s »a» «la« de» »r«»««». Die Mitglieder de» „Vereins für Münzkunde" hatten den wissenschaft lichen Theil ihrer Sitzung beendet. Ein lebhaftes Gespräch entspann sich an dem runden Tische, der außer einer Anzahl von seltenen Münzen mit verschiedenen Exemplaren der weniger seltenen SvecieS „Bierseidel" bedeckt war. Ma» unterhielt sich über Sammlun gen von Alterthümer», und einer der Herfen erwähnte dabei de» wohlklingen den Namens Holzbock. „Haben Sie ihn auch gekannt, den alten Holzbock in Frankfurt am Main?" rief der Justizrath Krüger. „Freilich kannte ich ihn, ihn und leine vortrefflichen Sammlungen," er widerte der Angeredete, der Rentier Blume. „Mir ist mit ihm einmal eine unan genehme Geschichte passirt," fuhr Krüger fort, „die ich Ihnen, meine Herren, so viel ich weiß, »och nicht mitgetheilt habe." Die kleine Gesellschaft bat den Justiz rath zu erzählen, und dieser begann: „Der Trieb, merkwürdige Alterthü mer SU sammeln, regte sich schon srüh in mir. Indessen wird es Ihnen wohl einleuchten, daß in meinen Studenten jahren und zur Zeit meiner hohen staatlichen Würden als Referendar und Assessor mcinc Sammlungen in sehr be scheidenem Rahmen bleiben mußten. Trotzdem war mein Interesse ein sehr reges, und so suchte ich denn auf einer R:ife. die mich durch Frankfurt führte, «nich den seligen Holzbock auf. Christ- Zieb Holzbock, Besitzer einer der ver schlagensten Physiognomien, die mir in meiner juristischen Praxis vorgekom men, bewohnte ein altes großes Haus in einer abgelegenen Straße." „Ganz Nchtig, ich entsinne mich," un terbrach der Rentier Blume, „ich habe ihn dort auch besucht." „Dieses HauS war von oben biö anten mit Curiositäten aiMsüll, die der Alte gleich einem Drachen hütete. Sem größter Stolz waren jedoch einige Unika, Geräthe und Kleidungsstücke, die im Gebrauch historischer Berühmtheiten gestanden 'hatten und die durch Doku mente als unzweifelhaft echt bezeichnet wurden. So besaß er einen Koller Oxenstier na's, ein Paar Schuhe von Kant, eine Schillerlocke, eine Mutze von Ziethen und andere Dinge mehr. Indem er mir dieselbe» vorwies, forschte er mich aus, ob ich auch etwa eine solche ver briefte Möglichkeit mein eigen nenne. Durch einen glücklichen Zufall war ich Besitzer zweier Sporen, mit denen einst der weiland Generalissimus Tilly seinen Gaul-gekitzelt hatte. Als ich dem seli nen Christlieb Holzbock das Dokument beschrieb, das die Echtheit meines Be j'chstückes verbürgte, leuchteten seine Icharsen Augen plötzlich auf; dann aber fuhr er ruhig fort, mir seine Uuika vor zuweisen. „Und nun," sagte er endlich mit feierlicher Stimme, „werde ich Jh neu die Perle meiner Sammlung zeigen, ein Trinkglas, das der große Erasmus vou Rotterdam im täglichen Gebrauch hatte." Er ließ mich das dazu gehörige Dokument lesen und reichte mir dann das GlaS zur genauen Betrachtung. Ich erinnere mich desselben noch genau, es war ein grüner Römer mit weißen Buckeln." „Ungaublich! Ganz eigenthümlich!" rief in diesem Augenblick der Rentier Blume mit dem Ausdrucke höchster Ver wunderung. Die Gesellschaft blickte erstaunt aus de» Unterbrechenden, diefer faßte sich je doch und rief: „Bitte, fahren Sie fort, Herr Justizrath l" „Während ich nun das Glas von «llcn Seiten betrachte, erschallt plötzlich lhinter meinem Rücken ein entsetzliches Gepolter, als ob eine Höllenmaschine explodire, Mit der Geberde des ent setzlichsten Schreckens fährt oder knickt vielmehr Holzbock vor mir zusammen, und ich, von dem so plötzlich Gehörten und Erschauten jählings übermannt, lasse das Glas fallen, das auf dem Bo den in Scherben zerbricht." „Weiter! weiter!" unterbrach Blume, vor Spannung athemlos. Wieder blickten ihn die Andern erstaunt an. „Und was war zusammengestürzt?" sragt der alte Oberst von Bürenklau mit seiner ruhigen Stimme. „ES war nur ein aufgethürmter Haufe alten Gerümpels", erwiderte der Jnstizratl, „Doch nun hätten Sie Hvtzbvck sehen sollen! Sein Jammer, seine Verzweiflung waren grenzenlos. Auch meine Verlegenheit war unge lieuer, und höchst peinlich war mir der Gedanke, wie ich das kostbare, einzige Stück ersetzen sollte. Endlich gelang eS mir, den verzweifelnden alten Mann zu beruhige», allerdings erst, nachdem ich mich schriftlich verpflichtet, ihm als Sühne Tilly's Reitersporen nebst dem dazu gehörenden Dokument zu übersen den. ES war ein höchst unangenehmer Ausweg, aber'der einzige, der mir übrig blieb. Doch ich war damals noch jung, und es gelang mir, nach einiger Zeit den Verlust der geliebten Sporen zu verschmerzen." „O Fuchs. schauer Fuchs! O Spitz bube!" rief in diesem «Augenblick der Rentier Blume, seinem ausfälligen Be nehmen die Krone aussetzend. „Hören Sie mich, Herr Justizrath, hören Sie mich, meine Herren! Auch ich bin in früheren Jahren zu dem alten Christ lieb Holzbock gewandert, auch mir hat er das Glas des Erasmus gewiesen, auch ich bin durch das Gepolter »ind Holzbocks jäheS Zusammenfahre» er schreckt worden, habe das GlaS sallen lassen und es zerbreche» sehe».- „Und was hat er Ihnen abgenom men als Sühne?" fragte der Justiz rath hastig, indeß die Anderen gespannt aushorchten. „Ein paar kostbare Vasen und Geld obendrein," rief Blum. „Das ist stark! Ein solcher geriebe ner Bursche!" riefen die Anweienden vlircheinander. „Gott habe ihn felig, r>en alten Gauner, aber das gebt über vaS Mögliche." „Meine Herren!" unterbrach jetzt die ruhige, tiefe Stimme des Obersten von Bärenklau das allgemeine Gewirr. „Auch ich besuchte als Lieutenant den guten Vater Holzbock, auch hinter mir hat es gepoltert und gerasselt, auch vor mir ist der selige Lump gleich einem Taschenmesser zusammengefahren. Ich hielt jedoch das Glas fest, sah mich ge nau um und bemerkte, daß von dem Standpunkte des lieben Mannes zu jenem Gerümpel eine Schnur die Wand entlang führte. Ich konnte mir diesen sinnreichen Mechanismus damals nicht erkären, jetzt aber sehe ich ein, wozu er diente —" „Nämlich zu einem famosen Knall effekt." ergäitzre der Justizrath lachend. „Alte Leute vom Theater" nannte sich ein in Form einer Ansprache gehaltener Prolog von Alfred Freiherrn von Berger, gesprochen von der Gattin des Verfassers, Frau Stella Hohenfels, in der jüngst im Josefstädter Theater in Wien von den k. k. Hofburgschau spielern veranstalteten Matinee zum Besten der „Pensionskasse der Genossen schast deutscher Bühnenangehöriger". Der vom Hofschauspieler Thiming der „Deutschen Bühnengenossenschast" über mittelte Prolog lautet einfach und rüh rend: Meine verehrten Damen und Herren! Wenn ich hier vor Ihnen erscheine, um zu Ihnen zu sprechen, so geschieht e» in harmloser Absicht. Ich bewerbe mich um kein ReichsrathS-Mandat, ich will keine Candidatenrede halten; vom Theater will ich Ihnen erzählen, und zwar nicht von gefeierten Bühnen größen, die in der Vollkraft ihres Schaffens stehen, und vom Glück ver wöhnt, dem Ruhm verklärt sind; nein, von den Alten, Vergessenen, vo» den Invaliden im friedlichen Heer der heite ren Kunst will ich sprechen. Alte Leute vom Theater! Was schlie ßen diese vier Worte in sich an Gram und Noth! Diese Armen sind mit den Böglein im Winter zu vergleichen und wem thun sie nicht leid, die kleinen gefiederten Sänger des Waldes? Mühsam picken sie ihre kümmerliche Nahrung aus dem hart gefrorenen Schnee, ängstlich flattern sie vor den Fenstern guter Leute und bitten zwit schernd um ein Krümlein Brot als Lohn für ihre lustigen Frühlingslieder. Wenn ich solche hungernde und frie rende Vöglein sehe, da gedenk' ich oft mit tiefem Mitleid jener Aermsten un ter den Armen, der alten Leute vom Theater. Ja, warum habt ihr nicht für das Alter vorgesorgt, als es noch Zeit war, als euch noch das Glück freundlich zu lächelte? Aber da dachtet ihr, so wird'S fortgehen in alle Ewigkeit, bis aus ein mal die gelben Blätter sanken und die weißen Flocken fielen, bi» die Jugend und die Kraft fort war auf Nimmer wiedersehen. Selbstverschuldetes Unglück! Durch Thorheit und Leichtsinn, sagen dann wohl die verständigen, nüchternen Leute und zucken die Achseln. Grausame Worte! Aus Klugheit und Vorbedacht wird man vielleicht Rechnungsrath oder sonst etwas Nützliches, aber Schau spieler, Künstler nimmermehr. Em echter Thcatermeiisch hört nie ganz auf, Kind zu sein. Ja, das gehört zu seinem Wesen, zu seinem Beruf. Ein sonniges Lächeln lag auf dem strengen Antlitz der Natur, als sie die Kinder der Bühne schuf. Sie hatte schon eine stattliche Schaar vou Ge schöpfen vollendet, die für die Wirklich keit bestimmt waren, und sie trefflich mit Fähigkeiten und Waffen ausgerüstet, um -inander zu bekämpfen und sich wohl auch das Leben wechselseitig nach Kräf ten zu verbittern. Da fiel es ihr ein, auch einmal zur Abwechselung Menschen zu schassen, tereu Zweck es ist, alle ihre Mitmenschen die Theaterdirectoren allenfalls ausgenommen —, zu erfreuen and zu erheitern. Da erschuf sie denn »ns. Ob der Natur ihre freundliche Abficht ganz gelungen ist, können wir nicht beurtheilen, aber sie machte uns so, wie sie uns zu solchem Zwecke machen mußte. Der schöne Schein, die holde Täu schung ist unser Element; was die ande ren Menschen wirklich sind, das spielen wir ihnen vor, was für die anderen Ipiel ist, Zerstreuung und Erholung, »as ist unser Ernst, unsere Pflicht, un sere Arbeit. Und ist eS auch Arbeit, echte Arbeit? O gewiß, aber auch Freude zugleich; Arbeit, geschmückt mit allen Reizen, mit allem Zauber des Spiels. DaS künstlerische Talent ist jenen Ga den zu vergleichen, mit welchem gütige Feen erlesene Sterbliche beschenken, mit Fortunats Geldbeutel, mit dem „Tisch lein deck' dich" des Märchens. Es sieht so aus, als ob ein beliebter Künstler das Geld nur so aus dem Aermel schüttle. Er braucht nur zu sich selber zu sagen: „Es'lein streck' dich", und das blanke, schöne Geld liegt vor ihm. Ja, ,o -sieht's aus, es ist aber doch nicht zanz so, das können Sie mir glauben, Aber immerhin, nehmen wir an, es wär' so. Was »leinen Sie? Wird ein Mann, der Fortunat's Wundersäckel besitzt, im Reichthum sterben? Ich zlaube nicht. Fragen Sie nur das Märchen, das weiß darüber Bescheid. Er sündigt auf die Wunderkraft des Beutels, schüttelt ihn, wenn er Geld braucht, lebt fröhlich in den Tag und senkt: Was soll ich sparen und sammeln, ich habe ja meinen Säckel, der nie ver siegt! Ja, freilich versiegt er nicht, aber !ines schönen Morgens ist der ganze Säckel weg, die Jugend, die fortgeflogen :st, hat ihn mitgenommen. Und nun zeht's bergab, immer rascher und ra cher; die Sorge kommt herangeschlichen, sie das Herz stumpf macht und die paare grau, und nun heißt es sich bücken and demüthig daneben stehen, überflüs sig werden, vergessen werden, nnd doch «in« Ruhe finden, kein Nest »haben, uni iich darin zu verkriechen und den letzten Schlummer zn erwarten. Ja, so geht' S »en alten Leuten vom Theater! Und was haben diese Armeit verbro che»? Sie haben dafür gelebt, ihre» Mitmenschen Freude zu machen, den Tausenden, die müde vom Tagwerk zu ihnen kamen, die Sorgen wegzuscherzen oder Herz und Geist zu erheben. Und ihr eigener Lebensabend soll nun so trüb und traurig sein? Nein! Darum haben wir uns zu einem Bunde zusam mengethan, der den Theaterleuten, wenn sie müde und untüchtig geworden sind, ein sorgenfreies Alter sichert. Aber allein können wir nichts machen. Auch Sie müssen mithelfen, meine verehrten Damen und Herren. Der Säckel For tunat's, der nicht verloren gehen kann, das ist Ihr gutes, warmfühlendes Herz man braucht nur daranzurühren, fo > klingt und glänzt das helle Gold. Unk/ so wird uns mit Ihrer und Gottes Hilfe gelingen, daß mit der Zeit zum Märchen werde die.nur allzu wahre und allzu »raurige Geschichte, detitelt: Alte Leute vom Theater! Goethe» Frau. In Karl I. TrübnerS Verlag zu Straßburg sind jetzt eine Sammlung Briefe von Goethes Frau an Nicolaus Meyer erschienen, welche Johann Löw in der „Straßb. Post" bespricht. Chri stiane VulpiuS war eine herrliche Mäd chengestalt, mit blonden Locken, blauen Auge», vollen Lippen und Wangen, Sie war Goethe schon einmal aufgefal len, als sie die galante Anrede eines vornehmen Herrn mit gesunder Derb heit abgewiesen hatte. Jetzt nahte si« dem Geheimrath Goethe mit einer Bitt schrift. Christiane VulpiuS, am 6. Juni 1764 geboren, war die Tochter eines Weima rer Archivars. Früh verlor sie die Mutter; reif geworden, trennte sie sich von ihrem leichtsinnigen Vater und er warb ihren Unterhalt mit Blumen machen. Ihr Ruf war makellos. Frau v. Stein, die anderer Ansicht war, dürfte als Rivalin keine beweiskräftige Zeugin sein. Die schöne Bittstellerin fesselte Goethe. Er begann mit Chri stiane ein häusliches und wirthschaftli ches Zusammenleben. Riemer sagt in seine» „Mittheilungen über Goethe" : „Goethe's Laufbahn und stattsbürgerliche Verhältnisse erlaubten oder begünstigten eine Verbindung nicht, wie gewöhnliche Menschen sie gleich beim Antritt eines Amtes in Aussicht stellen. Goethe hätte mehr als sein halbes Dasein ohne das Glück -eines häuslich - geselligen Zustandes hinge bracht, dessen Innigkeit er schon srüh empfunden, wenn er sich nach einem theilnehmenden Wesen umsah und es in einer Person fand, die geeignet war, so wohl für seinen Haushalt zu sorgen, als „durch anspruchslose und naive Munterkeit seine durch Unbilden des Lebens wie der Menschen getrübte Laune zu erheitern, den Mißmuth zu ver scheuchen und durch Abnahme wider licher Sorgen ihm die völlige Widmung an Kunst und Wissenschaft zu erleich tern." Goethe schätzte und liebte wirklich Christiane; er rühmte, sein Hauswe sen drehte sich still um seine Achse und lasse nichts zu wünschen übrig. 173 S gebar ihm Christiane einen Sohn, Au gust. Das Verhältniß Goethe» zu Chri stiane VulpiuS dürfen wir nicht nach dem heutigen Sittenkodex, der auch manch Bedenkliche» enthält, bcurthei len. Damals herrschte eine andere An schauungsweise wie heute. In dem Ver hältniß Goethes zu Frau v. Stein hatte die Gesellschaft nichts Befremdendes gefunden. Die vornehme Welt, Frau v. Steins Mann selbst, vermittelte den Briefwechsel Als sich Goethe der VulpiuS zuwandte, wurde Frau v. Stein aufrichtig bedauert, man kondo lirte ihr förmlich. Will man zu Gericht sitzen, so wird das freie Mädchen doch entschuldbarer sei», als die Frau, die kein Recht über sich hatte. Diejenigen, welche in Brie fen und Konventikeln das Zusammen leben Goethe'S mit Christiane glossirten, fanden die Speisen und Getränke, die sie sich von Christiane VulpiuS in Goethes Heim vorsetzen ließen, nicht weniger schmackhaft und annehmbar, als wenn sie die legitimste und annehmbarste Frau vorgesetzt hätte. Die Großherzogin Amalie beurtheilte die Verbindung vom rein menschlichen Standpunkt. Herder und dessen Gattin dachten nachsichtig darüber. Der Herzog blieb in seiner Gesinnung gegen Goethe unverändert und wurde sogar Pathe von GoetheS und Christianens Sohn, den Herder taufte. Nach der Schlacht bei Jena 18VK wurde Weimar von den Franzosen ge plündert und Goethe in seinem Schlaf zimmer von französischen Soldaten be droht. Christiane brachte Hilfe herbei, welche Goethe von den Wüthenden be freite. Marschall Ney war bei Goethe einquartiert. Trotz d,S Aufwandes an Lebensmitteln, welchen die Soldaten, Ney und dessen verschwenderische Köche verursachten, hielt Christiana doch ihr Hanswesen so beisammen, daß sie Be dürftigen noch aushelfen konnte. Goethe hatte den Gedanken schon länger erwo gen, sein Verhä ltinß mit Christiane zu legitimiren. Die Schreckenstage von 180« ließen ven Entschluß reifen. Am IS. Oktober 1806 fuhr Goethe mit Christiane und sein Sohne und Riemer als Zeugen nach der «chloßkirche und ließ sich von Oberkonsistorialrath Günther trauen. Zetzt versuchte Goethe auch, seine Frau .n die Gesellschaft einzuführen. Zu zanernden guten Beziehungen kam es zber nicht. Nach dem Tode seiner Mutter l8l)8 gab Goethe einen neuen Beweis seines Vertrauens in die Fähig keiten und de» Takt seiner Christiane. Er schickte sie »ach Frankfurt, um die Zrbschastssache möglichst „glatt und robel" zu regeln. Glatt und nobel be :rug sich Christiane, die sich hierbei ge viß verrathen hätte, wenn Gemeine? in hrem Wesen gewesen wäre. Ein dunkles Blatt in Goethes Ge chichte ist da» Leben seines Sohnes >lugust, ES war ein schöner Knabe, an dem GoetheS Herz mit ganzer Lieb« 'hing. Aber schon im 19. Lebensjahre wurde August hektisch und ein Hang zu Ausschweifungen trat hinzu. Die Feinde Christianen» gaben der Mutter die Schuld. Frau von Stein schrieb einmal über Goethe» Sohn: „Neulich hat er in einem Club von der Klasse sei ner Mutter 17 Gläser Champagnerwein getrunken." Christiane war aber ihrem Sohne eine treubesorgte Mutter und gab seinem Herzen von ihrer Güte und harmlose Frohnatur unzweifelhaft mehr, als viele gebildete, nervöse, im Kampf ums Dasein müde und herb ge wordeneu Frauen in ihrem Kreise eS vermögen. Goethe liebte seinen Sohn zärtlich, unterhielt sich bildend mit ihm und gab ihm in Riemer einey trefflichen Lehrer. Aber kein Einfluß war wirk sam gegen eine Naturanlage,wie sie hier zur Katastrophe führte. Goethe hoffte, durch eine Heirath den Neigungen feines Sohnes heilsam« Schranken zu setze» und verband ihn mit der schönen und gebildeten Baronin Ottilie Pogivitsch. Beide lebten anfangs glücklich; aber mit dem Reiz der Neu heit war auch das junge Glück dahin und August betrat wieder die alte Bahn. Auf einer Reise in Italien 13Z0 ging er „leise zum OrkuS" hinab. Ottilie blieb die treue Gefährtin GoetheS, fem« Hand in der ihrigen hauchte er seine» Geist aus. TaS metrische Syst««. Zu den Dingen, für welche wir der französischen Revolution entschieden zu großem Dank verpflichtet sind, gehört vor allem die Schaffung des metrischen Systems. Unsere Vorahnen, welche sich in vielen Dingen findig und prak tisch erwiesen haben, zeigten eine gera dezu erstaunliche Unbeholsenheit, sobald es sich um Messungen irgend welcher Art handelte. Die Natur hat dieLiebens Mürbigkeit gehabt, unsere Hände mit zehn Fingern zu versehen sie hätte lins ebenso gut acht geben können, wie dem Frosch, und diesem Umstände ist es zn verdanken, daß unser Zahlensystem ein Decimalsystem ist. Auch die Indi aner zählen nach „Händen", und nur bei einigen Stämmen findet sich ein Anfang zum Vigefimalsystem durch Mitbenutzung der Fußzehen, Wa» wäre nun natürlicher gewesen, als auch Maße und Gewichte auf dreimaler Grundlage einzutheilen? Dies ist aber niemals ge schehe» und zwar wahrscheinlich deshalb, weil die' Schaffung von Maßeinheiten mit den Ansängen der Astronomie zu sammenfällt. Der Mond übt Störun gen auf die rationelle Entwicklung unse res Maßsystems und seine zwölf Mal im Jahre wiederholte» Wanderungen bewirkten die Einführung eines Duode cimalfystemS. Bald ward auch dieses nicht mehr streng eingehalten; so sehen wir allmählig in allen Ländern gera dezu abenteuerliche Gewichts- und Mäßeiutheilungen entstehen, welche, bei dem Mangel irgend welcher Normal größen, nun noch von gewissenlosen Menschen in selbstsüchtiger Absicht ver stümmelt werden. Jedes Städtchen hatte sein Gewicht chen, Mäßchen und Münzchen, und ein« heillose Comusion war die Folge dieser schönen Zustände. Die Obrigkeiten führten dabei einen beständigen Kamps gegen GewichtSfälscher und Münzbe schneider, deren Unwesen sie durch häu fige Regulirunz der Maßeinheiten zu steuern suchten. Dabei ward oft das erste beste Gewicht oder Maß als Nor maleinheit angenommen, so daß auch der gleiche Ort zu verschiedenen Zeiten verschiedene Maße und Gewichte be saß Weiterhin. fürchtet das tech nische Fachblatt „Prometheus", das Rechnen nach Dutzenden werde unsere Generation so wenig IoS werden, wie unsere bisherige, unzweckmäßige und nicht metrische Zeiteintheilung nach Stunden, Minuten und Sekunden. Ein Gleiches gelte von der Theilung des Kreises in Grade, Minuten und Sekun den. Dagegen haben wir im täglichen Handel und Wandel noch einige antedi luvianische Errichtungen, gegen die das Publikum unter krästigster Beihilfe der Behörden Front machen sollte. Wer denki nicht mit stillem Grauen an die „Mandel" und „'Schock" des Lebensmit telverkehrs, welche eben so leicht aus der Welt zu schassen wären, wie die einst so beliebten „Maß" und „Schoppen", welche heute nur noch dem Namen nach existiren, in Wirklichkeit aber dem met rischen Systeme eingeordnet worden sind. Ein anderer abscheulicher und zu täglichen Betrügereien führender Ge brauch ist die Anwendung von Hohl maße» auf Dinge,die gar nicht gemessen werden können. ES mag allenfalls noch angehen, wenn Getreide, Bohnen, Erb sen nach Kubikmetern gemessen werden, obschon auch in diesem Falle ein Miß stand vorliegt, da das spezifische Gewicht solcher Waaren schwankt. Aber gerade zu verblüffend ist es, wenn wir sehen, daß der Lebensmittel Kleinhandel Aep fel, Birne». Rüben u, dgl. nach Litern mißt! Hier ist schrankenlofer Willkür des Verkäufers Thür und Thor geöffnet. Ein großer Apfel füllt ein Litermaß so aus, daß kein zweiter Apfel Platz hat. Ist der Verkäufer gut ge launt, so baut er aus das Litermaß mit dem einen Apsel noch 4 oder 5 andere Aepsel auf, ist er verstimmt, so läßt er dies bleiben. Ein Liter kann also eben sowohl aus 6 Aepfeln als aus einem einzigen bestehen. Und ebenso geht es mit allen anderen Dingen, welche ge messen werden, anstatt, wie es einzig richtig wäre,der Gewichtsbestimmung zu unterliegen. Nicht lohnend. Junges Mädchen: Jetzt könnte dock der Früh ling schon kommen. Freundin: Ja, das wäre wegen Deines einfachen Straßenkleides wird er auch gerade Scherzfrage. .Wie alt muß der Mohr sein, wenn er seine Schuldig keit gethan hat?« .Ei» Jahr dann kaun er gehen!" Sie armen Reich««. Wenn wir von Leuten hören, die im Besitze vieler Millionen sind, dann kann sich wohl der Beste von uns kaum einer kleinen Anwandlung von Neid erweh ren. Es scheint ja geradezu ganz nie derträchtig vom Schicksal, daß der Eine in seinem schnöden Mammon beinahe erstickt und gar nicht weiß, was er damit ansangen soll, während wir anderen Sterblichen uns mühselige durch das Lkbeu schlagen und oft recht hart käm pfen müssen, um uns oben zu erhalten. > Ist nun der Besitz eines ungeheuren Vermögens wirklich ein so großes Glück, oder schon eine schwere Last? Strecken nicht diese Millionen ihre Polypenarme nach dem armen Opfer aus, um es zu erdrücken und ihm allen Genuß am Da sein zu rauben ? Der Unselige bat ja nichts weiter zu thun, als seine» Schatz ängstlich zu hüten, uiw das kann er nur, wenn er ihn zu vermehren sucht, denn jeder Stillstand heißt schon in unseren Zeiten Rückschritt. Alle irdische Habe ist jetzt flüssig; was heute noch einen glänzenden Besitz, eine ungeheure Summe darstellt, kann morgen schon beinahe werthlos sein und umgekehrt. In wel chen Papieren soll der Unglückliche sein Vermögen anlegen? Wo ist die Sicher heit, die ihn vor empfindlichen Verlusten schützt? wo der ehrliche Mann, dem er die Verwaltung seiner Geldgeichäste anvertrauen kann? oder ist er genöthigt, dies selbst zn thun? Nun, im letzte ren Falle bleibt dem Aermsten nicht eine ruhige Stunde. In dem. Anhäufen eines großen Ver mögens gibt eS leinen Stillstand, kein Ausruhen; diese anspruchsvollen Mil lionen treiben ihre armen Besitzer un aufhaltsam vorwärts, um neue Millio nen zu erwerben und damit die Lasten aus den Schultern dieser Unglücklichen immer schwerer und erdrückender zu machen. „Man rede von Mangel und Un glück, wenn die, welche genug besitzen, eS nicht brauchen können." Dies Goethe wort bleibt eine tiese, unerschütterliche Wahrheit, und wer dies beherzigt, dem erscheinen alle noch so großen Unter schiede im äußern Besitz ausgeglichen. So lange wir sehen, daß diese Unglück lichen Schätze- über Schätze aushäufen und über dieser Jagd nicht zu einer ru higen, frohen Stunde kommen, so lange sind diese armen Reichen nicht zu benei den, so lange sühren sie nur ein nmde hetzendes, Herz und Geist verödendes Dasein. Darüber können wir nnS doch Alle nicht täuschen; schließlich besteht das Glück eines Menschen, wie eines ganzen Staates nicht im Reichthum, sondern im Gebrauch des Reichthums, und nicht in seinem kaufmännischen, sondern seinem moralischen Werth. Je reicher ein Mensch wird, je ärmer wird seine Phantasie, die Wirklichkeit erschöpft Alles, und hinwiederum müß ten die Phantasielosen zu ihrem Glück reich sein oder es werden, wenn sie vom Leben nur das Geringste haben wollen. Giuseppe Ginsti hat dies Zigeuner glück besungen, das reicher macht als alle Schätze eines Krösus: In diesem prahlerischen Börsenjahrhundert, Das hohl und heuchlerisch Den Schein bewundert, Dies holde cynische Jugendbehagen, Lachend umherzugehen Mit leerem Magen. Ach, die meisten Menschen find so bettelarm; aber sie wissen es nicht ein mal, und die Nothleidenden des Her zens und des Geistes sind am übelsten dran, denn in ihrem Innern gähnt eine trostlose Leere, die nichts auszufüllen vermag, und am wenigsten das Be wußtsein, über irdische Schätze gebieten zu können, denn wo ist hier die Grenze? Wer eine Million besitzt, trägt das heiße Verlangen, eine zweite Million dazu zu erwerben, darauf hiu geht all sein Sinnen und Tenken, sein rastlose» Streben und Ringen, und erst nach Er reichung dieses neuen Zieles träumt er davon, seinen Reichthum zu genießen; aber diese Stunde des AusruhenS, de» behaglichen Genusses kommt nie: immer wieder wird der Unersättliche weiter ge hetzt, um endlich inmitten der wilden Jagd clenv zusammenzubrechen und zu spät zu erfahren, daß es doch nur Phan tome waren, denen man mit Anspan nung oller Kräfte nnd mit dem Verluste seines inneren Glückes nachjagen mußte. Tie Liebe zum Gelde scheint bei manchen Menschen ein so tiefer und na türlicher Instinkt zu sein, wie nur die Liebe jedes mütterlichen Wesens zu seinem Neugeborenen; aber diese „Affen liebe" ist die gefährlichste von allen, sie tobtet in dem Aermsten alle besseren Empfindungen und macht ihn zum elen den Sklaven jenes Mammons, den zu besitzen und ?u vergrößern all sein Sin nen und Denken in Anspruch nahm. Wüßten die Reichen wirklich ans ihren erworbene» oder ihnen vom Glück zngeworscnen Schätzen einen wahren und tief beledigenden Genuß z» zie he», dann erst wäre es sür uns Alle Zeit, uns über die Ungleichheit in der AuZtheiluug irdischer Güter zu bekla gen; aber so la»ge diese armen Reichen nichts weiter können, als ihren Reich thun, mit allen Sinnen krampfhaft fest zuhalten oder im hirnlosesten Luxus mit ihrem Vermögen zu prunken, so lange brauchen wir Andern uns nicht alS'die Enterbten des Schicksals zu füh len. Es giebt nur zwei große Uebel— Krankt eit und Dummheit, und nur zwei unschätzbare Güter innerer Reich thum, Frieden des Herzens. Die jetzt so leidenschastlich erregten und künstlich anfgestachelten Gemüther werden nicht eher zur Ruhe komme», als bis sie die Einsicht gewinnen, daß im Reichthum, im Wohlleben weder das Glück zu suchen, noch zu finden ist, dckß man früher in den bescheidensten Ver hältnissen viel glücklicher war. weil man sich ruhiger Zufriedenheit erfreute und nicht mit verzehrendem Neide auf dieje nigen sah, die vom Schicksal mit äußeren Gütem mehr ausgestattet waren, und die vielleicht nichts weiter besaßen, als diesen elenden, das Gemüth leer lassen den Mammon. Ein schlichter Arbeiter, der in dem stillen Banne eines fried lichen Familienlebens seine Tage ver bringt, sührt ein beneidenSwerlheres Dasein, als der arme Reiche, der von seinen Schätzen keinen Gebrauch zu ma che» weiß, und der vielleicht die uner schütterliche Gesundheit des Armen mit dem größten Theile seines Vermögens eintauschen möchte. Nicht der Normalarbeitstag wird dem Arbeiter da» erträumte Eldorado bringen, sondern die Rückkehr zu jener ruhigen Anschauung, daß wahres Glück überall zu finden, und am reinsten und sonnigsten oft in der niederen Hütte,und nicht im glänzenden Palast. Wer es den Begünstigten des Schick sals gleich thun will an Prunk, an leidenschaftlichem, üppigem Lebensge nuß, der greift nach Phantomen, der verzehrt sich selbst. Noch gibt es un vergängliche Güter, die Jeder erwerben kann, und die gerade in unseren Tage» Allen zugänglicher geworden sind als je Minen, Kenntnisse, ein unersättlicher Bildungstrieb, und wenn dieser Ge danke erst in der Masse geweckt, anstatt daß sie zu de» tollsten Wünschen und Hoffnungen aufgestachelt wird, die sich doch nie verwirklichen lassen, dann erst wird eine neue, schönere Zeit herauf dämmern, dann wird man allgemein die ruhige und beruhigende Ueberzeugung gewinnen, daß nicht die „armen Rei chen", sondern die „reichen Armen" das bencidenswertheste, gottbegnadetste Da sein führen. Der Roman ei««r Sängerin. Sie hatten bis vor ungefähr zwei Jahren in denkbar glücklichster Ehe ge lebt. Nämlich Herr L., Direktor einer Aktiengesellschaft, mit seiner liebenswür dig still waltenden Gattin und zwei prächtigen Sprößlingen, einem Mäd chen und Knaben von vier bezw. sechs Jahren. Da aber war urplötzlich und unerwartet eine drohende Wetterwolke an dem bisher so angetrübten Ehehim mel herausgezogen, und zwar in Gestalt einer «jugenvlich schönen und verlocken den Blondine, die mit ihrer Mama, der verwittweten Frau Rechnungsrath W., in das HauS des T-'schen Ehepaares gezogen war. Wie eine schöne Blondine eine drohende Wetterwolke sein kann, das sollen unsere verehrten Leser bald erfahren. Fräulein Konstanze W. besaß näm lich, außer den äußeren Vorzügen, mit denen Mutter Natur sie fast verschwen derisch ausgestattet, eine herrliche klang volle Altstimme, und da Herr Z. eine durch und durch musikalische Natur war und es lebhast bedauerte, daß seiner Gattin gerade diese» Talent vollständig fehle, so hatte eS ihm Konstanze schon bei ihrem ersten Besuch, den sie mit der Mama dem hauswirthschastlichen X.'- sche« Ehepaar abstattete, angethan, und von diesem Augenblick an stiegen di» dunkel» Wolken am Ehehimmel aus. Der Herr Director musieirte regel mäßig zwei bis dreimal in der Woche mit Fräulein Konstanz«; sie besuchten, da Frau X. sehr häuslich war und sich fast ausschließlich der Erziehung ihrer Kinder widmete, unter der Ehrenwache der Frau RechnungSrath, musikalische Vorstellungen, Concerte u. s. w. Auf dem Nachhausewege schwelgte da» musi kalische Paar in der Erinnerung an eben Gehörtes und verabredete für den fol gende» Tag die Einstudirung irgend eines neuen Musikstückes. Herr T. übernahm die Begleitung, in welcher er Meister war, sür die Lieder „von Lenz und Liebe", die Fräulein Konstanze mit weicher, voller Altstimme lo seelenvoll fang. Und das Ende? Nach knapp dreiviertel Jahren er klärte Herr .V. seiner darüber begreif licherweise ebenso verzweifelten als ent rüsteten und erbitterten Gattin, daß er zu dem Bewußtsein gekommen sei, mit lhr nicht länger in Gemeinschaft leben zu können, da fein Herz von einer „ab grundtiefen" Liebe zu Fräulein Kon stanze W. erfüllt sei. Er habe, so rief er mit Emphase aus, weiß Gott, redlich gekämpft und gelitten aber Alles ver geblich. Die göttliche Musik habe ihre Herzen zu einander geführt,' und jetzt erst wisse er, was Liebe sei. Frau X., zu stolz, um in eine Conkurrenz mit der blonden Sirene zu treten, willigte schließlich in die von ihm beantragte Scheidung, welche auf Gnind „gegensei tiger unüberwindlicher Abneigung" nach wenigen Monate» erfolgte, so daß einer Verbindung des Herrn Z, mit Fräulein Konstanze W. nun nichts mehr im Weg« stand.... ES war am ersten größeren Em pfangsahend, den das neue -k'sche Ehe paar nach seiner Hochzeitsreise veran staltete. Unter den Gäste» befanden sich einige Kapazitäten aus der musika lischen Welt. Ein ebenso gesürchteter, wie bekannter Professor der Mufik, ein sehr geschätzter und viel „gesungener" Liederkomponist und ein Klaviervirtuose, welch letzterer die Gesellschaft turch seine prächtigen Vorträge erfreute. Schließ lich wurde auch Frau Konstanze, die liebenswürdige Wirthin, gebeten, ein Lied zu singen. Ohne Zögern trat sie an den Flügel, ihr Gatte intonirte die Begleitung zum ergreifend vorgetragenen, düsteren Ton gemälde. Besonders derMusikprofeffor, der Frau Konstanze zum ersten Mal ge hört hatte und von der imponirenden Schönheit ihrer Erscheinung geblendet war, schien in einen wahren Paroxys muS des Entzückens gerathen zu sein: „Aber ich bitte Sie, bester Direktor, diese Stimme ist einfach eminent! Diese Klangsülle, dieses Timbre! Und noch niemals, sagen Sie, hätte Ihre Frau Gemahlin öffentlich gesungen?" „Nein, liebster Professor, noch nie," lächelte Herr X. geschmeichelt. „Meine Frau hat sogar nie irgend welche künst lerische Ausbildung genossen, ausgenom m«u die wenigen Gesangstunden, die sie als ganz junges Madchen bei einer ziemlich unbedeutenden Sängerin hatte." rief der Professor ganz au ßer sich vor Bewunderung, „dann ist e» eben eine von Gott begnadete Künstle rin, und ich sage Ihnen, mein lieber Herr Director, Ihre Frau Gemahlin hat ein goldenes Capital in ihrer Kehle; nur ein paar Unterrichtsstunden, und sie kann in jedem größeren Concert als erste Kraft auftreten." Und schneller, als man geahnt, soll ten sich die Worte des begeisterten Herr» Professors erfüllen. Nach kaum zwei Monaten, während welcher Zeit Frau Konstanze eifrig Gesangsstunden ge nommen und sich einen sehr schöne», ausländisch klingenden Namen beigelegt hatte, wurde von ihren Freunden die Reclametrommel sür die „Diva" ge rührt, welche sodann als Miß zu nächst eine Kunstreist nach größere» Provinzialstädten unternahm, um sich die nöthige Sicherheit sür das öffent liche Auftreten anzueignen. Ueberall wurde sie mit rauschendem Beifall aus genommen, und nach ihrer Rückkehr nach Berlin waren hier die Vorberei tungen so weit gediehen, daß die blen dend schöne Miß „unter sreundlicher Mitwirkung geschätzter anderer Kräfte" in der Singakademie einen Liederabend arrangieren konnte. DaS Haus war total aus.... verschenkt die Ver hältnisse des Herrn DirectorS gestatte ten ihm diesen Luxus —, und so war denn auch in Folge dessen, wie ma» andern Tags in mehreren Zeitungen lesen konnte, der Beisall ein jubelnder, ungetheilter und ein in jeder Beziehung gerechtfertigter. Und aus der bisher „in den weitesten Kreisen unbekannten und ungenannten" Frau Konstanze X. war mit einem Schlage die berühmte Sängerin M geworden. Nach ihrem Ersolge in der Metropole bereiste sie wieder die Pro vinzen, um das Gold ihrer Kehle ge bührend auSzumünze», begleitet und beschützt von ihrem Gatten, der im Rausche des Erfolges beschlossen haben soll, seine Stellung als Director aufzu geben, uu» fortan nur der Man» der berühmte» Sängerin zu sein. Und die geschiedene Gattin? Sie gedenkt zwar in stiller Wehmuth de» entschwundenen Glücks, findet aber rei chen Ersatz in ihren anmuthigen herzige» Kindern, welche ihr der Vater derselbe» bei der Trennung großwüthig überlas sen hat. AnttprSgeltun». DaS neunzehnte Jahrhundert hat lin» bekanntlich bereits das Antiphon nnd den Autischnarcher beschreit. Die sen modernen Errungenschaften reiht sich nun die epochale Erfindung de» „Antiprügelium" an. Die ingeniöse „Erfindung", die, wie ihr Name andeu tet, eine Schutzvorrichtung gegen erhal tene Prügel bezweckt, ist dem Kopfe eines zehnjährigen Knaben entspringen, der eines Nachmittag» die ersten diesbe züglichen Versuche anstellte. Ueber den Verlaus derselben ist Folgende» zu mel den: Papa hatte beim Mittagbrot» seinem Söhnchen Alson» in Anbetracht diverser Subordinationsvergehen eine tüchtige Prügelsuppe für den Abend in Au«, ficht gestellt. Wortlo« zog sich Alfons in Begleitung seine» um ein Jahr älte ren Bruder» Edgar in das gemeinsame Studirzimmer zurück, wo beide Knaben den ganzen Nachmittag verblieben, ohne durch die üliche Balgerei oder sonsti gen Lärm ihre Anwesenheit kundzuge ben. Die besorgte Mama horchte zu wie derholten Malen an der Thüre, ver nahm aber nur ein ganz leise geführte» Gespräch der Herren Jungen und ein mal auch eine Anzahl dumpfer Schläge. Sie, als wahrscheinlich von irgend einem Spiele herrührend, nicht weiter beachtet wurden. Der Abend kam, mit ihm der qestrenge Papa, aber nicht die in Aus sicht gestellten Prügel, denn Mama hatt« Alfons' nachmittägige.» gesittete» Be nehmen berichtet und den Vater ju be stimmen gewußt, wieder einmal zu der zeihen. ÄIS aber dem Jungen verkün det wurde, daß er für heute begnadigt fei, da machte derselbe ein überaus ver dutzte» und ärgerliches Gesicht und dankte nicht einmal. „Na, mir scheint. Du bist nicht einmal zufrieden?" inter pellirt« »hn Mama, „Du, der Du gleich jämmerlich heulst, wenn ich Dich nur anrühre." —„O, Mama, das thu' ich ja nur Dir zu lieb," antwortete Alfons liebenswürdig, „nur um Dir eine Freud« zu machen, denn Dich spüre ich ja gar nichts. Aber bei Papa ist'S etwas an deres."—„Umso froher solltest Du sein, daß Du heute so gut davon kommst," meinte der Vater. Der Knirps schüttelte das Haupt und erwiderte dann freimüthig: »Heut' nicht, Papai denn, weißt Du, ich habe eine Erfindung gemacht und Edgar muß sie prüfen. Als wir allen« in unserem Zimmer waren, ließ ich mir von ihm Mit dem Stocke ein paar Hiebe geben. Die spürte ich ganz gut. Dann zog ich eine zweite Hose über die, die ich trug, da fühlte ich schon weniger, endlich nahm ich noch die Lederhose ta;u und. da konnte Edgar nach HerzenSlnst haue», es ging gar nichts durch Und siehst Du, die drei Hosen hab' ich »och jetzt an, die lederne in der Mitte, und wenn Du mich geprügelt hättest, so hätte ich nun bestimmt gewußt, ob meine Erfin dung gut ist! Verstehst Du, Papa?" Papa verstand, Der Augenschein be wies ihm aucb, das fein Söhnlein wahr gesprochen. In Zukunft wird er sich also vor einer etwaigen Exenrtion über zeugen muffen, ob sein ideenreicher Sprößling nicht mit dem „Antiprüge 'tum" bewehrt ist. Küchen- Variante. Bor ficht ist die Mutter der P»rz«Ü«»j»»rik.
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