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Wer freilich von der Sce ne am Morgen Kenntniß hatte, mußte so wohl in des Hansherrn geschärfter Auf merksamkeit, als in Julianens gespannten Blicke», Forschungen und Zweifeln begeg nen. streueten indeß die Sorge des jungen Mädchens. Die biedere, ehrliche Anerken nung des gute» Holzhändlers machte sie zutraulich und sie fragte ihn geschickt und noth tbat. Ihr Muth erstarkte daran. Liane den Holzhändler so angelegentlich befragt hatte, glaubte ihre Beruhigung der offenen und herzlichen Manier seines schließlich erklärte, daß das Vorurtheil, womit er dem Fräulein entgegengetreten wäre, vollständig besiegt sei, so versöhnte eben sein ehrliches Geständniß jeden Be theiligten. Der Doktor war unmittelbar nach sei nem Eintreffen erst nach der Waldschenke geeilt, um seinen Patienten zu besuchen. Er kam fröhlich zurück, denn die Lebens gefahr für denselben war glücklich beseitigt und seine Genesung nicht mehr zweifelhaft Der muntere, alte Herr sah mit einem einzigen Blicke, wie sich die Sachen im Zollhanse während seiner kurzen Abwe senheit gestaltet hatten und er sagte mit „Nun, wie stebts, Lieber? Von Ihrem dürfen" getreu bleiben darf." Die Damen batten Play in dem ele ganten Putzzimmer der seligen Frau ge „Was bat inein Alterchen wieder vor?" fragte die alle Doktorin, die mit sichtlichem Behagen vom Sopha aus das Zimmer mehrfach durchmustert hatte. „Ach, er scherzt mit dem Herrn Witte," meinte Tante Heyden lächelnd. „Was müssen Sie sich glücklich fühlen, Frau Doctor, einen Mann zu haben, der Alles „Meinen Sie, Frau Tante," erwiederte die alt! Dame trocken. „Ich denke, es würde mein Glück kaum vermindern, wenn mein Alterchen von Natur etwas ernsthaf ter und überlegter wäre. Er läßt sich all zusehr von den Eingebungen des Augen besondern Glücksstern stände, würde er schon manches Unheil gestiftet haben. Aber —es glückt ihm Alles, selbst Uebereitungen schlagen zu seinen Gunsten und zum Bor theil Anderer aus." Juliane lächelte die alte Dame herz lich an. nicht wahr?" fragte sie. „Allerdings liebes Kin? —Sie gehören mit zu meines Alterchen gelungenen Ue bereilungen," erklärte die Frau Doctor sehr freundlich. „Aber gerade in diesem Fall« hat sich sein Glücksstern glänzend bewährt. Ich nehme diese Gelegenheit wahr, um Ihnen im Namen meiner seli gen Cousine Fedderhof herzlich Dank zu sagen, mein bestes Fräulein." „Nicht wahr, Frauchen," rief der Doc tor, der unbemerkt näher an die Thür des Damenzimmers getreten war. „HerrNach bar Witte hat mir soeben eingeräumt, daß ich gründlich recht gehabt, folglich nicht dazu verdammt werden könne, „Hunde statt Menschen zu kuiren." Der Pathos, womit er sprach, wirkte wahrhaft schlagend. Ein allgemeines Ge lächter lohnte ihm seinen drolligen Einfall. „Was das wieder für eine absurde Idee ist, Alterchen," warf feine Gattin, eben falls vom Strome der allgemeinen Heiter keit ergriffen, lachend ein. „Sei still, Schätzchen ich kenne Dich jetzt besser, als sonst und weiß, daß Du mich, trotz aller meiner Schwächen für ei nen Engel hältst und an meine Tugend s» fest glaubst, wie an Gott selbst." „Ja du mein Himmel, Alterchen —" fuhr die alte Dame in scherzhaftem Zorn auf. „Wo hast Du denn das aufgelesen?" „Deine eigenen Worte, als ich auf der Anklagebank saß!" entgegnete der alte, jo viale Herr in Erinnerung des Gespräches, das er an jenem Abend, wo er im RathS keller vom Prozesse Scharfenbeck gehört, mit ihr geführt hatte. „Nun hören Sie nur, meine Herrschaf ten!" rief die alte Dame mit komischer Empörung. „Nicht ein Wort ist wahr in seinem Munde!" „Was? ÄZillst Du leugnen, böses Frau chen, daß Du mir, höchst poetisch, einge standen hast, mich mit demselben Muthe, wie jene Pauline Selbig ihren Scharfen beck, vertheidigt zu haben, wenn ich auf der Anklagebank gesessen und zwar nach Deiner Ueberzeugung unschuldig dahin placirt gewesen sei?" „Gott die alte Geschichte, Alterchen! Habe ich Dich nicht gebeten, solche Nar renspossen zu lassen? Wer denkt nachher an solche flüchtige Unterhaltungen!" „Ei was! Für mich war diese Unter haltung von der allergrößten Wichtigkeit, renn sie enthüllte mir Lichtseiten, Son nenstrahlen Deines Innern." „Höre nur auf," schalt die alte Dame lachend. „Warum soll ich nicht noch Deine groß artige und edelflnnige Erklärung hinzu fügen, daß Du mich aber jedenfalls in vollem Tugendzorn verleugnet habe» wür fen hätte." „Ganz gewiß hätte ich das ausgeführt," siel sie mit ergötzlichem Eifer ein, „und im Grunde müßte ich noch jetzt Anstalten wer so aus der Schule plaudert nnd die Geheimnisse eines Ehegespräches zu Necke reien benutzt, der gehört wohl halb und halb zu den —" „Engeln," schnitt ihr der Doctor ab. „Du bist und bleibst doch mein allerbestes Frauchen. Sie sehe», Nachbar Witte, daß meine Affectionen für andere Damen die j Treue meines Herzens nicht im geringsten rrschüttern." „Dieser Behauptung trete ich bei," sprach die alte Dame vergnügt. „Es ge hört zu den guten Angewohnheiten mei> neS Alterchen, sein Herz mit aller Liebe und Treue für mich zu reserviren." „Und denken Sie nur," schaltete der Doctor fröhlich ein, „diese Angewohnheit hat mein Frauchen nachgemacht." Die beiden allen Leute reichten sich die Hände unter dem Beifallslachen des Holzhänd lerS. Die übrigen Anwesenden fühlten Unwillkürlich suchte Fedderhof'S Blick Juliane. Nie war sie ihm so hübsch er schienen, als in der sinnigen Ruhe, womit sie auf die alle Dame fchauete. Eine ei genthümliche Mischung von Verehrung und Selbstzufriedenheit gab ihrem liebli chen Gesichle einen ganz andern Charak ter, wie sonst. Es war, als habe der En gel des Friedens ihre innerlichen Zerwürf nisse geschlichtet, als sei Gottvertrauen an dir Stelle von Menschensurcht getreten und habe ihr Selbstbewußtsein gehoben. Was die Ursache dieser merkwürdigen Be schwichtigung sein könnte, begriff Fedder- Hof nicht und er rächte auch kaum darüber nach. Noch hing sein Blick verstohlen an dem holden Gesichte, als Herr Witte den Doctor fragte, was denn der Brief, wel chen er Tags zuvor aus Nonnenburg er halten, Neues vom Prozesse des Försters Scharfenbeck gebracht habe. Eine flammende Röthe, wie das Er zeugniß eines Schreckens, überzog Julia nen» Angesicht, ihre Augen hefteten sich weit und unheimlich gespannt auf den Doctor, svnst aber verrieth nichts, daß diese Frage sie innerlich bewegt habe. Fedderhos richtete seine Aufmerksamkeit ärgerlich antwortete: „Nichts Neues, Lie ber! denn wa« der junge Herr mir »uS Nonnenburg meldete, steht heute schon wörtlich im Ballenhauser GebirgSboten und ist möglicherweise eine Ente, die alle Feuilletons durchschwimmt, um schließlich als eine Erfindung erklärt zu werden." „Ich denke, der Prozeß Scharsenbeck'S hat mit seiner Freisprechung geendet," sagte Fedderhof gleichgültig. „Haben Sie denn das Inserat noch nicht gelesen? Es steht ja groß und breit im GebirgSboten, daß durch einen anony men Brief ein junger Handwerker, der sich zur Zeit auf der Wanderschaft befindet, als Eigenthümer der Mütze bezeichnet sein soll, welche als corpus delicti auf dem Mordplatz gefunden ist. Der junge Hand werker ist bei der Controlversammlung ge genwärtig gewesen und will eine Mütze bei der sehr beschleunigten Abreise zur Bah» eingebüßt haben. Es circuliren artige Vermuthungen; so lange indeß die Staatsanwaltschaft keine Einschreitungen für nöthig hält, muß man Alles für un haltbares Geschwätz halten." „Ich bin nie in Zweifel über diese Ge schichte gewesen," meinte Herr Witte in seiner aufrichtigen Manier. „Scharfen beck ist der Thäter. Er ist von Ekert ge reizt, wodurch, das weiß Gott allein; Ekert war ein gutmüthiger Mensch, ich habe ihn gekannt, dabei aber ein eingebildeter Narr undein unbehtiflichei, schwersälligerMan», der drei Mal durch und durch geschossen werden konnte, ehe er sich ein einziges Mal umdrehte. Alle Beweise von Schar senbeck'S Alibi können richtig sein und doch ist er der Thäter, denn es giebt kei nen andern Menschen, der es gethan ha ben kann. Seine Braut, die Pauline Selbig, hat rechtschaffen gehandelt, was auch die Leule sonst sagen mögen. Wenn sie eines Tages gewahr werden sollte, daß sie im Irrthum gewesen ist, so wird dies arme Frauenzimmer sicherlich sehr unglück lich und vergeht vor Kummer. Am ge scheidesten wäre es, Scharfenbeck jagte sich eine Kugel durch den Kopf, dann hätte alles Elend ein Ende." „Wie ich den Förster schildern hörte, so fällt es ihm gar nicht ein, sein Leben zu Doctor. „Mir thut seine Braut unbeschreiblich leid," schaltete Fedderhof mit bedeutungs voller Betonung ein. theste Person im ganzen Drama!" rief der Doctor. „Sie sollte sich weigern, die Fran eine« Angeklagten, eines Verdächtigen zu wer den, sie sollte sich frei von den Banden machen, die sie mit ihm vereinen, noch wäre es Zeit; ist sie erst seine Frau, so muß sie alles mit ihm tragen, selbst seine I Schuld," sprach die alte Dame. ! „Wer möchte einer liebenden Braut wohl diesen Rath beibringen?" fiel Herr Witte ein. „Keine Braut hört auf Nath ! schläge." „Die Liebe ist nun einmal eine ver ! schönernde Kraft und eine verblendende Macht," meinte Frau Heyden in ihrer sanften, leisen Weise. „Um so verehrungSwürdiger stehen die jenigen da in der Welt, welche sich aus ei genem Entschluß von einem unwürdigen Gegenstände, de» sie geliebt haben, wie nichts in der Welt, loszureißen vermögen," sagte Fedderhof mit gehobenem Tone. Juliane hatte scheinbar theilnahmlo« dagestanden. In diesem Momente wen dete sie sich und ging aus dem Zimmer. Aber sie verließ die Gesellschaft nicht im die vernichtende Kraft verloren, seit sie der Theilnahme eines Mannes wie Fedder hof sicher war. Die Bürde, welche sie al- Worte, die er dem Gespräche beigemischt, verriethen ihr seine Meinung und seine Anerkennung, sie. ging, um möglichen Aufregungen zu entfliehen, die den Frie den ihrer Brust wieder stören könnten. Nach ihrer Entfernung sagte die Docto- rin mit Nachdruck „Meinen Sie nicht, Vetter Fedderhof, , i din zu verehren haben?" Der Hausherr zuckte mit dem Anscheine - von Gleichgültigkeit die Achseln und Herr . l Witte rief feurig! „Den Mann könnte ich z mit kaltem Blute niederschießen, der einem > solchen Mädchen den Himmel getrübt hat." ' „Ei, ei, Herr Witte," warnt« der alt« ' wenn ich mich beeilte, Ihrer Frau von die- s«r urplötzlichen Aff«ction Mitteilung zu s > mach«»?" Ao. 3?. „Das Geschäft will ich allein besorgen, Doctorchen," erwiderte der Holzhändler gemüthlich lachend. „Ich nehme hiermit feierlich Alles zurück, was ich gestern über besagten Gegenstand geäußert habe und erkläre, daß ich zu Ihrer Fahne schwöre." „Sie haben sicherlich vorurtheilsvoll über Julianen gesprochen?" meinte die alte Dame. „Was die Leute mir eingetrichtert hat ten," entschuldigte sich der Mann. „Ich kenne das! Solche Beurtheilun gen gehen von den Dienstboten des Hau sea aus. Die Unzufriedenheit derselben ist der Wurm, welcher nie schläft," sprach die alte Dame. „Zügelt man auch die Will kürlichkeite» solcher Leute, ihr Wort, ihr Urtheil, ihre Klatschsucht kann man nicht unter Aussicht haben. Sybille hatte zu viel Macht erobert, als daß sie sich ohne Widerstand in ihre Grenzen zurückdrän gen lassen sollte. Sie wird das Thal schon alarmiren mit ihren Reden und Klagen." „Es geht noch an, Frau Doctor," »r -widerte der Holzhändler. „Sybille läßt dem jungen Fräulein doch in vielen Stük ken Gerechtigkeit widerfahren, nur behaup tet sie steif und fest, „sie sei irre im Kopf oder habe ein böses Gewissen." „Julianens zeitweilige Aufregungen haben Sybillen zu diesem Urtheil verlei tet," erklärte Frau Heyden. „Diese Aufregungen gründen in einem tiefen Kummer," fügte Fedderhof ruhig hinzu. „Darauf schwöre ich jetzt!" rief Witte exaltirt. „Erlauben Sie," begann der Doctor, „daß ich meine Ansicht über die Sybillini fchen Orakel zu Tage fördere. Diese Kü chendame hat ihre frühere Stellung im Hause sehr ausgedehnt dazu benutzt, ih rem schwachen Magen Wohlthaten zu er zeigen und die Vorräthe Fedderhofs ha ben dazu dienen müssen. Daß Fräulein Liebau ein wachsames Auge auf Alles hat, stört sie in ihrem Thun und Treiben und daraus entstehen ihre Urtheile." „Ich werde diese Ansicht zu verbreiten suchen," sprach der Holzhändler lebhast. „Darum eben habe ich sie Ihnen mit getheilt, Lieber," antwoitete der Doctor sarkastisch. Juliane kam mit den Kindern zurück. Sie trug die kleine Ida auf dem Arm, setzte sie aber plötzlich nieder auf den Fuß boden und sagte: „Nun laus' aber schnell zum Onkel Doctor und sag' ihm guten Tag." Das Kind that wie ihm geheißen war. „Seit wann läuft denn die Kleine?" fragte der alte Herr erfreut. „Ich klage Sie der Zauberei an, mein Fräulein." „Ganz natürliche Zauberei," erklärte Juliane freundlich. „Das Kind hatte Bequemlichkeit vor, zu kriechen. Eine kleine Anleitung genügte, und seit Tante Heyden die ersten Versuche eines Spazier ganges durch die Stube mit einem BiScuit belohnt hat, bedient sich Ida stets ihrer zwei Beine. „Da» sind die Freuden unsers stillen Hauses," fügte Frau Heyden hinzu. „Wir alten Menschen laufen den Freuden des Himmels entgegen und werden täglich ten und Vergnügen der Außenwelt, den Kindern aber ist schon ein BiScuit der Sporn zum Vorwärtskommen." „nein, unsere Freude am Leben schwindet au« uns alten Menschen nicht, meine Liebe, sobald wir nur die Hoffnung auf mögliche Erdenfreuten aufrecht halten. Als Sie Ihr« gänzliche Erblindung tagtäglich er warteten, da erstarb Ihnen der Sinn für diese kleinen Freuden Ihres stillen Hauses und sie ließe» feigherzig das au« Ihrem Interesse verschwinden, wa« ihnen zur Ab wechselung und Erheilerung hätte dienen aus seinem Recepte schreiben müßte „Ar beiten hilft besser, als Arznei!" Die halbblinde Tante hob ihre schweren cheln zum Doctor auf. „Ich gebe Ihnen in allen Stücken recht, Doctor, nur mache ich Sie noch darauf aufmerksam, daß es mir gerade so erging, ' wie unserer kleinen Ida. Mir fehlte die ' richtige Anleitung zum Selbstvertrauen, al« mir diese gewährt wurde vom Geschick, > probirte ich meine Geistetkräfte, um mich r auch fürder nützlich zu machen. Jetzt kom > men Sie und hören Sie was ich an un > serm Aeitesten für einen gelehrigen Schü ' ler habe. Wir wollen Ihnen zeigen, was ! die alte, blinde Tante leisten kann." , Man gruppirte sich um den Flügel, an - welchem der Knabe Max neben seiner > Taute Heyden Platz nahm und hörte mit (Siehe »int« S»<te.)
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