Valesca. (7. Fortsetzung. Auch Fräulein Selma Verena ist ver lobt seit gestern. Wir waren dabei, Fräulein Verenas Violine mit Kasten zn versteigern, aIS Sie eintraten, ergänzte der Rittmeister Laeour. Verlobt mit —? « Nicht mit dem Prozessor Deitlinger; er hat bei dem letzten Eoncert der Miß Selma sechs Achtel mit dem Taktstock angezeigt, wo er drei Viertel schlagen sollte. Diese Taktlosigkeit ist ihm ver derblich geworden. Sie scherzen, Herr Rittmeister, sprach Selma, die stets sehr langsam redete und jedes Wort dehnte; ich bin verspro chen mit dem sehr reichen Polizei Assessor Herrn Alfred von Hüter —er wird näch slens Regiernngsrath. Gratulire, sagte Wolf, doch welch' ein Verlust für die Kunst. Sie Spötter! Ich wollte, ich könnte wie meine Geige, die Herr Lacour er standen hat, anch mein Repertoire ver kaufen, sprach Selma ernsthaft. Sechs Salonstücke und ein Concert von Beriot. BrahmS habe ich nie in die Fingis be kommen können. Sechs Saloiistücke, welcher Reichthum! sagte ein junger Husarenosficier ich blase die Trompete und kann nicht ein Stück tadellos vortragen. Sie sind anch kein Künstler, warf ihm Selma in ihrer langsamen und feier lichen Sprechweise vor. Sie irren sich, Fräulein Verena, mcinte der als boshaft bekannte Pro fessor von Lerbach, ich habe immer nur fünf gehört. Genug des Scherzes, warf Fräulein d'lsraeli ein; was Sie nur gehört ha ben, Herr Professor, entscheidet freilich nicht. Doch, das entscheidet, nickte Selma, wenn der Herr Professor in dem „Echo" es behauptet; er ist ja der größte Mu sikreccuscut. Laß also sehen: die Me lancholie von Kummer, Nummer eins. Sie zählte an den Fingern weiter: l/»ilivi> von OSborne, Nummer zwei— Von Fesca, reimte und spottete der Professor. Neiu von Ganz so steht es immer auf den Zetteln. Gans, ganz gewiß Gans! verbesserte sich der Professor. Nummer drei, fuhr Pelina nncrschüt Nummer vier. Halt! rief der Professor, das wird zu trübselig, das ist die zweite, nnd die erste war schon nicht schlecht von Kummer. Ich wechsle mit beide» ab, betheuerte ich beide a» einem Abende gespielt. Serenade von Littolf, Nummer fünf; Elegie von Ernst, da haben Sie die sechs. Vortrefflich, scherzte der Professor zuletzt nach dem Knmmcr kommt der .Ernst, erst die Elegie des Brantstandes, da? Ständchen der Ehefrau. Und diese vielen Noten haben Sie sämmtlich in Jl)rem Köpfchen? Ich übte jede» Tag sechs Stunden das wird nun aufhören, ich bin fortan Herrin nieiuer Zeit so sagt mein Ve:- lobter nicht mehr Sklave des Publi kums. dann i.n Begriff, aufzubrechen, als Wolfs Diener Friedrich einlrat und mit seinem Herr» einige leise Worte wech selte, worauf Wolf sich verabschiedete und ins Freie trat. CS ist mir lieb, daß die Kimsterlauf bahu der Verena so glücklich endet, Wo>f, mit dem sie gleichzeitig die Ge fellschait verlassen hatte. Sie ist für ein Wunderliud zu alt geworden und gar zu viel. Classische Naturen, mein gnädigstes Fiäulciu, eatgeguete Wolf mit dem Aus ihre ihm dargereichte Hand, bleiben stets jung. Das Geheimniß, stets glück lich zu teben! wir müssen diesen Ju- Es war. als wenn ein leiser Seufzer über die Lippen der d'lsraeli schlüpfen tvoüie. Sic'ächellc wehmüthig, grüßte, und schieden von einander. In der Waldemarstraße in der neuen Buch und Kunfthandlung von Geinken Stuude laug aus ihr Akdcrhcrvortreteii gewartei. Lehr entlegen. Indeß —ich bui doch neugierig, die ncnc Kunsthand lung uuwcir des MariauuenplatzeS keu neu zu lerne». Vierzehntes Capit e l. Doctor Richard Reiulaud fand, nach war, kaum die nöthige Zeit zum Essen und zum Schlafen. Seine früher be scheidene Wohnung mußte er mit einem hochsein eingerichteten Logis in der Behrcnstraße vertauschen. Diese Woh nung hatte Vorzimmer, Confcrenzzim mer, Arbeitszimmer und einen Salon, alles in prächtigster Ausstattung. In dem ersten Wartezimmer saß ein gallo nirler Bedienter, der bei den Ausfahr ten des Doctors mit gekreuzten Armen den Sitz neben dem Kntschcr auf dem Bock einnahm. (!in junger Assistenz arzt, kanm dem Staatsexamen entron nen, mußte iu de?» zweiten Zimmer die suchenden in Reih und Glied ord nn!, die weniger Vornehmen selbst ab artigen. Für sei» Studium blieb Nein- Land nnr die Zwischenzeit zwischen den Sladlbesuchen von zehn Uhr früh bis Nachmittags eiu Uhr im Wagen übrig. Er saß im Fvnds und war im Lesen ver tieft. Anch Nachts wurde das elektri sche Geläut häufig iu Bewegung gesetzt, um den Rath des Wuuderuiannes zu er fragen oder ihn selbst au das Kranken bett abzurufen. Unter diesen Umständen war die Zeit, welche Reinland seiner Braut widme» konnte, sehr knapp bemessen. Er mußte dieselbe sich abstehle» uud kam oft tage lang nicht in die Wohnnng der Gelieb ten. Weuu er kam, war fein Besuch nur ein flüchtiger. Man sah eS ihm an, daß er ermüdet war. Sei» Miß fallen über die dürftige» Räume, iu welche» Müller nnd Tochter sich <znf bicllcn, durch den Gegensatz der eigene» luxuriöse» Umgebung wachgcruscn, trat unverhohlen zutage. ES muß sein, tadelte er, ihr müßt die Wohnung wech seln. Ich will mein möglichstes thun, daß eine bessere Ausstattung die neue Wohnung schmückt. Valesca entgegnete, daß die jetzige Wohnung ihre» Verhältnisseil vollkoui nien entspreche. Nach der Verhei rathnng werde freilich die glänzend ein gerichtete Wohnung ihres Verlobten sie aufnehmen. ES werde nicht leicht fein, sich in die veränderten Umgebungen zn finden. Reinland brachte Stoffe zn modefar benen seidenen Kleidern. Ich wünsche, sagte er, daß ihr, die Mnttcr nnd dn, Tone vorgebracht wurde und Fran Ge heimräthin sich hocherfreut über die kostbaren Gefchenke zeigte, so senkte doch Valesca, als sie wieder allein über ihrer Stickerei saß, wehmüthig das Köpfchen. Sie war in ihrer Kleidung allerdings nicht mit der strengen Mode fortge schritten, aber sie war sich bewnßt, allen auch nach außen hin gerecht geworden zu sein. Nett uud sauber, nur nicht cinffallend modern, war ihre Tracht. Ich glaubte, daß cr nur mich lieb haben werde, dachte sie; sein Geschenk ist ein stummer Vorwurf. Niemand hat sich incincr zu schäme»! setzte sie laut zu sich selbst sprechend hinzu. Sie ließ den ihr geschenkten Seidenrips nnbcar beitet liegen. Wolf von Bern hatte den Doctor Reinland gefragt, welche Veranlassung seine Gelievte iu die Kunsthandlung in der Waldemarstraß: zu führen pflege uud ob sie mit dem Besitzer derselben, Herrn Gemkenthal, in irgendwelcher Be ziehung stehe? Dies brachte Reinland a>u die Annahme, daß Valesca häufiger, als sich zieme, den Oheim aufsuche. Der Verkehr mit demfelben war ihm ver drießlich. Unler dem Eindruck dieser Übeln Stimmung erschien Richard Rein land nach wochenlanger Abwesenheit ei nes Abends in der Wohnung der Fran Geheimräthin. Er täudelte eine Zeit lang mit ValeZca, küßte ihre feine Hand, küßte ihr köstliches Haar uud fetzte sich dann an das Clavier, anf wel chem cr einige Accorde anschlug. Pfui, wie verstimmt! Es gleicht dir in der letzten Zeit, er widerte Valesca lächelnd. Das nahm Reinland übel. D» nennst mich verstimmt und lcahtest nicht, daß ich wie ein gehetztes Wild bin. Ich habe nur Elend und Jammer um mich nichts Erfreuliches. Du soll test, statt mir Vorwürfe zu machen, dich bemühen, mich zu erheitern. ValeSca zuckte zusammen. Einem so offenen nnd im Tone wenig erfreulicheu Vorwurfe Rciiilauds war sie uoch nie mals begegnet. Sie gab sich Mühe, jede Empfindlichkeit zu unterdrücken, heiter zu fein und die üble Laune ihres Verlobten durch liebevolles Geplauder zu zerstreue». Auch die Frau Ludoviea that ihr möglichstes, um den künftigen Sohn auf freundlichere Gedanken zu bringen. Sie rühmte seine Thätigkeit, sie meinte, er müsse sich glücklich schätzen, soviel Zuspruch zu haben, soviel Ehre zu ernten und besonders soviel Geld zu verdienen. Geld, liebe Mutter, versetzte Richard noch mißgelaunter in meinen Büchern steht dergleichen viel. Ich bedarf dessen auch in größerer Menge als andere. Die äußere Rspräsentation verlangt manche kostspielige Auswendung, und da vieles zunächst nur aus dem Papiere steht, so muß ich nicht selten bei meinem Banquier auch Vorschuß entnehmen. Ehre? Ja, fürwahr, es ist ein schlim mes Ding, ein öffentlicher Character zu sein. Das bin ich seit Kurzem in der Residenz und muß Bedacht darauf neh men, daß man jeden meiner Schritte, meine Worte, meine Neigungen ans spionirt. Es ist ein Jammer mit diesen Berühmtheiten ich kaun sie nicht lei den, ValeSea wird dies besser verstehen. Auch sie ist eiu öffentlicher Character, was mir zu meinem Leidwesen täglick immer mehr zu Gemüth geführt wird. Valesca wurde heiß und roth. Seit jener Geschichte mit dem Kauf mann LazarSki, fuhr Richard, dies nicht bemerkend, fort, ist die blonde Vally in alle» Schanläden ausgehängt. Du chat test dich nicht so erniedrigen sollen, nm gegen Lohn zu nähen. Der Proceß des Leihbibliothekars aber setzt der Sache die Krone ans. Er erklärt enrc häufi gen Abwesenheiten. Wie ost, wen» ich nach Valesca fragte, hieß es, sie ist bei dem Rechtsanwalt oder bei Gericht. Wie man ersährt, soll ja der Entschei duugStermin in aller Kürze anstehen. Schön! man würde die arme Vally sonst vergessen. Ich bin erst nnlängst von einem Frcnnde in empfindlicher Weise daraus ausmerksam gemacht wor den. Der in den höchsten Kreisen eilige führte Arzt Reinland und die blonde Vally. - Bei den letzten Worten versuchte Ri chard scherzhast zn lachen. Valesca zerdrückte eine Thräne im Auge. Sie nannten mich eine Berühmtheit. wendete Reinland nach einer W.'ile Pein' licle.i Schweigens sich an die Fran Ge heiinräthin. Daß Vally unter die be rühmten Lente gekommen ist, wäre besser vermieden worden. Der Dr. Gemken thal min, sür sein Verlagsgeschäft mag der Proceß, der sich so lange hin schleppt, recht profitabel sein, die Firma Gemkenthal ist aus ihrem Dunkel her vorgetreten. Vielleicht war dies das Leitmotiv deS ganzen Handels. Herr Gemkenthal ist ein unternehmender Mann, Herr Lazarsli abcr mein wohl habendster Kunde, dessen Empfehlung mir von großem Nutzen war. Kenikciithal war dem Doctor Rein land, der die große Anhänglichkeit Va leseaS zn ihrem Oheim bei verschiede ncn Gelegenheiten in Erfahrung ge bracht hatte, immer mehr verhaßt gewor den. Er schien eifersüchtig ans Gew keuthal zu sei». Diese Anhänglichfeit konnte anch jetzt bei dem erhobenen spöttischen Vorwnrs Balesca nicht verleugnen. Ihre Rothe war gewichen, ihre Thräne getrocknet. O, du kennst den Onkel Gemkenthal nicht—wie lieb und aufopfernd derselbe ist. WaS wäre aus uns nach des Va ters Tod geworden, hätte Gemkenthal nicht gesorgt! Er hat ein gefühlvolles, ei» milde? uud gütiges Herz und iu meiuer Gegenwart darf Niemand dn nicht ausgenommen—einen Tadel gegen ihn erheben. Glücklicher Oheim, für den die Nichte in so heiligen Eifer gerathen mag, sagte Richard einlenkend und zu einer gleich mäßigen Stiniinilng ziirückzilkehre» be muht. Doch, es ist schon fpät. Ich habe »och mehrere Krankenbesuche zu machen. Gute Nacht, meiu liebes, mein streitbares und tapferes Bräutchen. Er küßte sie, reichte Ludoviea die Hand und Als kl d Te p bs in konnte, nahm Frau Ludvvica daSWort, um anSziifllhrcu, daß Valesca ihren Verlobten nicht zärtlich genug behandle. Er sei so gnt und ausmerksam gegen sie, sie habe sür alle seine Geschenke, Haupt sächlich für das nene seidene Kleid, noch nicht einmal ein Wort des Dankes ge änßert. Balesca schwieg zu diesen Vortvür sc». WaS die Mutter nicht fand ihr war klar, daß ReinlandS Benehmen in der letzten Zeit ei»e Aenderung er fahren hatte. Er drang nicht mehr wie früher mit voller Hast auf baldige Voll ziehung des EhebnndeS nnd ließ die Einrede BaleScaS, daß noch viel sür die alles, was erforderlich fei, könne nöthi gensalls in einem Tage beschafft wer den, er werde sorgen, daß es an nichts fehle. Indessen Balesca glaubte zu bemerken, daß Richard, dessen Verhält nisse so plötzlich sich glänzend entwickelt hatten, auch an manchen Sorgen krankte. Er war zerstreut, oft nachdenklich, las heimlich in Briefschaften, welche er jclbst vollständigen Sinn bei der ersten Durch lesuug zu ersassen oder darauf zn mit Worten ans feinem Portefeuille zog uud dann hastig wieder verbarg. Jetzt stürmisch nnd zärtlich, beachtete er in der nächsten Minute VäleseaS Gegenwart kaum und war wie abwesend. Diese Zerstreutheit des Doctors Rein land beschäftigte die Gedanken ValeS cas. Sie brachte dieselben mit dem Ge gensatz in Verbindung, den Reinland zwischen sich selbst uud Gemkenthal her vorgehoben hatte. Welche Gehässigkeit lag in der Behauptung, daß der Proceß gegen Lazarski geführt werde, nm der Firma der Verlagsbuchhandlung als Neclame zu dieueu uud wie verhielt sich dazu der Hinweis ReinlandS aus seine eigene geschäftliche Stellung zu La zarski. Schon in Altenau hatte Rein land durchblicken lassen, daß mit Rück ficht auf feine ärztliche Praxis die Noth wendigkeit von ihm erkannt sei, eine Ehe einzugehen; er hatte zu seiner Stütze und zn seiner Pflege einer HanSfran be fchih in derselben geschäftlichen Rücksicht. Während Gemkenthal ritterlich sür die Ehre des getränkten Mädchens socht, zog Reinland von demjenigen, der die Ehre ValeseaS getränkt hatte, sich nicht nur nicht zurück nein, er besorgte, daß Lazarsti, wenn derselbe sein Verhält niß zu Valesca erführe, Veranlassnng nehmen möchte, feinen Hausarzt zu ent lassen. Der erkältenden Einwirkung dieser Betrachtungen vermochte Vatesea sich nicht ganz zu entziehen. Weil Fran Lndoviea für diese Anf sassilng von Verhalten Reinlands kein Verständniß hatte und weil es de:» jungen Mädchen Bedürfniß war, ihre Sorgen einem fremde», mitfühlende» Herzen anpiverlranen And bewährten Rath einzuholen, befchloß Valesca. den Oheim in der Waldemarstraße auszn suchen. Sie fand ihn lebhaft angeregt nnd i» voller Thätigkeit. Das geschäftliche Treiben in dem Berufe, welchem sich Toetor Gemkeuthal aufs neue mit Eifer hingegeben hatte, war von wohlthätiger Einwirkiiug gewesen. Ich würde bei der Stille und Muße in Groß Beeren eingeschlafen fein, äußerte er, als La leSea ihn wegen feiner lebhaften Thätig keit beglückivünfchte, mau muß nicht zn früh an allem Glück verzweifeln nnd zu früh der Welt entsagen. Die Kräfte, die man nicht erprobt, versiegen. Ich hatte mein Können zn sehr unterschätzt. Damit beging ich ein Unrecht gegen mich und —gegen euch! Gemkenthal inmitten seiner geschäftlichen Unruhe jnst heute nicht in der Lage war, auf diese Angelegenheiten einzn gehen. Er beklagte sich, daß nothwen dige Reifen, die er nach Leipzig, Stutt gart— vielleicht noch weiter (er senfzte hierbei) zu nnternebmen habe, ihn aus geraume Zeit von der Hsuptstabt fernhalien.würden. Das find nicht ?>tei eZ die wären eine schöne goldene Zeit! Ballen von Drucksachen lagen um ihn her. Auf feinem Pulte bemerkte Va lesca zahlreiche Papiere, Briefe, die ge siegelt wurdeu, Schreiben, die eiuer Ant wort harren. Ein Manuscript von hv her Hand! erklärte Gemkenthal, ein Packet vorzeigend, sich, diese festen, krau sen Züge, von denen ein einziger gc: ü >t, das Loos vieler tausend Menschen zu bestimmen. Während Valesca in der Handschrift blätterte, besprach Genikeu thal mit zwei jungen Leute», die ihn in der Correspondenz unterstützten, den mit einer auswärtigen Druckerei abzuschlie ßenden Vertrag. Die tadelloseste Her stellung dieses Werkes ans dem besten Papier, mit neugegosscuen Typen und künstlerisch vollendeten Initialen nnd Illustrationen nahm GeinkenthalsSorge vollauf iu Aufpnich. Nachdem cr auch wegen des Einbandes, der au Einfach heit, Pracht nnd Gediegenheit alles bis her Dagewesene übertreffen sollte, die nöthigen Anweisungen behnss Einforde rnng von Probedecke» ertheilt hatte, wandte er sich wieder an Valesca: Glaubt nicht, daß ich im Drange der Ge schäfte euch vergessen habe. Ich arbeite hauptsächlich sür euch und frcne mich nur euretwillen des Aufschwungs meiner Handlnng. Denke nnr, die „Lieder des alten Mannes" sind schon in zwnter Auflage völlig vergriffen. Da, er deu tete anf einen Ballen Drucksachen, liegt die dritte, die soeben aus der Presse ge kommen ist. Fünfzehntes Capitel. Die von Reinland in übler Laune gemachte Bemerkung, die Angelegenhei teu Vallys kämen nicht zur Ruhe, fand ihre volle Bestätigung durch deu nnn mehr angesetzten Haupttermiu in der Privatklagesache wider den Großkauf mann Lazarski. Schon Wochen vorher hatten dieZeitnngen überdieEinzelheiten dieses Processes berichtet, die eine Zeit lang zurückgezogenen Bildnisse der blon de» Vally erschienen wieder in den Schaufenstern; man hoffte durch den Proceß weitere Ausschlüsse über die Verbrechen des in de» weitesten Kreisen bekannte» ehemaligen Commis Frey; der Vertreter der Anklage Perikles und s>er Vertheidiger des Angeklagten waren in der Residenz geachtete und wegen ihrer Redegabe geschätzte Persönlichkei len. Es konnte daher nicht fehlen, daß an dem bestimmten Sitznngstage die Treppen nnd Corridore des Gerichts gebändes von Leuteu aus alle» Stän den angefüllt waren, welche sich herbei drängten, nm der öffentlichen VerHand lnng beizuwohnen. Simon Lazarski selbst hatte sich nicht versagen könne», zu erscheine». Sein Arzt, der Doctor Reinland, warnte ihn zwar und wies aus die Gefahren für die Gesundheit des ohnehin kränklichen Mannes hin, welche jede Aufregung mit bringe» müsse. Allein Lazarski meinte dagegen, es stände zu viel sür ihn auf dem Spiele, es gelte seiner Ehre als Mensch und Geschäftsmann uud er müsse deshalb seinen Vertheidiger über wachen. Sehr unangenehm war für Reinland, daß Valesca Berg von dem Ankläger als Zeugin geladen war, noch verdrieß licher, daß sie als solche dem Kaufmann Lazarski, welchen Reinland vergeblich von dem Sitzungssaale fern zn halten sich bemüht hatte, entgegentreten sollte. Reiulaud beschloß, au dem TcrmiuStage die Residenz zu verlassen, um jedenfalls ein Znjammentreffen mit einer oder der andern Partei zu vermeiden oder gar einer Rückfrage seitens derselben ausge setzt zu sein. Der Rechtsanwalt Perikles hob zur Begründung der Beleidigungsklage her vor, daß sowohl die Kläger aIS/der An geklagte den besseren Ständen der Ge sellschaft angehören nnd daß deshalb die vorgekommenen Zerwürfnisse nm so be dauerlicher wären, daß aber auch insolge seiner höhere» Bildungsstufe der Ange klagte sür seine Worte und Haudluugcu verantwortlicher erscheinen müsse, al- Leute geringeren Herkommens. Er be schuldigte sodann den Herrn Lazarski, diejenigen Umstände, welche offensichtlich jeden Verdacht eine? strafbaren Verhal teils von Vally Berg von vornherein hätten ersticken müsse», überhaupt nicht in Betracht gezogen und durch die we nigstens fahrlässigcrwcise herbeigeführ ten Schritte gegen Vally Berg, deren Mutter nnd den Verlags Buchhändler Gemkenthal ihre Ehre geschädigt zu ha ben, indem er den Verdacht der Theil nahme an Diebstählen, Fälschungen und Unterschlagungen sowie den Verdacht der Personenhchlerei gegen sie angeregt und weiter verfolgt habe. Als hierauf 'dem Herrn LazarSki das Wort verstattet wurde, ergab sich, daß derselbe vor Aufregung nicht sprechen konnte. Sein Vertheidiger wandte sich an ihn und redete heimlich aus ihn ein. LazarSki machte abwehrende Handbewe guiigeu und shrach endlich, nachdem er sich wieder gesammelt hatte, indem er sich ans die Barriere stützte: Dem, was Herr Rechtsanwalt Perikles gegen mich vorgebracht hat, sollich widersprechen? Das würde »»recht sein gegen de» Herr» Perikles, de» ich als einen Mann von größter Gewissenhastigkeit kenne, und von dem ich die Ueberzeugung habe, daß er Thatsachen gegen mich nicht vorbrin gen wird, die sich nicht zugetragen haben, soweit die Wissenschaft eines ehrlichen Mannes reicht. Nein, ich kann nicht sagen, daß ich kränkende Worte über Fräulein Berg nicht ausgestoßen habe, obwohl ich nicht weiß, daß ich es ge than. Zugeben abcr muß ich, was auch iu den Acten enthalten ist, daß ich Be schuldigungen schlimmer Art erhoben habe, daß von mir der Antrag aus Ab Haltung einer Haussuchung bei der Frau Geheimräthin Berg gestellt worden ist. Für die Forschungen in Groß Beeren bin ich nicht vcranlwortlich, sie sind nur eine Fol.', des ermittelten perwandschaft tichen Ber! .iltnisfes gewesen u. s w Lazarsli hie» inne uns wachte sich die Schweißtropfen von der Stirn. Lautlose Stille herrschte im Saale einige Minuten lang. Ich sagte, begann Lazarski wieder, ,ch wüßte nicht, daß ich beleidigende Worte geäußert. Das Gericht möge glalibe», daß dies wirklich der Fall war. Ein Mann, dem ich blindlings vertrant hatte, war der seindseligste» Handlungen mir gegenüber plötzlich überführt. Nicht die Verluste', die er mir zugefügt, fchmerzte» so sehr als diese Enttäuschung. Das Hans Lazarski wäre nicht erschüt tert worden nnd wenn die Verluste fünf zigfach größer gewesen wären, vt estora, abcr die Nichtswürdigkeit des Mannes, der mir zu tausendsachem Danke ver pflichtet war, brachte mich von Sinnen Zn dieser Aufregung kam das mühselige Geschäft der Inventur, welches ersorder lich war, um meinen Verlust gewissen haft überschauen zu können. Setzen Sie sich in meine Lage und Sie werden mci ner Versicherung glauben: ich weiß nicht, daß ich kränkende Aeußerungen gethan habe! LazarSki setzte sich eine Weile; dann fnhr er leiser und mit zitternder Stimme fort. Das erste klare Licht der Besin nung fiel in incinen armen Kopf, als mir mein Buchhalter Giefe das Eassa buch vorhielt und der Augeuscheiu er gab, daß durch Fälschung ans einem Vorschuß von Mark, welchen Fräu leiu Berg empfangen, die Summe von Mark gestaltet war. Von diesem Augenblicke an hab' ich gethan, was ich thu» konnte. Ich kann durch mein Personal den Nachweis führe», daß ich auf das Polizeibnreau gesandt und dringend gebeten habe, von jedem wei ter» gegen Frau Geheimräthin Bcrg und deren Tochter geplanten Einschrei ten Abstand zu nehmen. Mehr zu thun, stand damals mcht in meiner Macht. Bei dieser Sachlage dürfte eS auf mancherlei BeweiSmaterial nicht weiter ankommen, bemerkte der Richter. Es dürste sich empsehlen, die Beweisans nahmc ans die Vorgänge während der Inventur cinznfchräuken, nin festznstel le-i, ob die Angaben des Angeklagten bezüglich seiner damaligen Ansregnng Heinrich Gemkenihal, der neben dem Rechtsanwalt Perilics saß, schüttelte heftig mit dem Kopse und redete eifrig auf den letzter» ei». Perikles, sich erhebend, erklärte: Mein Client meint, es bedürfe des Be weites darüber, daß Herr Lazarski in hochgradiger Ansregnng sich befunden, nicht. Er verlangt darüber eine Be weisaufnahme nicht nnd bittet nur klar zu stellen, ob die Nachricht, welche über das Unterbleiben jeden weiteren Ein schreitens der Polizeibehörde zugegangen sein soll, dort rechtzeitig eingetroffen ist. Ich meinerseits verzichte auf jede Be wciSerhebung, sagte Lazarski. die Köpse zusammen und beriethen heim lich. Anf den Umstand, ob der Wider ruf rechtzeitig an Amtsstelle eingetroffen ist, verkündete der Richter, legt der Ge richtshof keinen Werth und beschließt, von jeder weiteren Beweiserhebung ab zustehen. Ein Murmeln und eine bemerkbare Bewegung ging nach Verkündigung die ses Beschlusses durch den dicht mit Men schen gefüllten Zuschauerraum. Mau die Entliüllvug vieler seltsamer und be redenswerther Umstände erwartet; diese Hoffnung war nun getäuscht. Die Zeugcu können eintreten, sprach der Richter, damit ich ihnen ihre Ent lassung eröffnen kann. Diese Worte verstärkten die Bewe gllng im Zuhörcrraum. Man konnte doch nun wenigstens die betreffenden Persönlichkeiten, die Buchhalter des Herrn Lazarski, den Riesen Kühne, den kleinen Lansburschen Max, den Lieule nant von Strösack, die Frau Geheim räthin, vor allen aber ValeSca Berg ans unmittelbarer Nähe betrachten. Man drängte sich näher an die Eingangsthür zum Zeugeuzinliuer und reckte sich auf de» Zehen empor, um über die Schul tern des Vordermannes hinwegzusehen. Die Thür öffnete sich und die Zeugen traten langsam nacheinander ein, um zn vernehme», daß ihre Aussage nicht er sordert werde. Während aller Blicke sich auf die Er schieuene» richtete», besprach Herr La zarski sich lebhast mit seinem Vertheidi ger. Auf der anderen Seite winkte Herr Perikles Fräulein Valesca Berg und deren Mutter zu sich Hera», uni bisherige Ergebniß der Verhandlungen mitzutheilen. Herr Lazarski bittet, einige Worte an die Zeugen richten zu dürfen! Bei dieser Erklärung des Vertheidigers legte sich die Unruhe, die einige Minuten lang im Saale geherrscht hatte. Eine Vernehmung der Zeugen soll nicht erfolgen! entgegnete der Vor sitzende. Das ist auch nicht unsere Meinung, erwiderte der Vertheidiger. Allein die Sache hat ein erhebliches öffentliches Interesse, nnd eS handelt sich darum, der Oesfentlichkeit gegenüber Rechnung über Borgänge abzulegen, die von Be deutsamkeit sein werden. Während der Richter kopfschüttelnd mit den besitzenden Schöffen über die sen Zwischenfall sich ins Einvernehmen setzte, sagte Lazarski: Es liegt mir da ran, die Meinung des Fräulein Berg üwr mich selbst zu vernehmen und von ihr zu erfahren, ob sie der Ansicht ist, daß bei jenem bedauerlichen Vorfall während der Inventur meines Waren lagers die Absicht obgewaltet haben kann ihre Ehre zu kränken? Valesca, in ihrem grauen, einfachen Kleide, trat dem Angeklagen hoch ans gerichtet einige Schritte näher. Sie schlug den Schleier von ihrem errötheten Angesicht zurück, sah mit großen und theilnehmcndcn Augeu den Fragenden und überall vernehmbarer Stimme Herr Lazarski hat, so lange ich sür ihn beschäftigt war, niemals Klage über mich geführt. Von mir gilt das näm liche ihm gegenüber. Ich kann in Wahrheit sagen, daß er mich wohl wollend nnd gütig behandelt hat. Ich bin ihm zu Tank verpflichtet. Nein! ich nehme uicht an, daß Herr Lazarski sich bewußt gewesen ist, wie tief fein ausgesprochenes Wort mir in das Herz ichneiden mußte! Ein Beisallsrauschen, unterdrückt zwar, abcr deutlich erkennbar, bewegte alle Anwesenden bei diesen schlichten und einfachen Worten des jnngen Mädchens. Zimon Lazarsli verneigte sich gegen Valesca znm Zeichen feines Dankes. Ich bitte, dieselbe Frage dem Herrn Doctor Gemkenthal vorlegen zn dürsen Gemkenthal wandte sich von ihm ab und gegen den Richtertisch. Wenn es erlaubt ist, mich zn änßern, sprach cr langsam und zögernd, so muß ich sageu, daß ich nach dem, was ich hente über die Schritte gehört habe, die Herr Lazar- li eingLschlagen hat, nm ein weiteres poli '/ilicheS Einschreiten gegen mich zu ve.- hindern, gern verzeihe, nnd sür mei::e Person besriedigt sei» würde. Anders steht die Sache bezüglich der gegen Frl. uud dereu Muiter zur Sprich, gctoinmeiicn Ausschreitungen. Eine rahrlässige Beleidigung gibt eS uichi, idie mich Herr Rechtsanwalt Perikie:- belehrt. Allein in dem Verhallen te? verrn LazarSki gegen meine Nichte nnd Mündel, Fräulein Valesca Bcrg, li'gt mehr als eine Fahrlässigkeit. Das Be wiißtsein der Ehrcut'.ünknng ist hier gar nicht in Abrede zu stellen, nnd ich muß in dieser Beziehung des Sprneh des Gerichts verlange», so leid eS mir thut. Nach dieser Erklärung erhob sich der Gerichtshof nnd zog sich m das Bern thungszimmer zurück, offenbar in der Absicht, weitere Verhandlungen nicht zu gestatten. Gemkenthal, Fran Lndovica nnd Va lesca Berg cntsernien sich. Sie woll ten den »eugicrigen Blicken der Zuhörer sich entziehen, welche beharrlich anwesend blieben, um den Spruch des Gerichts üuden zu höre». Wie schö» sie ist! Ein kluges und verständiges Mädchen! Die blonde Vally will seine Bestrafung nicht! Tie blonde Vally hat besser gespro chen als je eiu Advocat! Diese und ahuliche Aeußernugen schlüge» an daS Ohr des jungen Mädchens, als das selbe, von Gemkenthal gesührt, sich durch die Menge bewegte, um die Aus gaugSthür des Sitzungssaales zu er reichen. Ach, Onkel Heinrich, sagte ValeZca, nachdem sie die Droschke bestiegen hat len, welche sie nach der Wohnnng der Aran Gcheimräth'n zurückfuhr, in dei nen Augen bin ich ja doch wohl ge rechtfertigt. ES wäre besser gewesen, auch du hättest deine Verzeihung ausgc sprechen. Nein! sagte Fran L id v a scharf uud bestimmt. Der Herr Lazarski verdient seine Strafe. Wer dich kränkt, Kind, sagte Gemken thal, ist mein Feind. Ich kann ihm nicht verzeihen, so lange ich lebe. Auch Doctor Reiulaud ist die ganze Angelegenheit eiu Aergerniß, bemerkte Valesca schüchtern. Ihm ist es zu wider, daß mein Name so ost und wahrlich nicht in wohlmeinender Ab sicht genannt wird. Er- sagt, auf die schönen Tage im grünen Harz mußte der Nebel und Schmutz der Resi denz, so wollte es Herr Gemkenthal folgen. Gemkenthal verstummte. Er sprach auf der Weiterfahrt kaüm noch ein Wort. Inzwischen ivnrde im Gerichtsgebäude das Urtheil verkündet. Es lautete, daß der Kaufmann Simon Lazarski der Beleidigung nicht schuldig und von Strafe freizusprechen sei. Begründet wurde dasselbe mit der Ausführung, weder sei auf feiten des Angeklagten die Absicht, zu beleidigen, noch das Bewußt sein erwiesen, daß seine Worte und Handlungen kränkend gewesen. Er habe in der Aufregung und in der Meinung gehandelt, berechtigte Inte reffen zu vertrete». Der Rechtsanwalt Perikles, zu dem Vertheidiger gewendet, sagte lächelnd: Mit seinen Liedern des alten Mannes, die schon in zweiter Auflage völlig ver griffen sind, Haider Doctor Gemkekithal jedenfalls mehr Glück als mit seinen Processen. Ich habe ihm übrigens die sen Ausgang vorhergesagt. (Festsetzung folgt.) Der sehr kurzsichtige Lehrer Herr Lieblich hatte au feine an gebetete Helene noch spät Nachts nach einer vergnügten Gesellschaft im Wiener Cafe einen langen Brief, voll der über fchwänglichsten Zärtlichkeiten und Her zensempfindnngen, gerichtet und wollte nun, zu Haufe angelangt, demselben seine Photographie beifügen. Da bemerkte er zu feinem Erstaunen, daß an dem Brief ein großes Stück fehlte, während der Bogen unversehrt war; einen zwei ten aber hatte er, soviel er wußte, gar nicht benutzt. Doch entschloß ec sich in seiner Angst, nach dem Cafe zurückzu gehen und hier nachzuforschen. Er fragte den Kellner, ob an dem betreffen den Tische es saßen dort gerade ei nige vergnügte junge Leute, vielleicht ein Blatt Papier gesunden worden fei. Der Kellner verneinte, begann aber doch mit dem mittlerweile ganz außer Fassung gerathenen Herrn Lieblich eine nähere Nachforschung in der Nähe des Tisches. „Was suchen Sie denn?" fragte einer der jungen Herren. „Mein Brief! mein Brief!" stöhnte Herr Lieblich. „Sind Sie Herr Ambrosius Lieblich mit der „ewigen Liebe" und dem „gefüllten Herzen" ? „Sie wissen —!" „Sie haben ja Ihren Brief an Ihre Helene hier zur Hälfte auf den Marmortifch geschrie ben!" Herausgeplatzt. Provisor: Was, dieses Mottenpulver soll nicht wirken? Käuferin: Nein. Provisor (erregt): Unmöglich! Dann taugen Jhp Motten nichts! s Endlich: .Sie war eine nach jeder Richtung hi» außerordentliche Persönlichkeit. Ein. jeder mußte eS bestätigen, der sie sah und Gelegenheit hatte, sich von ihren! Werthe zu überzeugen. Die graziös kokette Art, wie sie auf eleganten Stie ielchen durch die Zimmer marfclnrte, die liebenswürdige Ruhe ihrer Bewegungen, die Umsicht anch bei den kleinsten Hand zriffen war entschieden ungewöhnlich. Madame selbst, die gestrenge FrauKom merzienrath S. in Berlin, die bei dem Dienstpersonal der Westvorstadt in dem Nus stand, niemals befriedigt werden zu iönnen in diesen« Falle schwieg ihre sonst so gefürchtete Kritik und aus oeu Blicken, mit denen sie besagten Ztieselchen folgte, sprach nnverhohlcne Anerkennung. In der That, Fränlein Louise, das am 1. April engagirtc yausmädchen, wurde seiner Herrschaft oon Tag zu Tag unentbehrlicher. Als ser Herr nnd die Frau Konimcrzicnrath »aher Mitte Juli nach Ostende gingen, konnten sie eS leichten Herzens thun. Nicht wie iu früheren Jahren nahm Madame die Sorge mit, was in ihrer Abwefcnheit zu Haufe etwa paffiren könne, unter dem Schutz der nene» gofe war alles auf's Beste bewahrt und die Corrcspondenzieirten, die wöchentlich regelmäßig dreimal nach Wcst Flandeeir in die See flogen, besagten in zierlichen schriftzügen, daß alles iu guter Oed ilung fei. Am letzte» Montag schrieb der Kom nerzienrath von seinem Strandkorb aus, ?aß er nm Mittwoch Abend allein zu rückkehren würde nnd die Fran Gemah lin, die noch ein paar Tage zu bleiben beabsichtigte, fügte der Karte einige Zeilen hinzu, welche sich auf das Lüften des Schlafzimmers bezogen. Als am Mittwoch gegen 10 Uhr der Expreßzuz in der Friedrichstadt eintraf, führte er neben dem Kommcrzienrath auch dessen bessere Hälfte in die Heimath zurück.' Die liebe Gattin, der wahrscheinlich das Gespenst der Langeweile drohte, halte noch in der zwölften Stunde ihren Ent schluß geändert und es vorgezogen,gleich mitzufahren. Die 'Droschke hält vor dem eleganten Hause, die Herrschaften steigen aus. Sie haben nur wenig Handgepäck, die Ncisekörbe gingen alle mit Eilgut. Der Kommerzicnralh schließt nntcn die Thür, dann geht ma.« die zwei Treppen hinauf, auf denen das Gaslicht bereits verlöscht ist. Oben aber, wo der Vorslur der zweiten Etage läuft, blinkt ein Heller Lichtstreif, wel cher von einer Lampe ausgeht, die das vorsorgliche Fräulein Lonise in den Corridor gestellt hat, nm dem heimkeh renden Herrn deu Weg zn erleuchten. Von Madames Rückkehr war nichts gemeldet worden, sonst hätte über den äußeren Thürpfosten ohne Zweifel noch die übliche Guirlande geschwebt. Der Comincrcienrath hat die zweite Etage erreicht, die Gattin ist noch mehrere Stiisen hinter ihm und Wege» der hier herrschende» Dn»kelheit absolut unsicht bar. Der Schall der Tritte wird von den incken Länsern verschlungen. Der Gebieter, der eine noch recht stattliche Erscheinung repräsentirt, trit jetzt in den Lichtstreif. Madames Angen blik ken nach oben, da eilt Fränlein Louise ans der Eorridorthür. Der Commer cienrath, seine Gattin dicht hinter sich ocrmnthcnd, geht unbefangen näher. In diesem Augenblick wi>H ihm die kleine Tasche, die er trägt, von zwei zärtlichen Händen abgenommen, zwei weiche Arme umschlingen ihn, nnd ein rosiger, lachender Mund öffnet sich, um nur das eine, kleine, abec sehr inhalts volle Wörtchsn zu rufen: „Endlich!" Von der Scene, die jetzt folgt, wendet sich die Berichterstattung mit schlichter nein Errölhen ab. Der alteDiimas—folesen wir in der „Illuftr. Sonntagsztg." wurde einst, mit ihm zugleich ein Herr ZZalendrier, ein ausgeblasener Patron, mit welchem der Dichter nicht auf sehr freundschaftlichem Fuße stand, zur Tafel Schriftsteller dazu verpflichte, bei der Tasel nicht öster als ein einziges Mal zu spreche». Der Gastgeber theilte da» DumaS mit, natürlich in der Erwar tung, das; dieser eine solche Zumuthuug eutrüstct zurückweisen würde. Zu sei »cm Erstaunen aber nahm DuinaS die Bedingung an. Beim Essen ging es sehr lebhast zu. Herr Valendricr war ausnehmcnd gesprächig nnd verpussle seinen ganzen Vorrath an Witz, wäh rend Dilnias, zur Vcrwuuderuug der Gäste, ganz stumm aus seinem Platze saß uud einzig mit den Genüssen der Tasel beschäftigt schien. Zum Nachtisch wurden Pasteten aufgetragen, die Herr Valendricr fehr gern aß. Er langte auch tüchtig zu. Als die Schüssel zum letzten Mal umhergereicht wurde, war er jedoch befriedigt und sagte zu seiner Nachbarin, der Dame des Hauses, die ihm die Pasteten bot: „Entfckuldi gen Sie, aber ich habe schon so viele Pasteten vertilgt, als Simsou Philister erschlagen hat." „Und mit demselben Instrument!" (Eselskinnbacken) setzte Dumas, der seiner Verpflichtung gemäß jetzt zum ersten Mal den Miind auf that, trocken Hinz», worauf Herr Valen drier unter dem allgemeinen Gelächter der Anwesenden das Feld räumte. Kindliche Zoologie. Die kleine Elsa (aus eine aorbeifliegeude Krähe weifend): Mama, ist das viel leicht auch eiu Kind der Frau Schulze? Mama: Wie kommst Du auf so eine Idee? Elsa: Aber Mama, Du sag test doch, Frau Schulze wäre eine Ra benmutter. —Uunö t h i g. Professor: Be weisen Sie mir, daß diese Dreiecke kou, gruent sind. Schüler: Herr Prosesior, wozu etwas beweisen, woran kein Mensch zweifelt?
Significant historical Pennsylvania newspapers