Sühne. »»»«lle von «onrad Tolma««, <4. Fortsetzung.) Welch' ei»« Füll« von ungelösten Fragen, die mir da durch de» Kops schwirrte! Pflicht und meiner Liebes machte mich zum Ankläger Derer, für die ich alle» höchste Glück der Erde begehrte und zu Fieb«rtraum, konnt« nicht mehr sein, al» »a«. Meine Nerven waren überreizt, mein« Phantasie nur gebar so gräßlich« Wahngebilde, die wieder zerflattern wür den, wie Frühnebel vor der sieghaften Sonne. Daß jene Zuchthäuslerin und Plancks Mörderin miteinander identisch sein sollten, war ja doch nicht mehr als eine vage Vermuthung meinerseits ge wesen, auf die ich meine Nachforschung»« gestützt hatt«, um nur überhaupt in diesem Dunkel irgend «inen Anhalt, irgend einen sesten Punkt zu finden, v»n dem aus sich weiter agiren ließ. Nun nahm ich es schon als unumstößlich an, bloß weil mir die Entdeckung, daß jen« Helene Halm Frau Helene Häseler war, mit einem Male die Sinne verwirrt, den Kopf verrückt hatte.Darauf beruhte jader ungeheuerliche Irrthum, der mich »m den letzten Rest meiner Ruhe bracht«, vollends um meinen Verstand bringen würde, wenn ich ihn nicht von mir ab zustreifen vermochte. Aber wie trefflich ließ sich auch auf diesem Grunde weiter bauen! Wie lückenlos sügte sich da Stein auf Stein, und dann stand das Ganze vor mir wie «in ungeheure«, dro hendes Etwas, da» mich zermalmen, mich niederschmettern mußte. Ich rang in hilflose Verzweiflug die Hände. Ich wollte beten, daß eS nicht sein möge, daß da« Alle» nur ein Augsitraum meines erhitzten Blutes war. Ich konnte nicht. Zmmer wieder schri« «S in mir, eS sei doch, e« müsse sein. O, mein Gott, »ar ich verloren ich und sie. Mir perlte der kalte Angstschweiß auf der Stirn, ich sank wie gebrochen auf kunftshossnungen, die d>,m Glück meines Lebens das Todesurtheil sprachen. Da scholl eiliger Husschlag drunten auf dem holperigen Pflaster der Straße, ein un gewöhnlicher Ton in dieser Stille. Er riß mich empor. In der Ueberreizung meiner Nerven glaubte ich an irgend etwa» unbestimmtes Schreckliches, das sich ereignet haben müsse. Ich lief an's Fenster. Da sah ich drunten Leo stürmte «r in'S Haus. Mir stand das Herz in der Brust still. Leopold Häse lich ausspionirt und ihn, Alles hinter ich Gewißheit haben. Da polterte Hä- WaS bedeutete daS? Wir standen war. Und ich stand, die Arme über der Bri»st verschränkt, die Lippe» fest aus einander gepreßt, und zwang den rin gende» Athem nieder und hielt die Blicke dieses ManneS, den ich in seinem Hei ligste» gekränkt und verwundet, den ich zu Tode getroffen halte, aus, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich mußte eS, ich mußte so den Schlag erwarten, mit dem er vergelten wollte, was ich ihm ange than. Seine Brust keuchte, er rang nach Worten. „Sie wissen, weshalb ich komme!" stieß er endlich hervor. Halb wie ein Zischen klang eS, halb wie ein Seine Augen maßen mich seinen gewaltigen Fäusten zu Bode» ge schmettert hätte, und daß er sich nui schämte, an mir die Ueberlegenheit seine» Körperkräfte zu erproben. Viellrichl hitl» «r mich nicht «inmal dessen füi würdig, daß er sich an mir vergriff. „Ich glaube e» zu errathen," ent gegnet« ich mit erzwungener Ruhe. „Sie werden erfahren haben gleichviel durch wen und wie daß ich Ihr« Fra» liebe —" Er ließ mich den Sah nicht beend«», «r stieß eine rauh« Lach« auf. Si« ein Schurke find", schri« er, f«in« beiden Fäuste ballend machen wir'» kurz, Herr, ich bin kein Freund von vie len Worten, hab' mich mein' Lebtag' lich hervor, während er mir ein schwar zes Kästchen, da» er bis dahin in der Hand gehalten, geöffnet hinüberrrichle. „WaS soll das heißen?" schrie Leopold Häseler. „Auch »och feige? Wissen Si« Hund?" »Ich selbst aber werd« die Waffe nicht überzutreten? Ich bin in Ihr Haus Ihrem Weibe ausgestreckt. Ich liebe sie, Ehrenworts daß Ihr Hsiisfrieden vor mir gesichert ist bis in alle Ewigkeit. Entscheidet sie sich aber sür mich, so iber dcnn eS gäbe dann ja doch kein Glück mehr für Sie an ihrer Seite. Dort also liegt die Elitscheidung, auf die es für gehabt, ei mir auf mein Befragen hin auch zu bekennen? Daß ich ein Anderer wäre, als ich bin! Mit der Reitpeitsche hab' ich die Dirne aus mei ankoinmen lassey nach dem, wa« gesche hen! Nein, Herr, die Entscheidung braucht'S nicht mehr. Wer mir das an gethan hat, mit dem bin ich zu Ende. Aber mit Ihnen habe ich »och abzurech nen, mit Ihnen. Wer mir in'S Gesicht schlägt, Herr, dem schlag' ich wieder in'S Gesicht. Bisher hat Leopold Häseler noch keinen Schlag unvergolte» gelassen. Und deshalb nehmen Sie! Nehmen Sie! h'lt ' d SK'"ich Kopsschütteln ab. „Ich schieße mich nicht mit Ihnen." Während ich eS sagte, fuhr mir der Ge „Wo ist Ihre Frau?" fragte ich, iväh „Was kümmert» mich? Ich hab' kein, hinaus, wenn Sie wollen, lassen Si: sich mit ihr unter dem nächstbesten La ternenpfahl kopuliren, mir soll'S recht er sich gcberdele, desto rnhiger wurde ich, desto leichter fühlte ich mich ihm gegen über. ES war mir, als nehme er mir die mich bedrückte. „Sie werden mich nicht zwingen", sagte ich. „Wenn Sie daS Recht der rohen Gewalt gegen mich werde mich wehren, wie ich kann. Seit ich weiß, daß Sie Ihre Frau verstoßen haben, sühle ich begreiflicherweise doppelt stark die Pflicht in mir, zu leben, um eben dieser Frau willen. Ihr schuld ich'»" Wie ein Rauvthier in seinem Käsig lies Leopold Häseler durch daS Zimmer, unartikulirte Laute ausstoßend, di« Fäuste ballend und wi«der sinken lassend, höhnisch auflachend und wieder dumpf stöhnend vor ohnmächtiger, maßlose, Wuth. Ein paar Mal riß er auch ein, von den Pistolen au» dem Kästchen, da» jetzt offen auf dem Tisch« stand, ab«» immer warf er si« wied«r zurück. Er wußt« offenbar selber nicht, wa» er thun sollt«, er hatt« sich das All«? ganz and«r» vorgeslillt. Da klopft« e» draußen an meiner Thür, einmal, zw«i inal, erst schüchtern, dann ganz laut und dringlich. Ich wollte gehe», um zu öffnen. Aber Leopold Häseler vertrat mir de» Weg. „Sie wollen mir also kein« Genug i'euten mit der Reitpeitsche in'S Gesicht schlagen. Vielleicht entschließen Sie sich tan». Seien Si« also auf Ihrer Hut, Mann! Sicher sind Sie fortan keine Mi nute mehr von mir, und die Stunde der »ernden Hufschlag feine» Pferdes auf dem ötraßenpflaster. Er war davongejagt, kor der Thür, die er aufgerissen, hatte thun verantwortlich, ich allein, denn ich satte sie bis soweit gebracht. Ich mußt« Uis, sie zu suchen, durfte nicht eher ruhen, neine Arme nach ihr au». Alle Qual, »lle Zweifel, alle Martern dieser letzten Stunde, Alles, waS ich ruhelos an Gräßlichem und Verzweiflungsvollem ts siel von mir ab, war vergessen, ver flüchtigt wie Nebelgewölk, in dieser einen Sekunde, von diesem einen beseligenden, »och alle Schrecken der Hölle? In dieser -inen Sekunde wußte ich erst, wie ich diese Frau liebt« und was ich um di«s«r „Helene!" Sie hatte sich an mich geschmiegt, zit ternd, angstvoll, ohne meine Umarmung Nicht wahr?" »en. ArmeS, liebe« Weib! Ich hab» es nicht gewollt, daß es so kommen sollte, bei Gott nicht, ich hab, «S nicht nnnial geahnt, daß es möglich wäre. Aber nun eS so ist Was hast Du »»«halten müssen, arme Geliebte! Er lähle mir Alles, mein Weib, Alles! und warst Du's, die vorher schon klopfte und zu mir wollte? Du?" Ich hatte mich gesetzt und sie zu mir ins den Schooß gezogen. Sie saß ganz still, ihren Kopf an meine Schultern ge lehnt, ihre Arm« um meinen Leib ge schlungen. Dabei sagt« sie immer noch gesehen. Und da ahnte mir Entsetz liches. Ich mußte Gewißheit haben. Über da hörte ich seine schreckliche Stimme lind weil ich daraus entnahm, daß Du lebtest, daß er Dir kein Leid angethan, wie ich'S gefürchtet hatte, verkroch ich mich vor ihm. Im finsteren Treppen winkel hab' ich zusaminengekauert geses- Jch hatte Angst vor ihm, Ottomar, er hätte mich gewiß erwürgt, wenn er mich noch einmal vor sich gesehen hätte in wäre für iinwer, Gram und Scham und Reue. Aber ich habe eS nicht ge konnt. Ich habe es nicht gekonnt. Ich habe an Dich gedacht, Ottomar. Gott verzeih' mir alle meine Sünden! Ich habe Dich unautfprechlich lieb, Otto mar!" Sie lag geschlossenen Auge» an meiner Brust, bedingungslos mir hingegeben, ohne leidenschaftliche» Entfiammtfeia, nur wie unter dem Banne einer über mächtigen Gewalt. Mein Blut aber siedete und meine Küsse wurden immer feuriger, immer wilder. .Helene"', flüstert« ich, während die Dunkelheit mir »ie «in schwerer, schwarzer Flor um uns her zu wallen schien, „und nun bist Du mein Weib und bl«idst m«in Weib." War «» da« Beben mei»«r Stimm«, das si« erschreckt«, oder der rasend« Herz schlag, den ihr Ohr erlauschte! Si« richtete sich plötzlich in di« Höbe und durch di« Dunkelheit bohrten sich ihre Augen in mein Antlitz, so angstvoll, s» entsetzt, daß e» mich durchschauerte. Au» dem heißen Fiebertraum meiner besinnungslosen Leidenschaft riß dieser Blick mich auf, «r warf mich in di« Wirklichkeit zurück, er zerriß einen Schleier, der vor meinen Augen geligen hatte. Plötzlich wußte ich wieder Alle«, sah ich wieder Alles, wa» vor dieser Stunde gewesen war, wa» mich alle» Grauen, alle Schauer der Angst und Verzweiflung hatte durchkosten lassen. Und zugleich überfiel mich der Gedanke daran, daß Helen« hi«r nicht bleibe» konnte, daß e» Zeit war, an daS zu den ken, waS nun werden sollte. Für eine» Liebesrausch war die Stunde wahrlich nicht geschaffen. Ich mußt« für «ine Unterkunft sür sie sorgen. Aber nicht im gleichen Hause, womöglich gar nicht in der Stadt, um alles unnöthige, alle» vorzeitige Aufsehen zu vermeiden. Da schoß mir etwas durch den Kops: in'S ForsthauS konnt' ich sie bringen. Der alte Först»r Hegemann, mit dem ich in amtlicher Eigenschaft und auch freund schaftlich vielsach verkehrt halte, würde mir sicher de» Gefalle» erweise», sie für eine Nacht bei sich aufzunehmen, mir auch Diskretion ang«lobe», wenn ich ihm zu verstehen gab, daß eS sich um ein schweres Zerwürsniß zwischen den beiden Ehe gatten, um eine delikate, intime Angele genheit handle. Er war ein ruhiger, verständiger Mann und mir schon wegen meine» in der UntersuchungSsache entfal teten Eifers sehr gewogen. Morgen mußte Helene dann natürlich auS der Gegend fort; zu ihren Verwandten, wenn sie solche noch besaß, sonst irgendwohin anders, es würde sich schon finde». Vor läufig galt eS, fortzukommen. Ich ließ Helene bon meinen Knieen herabgleiten und sagte ihr, was ich dachte. „Wir müssen gehen", fügte ich hinterdrein, „und sobald wie möglich, Helene war bei meinem Vorschlag«, daß sie im Forsthause übernachten sollt«, sichtlich zusammenzuckte. Dennoch erhob sie keinen Widerspruch, sondern neigte stumm ihr Haupt. Sie schien sich be dingungslos i» Alles fügen zu wollen, was ich über sie verhängen würde, und eben darum war es doppelt meine Pflicht, für sie, für ihren Ruf umsichtig zu sor gen. Ich hatte Licht angezündet. „Wo her ist das Alles gekommen?" fragte ich sie, während ich nach Hut und Ueberrock „Ich glaube wohl", war ihre Ant wort. „Leopold fragte mich, ob eS wahr sei, und ich sagte: Ja. Und da schlug er zu. Sieh' her!" Sie zeigte mir einen breiten, blutun terlaufenen Streif, der quer über ihre Stirn lief und erst unterhalb de« rechten, leicht geschwollenen Auge« endigte. Er sah brennend roth aus. Als ich mit der Hand liebkosend darüber hinstreichen wollte, zuckte sie schmerzvoll zusammen. Ich küßte sie. „Armes,„liebes Weib!" sagte ich. „Jetzt bin ich gezeichnet, nicht wahr?" siel sie bitter ein; „das da ist wie ein misch in meine Arme, dann gingen wir. Als ich das Licht löschte, siel mein letzter Blick auf die über dem Tische auSgebrei mir erneut aus die Seele, wie eine wuch tende Last. So kam'«, daß ich drunten kaum nerung an das, was ich heute erfahren, sagte: „Was hast Du schon Schwere» und FlirchbareS in Deinem Leben durch „Was weißt Du davon?" „Ich weiß mehr, als Du ahnst, He lene. Ich weiß, daß Du daß Du der Mcnschenjustiz schon einmal zum her?" „AuS amtlichen Mittheilungen. Wes halb «schrickst Du so darüber?" Woll- Weibe machen; zweifelst Du daran?" „O Du Guter, Edler, Herr licher!" Si« schmiegte sich enger an rührt« kaum in d«n ragenden Nadel krönen. Mich durchrieselt« «S untrr d«r engen Umschlingung dieser Frau, d«r jeder Blut»tropsen in mir zu «igen ge hörte, mit einem wonnigen, nie so ge» kannten Schauer. Si« aber macht« da« wüßtest Du'»? Das versteh' ich nicht. mir durch ein ganze» Leben nach, wie di, K«tt«,di« der Bagnosträfling am Fuß, hinter sich herschleift?" hast ja Planck gekannt —" „Pla»ck?" Sie fuhr zitternd zusam men. „In der Untersuchungssache sagst Mord —" Ich spürte im Laufe der Untersuchung Plancks Vorlebe» »ach. Dabei kam's heraus, daß er einmal in einer Stras- und wüßte, wie Du selbst. Aber nicht jetzt und nicht hier. Du bist viel zu er regt, viel zu erschöpft nach diesem schreck lichen Tage. Komm', laß uns gehen. Du mußt endlich Ruhr haben, Du armes Geschöpf!" Ich zog sie weiter; sie schien sich nur mechanisch fortzubewegen, ihr Gang war stürzen sollte. Wir hatten den Wald keit der Wege im Stadtwalde zusammen mit der herrschenden Finsterniß dennoch üier die einzuschlagenve Richtung. Dazu schien die ganz« T»gtShitz« sich im Wald» gefangili zü Haben, der si« bewahrt hatte, denn di« heiße Luft schlug un» förmlich wie ein Schwaden darau» entgegen und „Findest Du Dich bess«r zurecht?* fragte ich. Sie blickte gar nicht auf. „Es ist ja Alles ganz gleich", sagte der Nähe des Platzes selbst, das ihr schlag, ich weiß es nicht. Plötzlich blieb sie stehen, plötzlich schlug sie die Augen aus, plötzlich sah sie, wo sie sich befand, erkannte sie Alles. Und nun brach ein irrer Aufschrei von ihren Lip pen, halb wie da» Aechzen eines todt wunden Thieres, halb wie da» gellend« G«löcht«r einer Irrsinnigen. Sie riß sich von mir lo«, si« warf ihre b«idrn Arme in die Luft, sie schrie: „Ich ich ich hab' ihn «rmord«t! Ich war'l ja, ich ich - Dan» sank si« l«blo» über dem R«isighaufen zusammen. Ich war wie vom Blitz« getroffen. T«kund«n hindurch lähmt« mich d«r furchtbare Schreck so, daß ich kein Glieb zu r«g«n vermochte. Dann, al» ich mich matt aufraffen wollte, um der Gesunke nen Hilfe zu leisten, taumelte ich; vor meinen Augen ging Alle» rundum, ein rother Nebel wogte davor hin und her, mir war'S, als sei die ganze Welt in'S Wanken gerathen. Und dann bezwang ich mich doch, dann „Helene!" Sie rührte sich nicht, gab kein Zeichen des Leben», de» Verstehens von sich. Ich riß sie in meinen Armen in die Höhe, ich trug si« «in paar Schritt« weit fort, damit sie erwachend den Schreckens ort nicht gleich wieder gewahren sollte. Ihr Herz schlug noch, ich fühlte e« gegen nieine anHämmern, ihr Athem Du glaubtest es?" Willen blitzgleich der furchtbare Ge- Helene Ich könnt« nicht so Es ist wehr?" „Es warllNothwehr," versetzte sie be stätigend mit dumpfer Ruhe. „Es war eine Nothwendigkeit!" war'S zu Sinne, als sei nun Alles um mich her in lichtlose Finsterniß gehüllt und es werde niemals mehr vor meinen Augen Tag werde». Mit müde», schweren Gliedern rafft« ich mich «mpor. „Komm' jetzt, Helene! Wir müssen gehen. Du sollst Ruhe haben. Und auch ich bin am Rande meiner Kräfte, körperlich und seelisch. Komm! Morgen sprechen wir von dem, waS nun werden soll. Kannst Du auch gehen? Sonst trag' ich Dich —" „Ich kann geh«n," sagte sie und stand aus. Hand in Hand schritten wir neben «inander, stumm, mit wühlenden Ge danken, durch die einsame Dunkelheit, so leise, als fürchteten wir uns vor dem Gerälifch unserer eigenen Schritte. Wie Nvei PcrbreHel schlichen wjr dahin. Dann sagt« Helene einmal mitten auS ihren Gedanken heraus: „Beide sterben, zusammen, oder fliehen —ln eine andere Welt, als zwei neue Menschen, da» bleibt un», weiter nichts —" „Weiter nicht»", oersetzte ich, „Du hast ganz recht, Helene." Ich sprach «S mehr mechanisch als mit klarem Bewußt sein nach. Ich konnte gar nicht mehr nachdenken. Und, wieder gingen wir schweigend weiter durch die Nachtstill« des Föhrenwaldes. Ich vernahm manchmal sekundenlang nicht» An deres, als den lauten Klang meines eigenen, gemarterten H«rz«ns. Endlich lag das Forsthau» vor uns. Mit seinen rothen Ziegelmauern schimmerte eS die Waldnacht. Aus einem Fenster im Unterstock brannte noch Licht. Ich klopfte daran, bat Helene, für einen Augenblick zurückzutreten, und rief: „Herr Förster Hegemann, auf ein Wort! Ich bin» Kreisrichter Wichards!" DaS Fenster klirrte aus, und ein mächtiger Kopf mit langem, silberweißen Bart streckte sich heraus. „Gott und die Welt!" rief «ine tiefe, etwas brüchige Baßstimme, „waS bedeutet mir das? Der Herr KreiSrichter mitten in der Nacht! Hab' eben zu Bett gehen wollen, 'ne Viertelstunde nachher hätt' mich kein Kanonenschuß mehr aufgeweckt. Na, und was gibt'S denn? Natürlich wieder was wegen der gottverfluchten Mords geschichle. Haben wir den Hallunken «der haben wir ihn noch immer nicht?" „Diesmal ist'» ganz etwas Andere», Herr Hegemann", sielich ein, „eine per sönliche Vertrauenssache. Darf ich hin ein?" „Versteht sich. Ich schließe gleich wie der aus", klang es zurück. Dann flog das Fenster zu, und eine Minute später wurde der schwere Thürriegel von innen zurückgeschoben, die breitschultrige, wenn auch etwas gebückte Hünengestalt des Stadtförsters wurde mit einer kleinen grünen Oellampe in der Hand sichtbar. „Nur herein, Herr Kreisrichterl Und wen» ich zu Diensten sein kann, ge schieht'S gern." Ich trat herein, bat ihn, die Thür «ssen zu lassen, und brachte mein Anlie gen vor. Ich sagte ihm, daß es zwischen Leopold Häseler und seiner Frau «in schweres eheliches Zerwürsniß gegeben habe, und daß die Letztere deshalb sür diese Nacht nicht unter das Dach des Eartlower GutShause« zurückkehren könne; sie habe sich in dieser Verlegenheit an mich, als den besten Freund de« Hau se«, gewandt, und ich s«i auf den Ge danken gekommen, die arme Frau hier «nterzubringtn, denn sicherer und mit »eniger Aussehen und Gefahr für ihren guten Ruf könn« sie nirgends übernach ten, als im Forsthaufe. Morgen werd« sich schon All«» wieder einrichten, und s» «rfahr« kein Mensch von dem ganzes traurigen Vorfall. (Fortsetzung folg«.) ? In'» Hinterstübchen der Pfarrei, . Wo Sonntags morgens ihrer drei, > Der Pfarrer, der Verwalter und . Der Förster als Dritt' im Bund Beim edeln Spiel de» Skates saßen Und Alles um sich her vergaßen, Tritt jetzt der Küster ein voll Hast: „Herr Pfarrer, eilt, zehn Uhr ist'S faftz Verstummt ist schon daS Die Kirche steckt gedrängt voll Leute» Die Eurer Predigt sind gewärtig, Der Kantor auch ist fix und fertig. Gleich wird den Psalm er intoniren, Kein Augenblick ist zu verlieren." Der Pfarrer springt vom Stuhl v»I Schreck, Wirft aus der Hand die Karten weg, Er greift nach Käppchen, Dos' uat Buch Und dem geblümten Taschentuch Und wie ein abgeschnellter Pfeil Schießt er zur Thür hinaus in Eil, Erreicht zum Glück die Sakristei Bevor das Lied noch ganz vorbei, Steigt auf die Kanzel und entledigt Sich der wohleinstudirten Predigt. Er spricht von unsrer sünd'gen Zeit, Die immer mehr in Sinnlichkeit Versinkt, nach Lüsten nur begehrt Und von dem Ewigen ab sich kehrt. Er spricht voll Eifer und voll Gluth, ES strömet seiner Rede Fluth, Jetzt leise und jetzt dröbnend wieder Von seinen frommen Lippen nieder; Schwungvolle Gesten rechten Orte» Erhöh'n die Wirkung seines Wortes. Und wie in heftiger Erregung Er jetzt mit kräftiger Bewegung Die beiden Arme vor sich streckt. Fliegt eine Karte, die versteckt Sich hielt im faltigen Gewand, Im Bogen über'n Kanzelrand, Dreht wirbelnd sich im Kreis herum Und fällt in's Auditorium. Alsbald war'S mit der Andacht auS, Unruhig wird das ganze Haus, Die Bursche raunen, die Mädche, kichern Verstohlen hinter den Andachtsbüchern. Empor zur Kanzel schau'n die Bauern, Die spöttisch, Jene mit Bedauern, Der Pfarrer doch thut nichts derglei chen, Er giebt dem Küster ein stummes Zei chen Und läßt sich von ihm die Karte reichen. Zu einem Knaben nun gewandt, Der in der Näh der Kanzel stand. Spricht er: „Mein Sohn, komm nähn heran, Sieh dieses Blatt genau Dir an Und gieb mir Antwort: WaS ist da» ?" Dir Junge d'rauf: „DaS ist Grün Aß." „Grün Aß, Du hast eS richtig ge nannt. Nun aber gieb mir auch bekannt. Wie denn die erste, wenn Du eS weißt, Der kardinalen Tugenden heißt?" Da bleibt der Junge gaffend still. Er weiß nicht was der Pfarrer will, „Nun denn," begann der Pfarrer wi» der, „Da seht einmal, geliebte Brüder! Läßt sich für diese Zeit der Sünden Zin schärferer Beweis noch finden, Als den ich hier gegeben habe? Zehn Jahre kaum zählt dieser Knabe, Und kennt das grüne Aß sofort, Doch weiß er nicht ein Sterbenswort Von einer kardinalen Tugend. O Du bedauernswerthe Jugend. So bildet Dich die neue Model" Nach dieser kurzen Episode Führt unbeirrt der Glaubensstreiter Die Predigt bis zum Schlüsse weiter. Der Wortlaut des «esetze«. Aus Cernica in Rumänien wird über folgenden höchst amüsanten Rechtsfall berichtet: Der Bürgermeister von Cer nica hatte angeordnet, daß vor allen Weinhäusern rothe Laternen angebracht werden müssen. Die gute grau Tinea Cerkez wollte sich jedoch dem gestrengen Befehl des Herrn Bürgermeisters nicht fügen. Sie wird also vor den Richter stuhl des Stadttyrannen eitirt: „Wa rum leuchtet keine rothe Laterne vor Ihrem Wirthshause?" „Bit e Herr Bürgermeister, ganz genau nach Ihrem Befehl hängt die Laterne dort. Zum Beweise habe ich sie mitgebracht." .Ja, aber es ist ja kein Licht drin!?" „Das steht auch nicht in Ihrem Be fehl." Die Frau Wirthin hat sich ge nau an den Buchstaben der Order ge halten, und der Herr Bürgermeister kann natürlich nichts andere« thun, als sofort ausdrücklich anzuordnen, daß man in die rothe Laterne auch ein Licht stecken müsse. Vor dem Wirthshaus der Frau Tinea ist es dunkel wie zuvor. Zum zweiten Mal muß sie im Rathhause er scheinen. „Sie wollen also nicht gehorchen? Ich habe Ihren Befehl vollzogen, Herr Bürgermeister. Ich bitte, überzeugen Sie sich, in der Laterne steckt eine Kerze." —Was ist zu thun? Der Bürgermeister erläßt eine drilte Ordre: „Die Later nen müssen mit einer brennenden Lampe versehen sein." Nun endlich prangte auch der Eingang zum Bcuchustempel der Frau Tinca Eerkez im rothen Lich ter.,lanz. Der Herr Bürgermeister glaubte aber, daß die Frau Wirthin ihn doch ein wenig zum Besten gehabt habe und belangte sie vor dem Bezirksrich ter, der sie zu einer harten Geldbuße von drei Francs verdammte. DaS ließ sich die resolute Wirthin aber nicht so ohne Weiteres gefallen und sie appel lirte an das ilfover Tribunal, welches zu Recht erkannte, daß es gar nicht i» der Machtbesugniß de» Bürgermeister» stehe, derartige Befehle zu erlassen. Frau Tinca wurde demgemäß fre»ge sprachen. Tiefe Finsterniß herrscht nun wieder vor dem Eingange zum WirthShause der Frau Tmca Cerkez. Ihre Gäste finden trotzdem den Weg und dem Bürgermeister hat sie ihn ge» diesen. Die Risse im menschlichen Leben näht man mit dem Faden der «eduld.
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