Sarah's Bpsrr. Wilytlm Berger. <4. Fortsetzung.) c „Aber ein Hindu !" „Das ist das Wenigste. Wir handeln täglich mit «inbeinufchen Kaufleuten; diese Klasse genießt den allerbesten Ruf bei uns. Mit vollem Rechte. Sie sind ehrlich und solide, entgegenkommend und ,uverläsilg." „Doch ist ihre Moral von der unserigen verschieden/' wandte Olympia ein. „Davon habe ich noch »ichtS gemerkt. In Geschäften gibt es überhaupt nur ein Moral : die Ehrlichkeit. Welche religiöse Unterlage dieselbe hat ob überhaupt eine solche vorhanden, das ist praktisch gleichgiltig." „Stelle mir diesen Herrn Gosala vor, wenn er kommt. Ich bin neugierig auf ihn." Bald nach Tisch langte Ramschai Go sala an, ein schlanker, mittelgroßer Mann von sicherer Haltung. Cr stellte sich vor; sein Benehmen war fein und gewandt, dabei frei und selbstbewußt; sein Englisch untadelhast. Während er sich mit Arno unterhielt, den Zweck seines Kommens als einen ge schäftlichen bezeichnend, nahm Olympia die Gelegenheit wahr, ihn zu betrachten. Kaum verrieth seine Hautfarbe den In dien weit mehr der edle Schnitt seines Gesichts. Insbesondere waren es die dunkln» und t och so sanften Augen, die keinem anderen Volke an g hören konnten als dimjenigen, dessen Religion schon seit mehr als dreitausend Jahren den Blick nach innen zu richten lehrt und von dem Truge der Welt predigt. Und wie melodisch klang seine Stimme, wie ein schmeichelnd drang sie in's Ohr! So weich hatte Olympia noch keinen Stam mesgenossen ihr heimisches Idiom reden hören. Die Herren macht?» Anstalt, sich aus die Veranda zu begeben. „Darf ich mich «och bei Ihnen verabschieden, gnädige Frau, ehe ich gehe?" fragte Gosala. Ein voller Blick aus seinen Augen traf Olympia. Verwirrt erwiederte sie: „Rein ja das heißt wenn Sie bleiben, nachdem Sie Ihr Geschäft mit meinem Manne erledigt haben, geselle ich mich draußen zu Ihnen." nock> kein Landsmann bei Olympia men dürfen, geschweige denn ein Frem der." Der Jndier verneigte sich. „Ich danke Ihnen für Ihre Güte. Meine Zeit ge hört Ihnen." Die Herren ließen sich auf der Veranda nieder. Olympia nahm die Tageszeitung iur Hand, die Arno aus der Stadt ge bracht hatte. Doch konnte sie nicht lesen. Fortwährend tönte ihr das Summen von Gosala's leiser Stimme in die Ohre». Er sprach viel, ohne Stocken floß die Rede von seinen Lippen. Selten nur ließ Arno sich vernehmen, s in Organ kam ihr plötzlich hart und rauh vor. Eiwas ganz Neue? war ihr ein so auffälliger Klangunterschied zwi schen zwei Stimmen. gende Seele. Träum, nd legte sie sich zurück im Ses sel unv winlte dem Puntahschwingir, innezuhalten in seiner einförmigen Arbeit. Nun drang es zu ihr wie das abwech selnde Plätschern von zwei Bächen, von andere an Hindernissen wie ärgerlich auf rauscl't. Sie lächelte über das Spiel ih.er Gedanken, üleer ihre müßige Hin gabe an phantastische Vorstellungen. Hat!« sie jemals schon mit ähnlichen Thorl'citen sich die Ze.t vertrieben? Nein gewiß nicht. Aber sie hörte nicht aus zu lauschen. Gesellschaft. Jetzt war Arno aufgeregt und lebhaft; augenscheinlich war er von dem Ergebniß der Unrerredung befriedigt. Mit höfli scbiieb er jegl.che von ihm ersonnene Ver bessel una. Nochmals hatte Olympia Gelegenheit, die ZU e des Jndiers zu mustern. Und Langiam wandte der Jndier sich ihr zu. „Sie satten es, gnädig«Frau. In meiner Familie lebt die Ueberlieferung, lie GosaiaS seien in uralten Zeiten ein mächtiges Herrschergeschlecht gewesen. Dort, wo das Himalayagebirge seine Ströme entlaßt, soll ihr Thron gestan ten haben. Aber in diesem großen Leinde baben unzählizeFürsten geherrscht, leren Spur verweht in. Kein Schreib kundiger hat daran gedacht, daß dereinst die Enkel den Wunsch haben könnte«', et was von il rea Ahnen zu erfahren. Wir Jndier haben leine Geschichte, gnädige Hrau." „Wirklich nicht?" erwiederte Olympia erstaunt. „Wie ist das möglich?" „Mein Vclk ist von jeher ein Sonder ling unter den Völker» gewesen. Was andere 'Nationen vornehml ch erstreben: den zu wohlorzanisirten staatlichen Gebilden, das hat uns nie mals bewegt. Es wird Ihnen bekannt sein, daß unsere Civilisation eine der äl testen ist. Tiotzdnn haben gewisses Veen, die Jl»en wohl von jeder Civilisation unzerticnnlich scheinen, keinen Cingqng dei uns gesunden. Der Gedanke der politischen Freiheit in Indien immer un bekannt und unvcrstand-n geblieben wir besitzen keine Nationalhelden." Und mit leichtem Spott fügte er hinzu : „An Hei ligen dagegen leiden wir leinen Man gel." „Ich bin in Indien'" geboren und weiß doch jo wenig von den einheimischen Be wohnern dieses ungeheuren Reiches," ge» stand Olympia. »Nur wenig« Fremde gibt es. die wirk- lich etwas von uns wissen, und auch die'e begreifen uns nicht. Die Seele meine, Volkes wiid den Abendländern ewig ein Räthsel bleile t. Viele Fragen h i'.e ich b antworten müssen, als ich in Europa war in London, in Paris, in Berti». In allen drei Slädlen bin ich Männern begegnet, die unsere heiligen Schriften im Uriexte gelesen haben. Was sie daraus g Wonnen, war immer ein vcrzccrtesßild der Lehre, dem Spiegel gemäß, den ihre Bildung geschliffen, und ich vermochte nicht, es zu verbessern." „Auch m Berlin waren Sie ?" fragte Arno. „Zuletzt auf meiner großen Reise," «r -wüdeite Gosala. „Ich hatte dort die Eh'e, zusammen mit dem Fürsten Bis marck bei dem Englischen Gesandten zu speisen. Ich wurde als Rarität vorge führt; Seine Durchlaucht hatt.» die G ade, mehrmals das Wort an mich zu richten." „Erzählen Sie uns Näheres," bat Ariiv. „Die Unterhaltung betraf unwichtige Gegenstände und beschränkte sich auf Fraxe und Antwort." „Und wie war der Eindruck, den Sie von der Persönlichkeit des Fürsten em pfangen haben ?" „Er ist aus Ihrem Volksstamm. Herr Wiedener. Nur was gleiche Wurzel hat, vermag das Anßerorden liche der Art zu würdigen, Die Stärke der Eiche, die auf sich selbst ruht, bleibt der Schlingpflanze unverständlich." Eine halbe Stunde noch erzählte Go sala von Begegnungen mitßerühmtheiten des Staats un» der Gesellschaft, die er in Europa gehabt hatte. Dan» brach er auf, bis zum letzten Augenblick seine ruhige, würdevolle Haltung behauptend. „Und was wollte Ramschai Gosala von Dir?" fragte Olympia ihren Galten. ,/Nichts mehr noch weniger als ein Ge schäft mit mir begründen, ein Geschäft im größten Styl. Denke Dir!" „ 'er, noch dazu ei» Fremder !" „Du hast ihn aljv abgewiesen ?" „Keineswegs ; ich habe mir nur Be bentzeit ausgebeten. Mvrgen Aberd ipeisen wie im Club zusammen. So ist die Verabredung. Wie gefällt er Dir?" „Er ist ein Gentleman." „Das ist auch meine Meinung," ver setzte Arno. „Aber—" „Sein Blut ist nicht Dein Blut, willst Du sagen. Desto besser. Nicht auf der Nleichheit beruht die Macht der Verbin dung." „Du empfiehlst mir anzunehmen? So ohne Weiteres? Wie ein Waghals, der iiih dein ersten besten Schiff anvertraut, iur weil es eine gute Figur auf dem Nasser macht ? Es ist ja wahr: dieser Jndier hat etwas Bestechendes. Aber hat er in sein Inneres blicken lassen Lebhaft entgegnete Olympia : „O, und Die deutlich! Gleich von Ansang an Äinnere Dich nur ! Mit welch' schmerz licher Bitterkeit sprach er v?n dem Volke, :ein er durch seine Geburt angehört, von dem Sonderling unter den Völkern, das leine Geschichte hät, dem die Idee der Freiheit unbekannt ist. Resignation ist »er Ausdruck in seinen Zügen, von Hoff nungslosigkeit reden siine Augen. Er bat erkannt, daß der Bolksgerst, über ?en er sich erhoben hat, ohnmächtig ist, »hnmächtig bleiben wird, sein Ziel in dieser Welt zu suchen. Nur unter Frem >e» sinder er seinesgleichen. Ist es nicht xart, ist das nicht tragisch?" „Recht wohl; doch sehe ich nicht ein inwiefern seine schief« Stellung ihn mir >um Theilhaber empfehlen soll, zu einer iein praktischen Verbindung mit dem aus ch'iießlichtn Zwecke, Geld zu verdienen 5" „Du bist sonderbar, Arno," sagte Olympia, den Kopf schüttelnd. „Ange sot auf Angebet hast Du verworfen. s>»»ner ängstlicher bist Du geworden. Schließlich wirst Du Deine Bedenken sonr Moiide herabbolen, um nur Nein .igen zu können. Noch bist Du meines Katers Gehilfe. Als ich Dir meine Hand zusagte, waren wir darüber einig, en würdest. Bisher 'hake ich geschwie >:n; ich glaubte auf Deinen Ehrgeiz rechnen zn dürfen. Schon aber fängt v e früher; Du kennst ja unsere Gesell chast. Als ich gestern bei dem Hafen >uss«her Lawrenee vorfuhr, wies mich der Liener ab mit des landesüblichen Phrase: i^cin Olympia's Vorwürfe trafen Arno em pfindlich. Sein Selbstgefühl wallte auf. Er rief aus : „Allerdings, wenn man an iängt. Dir die schuldige Achtung zu ver sigen. dann ist eS die höchste Zeit, daß ich mich in der öffentlichen Meinung hebe. morgen schließeich nit Gosala ab." „Endlich!" athmete Olympia auf. wurde schon ine an Dir. Ich reue mich, daß Du Deine Energie w.e sergesunden hast." .Nienen Sie umarmte und küßte ihn. !5s war das erste Mal, daß sie i»n aus iigenem Antriebe liebkoste. S. Seit die Würfel gefallen waren, fand Olympia keine Veranlassung mehr, sich Über Vernachlässigung und Zurücksetzung zu beklagen. Im Gegentheil. In den !',tegicrungskrciien verursachte das neue Unternehme» eine angenehme Ueberrasch ung. Betrachtete man doch Arno Wrede» »er als Engländer, oder doch wenigstens als ganz und par in der Interessensphäre der Engländer wirkend. Und jede Annäherung der vornehmen, begüter te» Hindu, die bisher fast allgemein bei Seite gestanden hatten, an di: herr schenden Kreise wurde gerne gesehen. Auf die Parte des „Jungen Bengalen" setzte man die Hoffnung, daß sie allmäh lig eine lebhaftere Betheiligung ihrer Stamm, Genossen an den-Aufgabe» des S aates herbeiführen und ibnen das Ven ständniß für die Vorzüge der europäischen Kultur erschließen wüide. Sogar de, geruhte, sich die beiden Theil, Haber d«r n«u«n Firma vorstellen zu las sen, und zeichnet« bald daraus Ramschai Gosala durch «ine Einladung zu einem offiziellen Diner aus. Häufig war Ramschai Gesola jetzt in Arno's Hause; zu Tisch war immer Ge deck für ihn aufgelegt. Arno rühmte ihn ausnehmend; vor allen Din gen fei er ein« durchaus edle Na tur, aber er besitz« auch staunenswerth« kaufmännische Kenntnisse, wie sich ganz beiläufig von Tag zu Tag ergeb«» hab«.! Olympia widmete dem Gast eine freund schaftlich« Fürsorge. die sich doch wieder mit einer gewissen Schüchternheit geltend machte, als ob sie sürchte, sich etwas zu vergeben. Sie war auch diejenige, die ihn am meisten in Anspruch nahm, Be lehrung von ihm suchend über das innere Leben seines Volkes. Und Ram'chai, ohne jemals seine ruhige Gelassenheit zu verlieren, beantwortete stets sreund lich ihre Fragen, selbst wenn dieselben Gebiete berührten, welche von den Hindu nicht gern besprochen werden. So hatte Olympia einst bei Tisch die Rede aus die einheimischen Damen ge bracht und d«n Jndier nach seiner Frau g fragt. Arno erschrak und warnte sie durch Zeichen. Wußie er doch nicht, ob Gosala sich auch in Bezug auf die Stel lung der Frau von den Anschauungen seines Volkes befreit habe. Hatte er selbst doch nicht gewagt, ihn zu fragen, ob er verheirathet fei. Gosala bemerkte Arno's Geberden reitwillig Auskunft. Ich bin nicht ver heirathet. Die? ist nur ein Zufall. Lisch altem Brauche wurde mir die Braut verbunden, als ich ein fünfjährig r Knabe war. Mit fünfzehn Jahren sollte ich die Ehe schli.ß.n; kurz vorher sta-b sas mir kaum bekannte W sei. Mittler weile hatten sich meineAnsichten erweitert, die Gefährtin, die mich anzog, hätte ich in nr«inem Volke nimmer gefunden, und die Vorurtheile einer Fremden zu besiegen kann ich nicht hoffen." Mit einer leichten Verwirrung, die Gosala nicht entging, brach Olympia das Gespräch ab. Einige Zeit darauf traf Robert Brooks einmal mit seiner Nichte zusammen. „Ich höre, dieser Heide Gosala streckt beinahe täglich die Füße unter eurem Tisch aus," begann er i» seiner englisch derben Art. „Und wenn er's thäte?" gab Olym pia kühl zurück. „Vertraute Gemeinschaft mit Gottlose» >u pflegen gezienit sich für keine Christin." „Deine Sorge für mein Seelenheil eerpflichtet mich zu tiefem Dank," erwie derte Olympia spöttisch. Der Onkel sah sie scharf an. „Du zlaubst vielleicht, ich ärgere mich darüber, »aß die Gelbhaut uns Deinen Mann tveggesangen hat." „Das thue ich in der That, Onkil Rodert." «S war mir unangenehm, »eis gebe ich zu. Dein Mann in seiner Ztathlosigkcit hätte sich bei iinS hereingesetzt, wenn ihm der Gottsei beiuns nicht einen seiner Knecht« zuge schoben hätte. Aber darüber bin ich längst hinweg ; Geschästsäiger wird bei mir nicht wochenalt." „Die Ausdrücke, in denen Du des Herrn Gosala erwähnst, lernn ich nicht ?>a gereizt. Doch Robert Brooks ließ sich nicht be irren. „Wenn er noch ein ordentlicher Hindu wäre, der seine pae" tausend Göt ter in gebührendem Respekt hielte!" brummte er. „Aber «r ist einer von der »euen Sorte, die an nichts mehr glaubt." „Wer hat Dir das gesagt?" „Na ein Geheimniß ist's doch nicht! Moral." die Anschauung wieder, die sie von Kind heit an gehegt hatte. Was sie jetzt ver inlaiite, sich gegen de» Oheim zu wenden, dußte sie selvst nicht. „Diese Behauptung streitet gegen 'lle Erfahrung," verfetzre sie. „Der gute ZNensch bedarf keiner Religio» um gut „Das hoffe ich. Meine Freunde mir selost »u wählen, halte ich für ein Recht, «as ich mir nicht antasten lassen werde." In dem jungen Geschäfte stellte sich der Theilhaber sich nach Curopa begebe, >nd es entstand die Frage: wer pllte A'no war e nsicht gg nu ach kur. len, daß Arno sich der Reise zu unter gehen habe. Eine Reise nach Europa ist in dem Be rufsleben des indischen Kaufmanns ein gewöhnliches Ereigniß. In den großen Handelsstädten ist ein beständiges Gehe» undKommcn, hin un» her. Man nimmt kaum Abschied für die paar Monate, die man abwesend sei» wird. Was ist'S den» weiter? Eine Tour, die man fast bis auf den Tag berechne» kann. Unter-» Wegs eine Reihe von Stationen, wo der Reifende fei» Telegramm vorfindet. Immer nur kurze Zeit muß er die Verbindung mit seinem Wohnort entbeh re». Wie «in« große Heerstraße ist dir Weg von Bombay in'S rothe Meer hin aus und weiter durch den Suezkanal und das mittelländische Meer bis Brindisi. Und die Dampfer sind so bequem einge richtet wie möglich. Es kostete demnach Arn» kein« sond«r- liche Ueberwindung, der Nothwendigkeit zu gehorchen. Die beverslehende Tren nung von Olympia verursachte ihm kein« störenden Schmerzen. Seine Ehe hatte ihm das Glück nicht gebracht daß er da von erwartet hatte. Noch immer stand er fremd seiner Frau gegenüber. Wie sie sich als Strobvittwe einzurich ten gedenke, fragte er. Ob sie in das Haus ihres Vaters zurückzukehren wünsche? Nein. Mit den allen Verhältnissen sei sie fertig. Sie habe keine Lust, ihre jetzige Lebensweise zu ändern, bei welche» sie sich sehr Wehl befinde. „Wie Tu willst," sagte Arno. „In diesem Falte würdest Du indessen eine Ehiendame zu Dir nehmen muffen." Daran hatte Olpinpia schon gedacht. „Ich werde Frau War Kurten zu mir ein laden, Wittwe des Regierungssekre tärs. Ihr« Pension ist nicht groß ; sie wird gern etwas davon zuiücklegen." „Es ist gut. Solltest Du sonst irgend etwas bedürfen, Rath, Beistand, was es auch sein möge, so wende Dich an Go sala." „Er wird wenig Zeit für mich haben." „Ich werde ihm besonders anempfeh len, über Dein Wehlergehen zu wachen. Es ist mir lieber, daß er Dein Beistand ist als Dein Vater, dem ich mich nicht gerne verpflichten möchte." .Mache Dir meinethalben keine un nöthizen Sorgen," sagte Olympia unge duldig. „Was könnte sich ereignen, dem ich nicht allein gewachsen wäre?" Freilich, Olympia halte Recht; die Einförmigkeit des Lebens in Kalkutta war eine Thatsache, die sich nicht leug nen ließ. Und der Tag kam, an dem der Dam pfer „Oriental" die Anker lichtete und sich zwischen den Schlammbänken des HugU seinen Weg nach der See suchle. Arno warder Abschied nicht schwer geworden. Auch Olympia hatte an Bord, als du Glocke ihr daS Signal zum Verlassen deZ Schiffs gegeben, seinen letzten Kuß mil trocken«!! Augen «mpsangen. Es war allerdings wahr : ein« öffentliche Demon stration des Schmerzes ihrerseits wär« ihm unangenehm gewesen, als charakter schwach und kleinstädtisch. Dennoch würde er etwas mehr Bewegung, als si« zeigte gern gesehen haben. Es ist doch schmeichelhaft, von einem schönen Weib» den Tribut der Liebe entgegenzunehmen. D'e Gesellschaft auf dem „Oriental" schloß sich rasch aneinander. Man ge wöhnte sich an die Enge und machte sich's darin möglichst bequem. Und endlich wandte sich der Schnabel des Schiffes nach Norden, und die wirbelnde Schraub« trieb es rastlos vorwärts auf dem unsicht baren Pfade, der Asien und Europa ver bindet. Arno schwamm auf dem Miltclmeer, als der Brief, worin «r seiner Mutter sein baldiges Kommen in Aussicht stellte, auf Schloß Viereggen eintraf. Dort bei Loeben, am Ufer der Mur, hatte Sarah -Zurmühlen sich niedergelassen, und Frau Wiedener war zu ihr gezogen. „Er ist unterwegs zu uns, Sarah !" jubelte die Mutter. Es war im Park. Die junge Schloß herriii saß vor einer Staffelei und malle. Erschrocken setzt« sie ab. „Wer? Arno?" „Wer anders, Kind? Höre nur. Zu erst verweilt er einige Zeit in England, dann will er hierher kommen." Sie rechnete. „Drei Wochen wird es noch dauern, vielleicht sogar vier." Sarah mischte Farben auf der Palette, die nichts miteinander zu thun hatten. Ohne aufzublicken fragte sie: „Ist er al lein ?" „Diesmal ja. Es ist eine Geschäfts reise, die er plötzlich hat unternehmen müssen; da konnte er natürlich Olympia nicht mitbringen. Schade, nicht wahr Sarah erhob sich mit Anstrengung von dem Schemel, worauf sie saß, in der Ab sicht, sich zu entfernen. Sie fühlte das Bedürfniß, eine Weile allein zu fein. Doch mußte sie sich wieder niedersetzen; die Füße den Dienst. „Was ist Dir. Kind?" sragle Krau Wiedener ängstlich. „Nichts. Das anstrengende Sehen bei dem grellen Lichte.... Du würdest mir eine» Gefallen thun, Tante, wenn Du mir ein Glas Tokayer herausholen woll test " Bereitwillig stand Frau Wiedener auf. „Du strengst Dich zu sehr an ; ich hab' es Dir gestern schon gesagt. Mit einein Eiser helieibst Du die Kunst, als ob Du für G-ld malen müßtest. Laß ab für heute; ich hole Dir selvst einen klei nen Imbiß." Sie trippelte davon. „So bald schon !" rief Sarah schmerz lich auS. „Werde ich'S erlragen können 5 Er wird mit seinem Glück prahlen, mit Entzücken von seiner Frau redend O, ich kenne ihn. War er doch immer voll über schwängliche» Rühmens von Allem, was ibn anging, sein Ich das unerschöpfliche Thema seiner Lobgesänge. Und jetzt erst! Schon um seine Dankbarkeit gegen mich zu zeigen, wird er in allen Tonarten Preisen, was ich ihm verschafft habe. An» hellsten, am nachdrücklichsten sein Weib. Und dem soll 'ch zuhören, soll mich stel len, als ob sein Jubel in meiner Brust ein Echo sande. 'Nein: das ist zuviel verlangt; diese O.ual brauche ich nicht auf mich zu nehmen. Arno soll mich hier nicht sinden; ihm und seiner Mutter lasse ich das Feld. Später —er wiid jawie deikommen nie » thörichtes Herz muß doch endlich überwinden.—" AIS indessen Arno's Telegramm ein traf : „Margen früh bin ich bei euch," da hatte Sarah das Schloß »och nicht verlasse». Und auch jetzt vermochte sie nicht, sich zur eiligen Flucht zu entschlie ßen. Eine» großen, heroischen Ent schluß fassen, wenn es das Wobl Anderer aalt, das konnte sie; da schwiege» alle k einlichen Bedenke» in ihrer Brust. Hantelle es sich aber darum, einen eige- nen Wunsch zu befriedigen, dann war sie zaghaft, dann fchrack fie davor zu rück, einen auffallenden Schritt zu thun. Sie blieb. Mit Beben sah sie dem Wiedersehen entgegen; in der Nacht über legte sie noch, wie fie dasselbe möglichst lange hinausschieben könnt«. Si« wollt« sich bei Arno's Ankunft zurückhalten, Mutter und Sohn Gelegenheit zur ver traulichen Aussprache geben. Man . würd« sie vergessen, redei« sie sich vor; bis Mittag würde sie Zeit gewinnen. Dann nun, «, Gottes Manien dann mußte sie als Wirthin, den Gast empfangen. Doch kam es ganz anders. Noch vo> Frau Wie ener war Sarah auf und er klomm den Schloßthurm, um nach Arno stroße. we ches von dort aus sichtbar war. Viel zu früh mühte sie sich: nicht einmal mit Wolkenpfercen, die d.r Sturmwind peitscht, hätte der Reisende schon zu der Waldblöße gelangt sein können, geschweige den» mit den langsamen Trabern, die sie ihm zum Bahnhofe ge sandt hatte. Sie wußte es; dennoch wandte sie kein Auge von der Stelle, wo er erscheinen mußte. Und als endlich die Kalesche auS dem Dunkel des Waldes bervorkroch und sich schneckengleich auj dem hellen Streifen der Landstraße wei terbewegte, da flog sie die Wendeltreppe binab in den Saal: „Tante! Tante! Er kommt!" „Wie erhitzt Du aussiehst, Kind!" lies Frau Wiedener. „Deine Wangen glühen. Wenn Du diese Farbe Dir nur erhallen könntest ! So hübsch kenn' ich Dich gar nicht. —Du warst Wohl auf dem Thurm und hast Dir zum ruhigen Niedersteigen die Zeit nicht gegönnt. Sieh nur, wie Du außer Athem bist !" Sarah preßte die Hand auf das Herz. „Es ist Sturm darin, Tante," sagte sie. „Gekommen ist er gegen meinen Willen, und beschwören kann ich ihn auch nicht. Verrathe mich nur nicht, Tante, ich bitti Dich'." „Aber, mein liebes Kind denkst Du noch immer an die alten Geschichten! Nein, ich werde nichts verrathen, natür lich nicht. Wenn Du nur nicht selbst in Deiner Aufregung zu weit gehst."' „Sei unbesorgt, Tante," entgegnet« Sarah. „Und wenn ich Arno entgegen käme wie eine Braut in Allem, was mich betrifft, ist er vollständig blind. Darauf rechne ich." Sie sagte dies ohne Bitterkeit; eher schien sie eine gewisse Ruhe aus diese» Ueberzeugung zu schöpfen. Doch fiel die Begrüßung, die Arno ihr zu Theil werden ließ, so auS, daß der eingelullte Sturm in ihrem Innern auf's Neue losbrach. Arno, in der Einsam» keit der letzten Fahrt die veränderten Ver hältnisse feit jenem Abschiede im Hasen orte erwägend, wurde von einem leb haften Gefühle der Dankbarkeit gegen seine Wohlthäterin erfüllt. Zum ersten Male eigentlich kam ihm die Größe des von ihr gebrachten Opfers zum Bewußt sein. In Kalkutta hatte er sich in feine Lüge von der Erbschaft so sehr verstrickt, war er so sehr von dem Taumel des Be sitzes ergriffen, daß ihm die Bedeutung der Thatsache verschleiert blieb. Jetzt, in der Vorempsindung von Sarah's Nähe e schien ihm ihre That endlich in vollem Lichte. Und so mächtig wirkte die neue Erkenntniß auf ihn ein, daß er, als der Wagen ander Freitreppe des Schlosses hielt, zuerst auf Sarah zueilte und sie mit Wärme in die Anne schloß. „Du mußt die Erste sein, die ich be grüße!" rief er aus. „Die Mutter mag mir's verzeihen ; ich kann nicht anders." Und er küßte sie auf den Mund. „Du mußt mir's erlauben; das volle Herz will sein Recht haben. Lange genug hab' ich'S mit mir umhergetragen ; durch die Feder kannte ich'S nicht entleeren. Nun bin ich da und kann Dir's sagen Auge in Auge, wie sehr Deine unver diente Güte mich beglückt hat." „Deine Mutter wartet," erinnerte Sa rah gluthübergossen. Geduldig harrte Frau Wiedener, den heimgekehrten wohn entzückt betrachtend. „An mich wird die Reihe schon kommen," zärtlich begrüßt hatte : „Du hast Dich doch mehr verändert, als ich dachte. Die frische Jugend, die Dir so gut stand, ist oo» Dir gewichen. Ich muß mich erst wieder an Dich gewöhnen." Arno lächelte. „Dazu wird eine Vier lelslunde genügen, Mutter." Er wandte sich um und ließ den Blick über die weite Landschaft schweifen, die mit den Ber zen Steiermarks am Horizont abschloß. „Himmel, wie wohnt ihr schön!" rief er auS. Der Onkel Oberst, diese aber von ihm weiß, hat mich mit großer Verehrung für ihn erfüllt, und in feinem Beifte zu walten ist die Aufgabe, die ich nir gesetzt habe." »Mit Staunen seh' ick Dich an, Bäs iken," sagte Arno. „Ist mir's doch, aIZ wärest Du eine Andere geworden." „Schwerlich," versetzt« Sarah. „Nur Deine Augen haben sich gebessert." „Was sagst Du, Mutter? Ist sie nicht wie eins Planne, die in den richtige» Loden gekommen ist? Ist sie richt lieb lich anzusehen vor allem Volk ?" „Aber Arno !" versetzte Sarah ab. „Arno lachte. „Du mußt mir schon gestatten, daß ich zuweilen wieder in den allen Ton falle. Denn jetzt, da ich bei euch bin, kommt es über mich, als ob die letzten sechs Jahre nur ein Traun, ge- Uesen wären, worin ich eine mir sremee Rolle gespielt habe. Sonderbar! Kann man in diesem L. den verschiedene Existen zen führen! Mich in diesem Augenblicke im Geist nach Indien zu versetzen, fallt mir schwer. Und doch: als ich dort war, wie ganz und gar lebte ich in meinet Ueberzeugung." „U»d Olympia?" erinnerte Frau W e'ener befremdet. „Ach so meine Frau I Später von ihr und allem Uebrizen, was draußen ai m r haste». J tzteizähltmirvo» euch, damir ich auf's Neue mit euch vertraut 'verde l" 10. Wenn nah verwandte Mensche» nach langer Trennung wieder beisammen sind, dann befinden sie sich in den «rste» Ta ge» in einem Zustande innerer Erregung, der ein verschönerndes Licht über sie aus, gießt. Sie fühlen wann und denken be« schwingt, und sehen und höien vonein ander nur Gutes und Liebenswürdiges. Allmihlig sinkt d»S Thermomtter auj ven normalen Punrt, uns vre ?«rico>e> denheit der Individualität«» tritt Wiedel h«rvor. „Fragt mich nicht, 'wie lang« ich bleibe," hatte Arno gleich nach seiner Ankunft gebeten. „Ich möchte ein« Zeitlang vergessen, daß Tag und Stundl mir etwas bedeuten. Ich habe mein« Anordnungen so getroffen, daßmich hiei nichts beunruhigen kann; Briese un> Telegramme gehen nach Wien und war, ten dort auf mich. Viereggen soll mein, Welt sein, außerhalb deren es nichts süi mich gibt. Das Bedürfniß ist über Mich gekommen, schon als ich in Engleuu landete." Und Arno's Wunsche g«wäß wurden auch kein« Besuche in der Umgegend od« weitere Ausflüge geplant, wie man solch« gewöhnlich für einen Gast zu veranstal ten pfligt, um ihm Abivechslung zu schaf fen. Nur ein Reitpferd, das Sarah fui ihn hatte einstellen lassen, benutzte er fleißig, meist indessen früh morgens, eh« die Frauen aufgestanden waren. Ueber Indien z«igt« sich Arno weil weniger mitteilsam, als Frau Wiedener wünschte. Sie hatte sich unter Olympia «in außerordentliches Wesen vorgestellt und war darauf vorbereitet, ihren Sohn von ihr nur mit leuchtender Begeisterung sprechen zu hören. Nichts der Art er folgte : vielmehr fand Arno sich mit dn von ihm erforderten Beschreibung vo» Olhmpia's Tugenden und Vorzügen ziem lich rasch ab. „Sie ist eben «ine Lady vom Wirbel bis zu? Zehe, weder mehr oder weniger," erklärteer. „Sie würde Dir MorgenZ die eine Wange zum Kusse darreichen, Mutter, und Abends die ander«, und d> bei würdest Du die Empfindung haben daß Dir eine hohe Ehre widerführ«. Frau Wiedener aber bliebst Du für sie. O, si« ist schön, sogar sehr schön; und auch so tlufl, daß ich zuweilen das unangenehm« Gefühl hab«, sie übersieht mich. Du kannst stolz sein auf Dein« Schwieger tochter." Deutlicher sprach er sich einmal gegen Sarah aus, als er allein mit ihr Abends im Park lustwandelte. „Lebhaft stlht mir heute mein tropi> sches Heim vor Augen," sagte «r. „Und fast schäm« ich mich, es zu gestehen : es hat nichts Verlockendes für mich. Dir kann ich'S sagen, Sarah; die Mutter würde aus allen ihren Himmeln fallen, wenn sie nicht mehr glauben dürste, ich sei in jeder Hinsicht eine bevorzugt« Kr«a> tur." „Du hast mit den Aug«» geliebt und nicht mit dem Herzen," erwiedert« Sarah sli.G.. „Und nun fühlt daS Herz sich be trogen." „So ist «S Väschen Vernünftig; ich Wichte, Du würdest mich versteh ». Als wir noch Kinder waren vielleicht erin nerst Du Dich auch noch daran be filchten wir einmal mit meiner Mutter ein fürstliches Refidcnzschloß. Ich war außer mir über die Pracht der Räume, dergleichen hatteich noch nie gesehen. Dort wohnen zu köniren, welche Seligkeit! rief ich begeistert aus. Da «nviedertesl Du: Kalter Prunk macht nicht satt.' Wie Recht hattest Du doch! Seitdem hab ich'S erfahren." „Armer Vetter!" „Du warntest mich, ehe ich in See ging. Was Du nreintest, wußte ich nicht. Kaum war ich in Kalkutta warm geworden, als ich mich beeilte, mir den Maßstab anzueignen, der in ineinen Krei sen bei Schätzung der irdischen Werthe galt. Hätte mir Jemand gesagt, ich würde dadurch in ein« Wüste gerathen wahrhaftig, ich hätte ihn für verrückt ge halten. Aufgedämmert ist mir die wirk liche Sachlage erst, al» einige hundert Meilen Wasser zwischen mir und Kal kutta lagen, und ganz klar ist sie mir dann hier geworden, während ich Dich ansah und Dir die Gedanken von der Stirn ablas." „Solchen Einfluß übte ich auf Dich aus?" „Merkwürdig genug ist's. In frühe ren Zeiten spottete ich über D«ine Lebens auffassung. Da war ich stets der Klügere nach meiner Meinung. Ich sah die Welt als den richtigen Tummelplatz für Leute mit hellen Köpfen und kräftigen Armen an. Da gab es reiche Leute, und ich schien mir wie geschaffen dafür, «in.» Theil an mich zu bringen. Ich wollte euch Idealisten zeigen, daß in eurem Äieich mchi 'U boten ist, in dem meiin (Fortsetzung folgt.) Einer voquett«. Du coquettirst! Daraus will man genau DaS Zeugniß, daß du ungetreu bist, lesen. Wie Unrecht thut man dir! Oh, schöne Frau, Wie oft bist du schon treu gewesen! Alb. Röder ich. V orailssicht. Leeb Hersch aus Tarnopol hat in Geschäften in Wien zu thun. Aus der Straße erregt er durch seinen Kastan und seine Haar locken die Spottlnst eines ungezogenen Lehrjungen, der ihm aus Schritt und Trllt folgt, ihm eine Nase dreht, ihn an dem Kastan zupft und verhöhnt. Da nimmt Leeb Hersch ein tleines Silber stück auS der Tasche, wendet sich plötzlich un und sagt: „Da iiemm!" D.r Gassenjunge ahnt eine Kriegslist und wringt mißtrauisch einige Schritte zu auf einen Stein, sagt nochmals: „Da — iieinni!" und geht Weiler. Der Gassen junge nimmt endlich kopfschüttelnd das Geld und länst eiligst davon. Ta fragt ein Vorübergehender den Leeb Hersch: „Was treiben Sie? Der Innge hat Sie verspottet, und Sie beschenken ihn da für?" „Lieber Herr, ich waaß, was ich thu'", sagt Leeb Hersch, „das Schegetzl (der Jüngling» werd jetzt mancn, a' Jeder, dem er a' lange Nas' macht, gebt ihm a' Woberl (Zehnkren zerstück). Nu werd er machen as alle Lcnt' a' lauge Nas', »nd Auer werd ihm doch geben e' Ohrfeig'!" Der Satz: „Erst der Staat und dann die Familie" kann nicht von Ari stoteles sein; den muß eine moderne Frau ersonnen haben. 3 lverlpreche» auf »er RSHne. «on «,»«,» «1». Welch heilsame Einrichtung ans deut schmßülmen ist doch die devSouffleurs? WaS würde aus den Schauspielern wer den, wenn nicht ein männliches oder weibliches Individuum im Kasten unten ihnen jedes Wcwt zuflüsterte zumal wenn der unglückliche Mime nicht gut memorirt hat oder an Gedächtniß schwäche leidet! Geschweige denn bei den beklagenswerlhen Ansängern, welche am laboriren und sich un sterblich blamiren würden, wenn der Sousfleur oder die Souffleuse ihnen nicht die rettende Hand böte! Für den Bühnenkünstler dient nicht das Wort deS Dichters: „Unser Segen kommt von oben", nein sür ihn kommt der Se gen von unten; und wenn man sieht, wie ängstlich mancher Schauspieler mit der Redemaschine da unten liebäugelt, er saßt Einen manchmal der Menschheit ganzer Jammer. Aber auch trefflich memorirende und über ein gutes Gedächtniß verfügend« Schauspieler und Schauspielerinnen ver sprechen sich zuweilen auf der Bühne, und so kommen manchmal die tollsten Verwechselungen vor. Solche Versprechen könnte man mit dem Druckfehler vergleichen, die bei aller Vorsicht deS Setzers und Correc tors wiederkehre» uud heillose Verwir rung anrichten. Mögen hier einige solcher Versprechen als Kuriosa mitgetheilt werden: Ein angehender Schauspieler, der bis her nur stumme Rollen gespielt hatte, machte in einer Vorstellung der „Räu ber" den Ratzmann. Bei der Stelle, wo er zu Moor sagen sollte: „Komm, wir wollen u»S in die böhmischen Wäl der niederlassen und dort eine Räuber bande errichten," snhr ihn Moor hart an mit den Worten: „Kerl, welche» blies Dir das Wort ein?" u. s. w.; de, Schauspieler, ganz erschrocken, deutet« aus den Souffleur: „Der da unten I" Eine Schauspielerin hatte in ihre, Rolle zu sagen: „Gott im Himmel, gid mir Lirast zum Tragen!" In ihrem Pathos und seierlichen Ausdruck ver sprach sie sich aber und sagte: „Gott im Himmel, gib mir Tafft m Kragen!" Eine angehende Schausmelerili blieb stecken; wüthend darüber rief der Di rector aus den Coulissen: „Extempo riren Sie einige Worte und gehen Si« ab!" Mit einem Knix wandte sich di« Gans an das Publikum und rief: „Ich extemporire einige Worte und gehe ab." Ein englischer Schauspieler Namens Bland, der eS nicht weiter gebracht hatte als zun, Ueberbringer kurzer Mel dungen, stieß gleichwohl auch hiermit in neuen Stücke» sehr oft an. Einst hat« er die Worte zn sagen: „Mein Lord, der Gras Bellini ist entflohen." Statt dessen rief er, aus die Bühne stürzend: „Mein Lord, der Gras Bellini ist ge fangen worden." „Nicht doch!" rief der Souffleur. „Nicht doch!" fügte Bland hinzu, „er ist enthauptet worden!" „Entflohen, entflohen!" rief der Sousfleur. „Und so ist er entflohen!" schloß Bland seine Meldung. Man muß eS freilich manchen Künst lern zum Ruhme anrechnen, daß sie so ziele Geistesgegenwart besitze», daß sie ost durch einen glücklichen Einfall oder eii e glückliche Improvisation manches Ttuck vom Untergang retten. Es wer den in dieser Beziehung die drolligsten Anekdoten erzählt, von denen ich nur die nachstehende mittheilen möchte: Das italienische Theater in Paris, a» welchem einst der Schauspieler Carlin engagirt war, saud man bei einem An laß von Zuschauern fast gänzlich leer. Im Verlauf der Vorstellung hat Co lombine dem Harlekin, dessen Roll« Carlin darstellte, etwas in's Ohr zu flüstern. Carlin sagte aber: „Sprich laut. Colombine, eS hört uns ja doch Nie mand." Ein Schauspieler wurde einst auf de, Bühne in einem Stück von seinem Cot legen, der zugleich sein Direktor war, gefragt, welche Rolle ihm die liebste sei: „Die Geldrolle!" antwortete ohne Zü gern der Gefragte. Als sich ein schlechter Schauspiele, als „Hugo" in MüllnerS „Schuld" ver sprach, schrie daS Publikum: „Bravol ll» <!» po!" Er sprang auf, machte fei» Compliment und brachte sich noch einmal um. Im Karltheater zu Wien wurde di, Posse „Judith und Holosernes" gege den. Während der Vorstellung lies ein kleiner Hund, der sich hinter di« Coulisse» geschlichen, auf die Seen« uud stellte sich gerade vor Holosernes hin, indem er mit dem Schwänze we delte. Nestroy, der diese Rolle gab, bemerkt, kaum de» ungeladenen .Gast, als e, schon rief: „Was will dieser Assyre, hier!" Das Publikum brach in ein Gelächte» aus, und der junge Assyrer entfloh mit gesenktem Schwänze. Zu Heilbronn wurde von einer wandernden Gesellschast Bados Trauer spiel: „Otto von Wttelsbach" verar beitet. Der Held des Stückes lag be reits verblichen da, als ihm ein herz liches Niesen ankam. Rasch sprach der Todre: „Wer will Dir in der Hölle danken!" So entsteht manchmal ein Schauspiel im Schauspiel und ein guter oder lächer licher Einfall ist bald das Glück, bald Der Gegenbeweis. Sie scheinen Ihre Augen durch zu vie les Lesen verdorben zu haben. Pa tient: Unmöglich, bin Student! Erklärte Länge. Advoeat (bei Aufführung einer Premiere): „Ich begreise nicht, wie das Stück sich durch fünf Akte hinziehen kann!" Autor: „Beruhigen Sie fich, im zweiten Akt bekommt mein Held einen Proeeß!"
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