, konnte man selbst in der groben Kleidung den Berg mann nicht ansehen. Seine schlanke Gestalt, die kleinen Hände und träume risch blickende» Augen paßten nicht zu der rauhen Beschäftigung eine? solchen. Mit einem erstaunten Blick aus sei nen müßigen Gefährten sprach Alfred: „Weißt Du nicht, daß Deine Lampe «inen neue» Docht haben niuß ? Wa rum machst Du ihn nicht hinein ?" Konrad blickte ihn schweigend und finster an, erhob sich langsam, holte aus der Tasche seines Rockes einen Knäuel Werg, schnitt ein Stück davon ab und nahm die kleine Zinnlampe, welche an einer Kappe besestigt am Bettpfosten hing, versuchend, den Docht durch die Dnile zu blasen, welches ihm aber nicht gelingen wollte. „Donnerwetter!" sprach Alfred, „bist schon drei Monate Kohlengräber und kannst noch nicht 'mal einen Docht in die Lampe machen? Gib her!" Konrad that, als habe er diese Worte nicht vernommen. Mit einem Stück Papier reinigte er die Lampe von der innen klebenden öligen Masse, und nnn gelang es. Nachdem er sie wieder an ihren Platz gehängt hatte, trat er vor seinen Kollegen hin uud sprach: „Alfred, ich will Dir'mal was sagen; künftig sprichst Du nicht mehr zu mir in diesem befehlenden Tone, verstanden? Ich habe es satt, mich »och länger von Dir kujoniren zu lassen; ich ver stehe meine Arbeit gerade so gut wie Du, und will nicht länger Dein Lehr junge spielen, hörst Du, ich will nicht!" 'Alfred zog eine Pfeife aus der Tasche, zündete sie an, blies dichte Rauchwollen von sich nnd sprach: „Also, das ist der Dank dafür, daß ich in San Francisco die Gebühren beim Stellenvermittler für Dich bezahlt das Reisegeld bis hierher vorgestreckt uud Dich Bergmann angelernt habe! Ja, ja/Undank ist der Welt Lohn." „Dank!" entgegnete Konrad bitter, «also, noch Dank verlangst Du ! Habe ich Dir nicht jeden Cent zurückerstattet ? Hast Du nicht wählend der Zeit unse res ZusammenarbeitcnS von unserem gemeinsamen Verdienst stets den Bä renantheil genommen? In der letzte» Zeit hast Du täglich wenigstens einen Dollar an mir verdient, nnd da bean spruchst Du noch Dank?" Alfred hatte sich erhoben und war zur Thüre getreten. „Du bist eiu Narr !" sprach er und schritt hinaus. Mit einem zornig-schmerzlichen Seuf zer ließ sich Kourad auf die Kante fei nes Bettes nieder. Ja, sein Mitarbeiter hatte eigentlich Recht, er war ein Narr gewesen. Wa rum hatte er New Hork verlassen, wo er eine angenehme, seinen Kenntnissen angemessene Stellung innegehabt? Ge stachelt von jugendlicher Abenteuer-und Reiselust hatte er sie leichtsinnig aufge geben nnd war nach Cnlifornien gereist. DaS erhoffte Glück war ihm hier aber fern geblieben; ja, ja, als feine Mittel erschöpft waren, hatte er nicht einmal «ine angemessene Stellung sinden kön nen. Die schwere Arbeit in der Mine konnte er aus die Dauer nicht aushal ten, das fühlte er. So lange nur wollte er bleiben, bis er Reisegeld hatte, nach dem Osten zurückzukehren. Draußen heulte der Novembcrstnrm und die Wände knisterten. Es fing an, ihn zu frösteln, weshalb er sich zu Dett legte. Ungefähr Mitternacht war es, als Alfred zurückkehrte. Konrad vernahm sein halblautes, lallendes Singen, sein Hcrumtasten »ach der Klinke uud schloß daraus, daß er bei Browns gewesen, der größten Wirthschaft im Städtchen. Mit lautem Gepolter trat er in's Aimmcr. Nachdem er einige Streich hölzer angebrannt hatte, deren jedesma lige Ausgehen er mit einem derben Fluch begleitete, gelang es ihm endlich, die Lampe anzuzünden. Daiu» trat er an Konrads Bett und ries: „Halloh! altes Haus, schläft Dv schon?" Keine Antwort. Als er die Lampe nun ganz nahe an "das Gesicht des anscheinend Schlafenden hielt, schlug dieser die Augen auf und sprach unwillig. „Laß mich in Ruhe!" „Hoho, thue man nicht so! Hier hast Du einen Glimmstengel!" „Ich will Deine Cigarre nicht!" da mit drehte er sein Gesicht nach der Wand. „Also Dn willst nicht! Na, auch gut!" entgegnete Alfred, setzte die Lampe hin, nachdem er seine Cigarre daran angezündet hatte, und streckte sich auf sein Bett nieder. „Höre 'mal, Junge," begann er nach einer Weile, „ich habe da eine Entdeckung gemacht nämlich da un ten bei Browns Store wohnt ein Deut scher, mit Namen Müller. Ein Pracht kerl, sag' ich Dir, ich traf ihn in der Wirthschaft. Wir tranken verschiedene Runden zusammen und dann nahm er mich mit nach seinem Hause. Bon seinen sechs lungens arbeiten schon drei in der Grube. Und dann hat er ein Mädel, heißt Anna, uud ist acht zehn Jahre alt. Ist was Feines, sag' ich Dir, ein Prachtmädel, und unge heuer gescheidt. Letzte Woche ist sie «st von San Francisco micderaelom- men, wo sie einige Jahre bei ihre« Taste gelebt hat. Sie hat da Vieles gelernt und spricht wie gedruckt, sag' ich Dir!" Konrad blieb stumm. Du, weißt Du was, ich Heirathe das Mädel, ich thu's, sag' ich Dir!" Diesmal ertönte ein leises, spöttisches Lachen. „Brauchst nicht zu lachen! DaS ist mein Ernst! Warte, bis Du das Mädel mal' siehst." Eine Woche darauf hatte Konrad endlich dem Drängen feines Collegen nachgegeben und ihn zu Müllers be gleitet. Die ganze Familie, außer den drei ältesten Söhnen, war in dem von einer großen Kuppellampe erhellten Raum anwesend. Breitspurig ging Alfred auf das junge Mädchen los, welches, wie ihre Mutter, mit Handarbeit beschäftigt, dieser am Tische gegenüber saß, und streckte ihr seine große, plumpe Hand hin, worin sie. etwas zögernd, die Spitzen ihrer schlanken Finger legte. Dann reichte er über den Tisch herüber, wobei er beinahe die Lampe ninstieß, seine Hand der Hausfrau hin und trat zuletzt zu dem Alten, welcher, anf einem verschossenen Sopha ruhend, sein Pfeif chen rauchte. Nachdem er auch diesem vertraulich die Hand geschüttelt hatte, ließ er sich gemächlich aus einen Schau kelstuhl niederfallen. Konrad war in der Erwartung, von Alfred vorgestellt zu werden an der Thüre stehen geblieben. - Endlich, nachdem Alfred mit lauter Stimme die Kinder zu sich gerufen und mit vielem Geräusche jedem eine Düte „Candy" geschenkt hatte, deutete er mit seinem Daumen nach Konrad und sprach: „Das ist der, den ich angelernt habe!" Dem also Vorgestellten schoß das Blut in's Gesicht. Er trat vor und sprach, sich verbeugend: ~Die Damen werden erlauben : da mein College meinen Namen verges sen zu haben scheint, mnß ich mich selbst vorstellen, ich heiße Konrad Hein rich!" „Schüchtern blickte die Ha»Ssrau zu ihm aus und murmelte einige unver ständliche Worte. Ueberrascht auch blickte das junge Mädchen auf. Als ihr erstaunt fragender Blick den seinen tras, stieg eine leise Röthe in ihre Wan gen. Alfred brach in ein laut-s Gelächter aus. ~Ja, ja, der Konrad versteht's! Der war scho» 'mal Student und Federfuch ser!" Konrad schwieg. Der auf dem Sopha rufende alte Kohlenminer war von großer, etwas gebeugter Gestalt. In dem bleichen, von einem braunen Vollbart umrahm ten Gesichte leuchtete die Nase in dunk ler Nöthe. Seine Frau war eine jener schmächtigen Wesen mit sorgenvollem, verschüchtertem Ausdruck um die Lip pen, die zu gehorsamen Gattinnen ünd Müttern vieler Kinder bestimmt zn sein scheinen. Von ihrer Tochter hatte Alsred nicht zu viel gesagt; sie war schön, Ihre Gestalt war schlank und zierlich. Eine Fülle gelbbraunen Haa res, in dichten Flechten zusammenge schlungen, ruhte wie eine schimmernde Krone ans ihrem Haupte. Die matte Nöthe der Wangen belebte die reine Weiße ihres Antlitzes. Und wie schön waren diese rehbraunen Augen mit dem sansten, seelenvollen Ausdruck. Nur etivas zu ernst für ihre Jahre blickt-» diese Augen, dachte Konrad. Alfred hatte die ganze Unterhaltung an sich gerissen und erzählte mit großer Weitläusigleit nichtssagende Geschichten, wobei das „Ich" eine große Rolle spielte. Er berichtete von seinen reichen Ver wandten in Deutschland, erkundigte sich angelegentlich, ob die „First National Bank" in San Francisco, wo er zwei tausend Dollars stehen habe, auch zu verlässig sei. Dann machte er Andeu tungen, daß er bald zu Heirathen ge dächte und schon ..Eine" auf'm „Visir" hätte, wobei er ver.tändnißinnig zu Anna hinüberblinzelle. Konrad sah, wie ihre Lippen sich bei diesen verblümten Anspielungen ver ächtlich kräuselten. Er selbst sprach wenig. Nur hier und da warf er eine Bemerkung hin, deren seine Ironie nur von Anna ver standen wurde. „Jetzt mach 'mal .Schicht', Alfred," unterbrach der Alte endlich den Red seligen, „Deine Zunge muß doch trocken sein wie ein Lampendocht ohne Oel, ich habe ja vom bloßen Anhören schon rie sigen Durst gekriegt; wart', ich will 'mal sehen, ob's noch läuft." Damit entfernte er sich und kehrte nach einer kleinen Weile mit einer gro ßen, mit Wein gefüllten Blechkanne zu rück. Anna hatte unterdessen drei Gläser aus den Tisch gestellt. Müller schenkte ein. Alfred räusperte sich und wollte of'eibar einen Trinkspruch ausbringen, doch ehe er so weit kam, hatte der alte Miner sein Glas schon geleert, und er folgte seinem Beispiele. Konrad nipvt nur ein wenig von dem Weine. „Hallo Landsmann." ries der Alte, „was ist denn das? Austrinken'/' „Ich danke," entgegnete Konrad freundlich, doch bestimmt, „die Gläser sind sehr groß, dies ist genug für mich ich bin den Wein nicht gewöhnt!" „Was? Ein Gläschen?" „Ach, der stellt sich nur so an," lachte Alfred hämisch, „er will den.Feinen" spielen. Schenk ein —so, hier Prosit, ans das geehrte Wohl der Weibs leut'!" Mit dem Abnehmen des Inhalts der Llechkanne steigerte sich die Gesprächig keit Alfreds. Seine Verwandten wur den immer reicher, sein Geld auf der Lank war bereits auf 3000 Dollars ge stiegen und seine Andeutungen über sein „Mädel" wurden immer kühner und unverblümter. ,WaS meint Ihr, sollen wir nicht 'mal zu Browu's gehen?" unterbrach ihn der Alte endlich, „eine kleine oap" könnte nicht schaden, Schnaps auf Wein, das ist fein!" „Wir sind dabei," entgegnete Alfred, „nicht wahr, Freund?" „Ich nicht!" entgegnete dieser nach drücklich, „es ist schon spät!" Ein warmer Dankesblick aus den Augen der Frauen lohnte ihm diese Weigerung. Alfred machte noch eine hämische Be merkung, wagte aber nicht, dem Wun sche des Alten zu entsprechen. Bald daraus brachen sie auf. Nachdem sie eine Weile schweigend nebeneinander fortgeschritten waren, fragte Alsred, „Nuu, was sagst Du nun? Hatte ich nicht recht, ist'S nicht ein seines Mädel? Hast Du nicht bemerkt wie sie roth wurde, als ich vom Heirathen sprach? Merkste was. heh?" „Ja. ja," entgegnete Konrad sarka stisch, .„ich muß sagen, Du hast einen tiefen Eindruck auf sie gemacht!" Dreimal lud Alsred seine» College» noch zum Mitgehen zu Müller's ein, dann aber nicht mehr. Trotz seiner Einbildung und dem festen Glauben an feine Uiiwiderstehlichkeit konnte er sich einer geheimen Eisersucht nicht erweh ren, wenn er sah, wie Anna ihn kaum eines Blickes würdigte, sich aber desto lebhafter mit Konrad unterhielt. Als dieser ain vierten Abend nicht mitkam, fiel es ihm auf, daß „sein Mädel" gleich nach seinem Erscheinen Kopf schmerzen bekam und sich auf ihr Zim mer zurückzog. Konrad stand am folgenden Morgen anf, als es eben anfing zu tagen. Al fred schnarchte noch im festen Schlafe. Obschon es nicht kalt war, überlief ihn doch ein leises Frösteln, als er die von Kohlenstaub und Schweiß steisen und feuchten Kleider anzog. Nachdem er das aus Hafergrütze und dünnem Kaffee bestehende Morgenmahl zu sich genommen hatte, machte er sich auf den Weg zur Mine. Der Tag war völlig angebrochen, doch herrschte zwischen den haben Hügelketten noch graue Dämmermig. Hier und da stieg ans deni Kamin eines Bretterhauses eine gelbe Rauchwolke empor. An den Schlackenhügeln der verschiedenen Zechen tanzten blaue Flämmchen, stellenweise leuchtete eine rothe Gluth durch die schwarze Kruste, ein unangenehmer schwefeliger Dunst erfüllte die Luft. Fern aus de» Wellenlinien der Hügel ragte» die zackigen dunkelblauen Höhen des Mannt Diablo. Einzelne Miner. das Gesicht wie ihre Kleider schwarz und schmutzig, kamen langsam die unebenen hügeligen Straßen herab. „Sie haben wenigstens den Vortheil," dachte Konrad, „daß sie den goldenen Sonnenschein genießen können. Für mich gibt es mir eine Morgen- und Abenddämmerung, was dazwischen liegt, ist Nacht." Es wurde ihm so seltsam weh uin's Herz; er verspürte eine wahre Sehn sucht, einmal die liebe Sonne zn sehe». Als er mühsam den steilen Pfad er klommen hatte, welcher bis zur Mitte eines hohen Hügels cinporführte, ge langte er auf ein fchmalspuriges Ge leise, woraus in kleinen Waggons die Kohlen von der Mine zum Verladungs ort befördert wurden. Statt demsel ben aber zu folgen, kreuzte er es und stieg noch höher zwischen dem Gestrüppe empor, nnd ließ sich endlich ans einem Felsblock nieder. Gerade hinter dein Hügelkamme vor ihm mußte die Köni gin des Tages emporsteigen. Schon glühte es hinter der einsamen Tanne, welche ihren Gipsel krönte, wie flüssiges Gold, und endlich zitterte ein leuchten der Strahl warm in Konrads Antlitz. In vollen Zügen trank er die reine Morgenluft. „Was machst Du denn da?" erscholl plötzlich Alfreds Stimme von unten, „vielleicht einen Morgengruß zu Anna Müller hinunterwinken ?" „Du bist nicht gescheid!" entgegnete Konrad ärgerlich, und stieg zum Geleise hinunter. Bald lag die dunkle Oeff nung, welche in den Berg hinein führte, vor ihm. Nachdem er sich aus der Schmiede zwei Picken geholt und seine Lampe an gezündet hatte, betrat er den Oner fchlag. Zuweilen stolpernd, schritt er langsam auf dem Schienengeleife vor wärts, feine am Sonnenlichte geblende ten Augen mußten sich erst an die dichte Finsterniß gewöhnen, in welchem das trübe Lampenlicht nur einen engen Kreis erhellte. Dumpf hallte das Echo feiner Schritte zurück. Die Atmosphäre wurde schwül und drückend. Um die Lampe bildete sich ein röthlichfahler Dunstring. Endlich zeigten sich in dem bläulichen Gestein die ersten schräg auf steigenden Kohlenadern. Als er nun sein Ziel erreichte, und auf Händen und Füßen in der schräg aufwärts führen den backosenähnlichen Oeffnung enipor kroch, hallten schon die dumpfen Stöße von Alfreds Drill an sein Ohr. Gleich darauf gewahrte erden «Schimmer seiner Lampe zwischen den niedrigen Pfosten hindurch, welche in den ausgearbeiteten istollen die Decke stützten. Alsred hielt mit seiner Arbeit inne, wischte sich den Schweiß von der Stirne und sprach: „Donnerwetter, Du scheinst heute wohl viel überflüssige Zeit zu haben. Ich habe schon über einen Fuß tief ge drillt. Du kannst noch ein wenig in den Ecken loshacken, damit die ganze Geschichte herunter kömmt. Sie hatten nämlich am Tage vorher bereits die drei Fuß dicke Kohlcnschichte vier Fuß in der Länge und Breite zum Drittel nnterminirt, ein gut ange brachter Schuß mit Sprengpulver uuter der Decke, wozu Alsred das Loch bohrte, mußte die ganze obere Lage loslösen. „Da hinein krieche ich nicht mehr," sprach Konrad, nachdem er mit der Picke unter die obere Schicht geklopft nnd den hohlen Klang vernommen hatte, „das kann jeden Augenblick her unter kommen." Alfred lachte höhnisch auf. „Schöner Bergmann; bei Müller'S Anna kannst >Dn den Helden schon spielen, aber hier bist Du der reine Angsthase. Die Schicht hier kömmt in sechs Wochen noch nicht herunter!" „Darauf wollte ich aber nicht schwö ren", erwiderte Konrad ernst; „wenn irgendwo ein Schuß gefeuert wird, kann sich durch die Erschütterung leicht ein Stück loslösen. Wir könnten sichtshalber einige Pfosten unter die Kante legen." „Ach Unsinn!" brauste Alfred zornig auf, „wenn Du zu bange bist, mache ich s. Hier, bohre das Loch weiter!" Damit wollte er Konrad die Picke ans der Hand nehmen, doch dieser riß sie hestig zurück. „Laß mich!" sprach er kurz, „ich will Dir zeigen, daß ich nicht bange bin!" Er legte sich platt auf den Boden und kroch unter die Kohlenschicht. Auf der Seite liegend begann er, nachdem er die Lampe vor sich hingestellt hatte, in die svröde Masse hineinzuhacken. Bald glaubte er ein leises Knistern zu ver nehmen und hielt lauschend inne. „Paß auf, jetzt kommts," bemerkte Alfred in spöttischem Tone. Im sel ben Momente krachte ein donnerähnli cher Schlag, welcher dumpsdröhiiend die Gänge durchbebte. ES war ein Schuß gefeuert worden. „Nun, ist'S heruntergekommen?" höhnte Alfred weiter. Konrad blieb stumm. Schlag auf Schlag fuhr seine Picke in das schwarze Mineral. Wieder ertönte ein leises Knistcrn, er achtete aber nicht darauf. Noch zwei Schläge, nnd dann ein dumpfes Krachen. Die Lampen waren verlöscht. Einen Augenblick herrschte Todtenstille in dem grabesfinstern Raum. Dann erschallte ein schrecklicher Schrei von den Lippen Alsreds. Von allen Seiten tauchten Lampen auf, dunkele Gestalten kamen herangekrochen. Alfred lag auf seinen Knieen, und starrte mit weitgeöffneten Auge» aus die schwarze Kohlenmasse, worunter sich nichts regte. Ein alter Kohlengräder leuchtete mit der Lampe näher. „Hier Jungens, die Kohle ist über ihn gebrochen, blos die Kante liegt noch auf ihm; angepackt hier!" Zwei Mann sprangen Hinz» und hoben das schwarze Stück ans, während der den Verletzten darnn ter hervorzog. „Lebt er?" fragte Alfred ängstlich; a»f seiner Stirne standen große Schweiß tropfen. Der Alte legte sein Ol>r an die Brust des jungen Mannes. „Sein Herz klopft noch, glaube ich!" Behutsam schleppten zwei Mann den Bewußtlosen zum Querschlag hinab. Dort wurde er iu einen Wagen gelegt, uud mit dumpfem Rolle» gings zum Ausgange, Alfred folgte. Seine Lampe hatte er vergessen, seine Kappe verloren, aber er merkte es nicht. Am folgenden Morgen fuhr auf dem Wege nach Antioch, der nächsten Eisen bahnstation, langsam ein von zwei Pferden gezogener Farmwagen. Vorne saßen zwei Männer, und hinter ihnen in Decken eingehüllt, ruhte auf einer alten Matratze, die bleiche Gestalt Kon rads. , Er sollte nach San Francisco in's Hospital transportirt werden. Bei jeder Erschütterung entfuhr seinen Lip pen ein leises Stöhnen ; wie mit schar fen Messern schnitt es ihm durch Mark uud Bein. Seine Augen starrten in die Luft empor, aber sie sahen nichts von den goldenen Wolkengestalten im blauen Aether. Seine bleichen Lippen bewegten sich zuwijilen, und murmelten die Worte: „O Gott, nur keinen Krüppel laß mich werden, nur das nicht —lieber laß mich sterben !" Vier Monate,sind seitdem vergangen. Der Frühling hatte Hügel und Thal mit smaragdgrünem Teppich bedeckt, mit goldenen Blumensternen geschmückt. Um die Mittagszeit fuhr eine Hotel kutsche aus Antioch vor Hollowood'S Boardinghouse in Somersville vor. Mit Hilfe des Kutschers entstieg dersel ben ein junger Mann. Es war Kon rad, welcher, auf einen Stock gestützt, langsam dem Hause zuschritt. Er hatte Glück gehabt bei all seinem Unglück: zwar schwere innerliche Ver letzungen davongetragen, aber leine Knochen zerbrochen. Wochen vergingen. Konrad wurde von Tag zu Tag kräf tiger. Mit Alfred sprach er selten, auch mied ihn dieser so viel wie möglich. Von Müller's wurde kein Wort zwischen ihnen erwähnt, obschon Konrad dort täglich auf feinen Spaziergängen ein kehrte, was Alfred, der fast jeden Abend hinging, doch erfahren mußte. An einem freundlichen Sonntag- Nachmittage spazierte Konrad an Brown's Wirthschaft vorbei. Als er so von ungefähr einen Blick durch's Fenster warf und den alten Müller und Alfred zusammen beim Glase sitzen sah, umspielte ein zufriedenes Lächeln seine Lippen. Langsam ging er weiter und gelangte an das ihm so wohlbekannte Häuschen. Frau Müller und ihre Tochter saßen im warmen Sonnenschein vor der Thür. Lächelnd und erröthend erwiderte Anna den Gruß des jungen Mannes. Ihre Mutter holte einen Stuhl herbei und lud ihn freundlich zum Sitzen ein. „Ich danke Ihnen, Frau Müller. Sind sehr freundlich, aber heute möchte ich mich nicht so ganz der Ruhe hin geben. Wie es gekommen, weiß ich nicht, aber ich habe mir nun einmal in den Kopf gesetzt, zu versuchen, ob ich dort jenen Hügel nicht ersteigen kann. Gelingt es mir, so hänge ich meinen Krückstock an den Nagel. Da aber der Versuch vielleicht nicht ganz unaeführlich ist, dürfte ich Sie bitten. Fräulein Anna, mein Schutzengel >u sein mich zu begleiten?" Eine Viertelstunde später wandelten die beiden jungen Leute langsam in weitem Bogen den mit LebenSeichen und Tannen gekrönten Hügel hinan. Beide waren in stillen Betrachtungen versun ken, wie es schien, denn Keiner sprach ein Wort. Als sie endlich an einen nmgcwehtcn Baumstamm gelangten, fragte Konrad: „Wie wäre es, wenn wir hier ein wenig ausruhten? Ich bin doch noch etwas schwach!" Damit ließ er sich auf den Stamm nieder. „Wollen Sie sich nicht an mein« Seite setzen, Anna? Bitte!" Tief erröthend bei dem seltsamen Klange seiner Stimme kam sie seinem Wunsche nach. Ringsum herrschte feierliche Sonn tagsruhe. Nur in den leise säuselnden Tannenwipfeln zwitscherte zuwailen ein munterer Bogel. Die Luft war rein und warm uud dnftend. Ferne, wo die Hügel sich senkten zum dämmernden Thale, schimmerten die blauen St eisen des Sacrameiito- und San Joaquin- Flusses. Konrads Augen waren groß und leuchtend auf das schöne Antlitz seiner Gefährtin gerichtet. Wie magnetisch angezogen, schlug sie ihre Augen zu ihm anf. Sie ahnte wohl selbst nicht, welche unbegrenzte Hingebung aus den braunen feucht schimmernden Sternen strahlte. Er nahm ihre Hand »nd sprach mit vor Zärtlichkeit bebender Stimme: „Anna mein Alles! —Du weißt, daß ich Dich liebe schon lange aber ich wagte nicht, es Dir zu sagen was konnte ich armer Krüppel Dir bie ten? Jetzt aber erhalte ich nicht nur meine Gesundheit wieder—ich habe auch Stellung »nd Verdienst, am ersten J»»i trete ich bei Mister Brown als Clerk ein und dann Anna—darf ich Dich fragen: willst Du mein geliebtes kleines Weib werden?" Sie lehnte ihr Haupt an seine Brust, und als er es sanft zurückbog. funkel ten zwei Thränen an den dunkeln Wim pern. Er knßte sie fort und fragte flüsternd: „Mein Lieb?" „Ach Konrad, ich bin so glücklich," hauchte sie. Innig küßte er sie auf den Mund. Nach einer Weile sprach er: „Weißt Du auch, daß mein College Alfred morgen das Städtchen verläßt? Das ohne meinen Willen verbreitete Gerücht, daß er Schuld an meiner Ver letzung trage, scheint ihm unangenehm zu wxrden," „Ö, wie freue ich mich," erwiderte Anna, „in seiner Nähe wurde mir im mer so unheimlich zu Muthe!" „Merkwürdig," fuhr Konrad sinnend fort, „das Schicksal verschlug mich nach diesem einsamen Erdenwinkel, wel cher, wie es schien, die Wiege meines Elends geworden, den ich nur als un glücklicher Krüppel verlassen sollte; und jetzt habe ich hier das Glück meines Le bens gesunde» wahrlich, eine merk würdige Schicksalsfügung!" Die stotternde Zeugin und der un geduldige Herr Richter. Das Verhör beginnt: „Heißen? —" „The--The—" „Heißen Thee? Gibt's hier nicht." „Wie Sie heißen? —" „The—The—The —" „Zum Donnerwetter!—" (Gerichtsschreiber zu Hilfe kommend, entziffert aus den Acten:) „The—rese Tu—del.—" „Ach so; da Hütten wir lange warten können, bis die mit ihrer Tudelei herausgekommen wäre." „Weiter! Stand?—" „Ma-Mar-Marl—- „Raus damit! Marquise werden Sie doch nicht sein! Also Mark—" „Mar Markthalle Num Num mer!—" „Aha! In der Markthalle haben Sie .Ihren Stand. Gut. Danach srage ich aber nicht, w o der Stand ist. son dern wie? Nun bitte, aber fix! —" „St —Sti—Stin—" „Stinte? Wie? Hm! Fischhandel, nicht wahr?"— „St—stin —Stinkt sehre, so---so dichte bei'n K—Käse —" „Wie es bei Ihrem Geschäft riecht, geht uns nichts an. Geben Sie end lich Ihren Stand an! Da Sie nahe bei den Käsefritzen sitzen, so sind Sie wohl Butterhändlerin?" „St —St—Sti—" „Schon wieder Stint?" „Nee. Sti—Stimmt." „Es stimmt. Na Gott sei Dank! Nicht Stinte, sondern Butter. Alt? „I, werd ick—ick denn von A—Al— Alt—" „Ach, dumme Ziererei. Sagen Sie es!" „A—alte Butter n—nie nich—" „Haha! Na, ich sehe schon, heute buttert das nicht. Herr Lehmann, sehen Sie doch 'mal nach, wie alt die Verson ist zc." Se.rvilismuS in der I o Ppe. „Was ist denn, ist's recht kalt draußen?" „Wohl, wohl, Herr Obersörschta, 's is' recht kalt draußt!" „Also muß man sich recht warm anziehen?" ~A' jo! Warm anziag'n muaß ma' si' scho', Herr Obersörschta!" „Aber gar so' kalt kann's doch nicht sein?!" „No. g rad gar so kalt is's aa' nöt, Herr Obersörschta!" „Da wird man den Pelz vielleicht gar nicht brauchen?" „Freili', koan Pelz braucht ma' nöt, Herr Obersörschta!" „Am Ende braucht man den Lodenrock auch nicht?" ~A' beileib', 'n Lodenrock braucht ma' nöt!" „Na, da muß es ja ganz warm draußen sein?!" „Fccili' wohl, Herr Obersörschta Der ganze Schnee ja auf!" In Grönland« EiSwüsten. Daß Marinelieutenant Peary von der Bundesflotte, welcher vor Monaten unter den Segenswünschen der ganzen wissenschaftlichen Welt mit einem hal ben Dntzend kühner Gefährten vom New Borker Hafen aus iu See stach, um fei» Ziel, die nördlichen Eisfelder Grön lands zn erreichen, nach reiflicher Er wägung die von Dr. Fridtjof Nansen befolgten Pläne auch sür seiue Expedi tion zur Erforschung des unbekannten Innern und der vermutheten Nord küste Grönlands adoptirt hat, ist ein ntncr Beweis für die praktische Brauch barkeit des ohnehin durch den Erfolg gerechtfertigten Nanfen'schen Systems. Damals hat Nansen bald mittels norwegischer Schneeschuhe, bald auf leichten Schlitten über die unabsehbaren viele hundert Fuß dicken Eisselder des inneren Grönland in ost-westlicher Rich tung weggleitend, sich auch je nach der günstigen Windrichtung ansgcspannter Segel bedienend, seine kühne Fahrt, die erste dieser Art, über das völlig unbe kannte Land in unerhört glücklicher Weise vollendet. Die oft genug entsetz lich stürmischen Nächte verbiachten die kühnen Männer in ihren warmen und wasserdichten Schlafsäcken, durch ihre Zelte aus Rennthierfell nur gegen die stärkste Wuth oes heulenden Schnee sturms, der nicht felten zum Orkan ausartete, und nur ungenügend ge schützt. Die bisherige Annahme, daß Grönland eine Art polarischen Alpen landes mit himmelragenöen Gipfeln und Bergketten sei, hat durch Nausens Ersahrungen einen starken Stoß erlit ten und nicht zum Schaden des Ent deckuugseisers. Denn selbst die felsige Gebirgsnatur Grönlands zugegeben und ans diese läßt sich aus der eisfreien Küstenforma tion schließen. können die Erhebun gen des Innern keinensalls bedeutend sein. Die ungeheure Eismasse des In nern hat alle Berge. Spalten und Schlünde mit einem so gleichmäßigen Mantel überzogen, alle Unebenheiten derart nivellirt, daß Nansen auf feiner Fahrt die Spitzen der höchsten Erhebun gen (Nunataks von den Eskimos ge nannt) nur wie flache, winzige Jnfel chcn im Ocean das grandiose Einerle' der Eiswüste unterbrechen sah. " X o Ueber das gegenwärtige Stadium der Peary'schen Expedition lassen sich bei dem übrigens durchaus erklärlichen Ausbleiben aller Nachrichten nur Muthmaßungen anstellen. Der Zweck derselben ist bekanntlich, zn ergründen, ob die Meerenge nördlich von Grön land, welche sich zwischen diesem »nd dein nördlich vorgelagerten Grant- Lande hinzieht, nur ein tiefer Ein schnitt, eine langgestreckte Bucht, oder aber eine Durchfährt nach der östlichen Küste Grönlands bildet, m, a. W. ob Grönland eine Insel ist. Ist das letz tere der Fall, so ist damit zugleich die nördlichste west-östliche Durchfahrt ge funden. Die punktirte Linie gibt PearyS selbstvcrzeichnete Route an, die er mit dem Wiedererscheinen der Sonne über dem Horizont und dem Eintritt des arktischen Frühlings anzutreten ge denkt. Bis dahin verbringt die Gesellschaft den furchtbaren Polarwinter an der mit ~I's»r)bezeichnetenStelle nahe der Küste am „Whale Sound", durch einen vorgelagerten Hügel gegen die Stürme, die meist vom Innern heran brausen, nach Möglichkeit geschützt. Der Hauptzweck der Wintermuße besteht in der Vorbereitung für die Expe dition. Pearys Leute sind nicht, wieNansens wetterharte und kühne Gefährten, in der Kunst des Schneelauss bewandert. Sie müssen deshalb auf „Skilöbers" regelrecht gedrillt werden. In Norwe gen wird dieser «Port von Alt und ?lung eifrig geübt, und jeder junge Mann erreicht im pfeilschnellen Dahin gleiten über Eisfelder, im Uebersprin gen von Abhängen und Spalten eine an'S Fabelhafte grenzende Geschicklich keit, Ausdauer und Sicherheit. Am schützenden Abhang. In der letzten Woche des Februar erscheint der Sonnenball zum ersten Mal wieder über dem Horizont, und sendet seine feurig-rothen Strahlen über die ödeu Eisfelder und HummockS. Die Schrecken der langen Polarnacht sind damit zu Ende. ES ist anzuneh men, daß bereits Anfangs des April monats Peary und seine Leute sich auf gemacht haben, um der Lösung der schwierigen Ausgabe, der Erforschung der nördlichen Küste und des Humboldt- Gletschers, näher zu treten. Bei der Entführung. Fräulein (die von ihrem Entführer Nachts aus dem Fenster gehoben wird): „Bin ich Dir auch nicht zu schwer, Eduard?" Elkiard: „O, nicht im Geringsten; Du hättest ruhig noch einige Hunderl Thaler mehr mitnehmen können!" Ein TodeSurthetl. Wirth (eine diebische Katze verfol gend): „Warte, du Racker, auf der Speisekarte stehst du schon!" Bedenkliche Aufforderung. Fräulein Clly: „Nein, Herr Lieute nant, es war entzückend auf unserer großen Reise;, was hab' ich nich. Alle» gesehen, es war himmlisch! Und wissen Sie, das Reisen bildet doch sehr, ohne Spaß. Sie sollten doch auch einmal iine größere Reise machen!" Enttäuschung. <SichNlch,> Hell zogen Sommerfädchen Wohl iber Stadt und Land Da sah ich Sie ä' Mädchen, Ihr Hindchen an der Hand. Ae' kleenes Semmelkriemchen Auf ihrem Jäckchen ruht', Ae' gelbes Gänfebliemchen Nickt' stolz von ihrem Hut. Sc nahm ä' Budderbemmchen Und biß vergniegt hinein : „Nee, so ä' hibfcheS Lämmchen Kann nur aus Bärne sein!" Ich that sc d'rum gleich fragen ; Doch was vernahm mei' Ohr? Ach, was se d'rauf.that sagen, Kam mer so schrecklich vor. Das Herz wollt' mer zerreißen Und 'S gab mer gleich en' Stich Das Madchen war aus Meißen.» Aus Bärne war se nich. Hm hm! „.. Ach, laß' mich mit der Liebe in Ruh'! Ich kenne auch :in Mädchen, das verlobt war! Den :rstcn Monat hieß es blos immer „Mein Otto", dann eine Zeit lang „Otto", hierauf plötzlich „Mein Bräutigam", schließlich nur Aioch „Er"!" —„Und letzt?" „Jetzt nennt sie ihn nur noch „Eduard"!" Großartig! „Sie, der Wald hat ein Echo — kolossal! Kaum hab' ch neulich Esel hineingernfen, hab' ich schon eine Ohrfeig' g'habt!" Angabe der Quelle. Ihr Hund hört nicht auf Sie.—Das hat er oou meiner Frau.
Significant historical Pennsylvania newspapers