««d »tedersetz««. In einem der zahlreichen BüreanS einer kgl. Centralbehörde sahen zwei Secretäre dem wichtigen Moment« de« KeschästSschlusseS mit Würde und Fas sung entgegen. Sie hatten ihre Ar beits rücke bereit» mit d«n Straßen» rücken vertauscht, und nicht» konnte mehr die Feierlichkeit de« sechsten Glockenschl«- >«» beeinträchtigen. „Also nochmals meinen Glückwunsch, verehrter Herr Tollega", begann nunmehr der ältere der beiden Herren mit einem Seitenblick «us die Wanduhr, welche noch fünf Mi auten auf Sechs ersehen ließ, „unter ha.V.l Sie sich gut und kommen S' ge sund wieder ... Machen S' Ihne» weiter nichts d'rau»", setzte er lachend bei „einmal muß eS doch sein, und hoffentlich haben Sie'S gut errathen!" „Hoffentlich!" wiederholte der also Angesprochene und sah einen Moment sinnend vor sich hin. Derselbe war nämlich im Begriffe, in den Stand der Ehe zu treten, an welchen verhängniß vollen Schritt sich ein mehrwöchentlicher Urlaub anreihte. Das bot hinreichen den Grund, der nächsten Zeit frohge muth entgegenzusehen. Herr Secretär Klein sand auch so fort seine Zuversicht wieder, welche da» „Hoffentlich" feines College» einen Au genblick beschattet hatte und bemerkte: „Bange machen gilt nicht, alter Schweb' —e» wird und muß recht werden; le ben Sie also wohl und lassen Sie sich die doppelte Arbeit, die Ihnen durch mein Fernbleiben erwächst, nicht ver drießen; bedenken Sie nur: alle Tage heirathet man ja nicht!" „Gott fei Dank!" erwiederte lachend der Herr Collega. „Ich bin Ihnen nicht neidisch, im Gegentheil—" „Hören S' auf, ich weiß schon, wa» Sie sagen wollen ; verschonen Sie mich heute mit Ihrem Pessimismus ich glaube doch nicht daran. Aber Ein s hätte ich bald ver gessen, Herr Collega: ich will nicht scheiden, ohne Ihnen ein sichtbares Zeichen meiner Verehrung überreicht zu haben. Hier diese Dose, echt Schildpatt, un ter Brüdern ein Vermögen werth, soll Ihnen gehören; Sie find würdig, sie in Zukunft zu sühren, denn ich werde von nun an nicht mehr schnupfen! „Wa wa-was?" rief Müller im Tone de» Erstaunen», „Sie nicht mehr schnupfen? Da haben wir'» I Da» find die Folgen oder nicht? Läugnen Sie e», wenn Sie können, daß e» Ihre künftige Gat tin nicht duldet!" „Bon nicht dulden ist keine Rede, aber —" „Weiß schon, geben S' Ihnen keine Mühe ich nehme das Geschenk mit Vergnügen ent gegen ; hoffentlich geben Sie damit nicht Ihre Ruhe, Ihre Selbstständigkeit au» der Hand; denn wissen Sie Sap perment, jetzt schlagt'» und ich steh' noch da also nochmals meine besten Wünsche, glückliche Reise, adieu!" Da mit eilte der brave Müller schleunigst aus dem Bureau, denn er war gewohnt, den sechsten Glockenschlag auf der Straße zu vernehmen. Klein stand noch einige Augenblicke in Gedanken versunken vor seinem Pulte. ES war ihm eigentlich ange nehm, daß die sechste Stunde alle weite ren Erörterungen zwischen ihm und Müller rechtzeitig abgeschnitten halte. „Sie hatte ihm das Schnupfen zwar nicht verboten, aber sie hatte ihre Ab neigung gegen da» Schnupsen so ener gisch kund gegeben, daß Klein ohne Zaudern den heiligen Eid leistete, nie und nimmer eine Prise nehmen zu wol len. Darum hatte er feine dose geopfert. Es war undankbar von ihm, denn gar oft war sie ihm wirklich eine wahre Freundin gewesen! Wer nie ein Verhältniß mit einer Dose gehabt hat, begreift die» nicht am allgemein sten aber vermögen e» iunge Damen zu erfassen, die sich einen Mann anschaffen und das höchste Glück der Ehe nur in tadelloser Wäsche und weißen Taschen tüchern erblicken. Der wackere Sekretär Klein hätte sich eine solche Bedingung nie und nimmer vorschreiben lassen, wenn seine Braut nicht so schön, so lieb und so vermögend gewesen wäre. Also wurde die arme, unschuldige Dose verabschiedet. Am andern Tage führte Klein seine Braut zum Altare. Er war glücklich, drückte seine Braut an'» Herz, aß sür Drei, trank Sect wie Wasser, küßte seine Schwiegermutter und fuhr dann zur Bahn, um die Reise nach dem Süden anzutreten. Bei solchen Ge Nüssen denkt man doch nicht an'S Schnupsen! Ein paar Wochen ver gingen wie ein sonyiger Tag. Ach, wenn eS nur immer so bliebe! End lich fuhren sie wieder der Heimath zu. ES war ein heißer Maientag und kaum ein leiser Lustzug strich durch die geöff neten Fenster der EisenbahncoupeS. Trockener, seiner Staub drang von überall herein; der legte sich auf die Kleider, auf die Zungen, kroch in die Nasen der Reisenden man wußte sich gar nicht zu helfen. So kamen sie nach Padua. Die junge Frau erfrischte sich mit einem GlaS Wasser, er begnügte sich mit einer Orange. Ein ehrwürdi ger Abbe stieg ein und vermehrte zum Schrecken Aller die Zahl der Coupe- Insassen. Der Hochwürdige war aber kein Unmensch; er entschuldigte sich in ge wählten Worten, die kein Mensch ver stand, und dann zog er vom Leder; er holte eine riesige Dose aus der Tasche und bot dem überraschten Klein eine Prise an. Da« wäre ein Labial gewe sen, wie man sich'» in dieser Situation mcht passender wünschen konnte! klein erhob die Hand, um von dem gütigen Anerbieten Gebrauch zu machen, aber feine Gattin fuhr blitzschnell dazwischen und rief dem Abbe im reinsten Italie nisch, dessen sie fähig war, zu: Der 'hochwürdige Herr lächelte, ver neigte sich und steckte die Dose wieder zu sich, nachdem er seine werthe Nase ge hörig erfrischt hatte. Ein Schatten des UnmuthS flog über das Gesicht des enttäuschten Klein; är gerlich starrte er zum Fenster hinaus und zmn ersten Mal« sühlte daß rr nicht mehr frei w«! Di« Wolken am ehelichen Himmel zogen zwar vorüber, aber der N«in« Stachel, den da« Ereig niß im Busen Klein« zurückgelassen, machte sich dann und wann bemerkbar. In Bozen trug sich ein ähnlicher Vor fall zu. Ein jovialer Mitreisender bot Herrn Klein eine Prise an; eh« die Gattin sich dazwischen Wersen konnte, hatte er schon eine tüchtige Portion in den Krallen, und nun ging'S los, daß sie, ganz starr vor Entsetzen, gar nicht sähig war, zu protestiren. Dann lachte er diabolisch und setzte ihrem leisen „Pfui!" eine sträfliche Gleichgiltigkeit entgegen. Nun fchmollte sie, und da» muß man den grauen lassen, da» können sie, und wenn sie jung und hübsch dabei sind, verstehen sie ganz sicher, den Mann mürbe zu ma chen. In Kusstein sand eine zweite Eidesleistung mit darauffolgender Ver söhnung statt. Dann zogen sie in ihr Heim in München ein; er stellte sich zum Dienste, sie übernahm das Depar tement der inneren Angelegenheiten und regierte mit milder Hand, so daß er eigentlich nicht» an dem Regiment? aut zusetzen hatte. Nach den herrlichen Tagen der Reise zeit kam e» ihm in deR stillen Räumen seiner Schreibstube zwischen den Akten recht öde vor ; und da tauchte der Ge danke an die alte Liebe auf und ließ ihn nicht ruhen; der Versucher nahte in einsamen Bureaustunden immer wieder und zeigte ihm höhnisch grinsend seine Dose und nahm mit vernehmlichem Ge schnarche vor ihm eine Prise um die an dere. Solchen Anfechtungen kann aus die Dauer auch der stärkste Mann nicht widerstehen. „Ha!" ries er endlich au», „bin ich ein Mann oder nicht?" Und er zeigte sich als Mann, ging am andern Tage vor der Bureaustunde in einen Kramladen in der Nähe seiner Wohnung und kaufte um fünf Pfennig' Saarbrücker, den er verfchämt zu sich steckte, um ungesehen davon zu naschen. Bald war er täglicher Gast im Laden, woselbst ein hübsches, kokettes Fräulein die Kunden bediente. Die schöne Lina verstand eS, ihren neuen Kunden zufrie denzustellen; er hatte gar nicht nöthig, seinen Wunfch auszusprechen; er legte einfach sein Fünferl auf den Laden tisch und sie händigte ihm dann schel misch lächelnd die kleine Düte mit der Contrebande ein. Doch das Unglück schreitet schnell. Eine» TageS sand sich mit ihm eine ältliche Dame, Frau Kassirer Zahlbrett, im Laden ein, welche eine intime Freun din seiner Frau Schwiegermama war. Dank der bestehenden Praxis hatte er nicht nöthig, umständlich zu verlangen, wa» er wollte; die schöne Lina drückte ihm das Papierchen in die Hand, fügte einen glühenden Blick bei und dann verschwand er. „Kennen Sie den Herrn?" forschte die Kassirerin, der ein ganze» Sonnensystem in ihrem Hirn kasten aufging. „Warum nicht?" er widerte das Fräulein geheimnißvoll und lächelte. „Also auch ein Verehrer?... Schau, schau! Sie können dcm'Herrn zusetzen.. ja, wenn man so hübsch ist —" „Ob er gerade ein Verehrer ist, das weiß ich nicht," bemerkte die schöne Lina schalkhaft; „er kommt halt alle Tage, und das ist AlleS!" „So? Mich geht'S nichts an," sagte Frau Zahl brett scheinbar gleichgiltig, „man red t halt so daher; wünsch' guten Mor gen!" „Adieu!" —Wie höllisches Feuer brannte es unter den Sohlen der guten Frdu, sie konnte nicht schnell ge nug zu ihrer Freundin, der Schwieger mutter des armen Klein, eilen, um ihr die ungeheuerliche Entdeckung beizu bringen, daß der Herr Schwiegersohn ein Verhältniß mit einer Ladnerin an gebandelt habe und seine Frau auf die schmählichste Weise hintergehe. Nachdem sie auf diese Weise 00l in das Herz der Schwiegermutter gegossen, war diese ganz Feuer und Flamme. Sie dachte einen Augenblick nach, ob sie den Elenden sofort mit ihre Zunge zu Bo den schmettern und ihrer Tochter nebst Heirathgut und Aussteuer zurückver langen oder ob sie zuerst ihr arme» Kind auf das Schrecklichste vorbereiten sollte. Sie wählte das Letztere. Tropfen um Tropfen brachte sie ihrer Tochter das Gift bei, und die Arme brach fast zu sammen unter der Last des ungeahnten Unglücks. Die junge Frau glaubte je doch, an der Wahrheit der Sache noch zweifeln zu sollen. Ihre Mama lachte grausamen Hohn und versprach, die erdrückendsten Beweise zu liefern Sie möge aber nicht» merken lassen bis morgen. Da» wäre ein Kunststück gewesen! Al» er heimkam und in ihre verweinten Augen sah, fragte er theilnahmsvoll, was ihr fehle. Sie schützte Zahnweh vor. Er nannte alle möglichen Mittel, eilte fort, holte Zahngeist und Tropfen und zwang sie mit sanfter Gewalt, sich Wange und Zahnfleisch einzureiben. Sie ließ Alles über sich ergehen; besser wurde aber da» Uebel nicht. „Morgen muß er heraus!" bestimmte er endlich, und damit schien die Sache abgefchlos fen. Zeitiger al» je erschien am nächsten Morgen die Frau Schwiegermama, welche in ausgesucht höflicher Weise mit dem Herrn Sohn verkehrte und ihm mittheilte, daß sie ihre Marie abhole, um gemeinsam einen Markteinkaus zu machen. Das Zahnweh schien nachge lassen zu haben; die Frauen gingen fort. Klein folgte bald nach, um seinen gewohnten Gang anzutreten. Dem Kramladen gegenüber in einer Hausflur lauerte die verehrte Schwie germama mit Tochter. Man konnt« von hier aus Alles übersehen ja so gar die schöne Lina im Innern des Ge wölbes beobachten. «Jetzt kommt er!"— Der junqen Frau schnürte es das Herz zusammen. Wenn ihre Ma ma falsch berichtet worden wäre, was gäbe sie darum! Ahnungslos schritt er dahin si sieht kein Verbrecher aus! Doch halt An der Ladenthür angekommen, blick> er vorsichtig um, ob ihm Niemand folge! „Sixt e« ?" zischt« die Mama mit Pa th»«. „Da schau'l jetzt gibt er ihr die Hand ha, die Hand! sie steckt ihm ein Papier zu schändlich!.... Er geht; jetzt ihm nach! DaS Billetdoux muß heraus und wenn wir eS ihm in seinem Büreau entreißen müssen!" Wie das verkörperte Verhängniß eilte ihm die Mama mit der armen Frau nach. O, daß eS so kommen mußte! Er ging rüstig weiter, beschritt die An lagen die Frauen immer nach. „Jetzt bleibt er stehen und holt etwas—ein Papier aus der Tasche; jetzt liest er eS!" flüsterte die Mutter, „jetzt ist der Moment da!" Sie zog die Tochter förmlich mit sich, und wie eine sprungbereite Tigerin stand sie im nächsten Äugenblick hinter ihm. Marie hielt die Hand auf's po chende Herz Alles, Alles aus! Er aber öffnete das Papier in seiner Hand, griff mit zwei Fingern tief hin ein, und nun ging'S los ch! kch! kch! „Ah! ah! DaS ist 'was Großartiges!" Ein unterdrücktes Aus fchreken hinter seinem Rücken bewirkte, daß er sich rasch umkehrte. Ein jäher Schrecken durchrieselte seine Glieder,als er die Damen vor sich stehen sah. „Ah, die Damen haben mich förmlich über rascht wie kommt denn Ihr deS We ges?" „Was treibst denn Du im Schutze deS Laubdachs so heimlich?" fragte seine Gattin, der ein ganzes Ge birge vom Herzen gefallen war. „Mir scheint, Du hast gar geschnupft!?.... Psui!" sehte sie in gutgespielter Ent rüstung bei, denn jetzt konnte sie Komö die spielen, weil sie himmlischer Laune war. „Ich geschnupft? Ich glaube, Du irrst, meine Liebe. Ja so, ja ich habe so viel Kopfweh und dagegen Hilst eine Prise vorzüglich nachdem Du aber eine abgesagte Feindin dieses Heil mittels bist, war ich genöthigt, mich au ßer dem Hause zu kuriren!" So! Und wie steht'S mit Deinem Schwur?" fragte sie strenge, „k'ores m-issurs entbindet vom Eide das verstehst Du aber nicht; ich bin unschuldig!"— „So? Nun, darüber wollen wir sprechen, wenn Du heimkommst adieu!" Damit ver abschiedeten sich die Damen, und Klein ging kleinlaut an die Arbeit. Die Ge schichte wollte ihm nicht aus dem Kopf; er dachte wieder an den bevorstehenden Scandal zu Hause und strengte sich an, einen kleinen Roman zu ersinnen, aber e» gelang ihm absolut nicht. Gesaßt ging er seinem Verhängniß und dem Mittagessen entgegen. Die auffallende Freundlichkeit seiner Gattin machte ihn im hohen Grade mißtrauisch. E» wollte ihm nicht recht munden, wenn er an das Dessert, die Strafpredigt, dachte. Aber er schluckte Alles hinab mit dem Vorsatz, auch das zu Erwar tende kräftigst—hinabzuwürgen. End lich bemerkte die Gattin mit eigenthüm lichem Lächeln: „Heute habe ich noch ein besonderes Dessert für Dich!" Er sah sie fragend an; innerlich dachte er: „Weiß schon jetzt kann'S losgehen!" Sie aber ging hinaus und kam gleich daraus mtt einem verdeckten Teller her ein, welchen sie auf den Tisch setzte. Er sah stumm auf diese räthselhaften Vor bereitungen ; sie entfernte das Tuch und, siehe da—eine prächtige Dose lag dort, welche die Gattin nunmehr mit freund lichem Lächeln ihrem sprachlosen Ehe herrn präsentirte. „Wenn es Deine Gesundheit erfor dert, will ich diesem Ding da nicht im Wege stehen. Ich habe längst erkannt, was Dir abgeht, denn ein Frauenauge sieht scharf. Den Tabak besorge ich Dir selbst, so wie Du ihn wünschest. Bist Du zufrieden?" „Engel!" rief er und drückte die neue Dose an'S Herz. Wem verdanke ich denn eigentlich diese Sinnesänderung?" „Wem anders," erklärte sie, „als Deiner Schwiegermama die mir in dieser Beziehung die Augen geöffnet hat!" „WaS, die? Eine großartige Freu!" rief er. „Mir soll noch einmal Einer tinen schlechten Witz über Schwieger mütter machen!" Mosern«« Li«be»leto. Ich spielte mit ihrem gold'nen Haar, Loll innig treuem Lieben; Da sind ihre Locken sonderbar! Mir in der Hand geblieben! Ich streichelte der holden Maid Und habe von dieser Zärtlichkeit Ganz rothe Finger bekommen I Und damals ach! da zerdrückte ich Eine stille, bittere Thräne; Ein schrecklicher Argwohn plagte mich? Ich dachte an ihre Zähne! O. E. Wantalowicz. Dem witzigen Abbe Voisln wurde eines TageS mitgetheilt, daß der ihm sonst wohlgesinnte Marschall Tü renne aus irgend einem Grunde sehr böse aus ihn fei. Sofort begab sich der Abbe zu dem Zürnenden, um Verzei hunz zu erbitten; als er aber bei dem Marschall eintrat, wandte ihm dieser sofort den Rücken. „Ah, nun bin ich zufrieden," rief da der Abbe aus, „ich sehe, daß Sie mich nicht wie einen Feind behandeln." „Wie das?" fragte er staunt Türenne. „Sie werden Ihrem Feinde niemals den Rücken kehren," versetzte der Abbe. Der Marschall mußte lächeln und reichte dem alten Freunde die Hand, indem er sagte: „Man kann Ihnen doch niemals lang« böse sein!" In Bincennes ist jüngst eine alte Dame gestorben, die mit wun derbarer Geschwindigkeit Flaschen zu lee ren verstand und in dem Nuse stand, im Monat ein Slücksaß Wein zu ihrem persönlichen Bedarf zu verbrauchen. In ihrem Testament hat sie ihr nichl unbeträchtliches Vermögen von 200,000 FrcS. ihrer Vaterstadt Toul ausgesetzt und sich nur ausbedungen, in Vincen nes „möglichst weit von ihrem verstor benen Gatten" beerdigt zu werden! »teP-rtse» „Ba«dtste«". Wie man der Vossischen Zeitung schreibt, haben sich die Pariser „Bandi sten", d.h. die Adressenichreiber nun mehr auch zu einer Genoffenschast zu sammengethan. Die armen Leusel nennen sich selbst „Bandisten", von „b»n<ls", Streifband, weil ihre Haupt thätigkeit im Anfertigen von Streif band-Aufschriften besteht. Tausende Ausschritten werden ihnen mit 1.23 Fr., 1.50 Fr. sür Streiibänder und mit 2 Fr. sür Briesnmschläge bezahlt. Um aber ein Tausend im Tage sertig zu stellen, muß man jung, verhältniß mäßig kräftig und sehr sleißig sein, namentlich da Puscharbeit nicht gedul det, vielleicht eine leserliche, hübsche Handschrist gefordert wird. Ein älterer Mann, dessen Hand schon ein wenig zittert, muß langsam schreiben, wenn seine Schrift noch deutlich bleiben soll, und er kann höchstens 1 Fr. bis 1.20 Fr. täglich verdienen. Ein „Bandist", der es auf 2 Fr. im Tai« bringt, wird als ein Wunder an geschaut Wie sängt er es an, um von seinem Verdienste zu leben? Natürlich führt er kein Satrapenleben - Dasein, aber Paris bietet dem Kundigen Gele genheiten und Auskunstsmittel, die eS dennoch möglich macheu, auch mit einem so kleinen Einkommen beide Enden zu sammenzubringen. Der „Bandist" be wohnt ein „Garni" in einem der allen Stadtviertel um die Hallen, um die Place Maubert ».'s. w. In der Rue St. Victor gibt es ein „Hotel", richti ger eine Herberge, die blos von Bqnvi sten bewohnt wird. Ein Zimmer kostet 50 Cts. sür eine Nacht. Ost vereini gen zwei ihre Mittel, um diesen Preis zu erschwingen. Die Einrichtung der Schlafbur schen, die erheblich billigere Preise für das Obdach gestaltet, kennt man in Pa ris nicht. DaS Frühstück nimmt der Bandist bei seinem Arbeitgeber ein. Er kaust sich für zehn Centimes Brod und für denselben Betrag „Scharre" oder „Abschnitzel" beim Würstler. Diese „Abschnitzel" oder „rsclu,-»" sind die kleinen, sehr dünnen Scheibchen Wurst und Schinken, die der Würstler nach hiesigem Brauche von der Schnittfläche der eben ausgeschroteten Wurst oder Schinkens abtrennt, so oft er einem Käufer ein Stück feiner Waare abschnei det; die Schnittfläche trocknet nämlich aus, und der Käufer soll nur frische und appetitliche Waare bekommen. Anderwärts denkt man cnlwcder an ein; solche kleine Zuvorkommenheit nicht oder wenn man die Verkauss waare auffrischen wurde, so würden voraussichllich die Abfälle dem Hunde überlassen werden. Hier aber geht nichts verloren, man weiß aus allem Nutzen zu ziehen und die Abschnitzel bil den eine billige und willkommene Aus besserung des sonst nur aus trockenem Brode bestehenden Frühstücks des „Ban disten" oder ähnlicher Hungerleider. Eine zweite Mahlzeit findet erst am Abend, nach vollendetem Tagewerk, statt» Der Bandist geht in die Rue de Lievre zur „Bibine", einer Anstalt, wo man blos Bier und Bohnen seilhält und sonst nichts. Ein Glas dünnen Bieres kostet 5 Centimes, eine reichliche Portion Bohnen 10 Centimes. Will der Bandist auch noch Brod dazu essen, so muß er besonders bezahlen. Er kauft es meist an den Kaferneuthoren den Soldaten ab. Der verheirathete Bandist es gibt auch solche kaust von IS bis 20 Ctm. Fleischabfälle beim Schlächter und damit bereitet ihm seine Frau rasch eine Abendmahlzeit. Wenn er sich einen guten Tag machen kann, so geht er in eine Volksküche und genießt wohlbereitete Speisen, von denen die Portion 20 Centimes tostet. Die große Ausgabe für den Bandisten ist, sich zu kleiden. Hausirer, die sich jeden Abend bei der „Bibine" einstellen, erleichtern ihm ihre Lösung. Sie bieten ihm einen Hut für 15 Centimes, einen Rock oder ein Beinkleid für SV, faze fünfzig Cen times (40 Pfennige!) an. Daß man für diesen Preis das be treffende Kleidungsstück nicht einmal au» Zeitungspapier herstellen könnte, kann sich Jedermann berechnen. Und doch sind diese unwahrscheinlichen Klei der aus Stoff und kennzeichnen sich durch ihre Form, durch Knöpfe, Taschen u. s. w. thatsächlich als Ueberzieher oder Beinkleider. Man steht hier eben vor einem der zahlreichen Geheimnisse der Großstadt. Schuhwerk ist Verhältniß mäßig theurer als der sonstige Anzug. Ein Paar Lederschuhe kostet leicht 40 Centimes, und selbst ein einzelner Schuh noch 15. Denn man verkauft auch ein zelne Schuhe, die man malerisch „Wai senkinder" nennt, aber der Artikel ist nicht immer vorhanden. Bei diesen Piusen wird eS verständ lich, daß manche Bandisten versichern, sie könnten mit 75 Centimes täglich aus kommen, und deshalb nicht zu bestiin men sind, noch eine Feder einzutunken, wenn sie diesen Betrag erschrieben ha ben. Andere arbeiten den ganzen Tag und verdienen das Doppelte, geben über auch 50 bis KV Centimes für Absinth aus. Denn viele von ihnen sind Trun kenbolde, und das Laster des Trunkes ist es, das sie so heruntergebracht hat, daß sie Bandisten werden, d. h. einen Berus wählen mußten, der gleichsam das große Müllsaß der Verkommenen aller höheren Berufe ist. Im Hochsommer nimmt die Arbeit ab und ist eigentlich nur sür die besten und zuverlässigsten Bandisten vorhanden, die der Unterneh mer immer beschäftigt, um sie sich zu erhalten. Die Anderen benutzen die unfreiwillige Muße, um sich auf dem Lande oder an der See von den An strengungen der ArbeitSmonate zu er holen. Natürlich ist ihre Ferienreise etwas anders beschaffen a S die reichen Leute. Sie gelier, zunächst in eine Nachther berge für Obdachlose. Da werden sie satzungSgemäß drei Nächte hinter einan der geduldet, und wenn sie dann erklä ren, dag sie Paris verlassen wollen, um außerhalb Arbeit zu suchen, werden si« etenSsalls satzungsgemäß unentgeltlich mit versehen, welche verhin dern, daß sie unterweg« als Landstrei» cher eingesperrt werden, doch müssen sie genau angeben, wohin sie sich zu wenden gedenken, und ihre Ausweispapiere lau ten auf die bezeichnete Strecke. Sie be kommen auch einen kleinen Zehrpfennig (meist 1 Fr. 5(1 CtS.) mit, der ihnen dazu, dient ein Paar Reserveschuhe zu kaufen. Denn selbstverständlich wird die Reise zu Fuß gemacht. Der Reise weq wird vorher sorgfältig erwogen u. festgestellt und ein Bandist theilt dem anderen brüderlich die gemachten Er sahrungen mit. Nichts ist merkwürdi ger als ein solcher Armen-Baedeker, wie ihrer handschriftlich eine ganze Anzahl bestehen. An Stelle der SehenSwür digkeiten sind die Bauernhäuser ver zeichnet, in denen man leicht ein Stroh- oder Heulager und ein Stück Brod und Speck bekommt. Wo der Bauer bei guter Laune noch einen Schluck Cider Sternen bezeichnet. Bei den Dorfher berzen wird vor einigen gewarnt, in denen das Ungeziefer selbst für einen Stromcr zu überwältigend ist. Wenn de» Bandist bei einem Bauer einkehrt, erzählt er in möglich gewählten Aus drücken endlose Geschichten von Paris und dem Pariser Leben. Seine Sprache schön gesprochen machtauf den Franzo sen, selbst der untersten Klassen, immer einen ausgezeichneten Eindruck und sür Pariser Geschichten interessirt sich der Landbewohner so sehr, daß er davon nie genug bekommen kann. Hat der Bandist ein gutes Mundwerk und warum sollten heruntergekommene Stu denten, aus der Kutte gesprungene Geistliche, ehemalige Advokaen, Aerzte, Beamte n. s. w. das nicht haben! —so wird er beim Bauer gut verpflegt und kann leicht beim Abschied auch einige Kupfermünzen »nd vielleicht auch ein Brod oder eine Wurst mitbekommen. So wandert der Bandist wohlgemuth in möglichst kurzen Tagereisen bis ans Meer und wieder zurück und begibt sich nach zwei- oder dreimonatlichem Stro merleben beim Herbstbeginn neugestärkt an feine öde harte Arbeit. Alles in Allein ist also das Dasein eines Ban disten doch nicht so furchtbar, wie es dem Verwöhnten auf den ersten Blick wohl scheint, und thatsächlich wollen viele Bandisten den Abschreiberberuf, nach dem sie sich einmal eingewöhnt haben, nicht mehr verlassen. Nur nicht ängstlich I Folgende nächtige Geschichte von Herrn Billiger McSwat und dessen Ehesrau Lobelia macht jetzt die Runde durch englische Blätter. „Billiger! Horch!" ries Frau McSwat, indem sie sich im Bette ausrecht setzte und unbe weglich in dieser Stellung verhaute, weil sie im Erdgeschoß ein Geräusch zu hören glaubte. „WaS gibt es, Lobe lia?" sragte McSwat schlaftrunken. „Mir scheint, als spräche Jemand.... Horch!" Herr McSwat horchte und auch er meinte etwas zu hören. „Ich will mich überzeugen, was eS ist", sagte er mit sehr lauter Stimme. „Fürchte Dich nicht, Lobelia; wir sind vortreff lich bewaffnet. Außer diesen beiden Revolvern hier", schrie er, um etwaigen unberufenen Eindringlingen schon im vorhinein Angst einzuiagen, „haben wir einen Stock und einen Briesbeschwerer.. Sei nur ruhig, Lobelia!" Mit diesen Worten kroch er langsam aus dem Bette, bewaffnete sich und der Zug jetzte sich in folgender Ordnung in Bewegung: Voran schritt Herr Mc- Swat, m jeder Hand einen Revolver, den gewichtigen Stock unter dem Arme und den Briefbeschwerer in der Tasche seines Schlafrockes. Seine Frau, die Haare in Papilloten gewickelt, die Lampe in einerund eine Kampferslasche in der anderen Hand, folgte. Am ersten Treppenabsatze blieb Herr McSwat stehen. „Lobelia," bemerkte er, „eS ist nothwendig, daß Du vorausgehst, weil Du die Lampe hast. Ich werde Dich beschützen". Frau McSwat that, wie ihr geheißen und der Zug setzte sich wie der in Bewegung, diesmal in umgekehr ter Ordnung. Am Fnße der Treppe hielt Billiger erneut an und sagte in be fehlendem Tone: „Jetzt Lobelia, geh' mit der Lampe voran in'S Zimmer zur Linken. Ich will indessen hier stehen bleiben, um jeden Fluchtversuch zu ver hindern. Sollte Jemand herauskom men", sügte er brüllend nnd mit wü thender Geberde hinzu, „jage ich ihm vierzehn Kugeln in den Leib, schlage ihn mit dem Briefbeschwerer nieder und zerschmettere ihm alle Knochen mit die fem Stocke." Frau McSwat trat in das Zimmer zur Linken und blickte sorschend nach allen Seiten. „Siehst Du nichl», Lo belia?" fragte ihr Gatte mit Donner stimme. »Nein, Billiger." „Gehe nun auch durch die anderen Zimmer," brüllte der Gemahl und stützte sich an die Wand. Während nun Billiger, bleich vor Entschlossenheit, zitternd vor »ampsbegier und bis zu den Zähnen bewaffnet, im Corridor verblieb, hatte Lobelia sämmtliche Zimmer durchsucht und war wieder zurückgekommen. „Hast Du irgend etwas gesehen?" fragteer. „Gar nichts, Billiger." Er über gab Lobelia seine Waffen, nahm die Lampe a>S ihrer Hand und durchschritt nun selbst mit einem an TodeSverach tung grenzenden Muth die Reihe der Gemächer. „Es war nicht», Lodelia," sagte er unmuthig nach seiner Rückkehr. „Du hast Dich nur getäuscht." Man begab sich wieder in's obere Stockwerk. „Du mußt Deine Furchtsamkeit zu über winden trachten," sagte er mit tadeln der Strenge, als er die Lampe auf den Tisch setzte und sich anschickte, wieder in sein Bett zu kriechen. „Wäre ich nicht dagewesen, Dich zu beschützen, würdest Du vor Angst gestorben sein." Ein Armer bettelte de«. Nach»S einen Vorübergehenden an. .'S ist eine Schande, des Nachts die Leute mit Betteln zu belästigen!" Entschuldigend eutgcgnete der Bettler: „Verzechn Se, ick bettle voch bei Dage!" Der «agen. „Endlich ist'S so weit! Ich erreiche mein Rendczvou«!" schrie der kleine Vicomte Oscar von Bergomme, indem er dos parfümirte Billet, da» er soeben erhielt, durchflog. Er ging einige Male im Zimmer aus und ab, den Brief in der Hand, dann blieb er mitten in feinem Spaziergang plötzlich stehen. „Schau' her, schau' her! Keine über triebene Schwärmerei. Erforschen wir den Indall dieses anmuthigen LiebeS briefchcns und handeln wir wie ein Mann von Uebung." „Mein lieber Freund! Mein Mann muß heute Abend zr d-'m alljährlich stattfinden Festessen und ich tiabe mit ihm verabredet, daß ich in wn'chen einer alten, kranken Tante Ge '"licha't eiste. Ich bin also ganz frei. Ich werde um 7 Übr in den Champs > luife> vor Ledolien sc n. Wir wollen -ach dem Diner. >.?enn eS Dir recht ist, Llndruck, als ob er ahnungslos in die Fußstapsen des MeuelauS träte." Oskar hatte schnell seinen KrieaSplan entworfen; zuerst will er nach dem Gumnase rennen, um sich da eine Loge !u sichern. Von da aus wird er bei Ledonen ein Diner bestellen und ein C abinet reserviren lassen, und aus dem Rückweg wird er bei seinem Club vor beigehen. um sür ein Coupee zu sorgen. AIS er eben aus seiner Thür hinaus tritt, fährt eine Privatequipage leer vorbei. Der Kutscher, wie e» ja öfter» vor kommt, möchte ckon seinen paar Stun den Freiheit Profitiren und gibt dem Vicomte ein Zeichen. „Ein Wagen, mein Herr?" „Nein, mein Freund, jetzt nicht, aber sind Sie heute Abend frei?" „Ja, mein Herr, den ganzen Abend." „Gut. Seien Sie um 3 Uhr bei Le doyen und warten Sie dort auf mich, um mich in's Gymnase zu fahren. Es ist kein« lange Fahrt halt, ich zahle Sie im Borau». Aber warten Sie, wie heißen Sie?" „Etienne!" antwortet der Kutscher, entzückt von seinem Glückszusall, dankt und verspricht, sich pünktlich einzu stellen. „Bravo da» ist eine königliche Idee," sprach lachend Oskar im Wei tergehen. „Wenn ich zum Portier mit vornehmer Miene so etwa» von oben herunter sage: „Etienne soll vorfah ren!" wenn ich dann in den Augen von Madame des Chalumettes nicht für einen bedeutenden Aristokraten gelte, meine Schuld ist e» wirklich nicht." Der Tag verging ohne Hindernisse. Oskar fand eine Loge nach Geschmack — eine kleine vergitterte und versteckte Loge —er bestellte ein äußerst gewähltes Menu dann ging er nach Hause und, nachdem er sich in Abendtoilette gewor fen hatte, traf er präzis 7 Uhr auf seinem Posten in der Nähe Ledoyen» ein. Ungefähr nach zehn Minuten erschien Madame deS Chalumettes, sie kam zu Fuß, die Gestalt durch einen dicken, wei ten Mantel ganz verhüllt. „Sie, Madame? In dieser einfach sten aller Equipagen?" „Sie können sich wohl denken, daß ich mich nicht gerade von meinem Kutscher hierhersahren lasse. Ich habe einen gewöhnlichen Fiaker genommen, densel ben aus Vorsicht aber schon an de, Avenue d'Autin verlassen. Doch gehen wir schnell hinein. Ich habe solche Furcht, erkannt zu werden." OScar gab Madame deS Chalumettes seinen Arm und sie gingen beide in den Salon, der ihnen refervirt war. War das Diner gelungen? Gab es auch Delikatessen, die nicht auf dem Menu standen? Sicher ist's, daß OScar'S Augen, ali er das Restaurant verließ, in einem Glänze strahlten, den seine angenom mene gleichgiltige Miene nicht verdrän gen konnte. „Portier, lassen Sie Etienne vor fahren!" Madame de» ThalumetteS zuckte zu sammen. „WaS hast Du?" frug Oscar. „Nichts, ein komischer Zufall er schreckt? mich —". Der Wagen fuhr vor. Madame des Chalumettes schlüpfte hinein, ohne den Muth zu haben, sich nur umzusehen und zitternd, man könnte sie entdecken. Oscar setzte sich an ihre Seite, und Etienne trieb seine Rosse zu einem tüchtigen Trab an, während unsere Liebenden, zneinandcrzcschmiegt. sich tausend Zärt lichkcilen ins Ohr flüsterten. DaS Wet ter, welches den ganzen Tag über herr lich gewesen, sich aber schon Abends zu indern drohte, war mit einem Male schlecht geworden. E» regnete, und den spärlichen Tro pfen, die Madame des Chalumettes und Oscar beim Einsteigen überrascht hat ten, folgte eine wahre Sintsluth, vor der alle Fußgänger Schutz suchten. He, he, Kutscher! Halt, halt, Kutscher! Jedermann suchte einen Wagen zu be> kommen; aber die Kutscher, stolz im Ge fühl ihrer Unentbehrlichkeit, zuckten nur mit den Achseln, anstatt Antwort zu geben. Werde Tu nur naß, mein Freund, Werde nur naß Der Regen ist die Rache de» Kut schers. Als das Kupee unserer Verliebter, um die Ecke der Rue Royale und der Grands Boulevards fuhr, rief in der Nähe der Madeleine eine durchdrin gende Stimme: „Etienne! Etienne!" „Um Himmelswillen, mein Mann," schrie Madame des ChamuletteS und Warf sich in den Wagen zurück. „Dein Mann?" frug O«kar, wie verstsMrt. l „Etienne! WM Du augenblicklich halten. Du Hallunke!" Von diesem Beinamen hypnotisirt. zog Etienne die Zügel an. „Da hält er nun", stöhnte OSkar entsetzt und Madame de» Chalumette» stieß, al» sie sich eben umsah, den SchreckenSrus auS: „Aber das ist ja unser Wagen!" Sein Wagen! Oskar hatte nur noch Zeit, Estelle durch die ganze Breite sei ner Persönlichkeit zu verbergen, der Ehemann hatte den Wagenschlag ausge rissen und drohte einzubrechen. „Mein Herr. Sie sitzen hier in mei nem Wagen!" „Das ist möglich, mein Herr, aber ich habe nicht die Ehre Sie zu kennen." „DaS stimmt machen Sie mir daheix das Vergnügen, auszusteigen." „DaS sällt mir nicht ein, mein Herr .... Diesen Wagen habe ich bezahlt Ich behalte ihn verhandeln Sie das Uebrige mit Ihrem Kutscher, der leinen anderen Kunden annehmen soll." „Der wird zum Hause hinausfliegen." „Das ist mir gleichgiltig, warten Sie nur bis morgen damit." „Aber Sie haben nicht das geringste Nccht, in einem Wagen zu sitzen, der Ihnen nicht gehört." Oskar versuchte ihn an Energie zu übertreffen —" „Wenn ich nicht das Recht habe, so nehme ich es mir und er versuchte Monsieur deS Chalumettes zurückzu drängen. Aber, der war ein solider Gegner, und erwiderte den erhaltenen Stoß mit Zinsen. „DaS wird sich zeigen, mein Herr ich werde einen Schuxmann rufen eS gibt manchmal —" Oskar bekam Angst. Ein Schutz mann, er würde gezwungen sein, aus zusteigen, Estelle würde erkannt werden ... .er versuchte ein Compromiß. „Hören Sie, mein Herr, ich will die Rechtsfrage nicht untersuchen. Der Wagen gehört Ihnen und wenn Sie wollen, kann sich Ihrem Anspruch Nie mand widersetzen. Aber der Fall liegt jo Hinter mir sitzt eine Dame...." „Ihre Frau?" „Nein eben nicht meine Frau. Neun es meine Frau wäre, hätte ich Ihnen längst den Platz geräumt. Eine oerheirathete Dame ich müßte Ih nen das ausführlicher erzählen." „Aber mein Herr, es regnet, und ich bin ganz durchnäßt. Sie können mir das Alles im Wagen erklären .... ich werde mich auf den Rücksitz setzen." „Ob aber überhaupt ein Rücksitz da ist!" „Na, ich glaube ziemlich sicher zu sein, ich werde doch meinen Wagen kennen " „Entschuldigen Sie, auch das ist un möglich wenn Sie auf dem Rücksitz Platz nehmen, werden Sie Madame nicht allein sehen, sondern ihr gerade in s Gesicht blicken und sie wird kom prommilirt sein." „Ja, ja, aber wie die Dinge liegen.. LH. eine Idee! Lassen Sie mich nur machen." Und mit diesen Worten wen det er sich an Estelle! „Hören Sie, Madame. Ich sehe Sie eben nicht.... >ch kann Sie nicht sehen, weil Sie Ihr Freund vor meinen Blicken versteckt. Aber seien Sie barmherzig und gewäh ren Sie mir in meinem Wagen nur die Gastsreundschast bis zu meinem Hause, denn ich kann bei diesem schreck lichen Wetter unmöglich zu Fuß gehen. Sie können dann mit meinem Wagen fahren, wohin Sie wollen. Ich werde dem Kutscher den Befehl geben, den ganzen Abend zu Ihrer Verfügung zu bleiben und sogar auch morgen, wenn Sie es wünschen!" Und da der Regen immer heftiger strömte: „Eilen Sie, Madame, bitte, eilen Sie. Ich erkälte mich und meine arme Frau wird mich pflegen müssen. Und wenn Sie nicht wollen, daß ich Ihre Züge bewundere, halten Sie das Ta schentuch vor Ihr Gesicht und das Taschentuch Ihres Freunde» dazu und auch noch das meine, wein zwei nicht ausreichen." „Ach ja, da» ist vielleicht ein Aus weg," sagte Oscar, der recht gut die G efahr eines Widerspruchs erkannte. Er bedeckte das Gesicht EstelleS mit seinem Taschentuch, legte seinen Ueberzieher über ihre Gestalt und ließ den Ehemann iuf den Rüclfitz. „Avenue des Villiers," fagte deS ThalumetteS, ehe er einstieg, zum Kut scher und der Wagen fuhr ab. Die Unterhaltung während der Fahrt war anßerordentlich lustig Mon sieur des Chalumettes machte seinem Gegenüber Complimente mehr oder we niger gewählter Art und bedauerte wie derholt, daß die Dame ihm weder ihr Besicht zeigen, noch einen Ton ihrer Stimme hören lassen wollte. „Nur eine hübsche Frau versteckt ihre Schönheit so eigensinnig," sagteer. „Ihr freund scheint nicht übel daran zu sein. Armer Gatte! Armer Gatte! Aber vielleicht verdient er's nicht Keffer." Er gab Oskar seine Visitenkarte: „Hier, mein Herr wir haben auf so drol lige Weise unsere Bekanntschaft gemacht, wir wollen sie erneuern, nicht wahr? Besuchen Sie mich Ich werde Sie neiner Frau vorstellen, das heißt, wenn es Ihre Freundin erlaubt," fügt er mit Nackdruck, zu Estelle gewendet, hinzu. Am Bestimmungsort angekommen, stieg er aus, schüttelte OSkar die Haad, zrüßtr Estelle und sagte mit süßem La che l: „Mein Wagen gehört jetzt Ihnen... ich will nicht einmal wissen, wohin er sie sährt." Um Mitternacht, nach dem Theater, trennten sich die Verliebten. Und als Oskar jammerte, wie rasch die Zeit vergangen sei, und um ein »cues Rendezvous bettelte, sprach siez „Besuchen Sie meinen Mann mor gen um drei Uhr und vergessen Sie nicht, dafür zu sorgen, daß er Sie mir dorstellt."
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