s « a » e»» Ein fruchtwarmer Frühlingstag neigte sich seinem Ende zu. In den Straßen jenes StadtlhejlS von New Uork, der seiner vorwiegend deutschen Bevölkerung wegen klein - Deutschland genannt, herrscht rege», bewegtes Leben. Nicht olltm die Schaaren von der Arbeit Heimkehrenden waren e», die denselben da» Gepräge äußerst lebhaften Ver kehr» verliehen. Hunderte, die den Tag über in dumvien engen Wohn räume gebannt gewesen, hatten sich in'» Freie geflüchtet, um den ersten schö nen FrühlingSabend draußen zu genie ßen. Männer und Frauen saßen oder stan den aus den hohen Bortreppen der kaser nenartigen Mieth»gebäude, oder wan delte» plaudernd aus und ab, während das Lachen und Jauchzen spielende, Kinder fast jede» andere Geräusch über, tönte ES war wie ein Ansalhmen nach langer Haft. DaS geheimnißvoll« Schaffen und Weben der wiedererwa chenden Natur wurde auch hier verspürt, obwohl das Auge weit und breit keinen sprossenden Zweig als sichtbare» Zeichen des wiederkehrenden Frühlings zu ent decke» vermochte. Aus der HauSthÜre eine» hohen Te> nementhauses trat eine schlanke Mäd chengestalt, deren eigenartige Schönheit sie aus den ersten Blick als eine der Töchter Israel'S erkennen ließ. Schwarze?, wellige» Haar lockte sich um ein Antlitz von echt orientalischem Schnitt, aus dem ein paar tiesdunkle Augen voll leidenschaftlichen FeuerS leuchteten. Sie trat vollends heraus, lehnte ihre schmiegsam« Gestalt gegen das Geländer der Treppe und athmete in tiefen' Zügen die milde Abendluft ein, während ihre Blicke wie suchend über die Straße schweiften, ohne offen bar das zu entdecken, wonach sie späh ten. ES war weniger ein Ausdruck von Enttäuschung, .als von ungeduldiger Er wartung. der aus ihren Zügen sprach. Ihr ganzes Interesse schien nur von einem Gegenstande in Anspruch genom men zu sein. Was sonst um sie her vorging, beachtete sie nicht; die Vorüber gehenden oder in Gruppen beisammen Stehenden existirten offenbar nicht für sie. Ihr Blick war unablässig aus denselben Punkt gerichtet, die an der nächsten Straßenecke befindliche Hoch bahnstation. Bon der Allen Street herüber kündete jetzt ein dunipseS rasselndes Geräusch das Herannahen eines von der unteren Stadt kommenden Zuges, der eine Mi nute später hielt. Mit aus'S Höchste gespannter Aufmerksamkeit hing der Blick des Mädchen» an der Stelle, wo die ersten der dem Zuge Entsteigenden sichtbar wurden. Plötzlich leuchtete e» blitzartig anf in ihren dunklen Augen. Bon der sich die Treppe herabwälzenden, dichten Menschenwoge hatte sich die Ge stalt eines jungen Mannes abgelöst, de, eiligen Schrittes quer über die Straße aus sie zugeschritten kam. In zwei Sätzen hatte er die Treppe erklommen vnd stand »un vor dem vor Erregung zitternden Mädchen. „Rahel, meine süße Rahel," klang e» unendlich zärtlich von seinen Lippen, während er ihre beiden Hände zwischen die seinigen preßte. Das Mädchen blickte ihn an, mit Singen, aus denen eine grenzenlose Liebe und Hiugebnng sprach. „Wie habe ich mich gesehnt, nach dem Augenblicke, wo ich Dein Antlitz wiedersehen durfte," sagte sie mit einer weichen, wohlklingen den Stimme. Er zog ihre Hände verstohlen an scine Lippen und drückte einen leiden schaftlichen Kuß auf dieselben. „Eine Ewigkeit schien mir dieser Tag," ent s.eznete er innig. „Nun endlich darf «ch Deine Hand in der meinen halten und Dir in die wunderbaren Strahlen »igen zu blicken. Ein leises Liebesgeflüster entspann sich nun zwischen Beiden, vorsichtig leise wie »in die Aufmerksamkeit der Anderen nicht zu erregen. Immer tieser sank die Dämmerung Herab, und immer lebhafter wurde es aus der Straße. Glühwürmchen gleich stammten die Gaslichter auf. Dicht an der Ecke hatte sich eine der jetzt so ver pönten Straßenlapellen aufgestellt und spielte den Schunkelwalzer. Kinder je den Alters hielten sich paarweise um schlungen »nd wiegte» sich mit unnach ahmlicher Grazie nach dem RythmuS der s? beliebten Walzermelodie. Der köstlich milde Abend, das bunt bewegte Treiben um sie her, die schmei chelnden Klänge der Musik, und dicht an ihrem Ohre leise, süße Liebesworte das Alles wirlte vereint, um in der Brust des Mädchens eine unbeschreib lich wonnevolle Empfindung zu er wecken. „Rahel!" ertönte da eine weiblich« Stimme aus dem Innern des Hau se?. Die Gerufene fuhr empor. „Dr« Mutter!" sagte sie im Tone lei en Bedauerns, aber dennoch bestimmt. „Wir müssen uns trennen." Ueber das hübsche Geficht de» Man nes glitt ein Ausdruck von Verdruß. .So früh schon, sagt« er, ärgerlich mit dem Fuße stampfend. „Deine Mutter könnte Dir wohl etwas länger Erholung gönnen." „Schilt sie nicht," erwiderte daZ Mädchen, „sie hat Recht; droben war tet noch eine Menge Arbeit auf mich, die ich morgen abzuliefern habe. Es muß sein, d'rum gute Nacht, leb wohl, Du Guter, auf Wiedersehen mor -5»." Er kannte sie zu gut, um nicht z» Wissen, daß jeder Versuch, sie zum Blei den zu überreden, nutzlos sein würde Roch einmal preßte er ihre Hand zärt lich in der seinen. „Morgen, morgen," sagte er innig. Dann hatte das Mäd chen sich losgerissen und war im Innern »es Hauses verschwunden, während de, junge Mann, langsam über die Straß, Mendernd, seiner Behausung zuschritt. Nabel hatte inzwischen leichten Fuße« die Treppe nach dem zweiten Stockwerke erstiegen, wo sich nach hinten hinaus die bescheidene Wohnung ihrer Eltern be fand. ES war ein dürftig möblirte» Zimmer, in das sie eintrat. Auf dem Tische, der mit einer Anzahl ungarnir. ter Hutformen bedeckt war, brannte ein« Lampe, deren trübe» Licht den Raum nur matt erhellte. In der einen Ecke, in einem Lehnstuhl, der offenbar «n einer Trödlerbude erstanden war, saß eine Jüdin, Rahel» fast gänzlich erblin dete Mutter. Dicht am Tische, den Kopf in die Hand gestützt, in sich ver sunken, lehnte die Gestalt ihres Vaters, Simon JakobinSkq. Er schien da» Eintreten seiner Tochter kaum bemerkt zu haben, wenigstens nahm er nicht di« geringste Notiz davon. Theilnahmlo» blickte er vor sich nieder, hin und wieder abgerissene Worte vor sich hinmur melnd. Rahel fetzte sich an den Tisch, fchol die Lampe etwas näher zu sich heran und nahm die durch Abendessen und die kurze Erholung im Freien unterbrochene Arbeit wieder aus. Aber ihre Gedan ken wanderten zurück zu Demjenigen, dem ihr ganze» Denken, ihr ganzes Empfinden gehörte. So wie heute war e» jeden Abend, seit sich» Wochen schon, wo sie ihm zum ersten Male begegnet war. Bei einem kleinen Ausgange in näch ster Nachbarschaft, den sie zur Besor gung der täglichen Bedürfnisse zu ma chen gehabt, war es gewesen, wo sie ein ander zuerst in'S Auge geblickt hatten. Am nächsten Abend, als sie, wie ge wöhnlich, von ihrer Mutter hinüberge schickt wurde, um zur Erholung der fri schen Lust ,u genießen, hatte er—gerade vom Geschäft kommend —schon den Muth geiunden, sie zu grüßen. Und wenige Tage später wäre» die ersten Worte zwischen ihnen gewechselt worden. Bald wußte sie, daß er Hermann Walter heiße und in einem der kleiuen Privat häuser, auf der andern Seite der Straße wotmte. Sie hatten sich unglaublich schnell gefunden, so schnell, daß es Rahel manchmal war, als wenn das Alles nur ein Traun« wäre. Und vor dem Er wachen aus diesem Traum war ihr an fänglich bange. Noch ahnten ihre Eltern ja nichts von ihrer Liebe zu diesem Christen. Aber eines TageS mußten sie eS erfahren, und dann gab es nur zwei Wege für Rahel, zwischen welchen sie zu wählen hatte. Denn daß die Eltern, die noch tief in starren, religiö sen Vorurtheilen steckten, je in ihre Verbiiidung mit einem Christen einwil ligen würden, darüber gab sie sich kei ner Täuschung hin. Nein, sie wußte nur zu gut, daß der Vater ihren Tod elnr verschmerzt haben würde, als ihren Abfall vom Glauben seiner Väter. Das war der finstere Schatten, de, RahelS Glück bedrohte, das, die heim lich zehrende Sorge, die sie niemals desselben froh werden ließ. Wenn di« zitternde, welke Hand ihrer Mutte, ihr zärtlich über die Wange fuhr, empfand sie jedesmal einen heißen, stechende» Schmerz in der Brust. Wi« undankbar, wie unwürdig solcher Lieb kosung erschien sie sich! Ein Gefühl unerträglicher Qual verursachte eS ihr, wenn der Vater sie seine gute Tochte, nannte, sie in warmen Worten ihre» Fleißes wegen lobte. Und doch ver diente sie dieses Lob voll und ganz, denn RahelS nimmer rastende Händ» waren es, die die Existenzmittel für du Familie beschafften. Simon Jakobinsky verdiente nu> selten etwas, nur hin und wieder, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Für eine regelmäßige Beschäftigung hatte er nun einmal weder Neigung noch Ausdauer. Sein ganzer Ehrgeiz gipfelt darin, irgend einen kleinen Kramhandel sein nennen zu dürfen. Und daß er dieses Ziel noch erreichen würde, darauf hofft« er zuversichtlich. Denn sobald Rahel einwilligte, Isaak Löws Frau zu wer-, den, würde dieser ihm die nöthigen! Mittel dazu vorstrecken, daß sie sich bis- j her immer noch geweigert und ihr« Entscheidung hinauszuschieben gewußt hatte, machie ihm wenig Sorge. DaS hielt er nur sür mädchenhafte Sprödig keit, die sich mit der Zeit verlieren würde. Daß sie sich ernstlich dieser geplanten Verbindung widersetzen tönne, fiel ihm nicht im Traume ein. War Rahel doch klug und würde baN genug einsehen, daß eS ein beneidenS werthes LooS sei, das ihrer wartete. Denn Isaak Low war nicht nur ein braver Mensch, sondern auch Inhaber eines einträglichen Psandleihergeschäfts, daher war Simon klug genug, um nicht beständig in sie zu dringen, vielmehr de, Sache ruhig ihren Lauf zu lassen. Eines Tages mußte sie ja doch zur Einsicht kommen. Hatten sie doch deshalb das kleine polnische Grenzstädtchen, wo es ihm nie recht glücken wollte, verlassen und die gefahrvolle Reise über den Ocean gewagt, als Isaak, der als jun ger Bursche ausgewandert war, in einem Briefe um d e Hand seiner Jugendge spielin angehalten hatte. Damals hatte Rahel gar nicht abgeneigt geschienen, sich dagegen in der letzten Zeit erst im »ier mehr zurückweisend gegen Jsaal benommen. Was Rahel im Stillen litt, davon aHute natürlich weder Simon, noch sein Weib etwas. Nur di« spärlichen Zu sammenkünfte mit dem Geliebten ge wieder das Peinvolle ihrer Lage Ilar zum Bewußtsein. So war wieder eine Woche vergan gen. Rahel schritt, nachdem sie sich vom Geliebten verabschiedet, eben die Treppe zu ihrem Hinterslübchen hinauf. Heute Abend war ihr das Herz ganz besonders voll und schwer. Wie in der letzten Zeit so oft, war Herrmann heut« wieder mit stürmischen Bitten in sie ge drungen, endlich die Seine zu werden, Sie halte ihn gebeten, nur noch ein wenig Geduld zu haben, vielleicht würdi sich binnen Kurzem ein Ausweg für su finden. Freilich glaubte sie selbst nicht daran, aber noch immer schreckte sie zu rück vor dem Augenblicke, der ste auf ewig von den Eltern trennen würde. Trotz alledem fühlte sie, daß sie nicht die Kraft besaß, diesen qualvollen Zu stand noch lange zu ertragen, und nicht da» Herz, diese Täuschung länger fort zusetzen. Nein, e» war kein Zweifel, daß der Zeitpunkt gekommen war, wo sie zu wählen hatte zwischen dem Manne ihres Herzen» und Derjenigen, die ihr bisher Alle» gewesen. Lange nachdem die Eltern sich zur Ruhe begeben hatten, saß Rahel noch sinnend und sorgend, und suchte verge bens nach einem Ausweg. Auch die Nacht, die sie schlaflos zubrachte, ließ sie keinen rettenden Gedanken finden. Sie sehnte den Morgen herbei, und als dieser gekommen, wiederum den Abend, der ihr den Geliebten und mit ihm neuen Muth und neue Zuversicht brin gen sollte. Früher al» sonst war sie auf ihrem Posten und harrte feine» Erscheinen». Doch Minute um Minute verrann, un aufhörlich kamen die Züge der Hoch bahn herangebraust, aber der liebste Mensch, dem ihr Herz in heißer Sehn sucht entgegenschlug, kam nicht. Immer dunkler wurde es. Zum ersten Male ließ Rahel den Ruf ihrer Mutter unbe achtet. Als sie eine Uhr irgendwo in der Nachbarschaft schlagen hörte, schwand der letzte Hoffnungsschimmer aus ihrer Brust. In einer nnbefchreiblichcil Gr müthSver assung begab sie sich nach oben. Ihr längeres Verweilen ent schuldigte sie mit heftigem Kopischmerz. Und sie sagte damit keine Unwahrheit. In ihrem Kopfe tobten die qnälendsten Gedanken. Unablässig wars sie sich die Frage auf, warum er nicht gekommen. Gewiß, er zürnte ihr, daß sie immer noch schwanken konnte! Und hatte er nicht auch Recht? Mußte er nicht daran zweifeln, daß ihre Liebe die wahre, echte sei, die jedes Hinderniß überwindet? Stand doch in der Bibel selbst, daß das Weib Vater und Mutter verlassen und dem Manne folgen soll. Dann wieder fiel ihr Blick aus di« Eltern, und unsägliches Mitleid er faßte sie. Ein Gefühl heißer, thränen erstickter Wehmuth stieg in ihr auf. Sie empfand den Schmerz, den sie ihnen bereiten mußte, selbst in tiefster Seele mit. Eine Beute der widerstreitendsten Empfindungen, unfähig zur Arbeit, suchte sie endlich aus den Rath der Mut ter ihr Lager auf. Was Rahel in dieser Nacht gekämpftt, gerungen, gebetet hat, davon ist nie ein Wort über ihre Lippen gekommen. Als der Morgen graute und sie sich erhob, hatte sie entschieden. Der schöne, Christen-Jüngling hatte den Sieg da vongetragen über die alten Eltern. Den ganzen Tag verbrachte sie in einem Zustande höchster seelischer Er regung. Wie in einer heimlichen, un bestimmten Furcht, einer Angst vor sich selbst, suchte sie ihren eigenen Gedanken zu entfliehen. Mit geschlossenen Augen hätte sie umhergehen mögen, nichts sehen, denken, empfinden, in traumlosem Schlase die Zeit hinbringen mögen bi» zum Abend, dem Augenblicke, wo sie ihn unsäglich glücklich machen wollte, wo sie ihm durch das Opfer, das sie zu brin gen bereit war, den Beweis geben wollte, wie groß und tief ihre Liebe sei. Als die ersten Schatten der Dämme rung sich herabsenkten, erhob sich Rahel, am mit einer unbeschreiblichen Bangig keit im Herzen hinunterzugehen. Drau ßen in dem Gange btieb sie plötzlich hoch liusathmend stehen. Ihr war in diesem Augenblicke zu Muthe, als wären ihr beide Eltern gestorben—so ein unsagbar tiefes Weh' ging durch ihre Seele. Ein leises, schmerzliches Stöhnen entrang sich ihrer Brust. Im nächsten Moment aber schüttelte sie energisch den Kopf, »ls wollte sie irgend einen störenden Gedanken verscheuchen, und eitte dann leichten Ganges die Treppe hinab. Noch war das Licht des TageS vor herrschend inder langsam hereinbrechen den Dämmerung- Ihrem geübten Auge entging keiner der von der Hochbahn Kommenden. Aber auch bei völliger Dunkelheit würde sie den erkannt ha ben, dem zu Liebe sie ihre» Glauben und Vater und Mutter auszugeben bereit war. Eine Biertelstunde nach der andern verging. Immer starrer, ängstlicher richtete sich ihr Blick aus die Stelle, wo seine Gestalt aufzutauchen pflegte. Wa rum kam er nicht ? Was war geschahen? Konnte er es denn länger als einen Tag aushalten, ohne sie gesehen zu ha ben? Ein dumpfer Druck legte sich ihr »us'S Herz, und plötzlich kam ihr eine namenlose Angst, der mit der Blitzes schnelle des Gedankens ein Entschluß folgte. Wenn er trank, hilflos, unter fremden Menschen, ihrer Pflege bedürf tig wäre? Sie müßte ihn sehen! Keine Macht der Erde wäre im Stande gewe sen, sie zurückzuhalten! Eine Minute sp.iter stand sie athem los vor dem Hause, in dem er wohnte, Und zog mit zitternder Hand die Klingel. Ein tleines, etwa zehiyähriges Mädchen lilsnete ihr. „Wohnt Herr Walter hier?" fragte Nahel laut klopfenden Herzens. „Herr Walter?" sagte das Kind. „O, der Herr mit dein blonden Barte! Der wolint am nächsten Floor bei Frau Li ein Hardt." Nach einem flüchtigen „Danke" stürmte Rahel davon, die Treppe »ach dem zweiten Stockwerk hinan. Durch die offenstehende Thüre eines Himerzi», mers iah sie eine altere Frau am Lsen beschlinigt, die sie offenbar hatte kom men hören, und ihr cu»ge Schnitt cut zegentrat, „Sieentschuldigen," stammelte Rahel, .ich möchte gern Herrn Waller spre hen." Die Frau ließ ihre Blicke ueuqierig aber »ich« unsreundlich über die Gestalt des jungen Mädchens gleiten. „Herr Waller wohnt seit gestern nicht mehr in diesem Hause," erwiderte sie dann. Aus den großen Augen der vor ihr Stehn,den tras sie ein so starrer ver ständnisloser Blick, daß die Frau hinzu- zufügen sich veranlaßt fühlte: „Seil gestern Vormittag, wo seine Frau aui Deutschland eingetroffen ist. Er hatt« sie sobald noch nicht erwartet." Ein so gräßliche» gellende» Lachen tönte durch da» Zimmer, daß die alt« Frau erschrocken zurückgeprallt war. „Und ich —und ich wollte—" Hoch aufgerichtet, ein Strahl glühenden, ver sengenden Hasses in den schwarzen Au gen, mit emporgerichteten Armen, die Hände ckrohend zusammengeballt, stand das Mädchen vor ihr: kam es zischend von ihren L»ppen. Aus'S Höchste ersc'rocken war die Frau ängstlich zurückgewichen. Im nächsten Augenblick aber veränderte sich der Aus druck ihres Gesichts. Tiefstes Mitleid spiegelte sich in ihren Zügen. Denn schon stand, die Hände schlaff herabhän gend, da» Gesicht mit leichenhafte, Blässe überzogen, die Augen geschlossen, das eben noch so leidenschaftlich erregt« Mädchen da, ven schwankenden Körpe, gegen die Wand gestützt. „Armes Kind," sagte die Frau, ih, theilnehmend über die kalte Wang« streichend. Eine fast magische Wirkung übte die ses Wort. Die dunkeln Wimpern langsam aufschlagend, richtete Rahel sich empor und stand ausrecht im Zim mer. „Verzeihen Sie, daß ich Sie erschreckt habe," sagte sie mit starrer, säst unheim licher Ruhe. Dann wandtd sie sich und schritt festen aufrechten Ganges die Treppe hinab, um das HauS z« verlassen. Wie sie nach Hause in das Zimme» ihrer Eltern gelangt war, hätte sie nicht zu sagen vermocht, auch nicht, wie es ih, möglich war, wie allabendlich auch heut« ihre Arbeit zu verrichten. Mechanisch, automatenhast war Alle», was sie that, als wäre alles Gefühl m ihr gestorben, jedes Bewußtsein geschwunden, leer und todt Alles, bis auf das Eine: der große, dumpfe Schmerz, den sie mit sich herum schleppte. Und dann kam die Nacht, in der kein barmherziger Schlaf, keine er lösende Thräne ihrem todtwunden Her zen Linderung brachte. Ein strahlend heiterer Morgen folgt, dieser Nacht. Rahel sah es nicht. Was kümmerte e» sie, ob draußen die Sonn« schien! In ihrem Herzen war es nun ja ewig öde Nacht. Al» der kärglich« Morgeninibiß eingenommen war, trat Rahel vor ihren Vater hin. So fremd klang ihre Stimme, daß sie beinah« selbst davor erschrak. „Väterchen," sagte sie ruhig, ernst, ohne alle Bewegung, während sie di« Hände in einander verschlungen, du Augen, in denen ein düsteres Feue» glomm, zu Boden gerichtet, dastand. „Väterchen, geh zu Isaak Löw, sag ihm, haß ich einwillige, fein Weib zu wer den." Wie beller Sonnenschein flog es übe» das Gesicht des alten Mannes. Abc, Rahel bemerkte es nicht. Sie blickt« noch immer zu Boden. Sie sah auch nicht auf, als er sie jetzt zärtlich in di« Arme schloß. „Ich wußte e», daß meine klug« Tochter zur Einsicht kommen würde," sagte er triumphirend. „Und Du thust Recht daran, meine Taube. Ist doch der Isaak ein braver Mensch, der Dich wird aus Händen tragen. Er wird Dir geben fchöne Gewänder und kostbares Geschmeide, er wird Dich kleiden wie eine Fürstin." Kein Zug in RahelS Gesicht deutete an, daß sie ihn verstanden. Kalt und ruhig nahm sie den ttn» hin, den er auf ihie Stirn drückte. Während draußen im Hausflur schon scine Schritte ver hallten,stand sie noch immer unbeweglich auf derselben Stelle. „Rahel, mein kind, Gott segne Dich!" klang es da unendlich innig aus der Ecke des Zimmers, Zwei welke, weiche Hände streckten sich ihr emgegen, die Hände, die schützend und segnend über ihrer Kindheit gewaltet, die sie gekegt und gepflegt in nie endender, selbstloser Liebe. Mit einem Au'schrei sank Rahel in die knie vor ihrer Mutter und barg laut ichluchzend den Kopf in ihren Schooß. Der starrkrampfähnliche Zu stand ihres Innern war gebrochen, durch ein einziges Liebeswort aus Muttermunde. Jetzt endlich fand sie Thränen, und sie weinte lange heiß und schmerzlich, während die alte Frau ihr unablässig tröstende Worte zusprach und ihre zitternden Hänoe liebkosend durch das dunkle Gelock ihres Kindes gleite» ließ. Und inmitten ihres tiefen Äeh'S sühlle Rahil, daß ihr .»och ein großes Glück geblieben, das lreue Mutteryerz, an dem sie alle Qual ihres Innern alles Leid ausweinen durste. „D»i wirst glücklich werden, Rahel leben," sagte die alte Frau weich. „Trockne Teme Thränen, meine Toch !er, weine nicki," Raliel schüttelte den »i opf. „DaS ist eS nicht, Mittler, was mir hier drinnen so weh, so weh thut," sagte ne. während sie das thrä > indcnetzie Gesicht hob und mit einem nnjäglich traurigen Ausdruck in die uel'r», alten Augen blickte, deren Glanz längst erloschen war. „Sieh, ich hatte liuen bösen Traum, und in dieicm Traume habe ich auch so schweres U« reitU qeihan, daß es mir das Herz sasl zdsiücke» »lächle, nnd mir ist, als wenn ich Euch bitten mochte- „Vergebt, vergebt mir," tii» heücres Lächeln glitt über die Hüge der Greisin. „Und darüber weinst Du Dir Deine schöne» Augen aus. hörichteS «ind, nnd es w.ir doch nur :«» Traum, Träume sind Schäume " Rahel sandle einen langen Blick durch vie trüben Fensterscheiben nach dem klaren Frühlingshimniel hinaus. „Es ganz lnje, „Träume sind Schäumc." Kurze Kritik. Schriftstel lerin (nachdem sie ihre verichiedenen Dichtungen ausgezählt): „Und was !K?erk?" Kritiker: ,Zweifellos Ihr Mundwerk!" I »«««hei« und «arrhelt» Wer erschrickt nicht, wenn er sieht ' daß Einer unternimmt, von der Narr > heit und Dummheit zu schreiben ? Wo > fragt er sich, sängt Der an, wo hört er ' aus? Bei der Erschaffung der Welt? ° Ach nein, die war ja göttliche Weisheit I Bei der Mahlzeit Evas? ' Und warum erzählt er un» nicht lie> > der vom Gegentheil, von menschliche, 'Klugheit? Tiefe ist in Sammelwerken. Encyklo- pädien, ConversationSlexiken nieder gelegt, in allen Bibliotheken und Bü ' chern zu finden. '! Sagt Jemand: Oho! Ah, Sie mei ' nen die Weltgeschichte, die Anfangs ursachen Ger meisten Kriege, die Für > sten- und Proletarierthaten, die Re > ligionskämpfe und Verfolgungen, so ' manches, was alte, neue und neuest« ' Klassiker geschaffen e» gehöre nicht ! in'S Capitel menschlicher Weisheit, es verdiene vielmehr meinem Thema bei l gerechnetzn werden? Aber wo fängt I Weisheit an, wo hört Thorheit auf? „Der Weise muß zu de» Thoren geh'n, . Sonst würde die Weisheit verloren geh'n, ! Da Thoren nie zum Wmen kommen!" , sagt der Weise von Wiesbaden, j Es soff auch nicht alles erzählt wer- den, was Nero, Ealigula, Heliogabal vom kaiserthron aus an Narrheit ge ' leistet. ES Handel, sich um einige we - niger bekannte Thatsache», und fragt ! Wer ein achselzuckend „Weshalb" ? So geb' ihm Saadi sein „Darm"! „Der Weise wird kein einzig Scherzwort hören, Daraus er nicht Gewinn sich zog und Lehren; Doch Thoren kannst Du hundert Capi ! tel lesen, Selbst über Weisheit: ist ihm Alle» Scherz gewesen!" > Aber ist Weisheit und Thorheit über haupt abzugrenzen, festzustellen? Was dem Einen klug erscheint, schilt der Nachbar thöricht; was gestern gescheidt erschien, ist heute dumm. Als die ! französische Revolution sich selbst aus ! führte, fiel eS keinem Menschen ein, sie > zu verbieten. Stellt man heute die - Thatsachen von gestern auf der Bühne ! dar—werden sie confiscirt; siehe Tber ! midor! Und was geschah nicht alle» i! unter der Schreckensherrschaft? Die Sansculotten vertheilten am Eingang« s eines Kirch wfs Büchlein betitelt: l.ss llrvit« cis I'liommv, „Menschenrechte"; sie waren in Menschenhaut gebunden, welche man in Sevres und Mendon gerbte und zu denen Frankreichs Armeen den „Stoff" lieferten. Nach dem Auf hören der Schreckensherrschaft schlug man an die Psorte desselben kirchhoss einen Zettel an, „Bnl du Zephir" und tänzle dort, wo die Sansculotten Jean Voupe-Tetes ihre Blutorgien gefeiert hatten. Die Büchlein aus Menschenhaut er innern an den furchtbaren Ziska, de, im Hussitenkriege seinen Soldaten seine Haut vermachte für eine Trommel, bei deren Klang Kaiser Sigismund noch zittern müsse, zittern vor den sterblichen Resten des todten TodtfeindeSl An die D'chmgiskane und Tamerlane, die sich auf den mit der Haut ihrer Gegne, überzogenen Thron setzten; an jenen Höing, der den Richterstuhl mit der Haut eines ungerechten Richters über ziehen ließ, seinen Nachsolger zur Ge rechtigkeit zu mahnen; an den heiligen Hieronymus in einer italienischen Kirche, der, einem anatomischen Präparat aus Marmor gleichend, seine ihm abgezo gene Epidermis in der Hand hält; an den mit Recht von Apollo geschundenen Marinas, der falsch flötete. Aber die Bücher aus Menschenhaut der Franzo sen beweisen doch den Fortschritt der Menschheit. Wir Deutsche hatten zur Zeit der Resormation unsere Bilderstürmer so gut wie das griechische Kaiserthum schon unter Leo 111. Jsauricus. Wie viele Kunstwerke der menschliche Fanatismus ein Synonhm sür Dummheit seit dem Stur», zu Wittenberg ISÄ2 zerstört h»t, ist unberechenbar. Aber wohl ein zig in seiner Art ist der Gräbersturm, dm 1793 die französische, so viel ge rühmte Revolution gegen ikre besten Todten in'S Werk gesetzt. Damals er hob sich, so sagt Chateaubriand, ein Wind des Zornes gegen das Gebäude des Todes, und die VolkSfluthen ström ten über seine Grundmauern, Knochen und Asche der wohlverdienten Ruhe ent reißend. Man entheiligte die König»- grober von St. Denis, man riß oie Körper Heinrichs IV., Ludwigs Xlll. und XIV. aus ihren Särgen. Der Erste schien »och wie in» Leben, den Zweite» erkannte man besonders an sei nem Schnurrbart, den Letzten an seinen grandiosen Zügen, die aber die Schwärze des Ebenholzes angenommen hatten. Sonst waren sie alle gut erhallen. Die Särge von Philipp von Valoi», Karl dem Schönen, Karl V. enthiel te» jeder, außer den Skeletten, eine Krone, eine Hand der Gerechtigkeit (lnkin <Io justice) und ein Scepter. Bei Jeanne de Bourbon sanden sich noch eine vergoldete Spindel, ein golde ner Ring und svitze Schuhe von Gold- und Silberstickerei. Bei Karl Vl. und Jsabeau von Bayern waren selbst Kro nen und Scepter zerstückelt, und all diese Heikigtliümer Wersen die hirnver brannte» Stürmer in ein großes Mas wahrcnd sich einige schlaue Sammler mit den Resten der königlichen Insignie» bereicherten und daraus Sammlungen, die für Geld gezeigt wurden und zu se hen sind, bildeten! Man stieg, schreibt Chateaubriand, für einige Zeit in das Reich der Ruinen und athmete den Staub der vergange nen Jahrhunderte. So wurden die Leichen de» großen Turenne wie du Guesclins, denen die Ehre eines Grabes in St. Denis geworden, an'S Licht ge zerrt, und sie hätten das allgemeine Schicksal getheilt: aber ein Gelehrter, der den Ersteren besser erhalten als die anderen fand, bat ihn sich fssr da» Na tional-Cabinet vergleichender Anatomie, das Daubenton gegründet, au». Dort blieb der Sieger in den Schlachten Frankreichs den Augen de» Publikum» und der Antiguitätenfreunde ausgestellt, bis der erste Consul, dem diese Ernie. drigung der größten militärischen Glvri« Gallien» zwischen Mastodonten und Vierfüßlern eine Schande däuchte, die sterbliche» Reste in den „Invalides" beisetzen ließ. Gehet bin, Generale, und lasset Euch sür Frankreich todtschießen! Lenoir, der damals Alle» aufbot, um zu retten, was zu retten möglich, entriß der wahnsinnigen Menge den Kops des Kardinals Richelieu! Es war in de» Sorbonne-Kirche. Der Mob wollt« durchaus da» herrliche Marmordenkmal nach Sirardon» Modell in Staub ver wandeln. Lenoir widersetzte sich, erhielt einen Bajonetstich, behütete aber wenig sten» das Monument vor Zerstörung, Die Räuber entschädigten sich, indem sie den Sarg aus der Höhlung rissen und den Körrer aus den Dielen des Heilig, thums zerstampften. Lenoir schreibt: „Der Kardinal, den ich selbst dem Sarg entnehmen sah, glich einer trocke nen, wohlerhaltenen Mumie. Die Ver wesung hatte seine Züge nicht entstellt Eine gelbe Leicheusarbe lag über seine» Haut. Seine Backenknochen standen vor, er hatte dünne Lippen, rothes Haar, weiße Hände. Einer der Gehil fen der 1793 er Regierung glaubt« wohl, durch einen späten Schwertstreich die unseligen Opfer des 1642 gestorbe nen Begründers der sranzösiichen Aka demie zu rächen, schlug ihm den Kop> ab, und hielt diesen den Anwesenden in der Kirche hin!" Man weiß nicht, was au» dem Rumpf de» großen Staatsmanne» geworden; aber das Haupt ist heute sicher noch im Besitz eines Herrn Armez, welcher e» von seinem Vater, einem Deputirten, erbte; dieser kaufte e» von einem Ge würzkrämer, der es damals aus jener Kirche mitnahm. Als er sich verhei rathete, empsand seine Frau Angst und Widerwillen vor dem Leichenrest, und so bekam es Herr Armez, für Geld na türlich. Als die Bourdonen zurück kehrten, halte eS Arniez Vater dem da maligen Herzog von Richelieu, Mini ster der auswärtigen Angelegenheiten, angeboten; ob nun der Herr Mini ster keine Zeit hatte, der Kopf blieb bei den Armez. Im Jahre 1854 hatte dieses furchtbare Haupt, die Per sonifikation der absolmen Monarchie, welche die aristokratische Monarchie zu tödlen kam, noch keine Ruhe gesunden. Unk wenn das alles nicht Thorheil ist, wo ist sie? Gleichzeitig riß ein limousinischer Patriot einer Marmorstatue desielben Richelieu von seinem Denkmal aus Schloß Mellcraye den Kopf ab und benutzte ihn als Handgriff an einem Rostspieß! Sie werden sagen, all dies ist grau sam, aber nicht dumm. Es ist aber menschlicher, die Verirrungen auf Rech nung mangelnden Verstandes, als ent arteten Herzens zu schieben. Es ist traurig, an das Thier im Menschen, die Bestie, I» liets tlumkius, erinnert zu werden. Ist es glaublich, daß in Frankreich vor nicht vier Jahrhunderten am Hofe Kämpfe zwischen Blinden veranstaltet wurden, die man in Erz gekleidet uns mit langen Spießen bewaffnet hatte? Man lächle über die ungeichicklen Stöße, wie man 1848 noch, antike Gladiato ren- und Stierkämpfe parodircnd, in Rom junge Kälber und Bucklige in die Arena trete» ließ. Die Kälber er hitzten sich schließlich, der Noth gehor chend, nicht dem eigenen Triebe, ebenso sehr wie das Publikum, das einem ver wundeten Verwachsenen zurief: „Tödte, lödte!"—und nicht genug für sein Geld bekommen konnte. „liilis si »apis.." „lache, wenn Du weise bist", sagt Martial, und .^lisoa raz dem Virgil; „Füge zum besonnenen Ernst einigen Unverstand; Süß ist Thorheit am rechten Orts- Thoren scheinen mir die, welche nicht» oder nichts GescheidteS mit ihrer Zeit anzufangen wissen. Ich erkenne einen Thoren an seiner Langweile. Die Langeweile führt ihn auf die unmöglich' sten Beschäftigungen; die Thorheit liegt aber dann in der Disharmonie, Jnadä qnatheit zwischen Subject und Arbeit— Beschäftigung alle:» ist nie Thorheit, sondern ihre Zivecklosigkeit stempelt sie erst dazu. Der Graf von Fleurien, Marinemi niskr unter Ludwig XVI., liebte, wie ein jüngst verstorbener österreichischer Staatsmann, zu sticken. Er half eines Abends Madame de Genli» bei der Anfertigung eines besonders complicir ten Ballkleides. Aesop spielte mit Nüssen. Der afrikanische Scipio tändelte seine Zeit, Muscheln vom Strande zu lesen und mit seinem FrennZe LaeliuS Sleiuchen auf Wasser ausspringen zu lassen. Der Kaiser Auguslus hatte eine Wachtel, welche alle anderen im Kampfe besiezte, und als der Sklave Eros sie ans Ver sehen briet und austrug, ließ er den Unglücklichen an einem Schiffsmast kreuzigen. Domitian schloß sich zu Anfang seiner Regierung taglich stundenlang ein, um seiner Lieblingsbeschäftigung, Mücken zu sangen, nachzuhängen. Wenn Eali gula sein Pferd zum Range eines Con fuls erhob, so ist von späteren Herr schern »och— mancher Bock zum Gärtner, mancher Esel zum Minister gemacht worden. Unter Domitian, lebte ein Advokat Namen» Regulu», welcher sich das rechte oder das linke Auge malte und sich ein Zeichen von weißem Stoffe auf die eine oder andere Seite der Stirn klebte, je nachdem er für den Kläger oder den Angeklagten plai dirte. Alexander Severus kannte kein grö Bere» Vergnügen, als dem Kampfe de. Hunde mit Spanferkeln «der dem von Wachteln und Rebhühnern zuzusehen. Karl IX. war ein trefflicher Hufeisen schmied. Der große Kritiker Scaliger tanzte, in Waffen, den pyrrhischen Tanz. Lttdwig Xlll. glaubte im Pa stellmalen zu excelliren, und wenn er nicht mnsicirte, wa» er nicht besser, oder besser nicht that, fpickte er im Hofe mit feinein Spickspieß g eße Lende» und Kalbskeulen. Der Cardinal von Ri chelieu schlug seine Diener, kämpfte mit ihnen, warf ihnen Bücher an den Kovf, ließ sie von bezahlten Dieben be rauben, ja, er ließ falsche Zeitungen mit fälschlichen Anklagen gegen sie drucken, um sie zu ärgern. Und dieser Staats mann galt sür den ernstesten und größ ten Minister, den Frankreich jemal» gehabt. Unter Philipp IV. von Spanien blieb ein Herzog von Alba drei Jahre auf derselben Seite im Bette liegen, weil er seiner Geliebten geschworen hatte, sich nur zu „wenden", wenn sie ihn besuchen käme. Da sie nicht kam, starb er so. Loni» XV. pflanzt« mit Vorliebe Lattichsa'at und schre nert«. Ter bekannte Gras Brühl, der sich vom Pagen zum sächsischen Minister aufgeschwungen, der so viele Perrücken und so wenig Kops hatte, wie Fried rich der Große von ihm sagte, besaß dreihundert vollständige An,üge und jrden doppelt falls an einem etwas fehlen follte! denn er zog sich minde stens zweimal am Tage an und wollte nicht zweimal im selben Anzug gesehen werden. Zu jedem Kostüm gehörte eine besondereSchmipstabaksdos« und ein anderer Stock. Ebenso verhielt e» sich m t den Schuhen. Jeden Morgen brachte der Kammerdiener seiner Excel lenz eine Art von Hauvtbuch und nach diesem bezeichnete er den zu wählenden Ainug. Der Fürst Kaunitz unter Joseph U. wechselte wohl zwanzig bi» dreißig Mal im Tage die Kleidung; er schützte die verschiedene Temperatur als Anlaß vor. Um seine aus einer Unzahl von Locken bestehende Frisur gleichmäßig zu pudern, drehte und wandte er sich nach allen Seiten in einem dazu be stimmten Zimmer hin nnd her, in wel chem ein Regiment von Lakaien, mit Puderspritzen bewaffnet, ihn in «ine Staubwolke hüLen mußten. Erasmus von Rotterdam hat da» Lob der Narrheit gejungen, das Preis lied der Dummheit »st noch zu schrei ben. „Dieser Welt Weisheit ist Thorheit bei Gott", heißt es zwar 1. Korinther Z, 10. Aber Matthäus 10, IS mahnt uns, klug wie die Schlangen zu sein. Und wieder tönt die Verheißung: „Se iing sind die Dummen, (einsältigen He » zenS), denn ihrer ist da» Himmelreich!" Wenn nach Schiller mit der Dummheit selbzr Gölter vergebens kämpfen, so meint Geliert: „Für Jörgen ist mir zar nicht bange, der kommt durch seine Dummheit sort!" Die Zeiten, da der deutsch« Michel il» Muster von Dummheit galt, sind nun vorbei. Dagegen erscheint eS über raschend, daß gerade das geistreichste Volk der Erde, die Franzosen, ihren Calino haben, dem sie jedes dumme Wort in den Mund legen und der ge wissermaßen als Perjonificalion einer menschliche.« Eigenschaft gilt. In früheren Zeiten hieß Calino in Frankreich auch Jocrisse. Der Name wechselt der Typus stirbt nicht aus. Die Dummen werden eben Nicht alle. Zluf der «au»u»«r. „Na, immer een bisken flink und «ich »st lange Jeschlchtcn jemachl, Kerls! Uff die Inmpigeu 10 Dage, die man Euch jezt wieder injezogen hat, bleibt eZ sich ja Schnuppe, ob Ihr wie die Lords aus jehn dhut oder nich. DeS Kaisers Rock schändet nich, un wenn er auch noch so inlit is, verstanden?!" herrschte der Kammer-Unteroffizier die zur Waffen ibung eingezogenen Reservisten an, die bemüht waren, »nter drn defeiten Uni formen für sich die besten herauszusuchen. „Ei. sich da, Herr von B l Nanu! Zch dachte, det Sic längst schon Reserve- Spieß oder jar schon Sommer - Lieute nant sei» dhäten? Sie wollte» ja, als Sie als Einjähriger ausgedient hat»«», »och mal nachüben, um mit all« Jewatt i' Tressen zu kriejen. Det wurde aber vohl nischt, wat?" Der Gefragte schwieg lind sah verlegen zu Boden. „Na, scha let ooch nicht, Sie sind doch wenigstens »ei uns noch Jefteiter jeworden," -röstete der Gestrenge den Res.rvemann tnd rief einen ihm bei dem Einkleiden iehilslichen Manne zu: „Jreaadier Zfser, suchen Se mal hier sor meinen Freund Baron eene Kleedasche rans.mit die er den Kavelier mimen kann.— So, Herr v. 8., nun Helsen Sie dem Kerl iuchen". Kaum halte der also Begrüßte sich entfernt, so fiel der Blick des Ca pilain d'arm.S auf einen andere» ehe maligen Einiährig Freiwilligen, dessen Uniform gegen d>e der übrigen Refer oistcn vortheilhast abstach., Nanu, Kind, Sie sehen ,a so fein aus. Is das Ihre eigene Uniform?" .Jawohl, Herr Sergeant!" lautete die Antwort. „Ja, denn müsse» Sie den Feldwebel fragen, venn Sie die tragen wo.len. UebrigenS »iuß ich Ihnen doch ooch noch kennen; sind Sie nich der windige Malerprofes sor, der immer bendixen dhat?" Der Nefragte nickte. „Na, det freut mir, in Ihnen eenen ollen Bekannten be>u»,zen zu können. Wissen Sie, wie Sie mir so »hne die schwarz-weißen Schnüre in sbre jetzige dünne Jestalt vorkommen? lZZie wie so'n abjernlpeS Huhn, perr!" —Ein großes Gelächter folgte natürlich diesen Worten. —A uSgleich. Präsident: H-aben Sie noch elivaS zu dem «ntrag« des Staatsauwaltes zu bemerken? An zeklagter: Ich bitt' schön, mir die Poli zeiaufsicht zu erlassen, da ich ohnehin schon verheirathet bin. Mäßig. Gnädige Frau: Sie trinken doch nicht? Diener: Sehr wenig, gnädige Frau, Wasser zum Vet wiel tast aar nicht l
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