« <vesundh«tt»pst«g«. Hie Pflege in fieberhaften Krankheiten. Der Mensch ist ein wandelnder Ofen. Dieser Vergleich hinkt nicht, wie viele seinesgleichen, fondern er hat, seitdem wir an der Hand der Chemie und Phy siologie tiefer in das Wesen deS Stoff wechsels und der Lebensvorgänge über haupt eingedrungen sind, an innerer Berechtigung mehr und mehr gewonnen. Der Magen bildet den Herd, die Nah rungsmittel den Heizuiigsstoff, die Lun gen den Schornstein, der den zum Ver brennen nothwendigen Sauerstoff an sich zieht und die verbrauchte Kohle in Form vou Kohlensäure in die Lust ent weichen läßt. In zwei Dingen jedoch unterscheidet sich der lebendige Ofen von dem gemauerten. Seine Bauart bringt es mit sich, daß er unter regelmäßigen Verhältnissen sich aus nicht mehr als 37,5 Gr. Celsius heizen läßt, dafür ober auf diesem Wärmegrad unter allen Umständen stehen bleibt. Nach einem unabänderlichen Naturgesetz streben zwei in demselben Raum befindliche Körper von verschiedener Wärme, die letztere gegenseitig auszugleichen. Da rum eben heizen wir im Winter unseren Ose», daß er seinen Ueberschuß an Wärme der ihn umgebenden Zimmer luft mittheile. Nicht so jener Heizappa rat, den w,r Mensch nennen. Er ist mit einem wunderbaren Widerstands vermögen gegen die Temperatur der Außenwelt versehen und beharrt bei sei nen 37,5 Gr., sei es am Nordpol, sei es an, Aequator, in der grimmigsten Kälte wie im glühendsten Wüstenbrand, Woher diese merkwürdige, beim ersten Anblick allen Naturgesetzen widerspre chende Erscheinung? Ihre Ursache ist ein kleiner, aber höchst geschickter Mechanikus, der in unserem Gehirn seinen Wohnsitz hat. Wie wir in den mannigfachen Provin zen deS Gehirns und des Rückenmarks gewissermaßen Centralbureaus sür di« Sinneswahrnehmungen, für die Spra che, die Athemthätigkeit, Empfindung sür geregelte und für Krampfbewegung besitzen, so gibt es darin auch einen Wärmeregulator, der daraus bedacht ist, von unserer Normaltemperatur jeden Abbruch und jeden Zuwachs abzu wehren, der das regelmäßige Verhält niß zwischen Wärmeerzeugung und Wörmeabgabe »nablässig überwacht. In gewissen Rindenbezirken des Vor dergehirnS liegt, wie Thierversuche überzeugend dargethan haben, die Werkstatt dieses Kalefaktors, der diensteisrig sür Nachheizen sorgt, wenn wir in kalter Umgebung zu viel Wärme einbüßen, der die Hitze zu allen Thoren hinauszujagen sucht, wenn's di« Sonne der HundStage gar zu schlimm mit uns meint. Wer denkt in Frost und Hitze an die Arbeit jenes HeizungsausleherS, den wir im Kops mit uns herumtragen, der seine Schuldigkeit thut wie ein treuer, rechtschaffener Diener, und ungeheißen und unermüdet feines Amtes wartet freilich nur so lange, als die Haushal tung ihren geregelten Gang geht? Denn mit dem Augenblick, wo eine siebererre gende Schädlichkeit in den Organismus eingedrungen ist, verliert er den Kops und geräth in völlige Verwirrung. Er fängt an, in'S Ungemessene Wärme zu fabriziren, er fertigt Hitze auf Lager, ohne daß ihm die entsprechenden Absatz gebiete eröffnet wären. Im Gegen theil, beim Fieber schränkt er die Wä>s meauSsuhr mehr und mehr ein, so be sonders im Froststadium desselben, wo bei angehäufter innerer Wärme die un ter der Haut liegenden kleinen Blutge fäße sich krampfhast zusammenziehen und das Blut nach den innere» Theilen pressen; innerlich glüht der Körper, während die Oberfläche vor Frost schau dert und bebt. Fieber! Das Wort begegnet unS am Krankenbett so häufig. Mit wel cher Besorgniß erfüllt unS das Wach sen, mit welcher Hossnung die Abnahme des Fiebers! Das Fieber ist ja einer der gewöhnlichsten Begleiter »war nicht aller, aber doch der meisten, hitzigen so wohl, wie schleichenden Krankheiten, vom gutmüthigen Schnupfen bis zum tückische» Typhus hinauf. fchea isliri», von kvrveo, ich glühe. Und in der That bildet die Hitze, wenn auch nicht das einzige, so docb. neben beschleunigter Pulszahl, Kopfschmerz, Durst, Mangel an Enlust, Mattigkeit u. s. w., das bervorragendüe Zeichen des Fiebers, als dessen Aolgen die er wähnten Zufälle erst auftreten. Fieber nennt die Wi'cnscba't jene Störung un ihr Abiatz »nverl'ätinißmäßiq verrin gert wird. Das F>eber entstellt durch eine abnorme Reizung der Wärmezeut hervorgcbracht werden darckKrankheits erreger, die sich im Innern des Kör pers gebildet Koben. oder von außen geglichen wird, vollzieht sich im fieber hasten Sturmschritt, wahrend die Zu fuhr immer tieser sinkt. Die Koh lensäure-Ausscheidung steigt um 57. v. H., die des Harnstois» um das Doppelte bis Dreifache. Der Zeriall der Ge webstheile, die Beicdlennigung deS BlutumlausS und der AihmungStbälig keit führen bei längerer Dauer des Fiebers mit Nothwendigkeit den Unter gang herbei. Daher wird bei jeder mit Fieber verbundenen Krankheit schon frühzeitig aus Erhaltung der Kräite durck Beibringung der ge.'igneten Nah rung Bedacht zu nehmen sein. Die Höhe des Fiebers und pmit die Gefahr der Situation bringt das Ther womeier seine Aiiweiidungsweile haben wir in einem frühere» Artikel bereits kennen gelernt am deutlich sten zur Anschauung, weshalb die itran kenpflege durch treues Studium feiner Skala, (Morgens und Abends ist in de» meisten Fällen genügend) den Arzt sehr wirksam unterstützen kann. Fragt aber der Kranke nach dem Fiebergrad, so braucht ihm nicht immer die Wahr heit gesagt zu werden! In schweren Fällen beginnt das Fie ber bereits in den Nachmittagsstunden und erreicht in der Zeit um Mitter nacht den höchsten Grad. Der Kranke wälzt sich ruhelos auf seinem Lager um her, seine Haut brennt, der Athem fliegt, die Zunge ist trocken, die Hände zucken, der Kopf ist wüst, der Schlaf gering, von Träumen beängstigt, der Mund stammelt kaum verständliche, aus Wahn und Wirklichkeit gemischte Worte. Erst gegen Morgen wird der Athem freier, der Schlaf ruhiger. Der Fieberkranke leidet Tantalus qualen. Die Ausnahmen, welche ver bieten, seinen Lippen die ersehnte La bung des kalten Wassers zu gewähren, sind selten. Auch Solche, deren besan genes Bewußtsein die Aeußerung ihres Verlangens nicht gestattet, verrathen noch deutlich, wie willkommen ihnen ein frischer Trunk ist. Man gebe einem stark Fiebernden kein Glas in die Hand (sie ist zu schwach, eS zu halten), son dern flöße ihm das Wasser löffelweis mit der rechten Hand ein, indem man mit der linken unter dem Kissen den lrops behutsam emporhebt. Der Fieberheiße sucht sich seine Gluth durch Wegstoßen des Deckbettes zu min dern; je leichter dasselbe ist, um so weniger wird er in diese Versuchung kommen. Kalte Umschläge um den Kopf kön nen keinem Fieberkranken schaden und dürfen ohne Scheu auch in Lungenent zündungen und hitzigen AusschlagS krankheiten angewandt werden. Durch einen Gummi- oder Wachsleinwandfleck wird man die Durchnässung des KissenS verhüten. Sehr Unruhigen, die durchaus aus dem Bett verlangen, stecke man zwischen dieses und die Seitentheile der Bettstelle Bretter; denn Stühle sind bald umge worfen. Ost wird der Arzt bei Fieberkranken wegen des Wechsels der Wäsche befragt, da man besorgt, der Kranke könne sich hierbei leicht erkälten. Diese Furcht ist meistens ganz unbegründet. Das Hemd des Kranken saugt seme üblen Ausdün stungen ein, sollen diese wieder am Kör per ankleben? Die ausgeschiedenen Krankheitsstoffe sich ihm von Neuem einprägen? Von, Standpunkte der Ge sundheit ericheint es also geboten, den Kranken mindestens alle paar Tage mit srischer Wäsche zu versorgen, natürlich stets unter Beobachtung der nöthigen Vorsicht: erwärmte Wäsche und ge schlossene Fenster und Thüren! DaS Aus- und Anziehen eines unbehilflichen Kranken im Bett ist übrigens keine ganz leichte Sache, eS gehört dazu, wie Th. Billroth in sekkem trefflichen Werke: „Die Krankenpflege in Haus und Hospital" sagt, .eine gewisse Geschick lichkeit und Uebung; zuerst wird der Kranke etwas gehoben oder hebt sich selber, damit man daS Hemd unter ihn, fort- und hinausziehen kann. Hat der Kranke einen Schmerz an der Seite des Kopses, HalseS, der Brust oder einem Arm, so läßt man zuerst den Arm der gesunden Seite emporheden und den Aermel hinausziehen, während der Arm zurückgezogen wird; nun wird das Hemd über den Kopf auf die kranke Seite hinübergestreift, dann langsam und vorsichtig von dem kranken Arm ab gezogen." „Beim Ueberziehen des neuen Hemdes gehen alle beschriebenen Bewegungen in umgekehrter Folge vor sich. Zuerst den Aermel über den kran len Arm ziehen, dann das obere Hemd loch über den Kopf streifen, dann den gesunden Arm in den Aermel einfüh ren und nun das Hemd unter dem Rücken herunterziehen, daß es glatt liegt." Fieberkranke bedürfen täglicher Wa schungen des Gesichts und der Hände und Ausspülungen des Mundes noch nothwendiger, als Gesunde; anch Scharlach- und Masernkranke machen davon keine Ausnahme. Ebenso darf »uch das tägliche Kämmen und Einfet len der Haare nicht unterlassen werden; selbst unter dem Schutze der Frauen - Hauben wären Versitzungen des Kopf schmuckes sonst unvermeidlich. Was die Ernährung in hitzigen und mit Fieber verlausenden Krankheiten anbetrifft, so paßt im AnfauMtadium derselben allerdings nur reizlose, stick stoffarme Kost. Kaffee und Thee, auch ,och so homöopathisch verdünnt, hitzige Getränke, seile Speisen, Gemüse und Fleisch sind streng verboten. Es reichen ans: einige Tassen lauer Milch, drei Mal täglich eine Gries, Haferschleim- oder Seinmelsuppe (eine altbackene Semmel kleingeschnitten mit Zusatz von «livas Butter und Salz zu einem Tel ler heißen WasserS, 15 Minuten lang .mit überdecktem Gesäß an warmem !)rt anfichwitzen lassen). Für die erste Woche genügt diese Kost vollstän !>>i bis aus Ausnahmen, welche der Zlrzt bestimmt. Sobald jedoch die Krankheit sich in die zu ziehen beginnt,, muß man an? Erhaltung der Kräfte sinnen. Denn bei der durch die Fiebergluth erzeugten Selbstverbrennung verzehrt sich unaus haltsam zunächst der Träger des Koh lenstoffs, das Fett; sodann kommen die Eiweißkörper an die Reihe, welche ihren Stickuossgehalt dem flammenden Ofen »uSlieier». Ein T»Pbuskran?er wurde von der zweiten Krankheitswoche ab täglich gewogen; eS zeigte sich, daß er in oen ersten fünf Tagen derselben bei tiner mittleren Tagestemperatur von tl> Gr. E. 3,5 Kilogramm, in den sol zenden süns Tagen bei 4» Grad 2,7, in der dritten bei 39 38 Grad 2,1, in der vierten bei 37—38 0,1 Kilogramm »n Körpergewicht verlor. Da ist es an der Zeit, Ersatz sür den Verlust zu schassen. Durch guten Ungarmcin wird der schwache Magen angeseuert. Man gebe dem Kranken neben seiner Milch täglich noch einige Tassen magerer Fleischbrühe von Tauben over vom Salbe ! mit Gries, Reis oder Graupenschleim und einigen Körnchen Salz, aber ja ohne Pseffer. Der Arzt wird bestimmen, ob auch ein weiches Ei zugesetzt werden kann. In vielen Orten auf dem Lande und in kleinen Städten ist es mit gutem fri schen Fleisch ost herzlich schlecht destellt. Da bietet das Liebig'sche Fleisch-Ex trakt, daS ohnehin in keiner Familie aus gehen sollte, eine vortreffliche Aushilfe. Diese Kraftbrühe bietet zwar keinen groß:» Nährwerth, enthält aber doch mehrere für Hebung und Anregung der Verdauung sowie für die Blutbereitung höchst wichtige Bestandtheile. Die Verabreichung kräftiger Nahrungs mittel, z. B. von Braten, hängt vom Arzt ab. Man beherzige hierbei den Grund satz, daß der Kranke nicht genöthigt werde, unüberwindliche Abneigung ge gen Speisen zu bezwingen Hat er nach einigen Löffeln genug, so lasse man's dabei bewenden und frage lieber nach zwe, bis drei Stunden wieder au Dr. Dyrenfurth. Der Mann mtt den Stecknadeln. Der junge Mann, der etwas abseits von den regelmäßigen Tischgästen des kellerlocals Platz genommen hatte, that oen vorgesetzten Speisen alle Ehre an. Er war nicht gerade gut, aber auch nicht allzu schäbig gekleidet, man sah dem Anzug, der früher einmal dem Schaufenster einer vorstädtischen Klei oerbandlunz zur Zierde gedient haben mochte, eine ehrliche Dienstzeit an. Sein Träger mochte Hausdiener, Aus läufer oder etwas Aehnliches sein, jedensalls entwickelte er einen Appetit, wie ihn eine starke Bewegung im Freien wohl zu geben vermag. Während der junge Mann eisrig seine Kinnbacken in Bewegung setzt, zeigt sein Gesicht den Ausdruck großen Behagens; plötzlich aber läßt er die Gabel geräuschvoll auf den Teller fallen, er beginnt krampfhaft zu husten und macht derart verzweifelte Geberden, daß sich die Aufmerksamkeit des Wirthes auf ihn lenkt, der schnell herbeieilt. „Herrje, was ist denn mit Ihnen, haben Sie einen Knochen verschluckt?" fragt der Gastgeber besorgt. »Hier, sehen Sie hier," ächzt der junge Mann, indem er auf den geringen Fleisch und Kartoffelrest aus seinem Teller zeigt. „Ja, was ist denn aber da?" fragt der Wirth. „Sehen Sie denn nicht —da, die Stecknadeln im Fleische o, o, ich sürchte, ich habe eine verschluckt...." „Stecknadeln im Fleische, in meinem Fleische?" sragt der Wirth entsetzt, und sein Gesicht legt sich in furchtbar ernste Falten. Aber die Thatsache läßt sich nicht leugnen, da liegen wirklich zwei Stecknadeln. Wenn es nun mehr ge wesen sein sollten, wenn der junge Mann wirklich eine furchtbar, der Gedanke läßt sich nicht ausdenken, den braven Wirth überläuft trotz der Hitze ein kalter Schauer. „Freundchen," flüstert er dem Gast zu. „lausen Sie schleunigst auf die nächste Sanitäts wache, was 's kostet, bezahl' ich. Nur hier machen Sie kein Klimbim.... so was ist mir mein Lebtag noch nicht vor gekommen."— Der Gast ist einsichtsvoll zenug, kein „Klimbim" zu machen, er zeht, begleitet von den Segenswünschen des biedern Budikers. Einige Tage danach mußte dieser sei item bedrückten Herzen Lust machen, er besuchte eine» befreundeten Collegen in der Nachbarschaft und begann zu erzäh len. Er wurde mit Ausrufen des Er staunens, der Entrüstung unterbrochen. Der „Mann mit den Stecknadeln" hatte sich auch bei dem Collegen eingefunden ind von diesem außer der freien Zeche »och ein Schmerzensgeld von zwei Marl irhalten.... Dies Manöver, sich freie Zeche zu »erschaffen, ist übrigens nicht neu; wir erinnern uns vielmehr eine-Z MauneS, der bereits in den 70er Jahren in die ser Weise operirt hat, und zwar zuerst mit Sind, den er gegen Ende der Mahlzeit in das Essen gestreut und später mit todten Schwaben. Eines schönen Abends hatte der Biedermann in einem bekannten Weißbierlokal der Friedrichstraße daS Sandmanöver aus zesührt und damit seinen Zweck auch er reicht. Als er aber etwa ein halbes Jahr später im selben Lokale mit den Achwaben operiren wollte, erinnerte sich der resolute Wirth des Mannes und zesährlichen Gaste den Schwindel aus den Kopf zu und holte ihm, als er levz aete, nach kurzem Durchsuchen ans der Westentasche eine Schachtel mit Schwa benleichen heraus Wie es dem Manne daraus ergangen, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Was nun? Nls ich um schön Käthchen geworben hab',^ Da rümpslen die Tanten die Nasen; Als ich ihr später den Laufpaß gab, Da schimpfen die Muhmen und Basen. Als wir uns vertrugen und gar ver lobt, Nie haben sie da gewettert, getobt. Ms bald d raus ich sie zum Weib mir erkoren, -Sie wollten am liebsten mich braten und schmoren. i!un, da es heißt, wir wären geschic» den, Kun sind sie wiederum nicht zusrieden! Unglückssall. Stammtisch Mitglied: Hat der Schulze den Hajen wirklich geschossen, mit dem er so re aoMmirt? Förster: Nein, die Ge schichte war so: Als er lange vergeblich aili den Anstand geblieben war, legte er Pch hm und machte ein Schlichen. Da kam ein Hase und spielte mit dem Ge wehr, dieses entlud sich und schoß den Hasen todt. Hauptsache. Schulinspector: Sie können keinen neuen Lehrer krie gen, — Dorfschulze: Was? Dahätten ivir den schönen neuen Rohrstock ganz umsonst angeschafft Zigeu„«r««schicht«»» Die ungarischen Zigeuner sind im Auslande schon lange keine seltene Er scheinung. Man kennt die hageren, kleinen Leute, mit den gelb-braunen Wangen und dem wirren Kraushaar, oder glaubt sie wenigstens zu kennen. Der ungarische Zigeuner darf aber nicht nach flüchtiger Beobachtung beurtheilt werden, man muß förmlich mit ihm le ben und wohnen, man muß den geschnie gelten Sladtzigeuner studirt haben, wie den ansässigen Dorfzigeuner, der mit feiner zahlreichen Nachkommenschaft in Lehmhütten haust, die am äußersten Ende des Dorfes, zum Theile in die Erde hineingebaut sind, vornehmlich die eigentlichen, unversälschten Zigeu ner, denen nicht einmal der Teusel mit Kultur beizukommen vermag. Der Zigeuner ist bekanntermaßen ein ungemein begabter Mensch. Sein Talent gipfelt in einer fabelhaften Auffassungskrast. Von Jemandein, der Alles blitzschnell zu ersassen vermag, sogt man in Ungarn: „Er hat das Talent eines Zigeuners." Der Zigeu ner lernt außer dem Kauderwelsch sei ner Muttersprache erstaunlich rasch die Sprache eines jeden Volksstamm«!?, in dessen Nähe er sich aushält. Er rade brecht deutsch, serbisch, rumänisch, sla visch, beherrscht die ungarische Buch sprache und kennt überhaupt alle Idiome des vielsprachigen Ungarlandes. Man darf sich den ungarischen Zi geuner durchaus nicht als eine poetische Erscheinung vorstellen, wie Lenau und Pelösi und andere Dichter ihn gerne ge schildert haben. Der ungarische Zigeu ner schwärmt nicht zum Nachthimmel empor und singt auch keine gereimten Klagelieder, weil er verstoßen, noch ge ächtet, lebt in der Stadt sogar ein sehr behagliches Dasein. Nur gegen den vagabondircnden Zigeuner wird ein hartnäckiger Krieg geführt, dessen Kosten aber lediglich die Polizei bestreitet. Eine Anekdote, d,e im ungarischen Volksmunde cirkulirt, charakterisirt den Zigeuner am treffendsten: Man hält dem Zigeunersäugling eine Fiedel und ein Geldstück hin; langt er nach der Fiedel, wird er Musikant, langt er nach dem Geldstück, wird er ein Dieb. That sächlich sind die Zigeuner, mit ge ringen Ausnahmen, Musikanten, oder Diebe. Die ansässigen Dorfzigeu ner bilden die Ausnahme: si« sind Kesselflicker, oder Roßtäuscher, aber auch vor diesen hütet der Bauer sein Hansgcthier. denn daS Sprüchlein sagt: „Der Zigeuner kann das Znpsea nicht lassen." Die schlimmsten Gesellen sind die wandernden Zigeuner. Si« stehlen wie Naben. Was wurde in Ungarn nicht schon versucht, um dies« Nomaden wenigstens unter steter Kon trolle zu halten, damit die Bursche ihrer Militärpflicht Genüge leisten, aber all« Verordnungen scheitern an ihrer Ver schmitztheit. In der Nähe der Städte werden allwöchentlich Zigeunerkarawa nen aufgegriffen. Eine solche Kara wane besteht in der Regel aus drei bis vier mageren Gäule», bespannten Kar ren, die mit Zigeunerkindern vollge psropst sind, welche splitternackt im Wa gen kauern. Daneben her gehen Män ner, die mit patriarchalischer Würde dreinblicken. häßliche Weiber, kurze Pfeifen zwischen den Zähnen und eine Unzahl halbwüchsige Kinder, welche die Straßenpassanten anbetteln. Sie schnei den dabei d.e drolligsten Gesichter und krümmen die mageren, in Lumpen ge hüllten Leiber in so possirttchen Wen dungen, daß ihnen Niemand eine Kupfermünze verweigert. Die Pandu ren, welche die sonderbare Gesellschaft vor der Stadt aufgegriffen haben und sie nach dem Polizeihause escortiren, schlagen das bettelnde Volk hundertmal zurück, damit es sich neben den Karren halte, aber daS windet sich unter den Hieben hervor, läust weit weg, holt sich ein Geldstück und kehrt wieder zurück. Die Pandnren werden eher müde, Hieb« auszutheilen, als die kleinen Zigeuner, solche zu empfangen, und schließlich sehe» die Panduren lachend mtt an, bunden uniernehmen, um den Passanten einen Kreuzer zu entlocken. Ist die Gesellschaft im Polizeihame angelangt, prüst man ihre Papiere, die natürlich nie in Ordnung sind; szdcinn werden die Wagen untersncht, ob sie außer Zigcnncrkindern nicht auch ve? Tag werden sie weiter eskortirt, um sie nach ihrem angeblichen Zuständigkeitsort zu besördern. Dorthin aelanien sie aber nie. Denn sie wissen sich von ihrer Eskorte, die von Ort zu Ort wech selt, im Lause des Marsches immer srei zu machen. Schließlich weiß man auch nichts Bernünstigeres mit ihnen anzufangen und gibt ihnen Gelegenheit, zu entkommen. Zwei bis drei Wochen später werden sie gewöhnlich wieder in ousgegrissen, welche immer eine magi sche Anziehungskraft auf sie übt. Wenn es ihnen gelingt, hier ihr Lager aufzu schlagen, kommen sie in kleinen Grup pen nach der Stadt, besuchenden Markt, lauschen ihre Rosse ein, suchen die un glaublichsten Tauschgeschäfte mit geflick ten Kuvferkefseln durchzuführen, wobei Derjenige, mit dem sie einen Handel schließen, immer betrogen wird. Stach einer bekannten Anekdote höhnt man einen Zigeuner damit, daß ein Roß täuscher ihn betrogen habe, indem <r ihm e», lahmes Pserd verlauste- Ich habe es mit salschem Gelde bezahlt, erwidert der Zigeuner achselzuckend. Während die Zigeuner auf dem Markte feilschen, suchen die Zigeunerin nen den Marktweibern xnd den Mäg den, welche Einkäufe besorge», Karten zu legen, kansen auch bunte Stosse und Bänder in schreienden Farben ein, wo bei sie eS nicht verschmähen, ein Waa renstück oder eine Börse zu entwenden. Die bcschästigungssreicn Stainmesge nossen unterstützen sie sehr rege in die sem Beginnen. Die Zigeuner habe» eine Art zu stehlen, die der Polizist ge- mal nennt, aber ihre eigentliche Kunst besteht darin, das gestohlene Gut blitz schnell verschwinden zu lassen, weshalb sich auch daS Oni-sius «tvUcti beim Zi geuner niemals findet. Geradezu ergötzlich ist das Verhör des Zigeuners! Der gewiegteste Poli zist ist im Vorhinein davon überzeugt, daß er sich einer fruchtlosen Mühe un terzieht; an dem Zigeuner prallt sein Witz ab. Der gestohlene Gegenstand wird nie bei ihm gesunden, er gesteht oichtS ein, ja, er kann den Polizisten zur Verzweiflung bringen durch die Spitzfindigkeiten, die er allen Fragen entgegenzusetzen weiß. Zwei Thatsachen sollen diese Schilderung illustriren. Ein Zigeunerbursche von achtzehn bis zwanzig Jahren wird dem Stadthaupt mann durch einen Wachmann vorge sührt. Der Verhaftete, der sich in sei ner Zerlumplheit malerisch ausnimmt, schneidet eine gottesjämmerlicke Gri masse, sieht drein, wie ein neugeborenes Kind und will dem Stadthauptmann durchaus die Hand küssen. Der Wach mann meldet, daß der Zigeuner soeben auf dem Markte eine silberne Tafchen uhr gestohlen habe. An Ort und Stelle fei er einer Leibesvisitation un terzogen worden, die jedoch resultatlos war, doch dürste er die gestohlene Uhr einer Zigeunerin zusteckt haben, welche man früher in einer Gesellschaft sah, die aber in dem Augenblicke entkam, als er dingfest gemacht wurde. Der Stadthauptmann mustert nun den Zigeuner mit durchdringenden Blicken und frägt ihn endlich, wo er Unterkunft gefunden habe? „Ew. Hoch wohlgeborcn, gnädigster Herr," erwi dert der Zigeuner, mit zenem eigen thümlichen, näselnden Singsang, den er dem Ungarischen beilegt, „ich bin ein armer Musikant, der soeben angelangt ist und noch nicht weiß, wo er heute Nacht sein armes Haupt hinbetten soll." „Wo triffst Du mit Deinen Leuten zusammen?" „Allergnädigster Herr, ich stehe ganz allein auf der Welt." .Dn willst also nicht gestehen, wem Du die Uhr zugesteckt hast?" —„Eine Uhr?" frägt der Zigeuner und sieht den Beam ten mit der unschuldsvollen Neugierde eines KindeS an. „Jawohl, die silberne Taschenuhr, die Du gestohlen hast." —„Ei, hochwohlgeborener Herr, man hat den gnädigsten Herrn Pindn rcn zum Besten gehalten, denn ich habe noch nie in meinem ganzen Leben em« silberne Taschenuhr gesehen." Wütbend ballt der Stadthauptmann seine Faust, aber der Zigeuner erschrickt nicht, sondern streckt sich förmlich der Faust entgegen. Der verschmitzte Bur sche weiß wohl, daß die geballte Faust nur droht und nicht schlägt. Und wenn auch? Ziegeuner und Hunde schütteln die Prügel ab,sagt der ungarische Bauer. Der Stadthauptmann unterzieht ihn einer Fluth von Kreuz- und Qu« fragen welche den rechtlichstenMenfchen verwir ren würden, aber der Dieb geräth nicht außer Fassung; er läßt einfach Fragen, welche ihm verfänglich scheinen, unbe antwortet und beschwört hundertmal hintereinander, daß er noch nie eine sil berne Taschenuhr gesehen habe. Ein andermal wurde einer Obstver kSuferin aus dem Markte die Baarschast entwendet. Sie und einige andere Marktsrauen ergreifen eine Zigeunerin, und sind bereit zu beschwören, daß diese vor ihren Augen einem Zigeuner die Briestasche zusteckte, der sich mit dem Gelde aus dem Staube machte. Die Zigeunerin wird unter dem Geschrei der Marktweiber dem Stadthauptmann vor gesührt. Die muthmaßliche Diebin war ein Weib von 25 Jahren. AuS den pechschwarzen Augen flammte und glühte es, als wollte sie mit ihren Blicken den Beamten bannen. Selbst redend leugnete sie die That, weinte, schluchzte und schrie in der den Zigeu neunern eigenen bombastischen Weise „daß der Blitz die Zungen der Markt weiber spalten müßte, wenn der große Herr-Gott im Himmel sich einer ge rechten Sache annehmen wollte." Unbekümmert um das Gewäsche, schritt der Stadthauptmann an die Feststellung des Thatbestandes. Sie gab an, Terka KoracS zu heißen, sagte, daß sie LS Jahre alt, ledig und in BekeS Gunla geboren sei, heule zum ersten Male die ungarische Hauptstadt betreten, vorläufig noch kernen Unter standSort gesunden habe und die Absicht hatte, hier Arbeit zu suchen. Nachdem sie unter Wehklagen ihr Nationale ab gegeben hatte, frug sie der Stadthaupt maiin mit eisiger Ruhe: „Wann wur dest du hier zum letztenmal abgestrast?" Sie schültelle langsam das Haupt und behauptete, den Sinn dieser Frage nicht zn verstehen. Als der Stadthauptmann ihr dieselbe jedoch erklärte, ries sie feier lich: .Hochwohlgebore», allergnädigster Stadthauptmann, der Blitz möge mir die Zunge spalten, mein Auge soll erblinden und ich will mich als Krüppel durch's Leben schleppen, wenn ich nicht die volle und reine Wahrheit gesprochen habe." Da die Bestohlene und die Zeuginnen bei ihrer Aussage beharrten und sich zum Eide erboten, wurde die Zigeunerin trotz ihre! Leugnens und trotzdem sich keinerlei Beweis»,omente gegen sie ergaben, in Hast behalten. Eine Stunde später wir hatten schon die Zigeunerin vergessen er schien ein Rechtsanwalt bei dem Stadt liauptmann und theilte demselben mit, daß er soeben die RechtSverlretung der im Lause des Vormittags verhasteten Zigeunerin übernommen habe. „Wer hat Sie damit betraut?", frug der Stadthauptmann neugierig. „Der Ehemann der Berhasteten." .Sie werden also wissen, wie die Zigeunerin beißt?" .Gewiß, Irma Baliat." Der Polizeibeamte lacht jetzt hell auf. denn nun wußte er, wer die Verhaftete war. Sie kam wiederholt anläßlich der Jahrmärkte, wurde unzähligemal wegen Taschcndicbstähle beanstandet, konnte aber nie des Verbrechens überführt werden. Die Verhaftete, die ein voll ständig erlogenes Nationale abgegeben hatte, wurde noch einmal vorgesührt. Sie hört bald, daß ihre Identität fest gestellt fei und beantwortet die Bor. würfe des Stadthauptmanns, indem sie lächelnd sagt: „Habe ich nicht depo nirt, daß ich Irma Baliat heiße und ausSzegedin komme?"—„Nein, und du hast auch geschworen,daß du ledig bist." „Der große Herr-Gott erhalte meinen guten Mann und meine süßen Kinder aber der über den Sternen soll mir meinen Verstand erhalten; wenn ich anders aussagte, muß ich wahnsinnig gewesen sein." Man muß dem Zigeuner ins Gesicht sehen, wenn er so spricht. Keine Mus kel zuckt in seinem Antlitze, er hält den Blick des Fragenden voll auK und man muß wohl vertraut sein mit allen Schlichen und Kniffen dieser verlogenen Menschen, um nicht irre zu werden. Die „wahrsagenden" Zigeunerinnen, mit abgegriffenen, schmutzigen Karten versehen, welche beim weiblichen Bauern- Volk und in der Stadt bei den Dienst mädchen gläubige und dankbare Kunden finden, gehören den nomadisirenden Zigeunern an. Die städtische Zigeune rin würdigt sich nicht herab, Karten zu legen, sie schlägt mit den Jahren ganz au« der Art und lebt sich in die Ge wohnheiten der Städterinnen ein. Die in der Großstadt erzogenen Zigeuner kinder sind nicht annähernd mit dem Wander-Zigeuner vergleichbar, mit dem sie nichts gemein -haben wollen. Trotz dem bleiben auch die Nachkommen des städtischen Zigeuners immer Zigeuner. Die Rasse erhält sich unverfälscht, denn der Zigeuner beweibt sich nur mit einer Stammesgenossin. Die schönen Zigeu nerinnen dagegen gehen manchmal ein« „Mesalliance" ein. indem sie zum Ver druß ihrer Angehörigen einem Nicht zigeuner zum Altare folgen. Im Großen und Ganzen treten die Zigeu ner auch in der Hauptstadt felten aus ihrem Kreise heraus, und der Um stand, daß in Budapest die Tochter ei nes Zigeunernliisiianten zum Theater ging und eine ausgezeichnete Sängerin wurde, steht ziemlich vereinzelt da. Mit dem Beginn ihrer erfolgreichen Büh nenthätigkeit löste die Mnstlerin jede Gemeinschaft mit den Zigeunern und wird seither nicht gerne an ihre Abstam mung gemahnt, die das scharf ausge prägte, verführerisch schöne Zigeunerge sicht doch immer verräth. Der hauptstädtische Zigeuner ist aus schließlich Musikant und, wiewohl im mer ein schlauer Bursche, doch ein ehr licher Mann. Da er in den besten Sa lons als Musikus Eingang findet, klei det er sich gut und äfft den Magnaten so vortrefflich Sprache und Manieren nach, daß er in seinem ganzen Gehaben etwas Ritterliches zur Schau trägt. Er verdient viel Geld und verdient eS leicht, gibt eS aber noch leichter aus. Der Zigeuner ist ein leidenschaftlicher Karten spieler. Während des Carne valS, in dem die Zigeuner eine reiche Goldernte haben, finden sie sich, nachdem sie bei den Bällen ausgespielt haben, in einem Casehause zusammen, welches die Mitglieder aller Zigeunerkapellen ver einigt, und hier wird vst bis neun Uhr Morgens dem Hazardspiele gehuldigt, das schon mancher Volkswirth als ein ungarisches Nationalunglück bezeichnete. Der Zigeuner, der sich manchmal 50 bis 100 fl., auch noch darüber, ln einer Nacht erfiedelt, verspielt eS hier oft in wenigen Stunden. Der größte Künstler unter den mu sizirenden Zigeunern war Raez Pali, der vor einem Jahrzehnt zu Budapest im Greifenalter verstorben ist. Entge gen seinen Stammesbrüdern war er von einer reckenhafte» Erscheinung, ein bildschöner Mann, der einstmals nicht nur den braunen Mädchen, sondern auch den vornehmen Frauen gefährlich gewesen sein soll. Er hat in seinem Leben ost vor Kaisern und Königen ge spielt, aber stolz war er nur darauf, daß Joachim ihm einmal sagte: „Ihr seid ein gottbegnadeter Künstler, Pali (Paulchen), Ihr entlockt Eurer Geige Töne, daß man in einem Athem lachen und weinen möchte." Es gibt auch heute noch glänzend, Geiger unter den Zigeunern, aber den alten Racz Pali erreicht keiner mehr. Dreiundzwanzig Söhne hat der be rühmte Zigeunerprimas (Vorgeiger oder Dirigent) sein eigen genannt und alle sind Musikanten geworden, wie der Vater. Ausgesprochen schlechte Geiger gibt es selten unter den Zigeunern, den» sie lernen einander den eigenarti gen Bogenstrich ab und der junge Zi geuner wird so lange von seine», Pri mas geprügelt, bis er den Bogen rich tig führen kann. Der Primas einer der hauptstädti schen Elite-Truppen, ein mageres, klei nes Männchen, das sonst mit zusam mengekniffenen Lippen finster drein starrt, hatte einmal seine gute Stunde und so benützte ich dieselbe und frugt wer ihn gelehrt habe, mit solcher Vol lendung den Bogen zu führen. „Mein Lehrmeister war ein reicher Gras," er widerte er, „der wie ein König aus sei nen Schlössern herrschte. Sie lächeln? Ich will Ihnen erzählen, wie er dazu kam, mein Lehrmeister zu sein! Ich bin als Knabe einer Truppe von wan dernden Zigeunern entlausen und bet telte mich mit einer elenden Fiedel durch das Dorf, wo der gnädigste Herr Graf im Herbst residirle. Einmal kam er des WegeS und ich fiedelte ihn an. Er sagte, daß ich schlecht spiele, »ahm mich mit sich aus's Schloß, ließ mir eine gute Ge,ge geben es ist dieselbe, die ich jetzt noch besitze und ich mußte ihm allabendlich, wenn er den goldenen Becher einmal über das anderemal süllte und leerte, so lange vorspielen, bis der Wein stärker war, als er. So lange er nüchtern blieb, folgte er aufmerksam meinem Spiel, und wenn ich es schlecht machte, schleuderte er de» Becher nach mir, der ost an meinen Schädel schlug, daß ich glaubte, er müsse auseinandergehen. DaS merkte ich mir und machte eS immer besser Noch einigen Monate« gab er mir eine Handvoll Banknoten, sagte mir, daß ich jetzt ein guter Geiger wäre, und war' mich zur Thür hinaus. So danke ich chm, daß ich ein guter Geiger wurde. Freilich bin ich dadurch so ein zwerg hafter, kleiner Kerl geblieben und im Kopse summt eS mir seit der Zeit be ständig; mir ist es ost, als fühlte ich sen fchweren goldenen Becher an mei nen Schädel schlagen, aber ich trag« dem Herrn Grafen nichts nach. WaS ich weiß, danke ich ihm, und wenn er recht betrunken war, hatte ich ja doch zute Tage bei ihm." Ein wehmuthvolleS Lächeln umspielt« die blutleeren Lippen deS ZigeuuerS, er starrte traumverloren ins Leere, bis der Zymbaljchläger ihn daran gemahnte, daß die Pause zu Ende sei, woraus der Primas znsammensuhr. die Geige an setzte und das ksosks" (Fliege, Schwalbe!) spielte, ein Musikstück, in dem die ganze künstlerische Eigenart de» Zigeuners zum Ausdrucke gelangt. Wi« verzückt starren die braunen Burschen empor, wenn sie diskret den Vortrag ihres PrimaS begleiten; man möcht« meinen, daß der Prima-Geiger dem Er denleben entrückt, im Geiste mit de» Schwalben gen Himmel emporsteigt, während es aus der Geige um im nächsten Augenblick in ein leises Wimmern auszuklingen. Die Verzük kung ist aber Gaukelspiel! Der Zigeu ner ist ein guter Komödiant, während er begeistert und hingerissen erscheint, schielt er nach dem Kameraden, der zu weilen das Absammeln besorgt, oder er lugt nach den Zuhörern aus, um zu sehe», wer am meisten ergriffen scheint, damit sofort nach Beendigung des Spie les an dessen Freigebigkeit appellirt wer den kann. Der Zigeuner ersinnt die unglaub lichsten Finten, um seinen Zuhörer zu reichen Gaben zn versühren. Ehe der Absammelnde sich vom Musikantentisch entfernt, legt der Primas zwei oder drei größere Noten auf den Sammelteller, der dem Publikum unter die Nase ge halten wird, damit Einer oder der An dere, namentlich der Fremde, den er unter Hunderten herauskennt, veran laßt werde, ebenfalls größere Noten auf den Teller zu legen, in der Meinung, daß andere Zuhörer so freigebig waren. Da kein Zigeuner dem andern traut, besorgt jedesmal ein anderes Mitglied der Kapelle den Rundgang, wobei ihn die Blicke der Spielenden kontroliren. Die linke Hand darf der Absammelnde nie erheben, und eS ist ein Factum, daß vor einigen Jahren dem Absammeln den eine lebende Fliege zwischen zwei Finger der linken Hand gegeben wurde, die er lebend zurückbringen mußte. Da die rechte Hand den Teller hält und er während deS Rundganges nicht rasten darf, war dadurch die Gewähr ge boten, daß er das gesammelte Geld nicht angreifen konnte. Die ungarischen Magnaten halten n»ch immer viel aus den Zigeuner. ES gibt keine Festlichkeit in ihren Kreisen, bei der die Zigeunerkapelle fehlt. Wenn der Ungar dem feurigen Saft der hei mischen Rebe, reichlich zugesprochen hat, winkt er die Kapelle näher an sich her an und der Primas muß ihm vornüber geneigt, hart am Ohre ein Nationalstück vorgeigen, rndeß die anderen Musikan ten den glücklichen Zecher im Halbkreis umstehen und das Spiel deS Primas begleiten. In einer solchen Stimmung opsert der Ungar dem Zigeuner seinen letzten Gulden. Das weiß der schlau« Patron, und man muß nur sehen, wie er sein halbtrunkenes Opser mit den versiihrerischen Tönen umschmeichelt, bis er ihn, die letzte Banknote aus der Tasche gefiedelt hat, looraus die Musi kanten ihm den Rücken kehren und ihn nicht weiter brachten. Das Lächeln ist plötzlich von ihren Lippen verschwun den, sie berechnen ihren Antheil an der Beut» des Abends und lassen den Pri mas nicht aus den Augen, bis er sich mit ihnen zurückzieht und die Aufthei lung vornimmt. Da gibt es dann oft ein häßliches Gezänke, ein Lästern, Flu chen und Drohen, daß man meint, sie werden einander im nächsten Augen blicke an's Leben gehen, aber „ach weni gen Minuten ist die Austheilung been det, und sie gehen fröhlich mit einander Thätlichkeiten aus; dazu sind sie zu harmlos, vielleicht auch zu seize. Selbst der vagabondirende Zigeuner läßt sich jeltez zu Thätlichleiten hmrerßen. So sieht der ungarische Zigeuner in habgieriges, kriechendes und betrogenes Wesen, aber ungefährlich bis zur Harm losigkeit, ungemein begabt uud ein« jener seltenen die sich un verfälscht und rein erhält mit all' ihre» Lastern, Fehlern und Vorzügen. Das Großartig st e, wa» dir Neuzeit an schildernder Musik Her- Concerte ein große» Orchesterwert mit dem regierungssreundlichen Titel „Der ikönig von Italien >n Berlin" ausge» führt. Die Composition ist eine Suite in sechs Theilen, welche solgeude Be nennungen haben: 1) Ankunft in Freiburg (!). 2) Der Dreibund. 3) Abfahrt von Göjchcnen. 4) Durch fahrt durch die Stationen Lnzern und Basel. S) Große Galatasel in Berlin. g) Nach Tische Eatanzaro ist ein« deutichjreundlich gesinnte Stadt und schon deshalb wurde das Werk mit gro ßem Aeijall aufgenommen. Ja, seine Wirkung soll so außerordentlich gewesen sein, daß, glaubwürdigen Zeugen zu folge, beim fünften Theil sämmtlichen Zuhörern das Wasser im Munde zusam menlief und beim sechsten die bei loeitem größere Anzahl in ein süßes Mittags schläfchen verfiel, an« welchem sie erst da« schweigen der Instrumente von den schönen geträumten Ufern der Spree unsanft in CalabrieaS rauhe Wirklich keit zurückversetzte. Zeitgemäßer Heirathch an tra g. „Mein Fräulein, ich liebe S«! Kann ich aus Seaen-Habea hoffe»? —-
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