k Boudoir ««» Eirku». Al» Fürst Nikolai WronSki, Ober stallmeister des Großfürsten U,» vom grünen Tisch aufstand, war er so unge wöhnlich bleich, daß keiner der Anwe senden sich des unheimlichen Vorgesühls einer Katastrophe erwehren konnte. Erst al» derselbe, ohne mit Jemand «in Wort auszutauschen, das Clublocal verlassen hatte, stellte sich die leichtfer tige Stimmung znm Theil wieder ein. „Pedanterie, reine Pedanterie!" „Nun, ein Pedant verspielt nicht hunderttausend Rubel an einem Abend." „Was will das sagen? Durch an hallendes Pech kann auch eiH>Harpago» nervös bis zum Exceß werden." „Wronski ist kein Harpagon." „Pardon, ich wollte Deine freund schastlichen Gefühle nicht verletzen. Aber ausfallend ist es doch, daß ein Millionär beim Verlust von hunderttausend Rubel die Farbe der feinsten holländischen „Die Millionen gehören der Fürstin, nicht ihm." „Das ist doch gleich." „Für Wronski nicht." Der Gegenstand diese» Widerstreit» der Meinungen schritt gesenkten Haup tes den Newski-Prospect entlang. Trotz der späten Stunde pulsirte noch mächti ges Leben in der Hauptader des nordi schen Palmyra. Breite Lichtströms überflutheten die vor den Schaufenstern aus und av wogeude Menge, die hellfar bigen Häusersronten schimmerten ma gisch, gleichsam selbstleuchtend im Lichte der eleltrischen Lampen. Wronski hatte diesmal keinen Sinn sür den Zauber des interessanten Straßenbildes. Er erhob nur flüchtig den Blick, trenn ihn Jemand, der es eilig hatte, allzu derb anstieß. Es war nur ein Gedanke, eine fixe Idee, die sein ganzes Bewußtsein als einziger Inhalt ausfüllte. „Wie konnte ich mich so weit hinrei ßen lassen?" murmelte er mehrmals halblaut vor sich hin. Nach halbstündigem, planlosen Um herirren bog cr endlich in eine stille, vornehme Seitengasse ein und betrat die Paradetreppe eines palastartigen Hau ses. Es war seine Wohnung, aber da» Hau» seiner Gemahlin der reichen Frau eines armen Magnaten. Die Thür öffnete sich geräusch'oS. Der majestätische Portier und ein Liv reebedienler verbeugten sich sast so ties wie vor einem Bekannten der gnä digen Frau. „Die Fürstin zu Hause?" fragte Wronski kurz. „Ihre Erlaucht geruhten soeben aus dem CirkuS zurückzukehren," antworte!» der Lakai. „Allein?" „Nein, mit Faabajew, der so fort weitergefahren ist." WronSki zuckle zusammen. „Dummkops!" sagteer barsch. „Man fragt Dich, ob die Fürstin eben keinen Besuch hat." „Erlaucht geruhen allein in ihrem Boudoir zu weilen." „Geh, melde mich." Der Diener ging mit verdutzter Miene. Es war ja schon lange nicht vorgekommen, daß einer der fürstlichen Ehegatten die Gemächer de» anderen betrat, außer wenn eS die Natur eine» Besuchs erforderte. Wronski begab sich in sein Cabinet. Er mußte lange warten. Seine Stim mung verdüsterte sich noch mehr. Vor drei Jahren hätte er eS nicht für mög lich gehalten, daß er feine Frau um eine Audienz zu bitten haben würde. Bor drei Jahren hatte er die üppig schöne Georgierin geheirathet, nicht weil, sondern obgleich sie eine Millio nenerbin war. Er hatte sich ängstlich vor Allein gehütet, waS in ihr und in der großen Welt die gegentheilige Mei nung erwecken konnte. Er harte die Gütergemeinschaft abgelehnt und war in seinen periönlichen Ansprüchen mäßig rücksichtlich Erlaubten geblieben. Und doch halte diese Scheu vor der Ent weihung reiner Liebe den ersten Anstoß nicht die Abneiqung des feinfühligen Europäers, sich in einem Glänze zu sonnen, zu dem er außer seinem histori schen Namen nichts beisteuern konnte. Dem ersten unaufgeklärt gebliebenen Mißverständlich war dann dauernde« Mißverstehen, die Zurückhaltung, die Entfremdung, dem Miteinander das Nebeneinander, den« Flitterwochenglück die aristokratische Musterehe gefolgt. Seu'zend erhob sich WronSki, als der Diener endlich meldete, Ihre Er lancht seien bereit, Se. Erlaucht zu em psangen. Beim Betreten de» von der Fürstin bewohnten Flügels regte sich in Wronski der alte Widerwille gegen di« überladene Pracht dieser Räume, in denen aiiatiiche Geschmacksnnreis« mit den Schätzen eine» Emporkömmling« Mißbrauch trieb. Die bunten, glitzern den Wände und die stark vergoldeten Möbel im Saal, dessen obere» Ende sich in eine Orangerie mit melodisch plät schernden Fontänen verlor,waren ihm so verhaßt, daß er beim Eintritt die Au gen schl-eßen mußte. Das „Boudoir" der Fürstin war ein kleines, in kostba ren Teppichen förmlich schwelgende» Prunkzimmer. Zu der hier herrschen, den Mischung von orientalischer Uep p gleit nno raisinirtem Pariser Luxus paßte die Erscheinung des schönen Wei bes, das halb liegeno aus einer Chaise loiigue saß. Der fein modellirte Wachs topi trug die edlen Züge des georgischen Tnpu»; der elegante Saloiumzuz stmiimte un/weiseldait von Worth. Ohne ihre bequeme Lage zu verän bern oder da» Modezonrnal, in dem sie gerade blätterte, b i Seite zu legen, strich die Fürstin die Asche von ihrer dusieaoen Papiercigarette und blickie fragend zumEintreleaden auf.Beim An blick seiner mrftörten Miene runzelt« sie leicht die Bronrn, und die feine» Nasenflügel bebte» wi« von verhalt«»«» Gähnen. Wronski berührte ihre Stirn flüchtig mit den Lippen und ließ sich auf einen Fauteuil nieder. „Ich muß Sie um eine Gefälligkeit bitten", sagte er leise, fast schüchtern. .Nun?" .Ich brauche fünfzigtausend Rubel". Die Fürstin zog die Brauen hoch; in ihr regte sich ein Tropfen de» ererbten Protzenblut». „Seit wann gehören Sie, Fürst, zu den Verschwendern?" rief sie Höhnisch. »Oder haben Sie wieder Spielschulden? Wie ich höre, sollen Sie in den letzten Tagen große Verluste gehabt haben, was bei einem so vorsichtigen Mann« o, bitte, ich denke nicht an den leise sten Vorwurf, ich bin ja selbst leicht finnig". Sie dürfen mehr al» ironisch sein, versetzte Wronski rauh. „Ich habe nicht nur den Rest meine» Vermögens verloren, sondern auch eine Summe, de nicht mir gehörte". „Darf ich fragen, wer Ihr Gläubi ger ist?" „Großfürst A." In den schwarzen, fast glanzlosen Sammetaugen der Georgierin leuchte e» seltsam auf. „Dann ist der Fall sehr ernst", sagte sie, und in der gedämpften Stimme bebte e» wie von heimlichem Frohlocken. „Ich bin verloren, wenn ich die Summe morgen nicht habe", murmelt« WronSki tonlo». Die Fürstin lehnte sich noch mehr zu rück und schloß die Augen. Im vollen Lampenlicht glich ihr Gesicht mit den regelmäßigen Zügen und dem matten Teint ganz und gar einer schönen wäch sernen Larve. Und plötzlich glaubte WronSki eine Vision zu haben. Indem er den Wachskops schweigend beobach tete, nahm er staunend wahr, daß ei» holde» Lächeln die starren Züge be lebte und sanfte» Rosenroth die blassen Wangen färbte. Nie hatte WronSki seine Frau so schön gesehen. Er mußte unwillkürlich seufzen. Sie öffnete die Augen. Die Vision verschwand. „Ich will Ihnen einen Vorschlag machen," begann die Fürstin in ruhi gem Tone. „Die von Ihnen benöthigte Summe ist nicht der Rede werth, aber der Schritt, den Sie darum thun muß ten, hat Ihnen ohne ZweifelZiel Selbst überwindung gekostet. Um Ihnen für die Zukunft alle Schwierigkeiten zu er sparen, bitte ich Sie, eine beliebige Summe, etwa eine halbe Millwn, z» Ihrer freien Verfügung anzunehmen bitte, lassen Sie mich ausreden; ich rechne auf einen Gegendienst. Ich ver» lauge, daß Sie in die Scheidung unse» rer Ehe willigen!" WronSki hatte einen Nadelstich er» wartet, keinen Dolchstoß. „Die orthodoxe Kirche gestattet keine Scheidung," stammelte er fassungslos. Die Fürstin lächelte überlegen. „So naiv sind Sie noch, Fürst? Das sind die Folgen Ihrer Scheu vor der großen Welt. In unserem Kreis« ist nichts unmöglich, am wenigstens eine harmlose Ehescheidung. Da» Rezept ist sogar öffentlich bekannt. Man braucht nur eine gewisse Situation, ein paar Zeugen, viel Geld, einen wohl wollenden Prälaten und die Schei dung wird vollzogen, allerdings mit dem Vorbehalt, daß der schuldige Theil nicht mehr Heirathen darf." „Und wer soll der schuldige Theil sein?" fragte Wronski, seine Frau schars ansehend. „Bei Ihrem notorischen Edelmuth versteht sich das von selbst," entgegnet« sie, ohne mit der Wimper zu zucken. „Was den anderen Punkt betrifft, so nehme ich an, Sie hätten in Ihrer er sten Ehe so üble Erfahrungen gemacht, dag Sie keine zweite einzugehen wün schen." „Aber Sie wollen sich mit Faadajew vermählen?" Vielleicht." WronSki war noch um eine Nuanc bleicher geworden. Ei» letzter Ref jener sinn bethörenden Leidenschaft, ini! der er einst um die strahlende Schönheil zeworben, rang in ihm mit dem auf. kochenden Ingrimm über ihren grausa men, nackten Cynismus. Er öffnete die Lippen und brachte keinen Laut heroor. DleFarstin betrachtete ihn blinzend,und da cr beharrlich schwieg, gähnte sie ner vös und suhr mit leise durchklingender Ungeduld fort: „Ich wundere mich. Fürst, daß mein LorMag Sie z» überraschen scheint. Nicht wahr, wir sind uns doch zur Ge nüge überdrüssig? Ich weiß, Sie sind Idealist, aber Sie werden einsehen, daß lin unerträglicher Zustand, der sich ir gendwie beseitigen läßt, nicht zu den »oihwendigen Uebeln gezählt werden dars. Ich betrachte mich als die indi rekte Ursache Ihre» finanziellen RuinS »nd bemerke nochmal», dag die Höhe der Entschädigung —" „Sie sind unverschämt!" rief WronSki jäh aufspringend. Er stürzte hinaus. In seinem Ka dinet schrieb cr mit hestig zitternder Hand ein Billet, da» er versiegelt und mit der Adresse des Großfürsten A. ver sehen auf dem Tisch liegen ließ. Dann zing er. Auf der verödeten Straße lochte es ihn eisig an. Einen Augen blick stand Wronski unschlüssig, nicht wissend, ob er sich recht« oder link» wenden sollte. Er hatte überhaupt keinen klaren Gedanken, nur ein dumpje» Nesühl, al» stünde ihm ein weiter, öder Weg bevor, der immerfort bergab führt und mit einem schauerlichen Abgrund endet. . * Viele werden sich noch entsinnen, welch peinliches Aussehen das räthsel haste Verschwinden des Fürsten Wronsti seiner Zeit in Petersburg erregte. Ob hier ein Selbstmord, ein Unglückssall oder ein Verbrechen vorlag, konnte trotz der fieberhaften Thätigkeit der Deiektivpolize» nicht ermittelt werden. In den Papieren des Verschollenen fand sich nichts, woran die Untersuchung hätt« anknüpfen können. Die junge Fürstin, deren Ehe mit WronSki stet» für eine glückliche gegol ten hat't, wurde allgemein bedauert. Die Aermste litt augenscheinlich schwer unterem harten Schlag« und mußt« zur Kräftigung ihrer Gesundheit die Riviera aufsuchen. Nicht lange daraus reiste auch Viktor Faadajew, einer der bekanntesten Löwen der Petersburger großen Gesellschaft, in'» Ausland. Im Frühjahr 183« erschien die Fürstin WronSki ganz uuvermuthet in ihrer kaukasischen Heimath, die sie seit den Tagen ihrer Kindheit nicht wieder gesehen hatte. Sie besaß in Tifli» einen Palast, in dem sie sich mit ihrer Tante, anscheinend sür die Dauer, ein richtete. Um diese Zeit produzirte sich im Tisliser Circu» eine französische Künst lergesellschast mit glänzendem Erfolge. Der Direktor, Mr. Loifeau, hatte den glücklichen Einfall gehabt, seinem Publi kum eine echt nationale Nummer zu bie ten. Er veranstaltete Dshigitowken (Reiterspiele der Kosaken u. Kirgisen), deren Naturtreue aus Kenner verblüf fend wirkte. Die reiche und vornehme Welt der grusinischen Hauptstadt be geisterte sich sür diese verwegenen, phan tastischen Reiterspiele und süllie den Circu» allabendlich bi» auf den letzten Platz. Die stärkste Anziehungskraft übte der aus dem Zettel al» „Kosak Kasarin", figurirende Anführer der Dfhigiten au», und zwar mehr noch durch seine inte ressante Persönlichkeit, al» durch den Glanz seiner artistischen Leistungen. Man war üicht einig, ob man e» hier mit einem wirklichen Kosaken oder mit einem verkappten Marqm« zu thun hatte. Für die erstere Annahme spra chen seine Hünengestalt, sein prächtiger Vollbart und die zweifellose Echtheit seiner Produktionen; aber woher hatte der halbwilde Steppensohn sein gewähl te» Französisch, den vollendeten Adel in jeder Bewegung und jenen schwermuth vollen Blick, der die Damen bezauberte und zu bedeutenden Thorheiten hinriß? Kein Wunder, daß der interessante Ka sarin, obgleich er sich außerhalb der CircuSräume selten blicken ließ, den Gegenstand zahlloser pikanter Geschich ten bildete Eine» Abend» erschien die Fürstin WronSki in der sonst sür den Fürsten- Statthalter vorbehaltenen Loge. In ihrer Begleitung befanden sich ihre Tante und der hochelegant« Victor Faadajew, seit zwe« Tagen Beamter für besondere Austräge beim Gouverneur von TifliS. Die Fürstin sah müde und gelangweilt aus. Sie gähnte bei Faa dajew» besten Witzen, und da er gar n cht aushören wollte zu plappern, hieß sie ihn barsch schweigen. Die gewöhnlichen Nummern des Ta gesprogramms interessirten die Fürstin noch weniger, als da» übrige Publikum. Alles wartete auf den Schlußeffekt, die Dshigiowka. Ein schmetternde» Hornsignal. Zwöls Reiter in der malerischen Tscherkessen tracht, alle auf dem Sattel stehend, sprengten in die Arena. Ein halb er stickter Aufschrei im Publikum wurde vom losbrechenden Beisallssturm über tönt. „WaS hast Du, Ljuda?" flüsterte Faadajew, sich zur Fürstin neigend, die schreckensbleich, mit weit geöffneten Au> gen über den Fächerrand hinweg in die Arena starrte. Sie biß sich heftig auf die Lippen. „Ich verbitte mir solche Vertraulich keiten an einem öffentlichen Orte!" gab sie zornig flüsternd zurück. „Pah, die Alte ist ja stocktaub, und sonst hört uus Niemand. Worüber er schraken Sie?" Die Fürstin gab keine Antwort. Der Richtung ihres Blickes folgend, wurde Nim auch Faadajew auf den Dfhigiten ches aufmerksam. „Ha, das ist wirklich kurios!" «schelte er Plötzlich. „Der Schlingel da ist ja der reine Doppelgänger unse res Verschollenen, und bestände die Phy siognomie nicht ausschließlich au» Bart Und Augen, so möchte ich wetten —" „Verlassen Sie die Loge!" herrschte ihm die Fürstin leise zu. „Ich begreife nicht —" „Gehen Sie!" Der Stutzer schlich sich davon. Drai.» ten hörte man ihn wüthend nach einem Fiaker rufen. Die Fürstin athmete auf. Jede Spur von Apathie war von ihr ge wichen. Mit gespannter Aufmerksam keit folgte sie den Vorgängen in der Arena. In der That ein aufregendes Schau spiel, diese verwegen.-» Steppensöhne, wie sie, auf rasend dahinsansenben Pferden stehend und von einem Pferde «us das andere überspringend, schwie rige Manöver, Kampfspiele und über müthige Tänze aufführ-n, als hätten sie festen Boden unter sich. Wie immer, zeichnete sich Kasarin oor allen Uebrigen au». Er sprang bei voller Karriere ab, ohne zu straucheln, und schwang sich über den Kops des herangaloppirenden Pferdes hinweg wieder ia den Sattel. Er entsattelte nach kurzem Kampfe die stärksten und gewandtesten Gegner und schoß, mit nnem Fuße am Sattel hängend, aufge lassene Sperlinge mit unfehlbarer Si cherheit. Und welche Schönheit, welche Würde wußte er in das halsbrechendste Bravourstück hineinzulegen! Wie welt »ergessen schaute er drei» mit sein«n zroßen, schwermüthig«n Augen, die auch nicht einen von den bewundernden, Ver heißung strahlrnden Blicken der Damen erwiederte» l Ein Gewittersturm brach lo», al» die Dshigiten abritten. „Kasarin! Kasa rin!" hallte es donnernd durch den wei ten Raum. Die Damen zertlatschten sich Handschuhe. Die Fürstin Wron»!i avplaudirte nicht. Ihr Busen hob sich stürmisch, ihre Wa»ge» bra»men, Sie winkte d«r Tante und hastete hinaus. Am Ausgang« wartete «in galonnirter Tiener. Di« Fürstin nahm ihn der Seite und ertheilte ihm flüsternd eine lange Instruction. Der Diener ver schwand in der Cirkuihalle. Die Da- «en bestiegen ihre Equipage und fuhren »ach Hause. Nach dem Souper zog sich die Tant« in ihr Schlafgemach zurück. Die Für stin begab sich aus die nach dem Garten zu gelegene Terrasse. Eine grnsinische FrühlingSnacht! E» ist still, traumhast still. Sanfte» Mond licht ruht über dem weiten Thal«. Alle» Grelle ist ausgelöscht, alle Umrisse er scheinen weich, nur der Horizont grenzt sich mit einem schattenhaften Geturgs profil scharf gegen den tiefen, dunkel blauen Himmel ab. In der milden, schmeichlerischen, mit Wohlgerüchen ge sättigten Lust athmet sich'» unendlich leicht und wohlig. Der Gedanke er schlafft, und durch di« Seele zieht e» wie ein schmerzlösende» Thauen und Schmelzen. Eine Viertelstunde verstrich. Di« Fürstin saß regungSlo». Plötzlich überkam sie ein Zittern. Die Saal thür öffnete sich, und die hohe Gestalt des Kosaken Kasarin trat in» voll« Mondlicht heraus. Er warf einen prüfenden Blick auf die sitzende Dam« und sagte kurz: „Ich stehe zu Ihren Diensten. WaS wünschen Sie?" »Bitte, schließen Sie die Thür," die Stimme der Fürstin bebte leise „so, und nun setzen Sie sich hierher. Wir wollen ein wenig plaudern. Haben Sie mich heute im Cirkus bemerkt?" .I".' „Sie fühlten sich nicht beunruhigt?" „Nein." „Ich habe Sie trotz de» Bartes, der Ihnen fehr gut steht, sosort erkannt und nach Gebühr bewundert. Si« waren wirklich hinreißend. Wo haben Sie das Alles her?" „Ich bin ja in der Sreppe ausge wachsen.^ „Sagen Sie," die Fürstin dämpfte ihre Stimme zum Flüstern herab „war das der einzige Ausweg, der Ihnen blieb?" Kasarin zuckte die Achseln. „Ich konnte nicht zur Pistole greifen, bevor meine Schuld getilgt war," sagte er ruhig." „Sie hoffen die Summe noch aufzu bringen?" „Ich hoffe e»." „Sie sind ein Philosoph, Fürst Aber hatten Sie nicht noch eine Neben absicht? Wollten Sie nicht die Legi timirung eine» gewissen Verhältnisse» hindern?" „Daran habe ich nur flüchtig gedacht. iZ» thut mir leid, Ihnen noch nicht mit meinem Todtenfchein dienen zu können. Sobald der dunkelste Flecken von meiner Ehre getilgt ist —" „Ihre Schuld ist in correcter Form berichtigt." „Wie?" Sie hätten —?" „Ich habe Ihren Brief geöffnet und meine Verfügungen danach getroffen. Das war ich der Ehre Ihres Namens schuldig, der ja auch der meiuige ist." Kasarin athmete tief aus. „In diesem FaSe bin ich bervt, mei nerseits Alles zu thun, um Sie von die sem verhaßten Namen zu befreien", sagte er, sich erhebend. „Bleiben Sie noch", bat die Fürstin. „Warum glauben Sie, daß Ihr Name mir verhalt ist? Fürstin WronSki klingt nicht übel." „Ich verstehe Sie nicht." „Ich will damit sagen, daß ich Ihre« Namen behalten und Ihnen dasselbe empfehlen möchte. Ihrer Rehabiliti rung in der Gesellschaft steht nicht» im Wege, und aus die Gefahr hm, mich nochmals einer barschen Verurtheilnnz auszusetzen, wage ich zu hoffen, daß di« Zeit Sie zu einer milderen Auffassung in Betreff der Verwendung unsere» Vermögens bekehrt hat." Kasarin schaute prüfend auf die stolz« Schönheit herab, die nun demüthig, mit flehendem Blick zu ihm aufsah. War «s so weit mit ihr gekommen, daß sie z« diesem verzweifelten Mittel greife» mußte, um sich ia der Gesellschaft zu be hauten? „Ist Faadajew ehescheu?" fragte e> spöttisch. D-e Fürstin neigte das Haupt. „Sie haben « n Recht, mich mißzu verstehen," sprach sie lrife. „Faadajew ist sür mich todt." .Ah!" „Warum quälen Sie mich?" rief di« Fürstin aufflammend. Und plötzlich stand sie vor ihm, schlang die volle» Arme um seinen Hals und begrub da» erglühende Antlitz an seiner Brust. „Was kann mir ein Faadajew sein, da ich Dich wieder habe, mein schöner, herrlicher Kolja?" flüsterte si« leiden schaftlich. „In Wahrheit habe ich im mer nur Dich geliebt. All« meine Feh ler und Irrthümer wiegen federleicht gegen diese einzige, wahr« Liebe. Den noch will ich Dich knieend anflehen. Vergieb mir und nimm mich al» Dein reuige», demüthige» Weib wieder zu Dir! Ich bewundere Dich, ich bete Dich an! Wie warst Du heute so stolz und kühn, wie habe ich sür Dich gezittert und dann wieder heimlich gejauchzt! Warum stößt Du mich zurück? Ich bm doch Dein Weib, ich gehör zu Dir!" Kasarin hatte sich vo« der Umschlin gung befreit. „Ich nehme keine Almosen an," sagt« er kalt. „Der Kosak Kasarin theilt die Passionen des Fürsten Wronski nicht, und Fürst WronSki hat sich so viel an ständige Gesinnung bewahrt, um ans den Eroberungen eine» Kunstreiter» keine» Nutzen zu ziehen. Fürst WronSki ist Ihnen zu Dank verpflichtet und wird dasür einen Ausdruck zu finden wissen, der Ihren Wünschen entspricht. Bi» dahin leben Sie wohl, Fürstin!" Er wandte sich zum Gehe». „Kolja!" DaS tlang wie ein echter Herzens» laut, aber so fremd anmuthend, fo ver irrt, als hätte ihn ein Windhauch au» weiter Ferne herttbergetrage». Unwill kürlich griff Kasarin an seine Brust. Einen Augenblick schien «S. al» wollte er den Schritt hemmen. Dann riß er die Thür aus und ging. , Zum großen Leid »He» Tisliser Tircu»«othuflastrn trat der Kosak Kasa« rin am folgenden Abend nicht mehr auf. Nacht» vorher war er plötzlich abge reist. Unter den Versuchen, diese auf fällige Thatsache zu erklären, fand den meisten Glauben die Annahme, daß der Statthalter den gefährlichen Kunstreiter ausgewiesen und daß eine sich beleidigt glaubende Dame der großen Welt di« Hand dabei im Spiele gehabt habe. Wenige Tage später erschoß sich in einem Moskauer Hotel ein Unbekannter, dessen Identität mit dem seit zwei Jah ren verschollenen Fürsten Nikolai WronSki durch bei ihm gefundene Pa piere nahe gelegt und von ortsanwesen den Gliedern der WronSkischen Familie beglaubigt wurde. Auf einem Land gute in Grufien hat der längst Todtge glaubte die letzte Ruhestätte gesunden. Dortselbst lebte die verwittwete Fürstin in stiller Zurückgezogenheit. Herr Viktor Faadajew bildet wieder ein« Zierde der Petersburger vorneh men Salons. Ein leichter Anflug von Melancholie verleiht seinen interessan ten Zügen erhöhten Reiz. »!« Million«« V«»'»tiss,o««r». Aus einem schlesisHen Städtchen wird folgende tragikomische Geschichte gemeldet: Der dortige Schulmeister Johannes Z., ein schon älterer, ruhiger Herr, der aus den Gemarkungen seiner Gemeinde, wo auch zugleich seine Wiege stand, sich niemals weit entfernt hatte, gerieth vor kurzer Zeit in nicht geringe Aufregung. Emc» schönen Tage» brachte ihm der Depeschenboote—neben bei bemerkt, eine in seinem Leben noch nie vorgekommene Erscheinung ein Telegramm aus China. Mit einer ge wissen Hast erbrach Z. die Depesche, welche nachstehenden Wortlaut hatte: „Leopold Z., Millionär, gestorben." Man kann sich die GemüthSversaffung de» Schulmeister» denken, nachdem ihm in so lapidarischer Kürz« eine solch« Kunde geworden. Der in China ver storbene Leopold war ein älterer Bru der, der al» blutjunger Mensch aus Re«sen gegangen war, und schon durch Jahrzehnte war keine Nachricht über ihn in die Heiinath gelangt. Als ein ziger Bruder des in weiter Ferne Ver blichenen war es natürlich ausgemacht, daß Johannes der Universalerbe sei, und er war fest entschlossen, die Reise nach China zu unternehmen. Aber da thürmte sich ein schier unüberwindliche» Hinderniß auf. Herr Z bezog als Lehrer nur ein bescheidenes Gehalt und die Reife dahin kostete theures Geld. In diesem kriti schen Augenblicke offenbarte es sich, welcher Beliebtheit er sich im ganzen Städtchen erfreute. Kaum wurde e» bekannt, daß der Lel,r.-r nur aus Man gel an Reisegeld die Fahrt nach China nicht antreten und daher auch nicht die Millionen feines verstorbenen Bruder» übernehmen könne, als auch fchon eine Sammlung eingeleitet wurde, die ein ganz nettes Resultat ergab, da man dem zukünftigen Millionär überall Kredit gab. Mit den gemischtesten Empfindungen und begleitet von den besten Wünschen seiner Bekannten, be stieg Herr Z. den Eisenbahnwagen. Eine Schilderung der langen, unge wohnten und beschwerlichen Fahrt sei füglich erlassen; Herr Z. kam übrigen» wohlbehalten in jener Stadt China», wo sein Bruder domizilirt hatte, an und traf sogleich die nöthigen Anstalte» zur Uebernahme de» brüderlichen Er bes. Die Formalitäten verliefen viel glat ter und rascher, al» er e» sich vorge stellt hatte. Nach regelrechter Legitim mation bei den Gerichtsbehörden führte man Herrn Z. in ein Zimmer, von des sen Thüre man früher die Amtssiegel gelöst halte, wo man ihm mehre« zu den Jnsignien eines höheren katho lischen Geistlichen gehörige Gegenständ« überreichte. Herrn Z. kam die Sache wie cr später erzählte etwa» chinesisch vor. Schüchtern fragte er sodann den die Gerichtskommission be gleitenden Dolmetsch, was denn eigent lich sein Bruder gewesen se«. Man antwortete ihm: Herr Z. habe al» ar mer Missionär eine segensreiche Thä tigkeit im Reiche der Mitte entfaltet und sei auch ia Dürftigkeit gestorben. Jetzt begann es in dem armen Johan ne» Z. zu dämmern und rasch begriff er auch den Zusammenhing. Da» Telegramm, welche» ihm den Tod sei ne» Bruders meldete, war in verstüm meltem Zustande angekommen, aus dem Missionär war ein Millionär gemacht worden. In dem fchlesischen Land städtchen ist seit jener Zeit, da man den bedauernswerthen Lehrer nicht kränken will, das bekannte Scheltwort „Sie Chineser" au» dem Sprachge brauche verschwunden. St«« wahr« Kr«««»!«. Nicht grundlos ist Dein Klagen O arme» Menschenkind, Daß überall im Lande Nur falsche Leut« sind. Sit wünschen znm Wiegenfeste Dir lauter Glück und Heil, Und meinen in ihrem Herze» Doch nur da» Gegentheil. Und dennoch weiß ich Eine, Aus der nie Falschheit spricht. Die, wenn sie etwa« wün,chet, An ArgeS denket nicht. Sie betet für Dich die Götter: Gibt ihm gesundes Blut, Verleiht ihm ein langes Lebe» Und neue» Lebensnmth l Ja, ging'S nach ihr, o glaube, Du bliebest ewig ,ung: Ich rede von Deiner Gesellschaft Für Lebensversicherung. Eine lesbare Dialekt studie bietet da« „Mühlh. Tageblatt", den „Erlkönig" i» obereljüjjtfch-frvnzS. sicher Mundart; mit« u«d «««« Hoiardspitl«. „Bei der Tasel haben wir alten Leut« ganz gemüthlich unser Spielchen gestern, wie heute gemacht. Da» Fest haben wir recht heiter verlebt, wir spiel ten nämlich jeden Tag und ließen das Würselbrett nicht kalt werden. Dein Bruder machte dabei ein großes Ge schrei, aber zuletzt hatte er nicht viel verloren, sondern sich aus feinen Ver lusten wider Erwarten herausgezogen. Ich habe LO.Vvo (?) verloren, doch nur, weil ich liberal spielte, wie dies meine Art ist." So lautet ein Brief. Ter Leser hält denselben sicherlich für einen unserer Gegenwart angehörigen, und doch ist derselbe vor sast zweitau send Jahren geschrieben, nämlich von dem Kaiser Augustus und von diesem au seinen Stiefsohn und Nachfolger Tiberiu» gerichtet. Suetonius, der Geheimfchreiber de» Domitian, hat un» in seinen Kaiserbiographieen jenen Brief überliefert (Cap. 71, Leben de» AugustuS) und war zu seinen und an deren Mittheilungen befähigt, weil ihm da» kaiserliche Archiv in Rom jederzeit »ugänglich war. Ter erwähnte Bries ist interessant und zivar anS zwei Grün den. Wir thun durch denselben einen Blick in das Privatleben des genannten WeltbeherrscherS und sehen, daß er mit Leidenschaft dem Spiel ergeben war. D«S in seinem Brief «rwähnt« Fest war dasjenige der Minerva, welches fünf Tage dauerte, und jeden Tag er götzte sich der Weltbeherrscher so viele Stunden am Hazard (Würfel-) spiel, daß er schreiben konnte: „Wir ließen da» Würfelbrett nicht kalt werden." In demselben Kapitel sagt Sueton: Er spielte ohne Hehl und Heimlichkeit zu feinem Vergnügen fort, selbst noch al» Greis, und nicht blo» im Dezember (beim Fest der Saturnalien), sondern «uch an anderen Fest- und Werktagen. Es nimmt den Leser sicherlich Wun der, daß Auzustu» sich die religiösen Feste für da» Hazardfpiel ausersah, und die» ist ein zweiter Punkt, der un» seinen Brief besonder» interessant macht. Jene vor fast 2000 Jahren geschriebe nen Zeilen passen nämlich wundersam in die Gegenwart. Bei allen religiö sen Festen SüditalienS ist die Lieblingi b schästixu g d.S Hazardspiel. Da» gilt von Reichen und Armen, von Alten und Jungen. Em solche» Fest bringt sür Geist und Leib vielsältig« Genüsse, aber der Hauptgenuß im Daheim zwi schen den vier Wänden oder vor de» Thür auf der Straße ist da» Spiel. Von Augustus erfuhren wir oben, daß er die Saturnalien (Enve Dezember) für das Spiel benutzte. Unsere Weih nacht fällt in die Zeit dieses einstigen Römerfestes und ähnelt in Süditalien dem letzten auffallend, am m isten in der Hinsicht, daß Tausende und Aber tausende den größten Theil der Nacht mit Hazardspielen zubringen. „Nach dem die Begierde nach Speise und und Trank gestillt war," greift man zum Würselbrett, wie weil. Augustu» oder zu den Karten und läßt weder Brett noch Karten „kalt" werden. Man spielt nämlich die ganze Nacht. Ost erwählt man auch die sogenannte Tom bola. Darunter versteht man unser Lottospiel, welche» wir unseren Kindern un langen Winterabenden gestatte». Die» Spiel kommt stet» bei den som merlichen Kirchenfesten de» Süden» zur Anwendung. Wir finden hier also eine höchst merk, würdige Uebereinstimmung zwischen dem antiken und modernen Leben und werden an rin Wort vou Seume erin nert: „Die Menschen sind, wa» Men schen immer waren." Dabei müssen wir bemerken, daß Augustus mit seiner erwähnten Leidenschaft keineswegs allein unter seinen Zeitgenossen dastand. Ha zardspiele waren im römischen Leben sehr gewöhnlich, wie dies vielsach be zeugt ist. Galenus, der Leibarzt des Naisers Commodu», sagt, daß Viele auf da» Hazardspiel ebensoviel Zeit verwendeten, wie ernste Männer aus di« Wissenschaften. „Viele sind beim Wür felspiel so ausdauernd, daß sie heftige Kälte und unmäßige Hitze ertragen und kein» von beiden empfinden, daß sie hungern und dürsten, die Nächte schlas lo» verbringen und sich schwere Uebel zuziehen." Man redet heutzutage so viel vom Hazardspiel in Montecarlo. Da» ist «ine „alle Geschichte". Die Römer schon hatten ihr Montecarlo, nämlich das bekannte und berüchtigte Bajae am Gols von Puteoli (Pozzuoli), wo di« römischen Nadobs die heißen Monate verlebten und junge geckenhaft« Römer ihr« Sommerringe (leichter al» die Wmterringe) spazieren führte,». An diesem Gestade ließ man da» Würsel brett ebensall» nicht kalt werden. Zweitausend Jahre I Eine lange Zeit, so lang, daß man gewohnt ist„sich da» Einst von dem Jetzt durch eine ti«s« unübersteigliche Kluit g«schi«den zu deu ten. Wer im Süden, wie Schreib«» diese», über zwölf Jahre lebt und sich ein wenig um da» Thun »ad Treibe» seiner Umgebung kümmert, der entsagt von Jahr zu Jahr mehr jener gewohn heitimußigen Vorstellung und findet al» die merkwürdigste Seit« d«» südlichen Volksleben» di-, daß datselbe in oft wunderbarer Treue und einer uns un faßbaren Hartnäckigkeit kleine und große Dinge des antiken Lebens bewahrt. Da» ist die viel zu wenig bekannte Thatsache, für welche Versasseria seinem Wert: DaS Heidenthum in der römischen Kirch« in Lebensbilder» die »ädere» Nach weise bringt. Jene erwähnte Hart näckigkeit erstreckt sich sogar aus klein« Dinge, z. B. auf die pompejanifche Kü cheneinrichtunH, die ich in genauer Nach, bildung überall in Bauernwohuungen wiedergefunden habe. DaS antike Leben ist keine todt« Wrlt. Mau mag die la teinische Sprache ein« todte neimen, da» Leben, der Geist, dem sie al» Kleid dien te, ist nicht todt. Also Karfer Augustu» befleißigte sich bei religiösen Festen, wie damals überall üblich, des HazardsvielS. An seinen erwähnten Bries muß ich den ken, so oft ich z. B, am St. AntomuSsest Juni zahllose Familien Vörden Thü ren auf der Straße in gleicher Beschäf tigung sehe. Man betreibt das Würfel nder auch das Lottospiel, und der Eiser, mit dem Urgroßmutter, Großmutter, Mutter und Kind den, Spiele obliegen, müßte dem Augustus, wenn er diese Äruppen sähe, Freude machen. Sähe er die Leidenschaft, mit der im Süde» die höheren Stände sich dem Hazard spiel ergeben, so würde er sagen: In eovo Jahren hat man sich wenig geän dert!" Spielhöllen sind verboten und existiren doch in großer Anzahl. Man spielt Pharaone, Reo und Bianko ic., man spielt, wie die Römer, ganze Nächte hin durch. Kürzlich wurden in einer Nacht sieben solcher Spielnester von der Poli zei ausgenommen. AugustuS würde die» seltsam finden und sagen: Al» ich die Welt beherrschte, war die Zahl der freie» Spielhöllen größer. Im Soup«. An mancherlei Wahrnehmungen mid Leodachtungen reich bleibt die Reise saifon, wenn sie ihren Höhe- und Draiigpunkt erreicht hat. Letzterer Au«- »ruck gilt insbesondere vou dem An blicke der CoupeS, wo die P. T. Passa ziere wie die Häringe übrigen» lothgedrungen einquartirt werden. Lon diesen meistens zur Erholung und zum Vergnügen reisenden Waggon märtyrern ertragen jedoch nicht alle mit »emselbcn Philosophischen Gleichmuth >a» Schicksal, welche» ihnen auf meh rere Stunden beschieden wurde. Und so leid e» uns thut, zur Nichtgalanteri« oerultheilt zu sein, müssen wir, um der Wahrheit die Ehre zu geben, coustati cen, daß es meisten» Reisende des zar ten Geschlechts sind, die bei solcher Uebersullung ihren schlechten Humor nit mehr oder weniger verhohlener Nervosität an den Tag legen und die feste Ueberzeugung zu besitzen scheinen, »aß ein achtsitziges Coupe für ihre «eithe Person und vielleiclt für ein »der höchstens zwei Sprößlinge minde ren Alter», refervirt fein sollte. Der Herr Gemahl würde blos einigermaßen geduldet werden unter der Bedingung, die Fahrt beinahe vollständig im Durch zangskouloir zu absolviren, um da drin nen die Bequemlichkeit des Ausstrecken» licht zu beeinträchtigen. Wehe dem Fremdling, der in einer derartig besetz ten Wagenabtheilung Unterkunft sucht. Er wird zunächst mit einem schroffen, oft gebieterischen „Alles besetzt" ange donnert und wagt er trotz diesem Zu rufe, sich in der einen oder anderen Lücke niederzulassen, wird er mit den verdrießlichen Mienen und verachtung»- sollen Blicken gestraft. Eine solche Lassagierdame suchte auf der Fahrt von Luchs nach Wien (eine mehr al« 20- itündige Strecke) die Herrschaft über :in Coupe zu bewahren. Der Gatte »er Dame einer Russin mußte >uf das Geheiß seiner streitbaren Hälfte, sie ihm die Ltction in der Mutter sprache sousflirte, interveniren und den Versuch machen, die bei jeder bedeuten )en Station sich einfindenden Rcisen «en abzuweisen. Der Aermste, der ge viß am liebsten im Frieden mit den Nachbarn gefahren wäre, mußte, m»n iah es ihm au, wider Willcn pariren, md wenn der Versuch der Abwehr miß lungen war und der Passagier krast der Zntervention des Schaffner» den an geblich besetzten Play eingenommen zatte, da begann nun durch Hcrbei iiehung d?» geplagten Gatten ein Par lainenliren: Man möge zur Seite rücken, damit ,ie Dame mehr Platz hatte, oder mit unem anderen Reisenden den Sitz vechseln der vermuthlich der Dame besser zu Gesicht stand, oder man solle »ein übrigen« ganz netten Knäblein ge- Batten, sich zum Schlafe auszustrecken >c. Und dazu ein unaushörlicheS Ein md Ausgehen, um auf dem Gang mit sem Conducteur wegen Uebersiedlung in die erste Wagenklasse zu unterhan deln, sich nach dem Prei» und der An zahl dcr Passagiere dort zn erkundigen, dann in der Heiniathsprache gepflogene Debatten über die Zweckmäßigkeit einer lleberzadlung. Die Mitreisenden hat ten all' die kleinen Plackereien geduldig hingenommen und sich den Launen der ipoupetyrannin gefügt da kam aber die Strafe. Mitten in der Nacht'pol »rt ein graubärtiger Aelpler, nach Kussehen und Tracht der leibhastige kaubschütze Samiel, in» Koupe. Zwar latte d«r neue Passagier kein Sewehr, wohl aber einen Kano»en rau ch, einen Rausch, wie man sich ihn »ur da oben hott, wo die Freiheit wohnt und die Rebe wächst. Die ge wohnte Einwendung, daß Alle» besetzt sei, wurde seitens de» Samiel mit einem solchen Donnerweiter beantwortet, daß «>e geängstigt« Dam« aus LeibeSkrästen «ach dem Schaffner rief. Dieser aber konnte nicht» anderes thun, al» consta liren, daß just gegenüber der „Gnädi zen" «in Platz frei wäre, der von recht»- »egen dem Ä-birgSmanne gehörte, d«r den Personenzug offenbar durch zu la». ;en Ausenthalt in der Schenke ver samt und nun ein »weite» Klassebille» hätt« lösen müssen, wa» er lebhast »dauerte, da man in der dritten keine solchen Chineser finde." Und nun hielt der Samiel eine mit lebhafter Gesticulation begleitete Straf predigt gegen zimperliche Mitreisende, vobei cr au» einer kurzen Pseife yualmte, daß bald der ganze Wagen wie »er Olymp m eine Rauchwolke gehüllt xar. Auch dagegen ließ sich nicht» iinwenden war ja das Coupe für Nichtraucher daneben. Zum Glück» var der Samiel bald zu Haust und vankt« unsicheren Schritte» aus dem Wage». Als er duirh einen anderen, «ieSmal ganz normal gekleideten und stch normal geberdendcn Reisenden er setzt wurde, da ertrug die Dame diese« Zuwachs, ohn« zn murren und zu kla« ,en. ( „N. Wiener Tagbl." > Eininalwirdjeder Mensch jlücklich. Freilich, »iele st«rb«n darjt der weg u»d »iele leben darübe, ««g.
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