Z>ie arme Schneiderin. > Fortsetzung.) S. Kapitel. Der Pfingstmontag war ein Muster maimsrgen, wie er in. Buche steht, aber leider sonst recht selten in der Wirklich keit vorkommt. Die Natur war mütter lich für ihre lieben Berliner besorgt ge wesen, nnd hatte Nachts ihre Pfade aber mals mit etivaSßegen gesprengt, aus daß Himmel, das junge Grün prangte in vol ler Pracht, und die Vögel fangen Früh lingslieder. Ueber der ganzen Schöpfung lag der Flaum der ersten Jugend und frohen Hossiittng, und mußte jedes füh lende Herz mit Entzücken und stiller An dacht erfülle». lii den allersrühesten Stunden schon halte die heut in Aussicht stehende zweit« Berliner Völkerwanderung ihre ersten Züge ausgesendet. Ueberall entwickelt« sich bereits reges Leben, denn der Berli ner hat bekanntlich eine Manie sür Mor genconcerte. Er hört überhaupt sehr gern Musik im Freie», sitzt nöthigeiisalls draußen selbst bei Sturm und Regen, auf nassen Bänken und unter aufge spannten Regenschirmen. An einem schönen Psingsttag macht solch ein rich tig mit Sprecwasser Gelauster zuweilen wohl ein halbes Dutzend Frühconcerte mit. Da wandert er von einem Garten in den andern, um vier Uhr morgens schon anfangend, und gege» zehn Uhr Vormittags ungefähr den ,unwiderruf lich letzten Kaffee" trinkend. Die Nstraße war eine besonders vor nehme Straße, und deshalb zeigte sie bis jetzt noch einen verhältnißmäßigen gerin gen Verkehr. Denn das Besuchen der Frühconcerte, überhaupt die sämmtlichen Psingstvergnüguugeu besitzen zwar manche Borzüge, sie wirken ersrischend auf Herz und Seele, sind harmlos, gesund, wohl ineist auch poetisch und romantisch, kurz Alles nur nicht vornehm! Pfingsten ist in allen großen Städten, namenllich aber in Berlin, ausschließlich das Fest des Volkes. Die oberste» Zehntausend verreisen entweder zu dieser Zeit oder verhalten sich mäuschenstill hinter ihren vier Wände». der fünften Morgenstunde durch du Nstraße ging, dortselbst eine allerliebste Studie für ein novellistisches Vildmoti» «lachen können. Man denke sich als Hin tergrund den modernen Prachtbau in Ber lin-Westen mit Vorgarten, der vor dem Hausportal in der Mitte des Gebäudes einen ziemlich geräumigen, mit zierliche» Mosaik gepflasterten Platz freigibt. Da rauf steht im Schatten des Hauses ein Pärchen, welches sich zärtlich begrüßt davon halte, daß es beobachtet wurde. „Nach Eharlottenhof im nenen Thier garten!" rief der Buchhalter dem Kut scher zu, balf seiner Dame artig in den Wagen, hörbar klappte der Schlag, und fort ging es in den wunderschönen Mor gen hinaus. Weder snhr man durch die stolze Friedrich Wilhelmstraße, an welche sich schnurgerade die breite herrliche Hos jäger-Allee »»schließt. Dort schmetter te» die N.ichiigalleii so köstlich, daß Storfing den Wage» einige Augenblick« lialten ließ, weil Else allen Ernstes ver sicherte, »ich niemals mit vollem Be- Fee mit Kuchen",um die Lebensgeister der Beiden rechtzeitig zn unterstützen. DaS Paar halte sich einander gegen über gesetzt. Storzing genoß gedanken laublc, Else mit ganz verklärten und ent zückten Blicken zu betrachten. Diese wußle nicht recht, wie sie sich dazu drehen u»d wende» sollte, versuchte abwechselnd ihr Gesichtchen hinter einem großen Slück Napfkuchen oder der umfangreichen Wirihshanstasse zu verberge», wobei si> es aber doch nicht ganz verhindern konnte, daß das Vergnügen ob der angenschein lich erregten Bewunderung ihr ziemlich merkbar die rosigen Wellen der Freude ins Antlitz trieb, und der Schalk sich in allen Grübchen festsetzte, die ihr Lächeln begleitete». Ja, aber war denn dies auch noch die nämliche Elfe von gestern?.... Das einsache angenehme, aber ach, gar so unscheinbare Kind, welches Storzing anf der Bank im Thiergarten gesunde», und welches hauptsächlich nur deshalb psangen hatte weil er seine Gedicht« in dessen Händen sah! Freilich, gestern Abend bei Josty, als er im Monden scheiit und Menschengewühl mit Else ge sessen und derselben den Roman seines Lebens erzählt hatte, da glaubte er aller dings schon zu bemerken, daß das blass« Kllöspchen neben ihm sich lebhafter färbl« wie angehaucht von einer geheimnißvol len Gluih. Nu» war aber über Nacht das RöSlei» ausgeblüht.... uud Stor zing studirte mit angenehmen Staunen das weiche, kindliche Antlitz da vor ihm, welches freilich der derben Frische des groben Schönheilseklats gänzlich ent behrte, welche sonst den hübsche» Töch- ter» des Volkes eigen zu sein pflegen, dafür aber auch keiuen einzigen ordinä ren Zug zeigte. Der Buchhalter ent deckte überrascht die einzelnen Reize Elses, ! er sah erst heute, daß seine neue klein« Bekannte reizende braune Augen, einen blülhenjrische» Mund.einarliges Ztumpf ! näschen, und ein ganz besonders feinge- schnittenes und ausdrucksvolles reizendes Klnn besaß. Auch zögerte er nicht, ihr« hübschen kleinen Hände zu bewundern, die bei der Schneiderei, trotz mancher fleißigen Hausarbeit so zart und weiß wie die einer Prinzessin geblieben waren. Else hatte fast die ganze vorige Nacht ! für die Herstellung ihrer Toilette ge braucht uud nur so wenig geschlafen. Namentlich ihrem feinen aschblonden Haar hatte sie wohl über eine Stund« laug mit der Bremischeere tüchtig zuge i setzt. Wenn das aber geschehen war, so fiel ihre Frisnr immer außerordentlich hübsch Weise die Vorzüge des reichlich flotten ! amerikanischen Tituskopfes mit der ur- ewige» Traditioil der sittsaine» weiblichen terhaar i» Rolle» hoch, und steckte ei aus dem Gipset des Kopfes sest. Di« Vorderhaare dagegen waren abgeschnit» teil, und ans ihnen bildete ihre Besitzerin kurze dichte Löckche», die sich aber stets etwas bäumten uud genial formten, was jedoch Elfe gerade merkwürdig gut stand, ! das sanste Gesicht mit de» wilde» Locken sah oft ganz idealifch a»s. Dies Mäd chen mit Locke» und ohne Locken das waren überhaupt zwei ganz verschie- dene Personen. Und wenn man von ! unseren Großmüttern und Urahninnen ! erzählt, daß man sie einst auf Bällen und Gesellschaften nicht wieder erkannte,! weil der festliche schöttsrisirte daß das arme Kind unter dem angenehme» Hauche des gespendeten j Weihrauchs sich ausrichtete, das war doch > eigentlich auch nnr höchst natürlich! Denn Bewulidcruug wirkt aus ein jun abgtfchlosscu, der sich um ein wirklich anständiges und tngendhaftes Mädchen aus dem Volke zieht. Ihn kann nnr eine legitime Gestalt, etwa ein fertiger ! Mann mit^ivirkli^ übermäßig tolerante Gesetze, doch wer einmal Gelegenheit hatte zu beobachten, wie rasch und unerbittlich die öfsentliche I Meinung jener Kreise ein junges Mäd > che» in die Acht erklärt, welches sich nur ! im Geringsten über das Gewöhnliche hin weg sehte, der muß eonstatiren, daß die vornehmen Töchter der höheren Gesell schaft auch im bereglen Punkte ihren ar in jeder Weise und an passender Stelle einen ivcilttmgrenzlen harmlosen Verkehr mit dem andere» Geschlecht. Es war Storzing nicht zu verdenken, baß ihm seine heitere, hostende, hübsch gekleidete Begleiterin von heute unendlich viel besser gefiel, als die rcsiguirte, schlecht angezogene Gestalt von gestern. Aber ' die z»r Aiischau- gestern spät, nachdem er sich schon von Else getrennt hatte, eine große Freude widerfahren. Das Schicksal hatte ihm eine Genugthuung gegönnt, auf die er nicht mehr hoffen zu dürfen geglaubt hatte! Und das war folgendermaßen zuge gangen: Gestern Abend hatte sich Storzing mit der Darstellung seines LiebesromaneS etwas mehr aufgeregt, als sür feine von der Krankheit noch geschwächte» Nerve» gut gewesen war. Fast hätte er darüber sei» eigentliches Ziel vergesse», nämlich die Besitzerin seines BncheS dazu zu be wege», ihm dasselbe zu borgen. Nun die Gedichte zu erhalten, so wußte er nichtS Besseres zu thun, als seine unlieb same, späte Munterkeit dazu anznwen- 7. Kapital. Abermals wollte Elschen so eilig und .inbemerkt möglich über den Haus eiue Wursniaschiuc des Mittelalters. „Darf ick Ihnen bitten, sich auf einige Minuten zu mich in meine bescheidene lein ? Ick möchte jcrn einige Worte mit - Ihnen reden, von die es Wie vielleicht »ich lieb wäre, wenn Jedermann det niitanhörte!" lantete die versteckte An ! spräche der Portiersgattin, deren Berli ner Dialect sich jedesmal besonders stark j ausprägte, wcuii sie erregt war. Else folgte der bösen Fran bangenden Herzens die kleine Treppe hinunter, die gleich vornan in die gute Stube der Por- tierwohuuug führte. „Ick bemühe mir ja, nichts Böses von Sie zu glauben, .tiiiid, aber ick halte es Frank, un wissen nicht, wie schlecht selbst die Besten von's Mannsvolk sind !.... Nu der Buchhalter Storzing die jroße Erbschast jeinacht hat, wird er sich hüten, 'ne Arme zn frei'»... .derholt sich Keene aus 'm Hinterhause, der jeht direkleincnt aus die seinen Herrschasten in des Vor derhaus los. Un er kann jetzt ja auch sogar dreiste 'ne Adlige kriegen! Die drei langnäsigten Fräuleins von Mül bach, welche zwei Treppe» hoch hier bei sammt un sonders! Des abgestandene Fräulein Liznian von's Hochparterre grinse natürlich ooch mit beide und Hosten von „Hangen und Bange»" direkt zur „Absich!"! Während Else oben auf ihrem Stüb deiin ursprünglich tiitstammlen ja doch Beide ein und derselben Gesellschafls- Fix und fertig stand bald Alles bei ihr sest. ...Elfe hatte sich entschlossen —und meinte kaum, daß es ihr noch wesentlich ««llte, den Hausbesitzer aufhetzen, daß er Elfe kündigte vielleicht —ach,sogar wahrscheinlich konnte all' diesen Lärm schon .. .die schön gedruckte Verlobunys «nzelze beschwichtigen! gtnüber empfunden hatte, legte sich hem mend auf Elses ganzes Wesen, als sie abermals mit b«m im Kleine schwamm in einem Meer von Wonne. Ihre Wangen rötheten sich, ihre Augen glänzten und ivaS von Koketterie in ihr ruhte, erwachte. Das Alleinsein zn Zweien unter vielen Menschen ver fehlte abermals nicht seine Wirkung!... Ucbcrdics setzte sich bald noch ein Dritter zn dein Pärchen Dionysos de» 8. Capitel. Saume des Grunewalds liegt. Eine herrlichere mildere Frühlingsnacht ließ sich nicht denken, iind der Mond schien hübschen Lichtessekt. Drüben auf der Linie des Südriugs pfiffen die Locoino- Harles Figürchen an Storzing's stattliche Gestalt nnd woher Else den Muth «ahm, ist nie aufgehellt vielleicht Marschircn erschwerten. Das war ja richtig, aber Else erschrak doch über den Ton und die Bewegung StorzingS. Ihr Herz begann zu pochen vor Beichämuug, sie bereute aus der Stelle ihre voreilige Auslastung, deren Gewaglheit und llugewöhulichkeit ihr leider erst i» dem Augenblick offenbar ge hallt. f»lgle Wei des, welche die Wellen des häusig aus tretenden Sees fast freigelegt hatte». Aber als sie sich ängstlich nach dem Buch halter umschauie, solgle diejer ihr dicht auf de» Fersen, beide Arme achtsam a»S eilies jungen Kindes hütet, und er rief ihr so freundlich zu, daß Elfe sich schou zu schmcichel» begann, er hätte sie viel lci v o i ii^iii ch l^^rech t verstnndc» oder Halensee kamen, und in deren untcren Theil eintraten dort, wo eine breite Garnitur von primitiven hölzernen bot, soiidern stall dessen an seinem An zug nestelte und sich den Nock fester zu knöpfte. Man schritt zwischen den Tischen nnd Stühlen hindurch, »m bis zur Wiese zu gelangen, da man von diesem Punkt n»S den schönsten Ueberblick über den See, gewissermaßen seine Froniansicht genießt. Diese war eine Zeitlang dnrch Banm richtet waren, dann entfaltete sich die Landschaft plötzlich in ungeahnter charakteristischer Großartigkeit. Eirund lag der See vor Augen, dessen Silberwellcn leise gegen das Ufer antrie ben. Im Hintergründe bildete der in tiefe Nachtschatten gehüllte Grunewald einen dunklen geheimnißvoUenHalbkranz. Darüber stand der Vollmond in strah lender Herrlichkeit. Es war ein Bild mit eiiisachen Strichen, doch voll eigen artiger stummer Majestät, nicht lieblich, sonder» herbe und märchenhaft zugleich, hervorragend nordländisch ganz wie (Fortsetzung folgt.) Was ist ein Sta m m tisch? Ei» Stammtisch ist in einem bestimmten Lokal ein bestimmter Tisch in einem be stimmte» Winkel, an dem zur bestimmte» Stunde bestimmte Gäste aus ihrem be stimmten Platz sich niederlassen, um bei Vertilgung einer bestimmten Menge eines bestimmten Getränkes aus bestimm ten Gläsern über bestimmte Themata zu sprechen, um dann zur bestimmten Stun de auszubrechen, weil man zur bestimm ten Zeit zu Hause bestimmt erwartet wird. Problematisches Grö ße nverhä l t n i ß. Jnnge Frau: ~Sirh' doch, wie unansehnlich, wie klein ich bin, wenn ich in Pantosseln neben Dir stehe!" Gatte: „Kaum zu be greifen, und doch stehe ich schou ganz lich, schrecklich—der Treulose! Ich er sprwg' in's Wasser . . Anna, richte« Sie mir ein Bad! 3 Beim Antrete«. Die Morgen-Instruktion, mit welcher einige Nachzügler mit einem Donnciüvel ter zur Eile anireibl. „Alles ta?" fragt der Gestrenge barsch, und auf ein abjei ssciic» Kiiopp annähen, i wo, »ee, denkt der Mnsje. Marsch! Rennen Sie, so schnell Sie Ihre Storchbeeue tragen können, uss Ihre Bilde und las sen Sie sich die optische Täuschung repa riren, oder cperiren Sie den Schaden selbst." Der Doctor iu spv ist kaum verschwunden, so fällt des Gestrengen Blick auf dessen linken Nebenmann. „Herr, was feiren Sie? lii Reih uud Glied dürfen Sie keine Miene verziehen, gelungensten Kalauer vor Ihnen loß ließe. Sehen Sie sich mal jefälligst Ihre Halsbinde an. Wie einem Strang- Tie Schähe des Orients, inalh ausgewandert und gehört jetzt den Franken. Aber es ist anch noch man cherlei zurückgeblieben und wer Gelegen» Erlaubniß hat, darf die Schatzkam'i.er Gast des Großhcrr». Beim Eintritt in das SchatzhauS wird er mit der beim wöhnisch jede seiner Diese Vorsicht ist erklärlich. Die Schätze des Sultans liegen frei da, ohne Verschluß arbeiten. Die europäische Verwaltung der Staatsschulden beschäftigt z. B. Wechselndes Ziel. —Bgre i s l i ch. No, Kohlafrie do hoscht g'wzß reacht noble Leute g'scah. K o h l e n 112 r i e d e r: I», pfeif« ! Nir Nobels ifcht dort. I hau zu mei'n Buaba g'sait, er soll mi au a bissella bei de Leut romsühara, no Hot er mi lang amanand K'süahrt, aber i ka diar sign, Baschte, säst lauter Schnaschtcr und Schneider seuds g'iveah! Die Frauen üben «ft die größte Macht durch eine Ohnmacht.
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