Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, August 30, 1917, Image 6

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    Aus Hamburgs Franzosenzeit.
Die ausgeraubte Stadt. Zwanzigtausend Vertriebene. Wie die
„große Nation" in Hamburg gewütet hat.
Hamburg war früher eine der
stärksten Städte der Welt.' Mußte
«s sein, denn der Däne lag
unmittelbar jenseits der Stadt
wälle, und durch Jahrhunderte hat
dieser Feind danach getrachtet, sich
des größten und reichsten Hafens des
elten deutschen Reiches zu bemächtigen.
Die Hamburger behaupten, daß sie
der Nachbarstadt Altona mit „allto
eiahe" (allzunah) den Namen gegeben
haben, obschon es wohl richtiger ist.
daß Altona, von der altsächsischen Be
zeichnung Altenau abstammt.
Als die Franzosen Deutschland
überrannten, besetzten die Dänen
<1801) die Stadt Hamburg, zogen
Franzosen jede gewünschte Gefälligkeit
zu erweisen. Im November 1806 zo
gen dann die Franzosen in Hamburg
ein und gleichzeitig blockierten die
Engländer als Feinde der Franzosen
die Elbmündung, wodurch der blühen
de Seehandel Hamburgs vollständig
brachgelegt wurde. Die Hamburger
litten schon durch diese Maßregeln
fremder Mächte ganz außerordentlich,
tinentalsperre eingeführt hatten, wo
durch auch der Hamburger Binnen
handel schwere Schädigungen erlitt.
Aus Großkaufleuten wurden
Schmuggler und zwar aus Notwehr
wurden sie es, denn nur auf diesem
Gebiete lag noch eine Erwerbfähig
leit für sie. Denn die Franzosen
fen sich auf IM Millionen Mark
Wanlo. ' Dazu hatte die Stadt die
starke französische Besatzung zu er
halten. Das wurde auch wenig an
ders, nachdem Napoleon, die Stadt
im Jahre 1810 annektiert und die ur
«lte von Karl dem Großen vor da-
Reichsstadt in eine der „bonnesvilles
de L'Empire" verwandelt hatte. Noch
im Jahre 1911, nachdem Hamburg
schon länger eine französische Stadt
geworden war, wurden die Hambur
ger Kaufleute furchtbar gemaßregelt.
In den Erinnerungen aus jener Zeit
heißt es: Unter den vielen empören
den Verordnungen war eine, die selbst
Haufen aufgetürmt und angezündet.
Während der französischen Okkupa
tion Hamburgs, sie von 1806 bis
Tettenborn im Sommer 1813) blühte
das "dänische Altona auf. Aus dem
armseligen Fischerdorfe wurde ein
städtisches Gemeinwesen. Doch war
Altona nur dem Namen nach dänisch,
die Bevölkerung war deutsch und daß
sie deutsch fühlte und dachte, ergab
sich bei der Episode, deren Schilderung
der Zweck dieser Zeilen ist. Hamburgs
Bevölkerung betrug zu Anfang des
löten Jahrhunderts etwa I<X>,<XXZ
Seelen, kurz nach der Kapitulation
der Franzosen im Mai 1814 war sie
auf 56, VA) heruntergegangen. Heute
zählt Hamburg rund eine Million
Seelen.
»
:ich Rückert .Die Gräber von Otten
sen" heißt es:
»Hu Ottensen auf dcr^Wie^c
Ottensen, die Grabstätte des edlen
Barden Klopstvck, wa: damals ein
kleines Dörfchen elbaufwärts von Al
tona, jetzt bildet es den Industrie-
Großstadt Altona (200,W0 Einwoh-
Jm Vorfrühling 1813 wurde es
ten.
Hamburg zurückgezogen hätte, s» ge
schah dieses doch nicht. Hamburg
wurde von den Franzosen behauptet
und im Herbst trafen Bennigsens
Truppen «in, um Hamburg zu bela
gern.
Davout raubte die ganze Umge
gend aus, um Hamburg für die Bela
gerung mit Proviant zu versorgen.
Aber es waren doch noch zu viele Esser
in Hamburg, obschon die Bevölkerung
während der siebenjährigen Fremd
herrschaft sich um die Hälfte vermin
dert hatte. Mehr als etwa 25,000
Nichtkämpfer meinte Davout nicht in
Hamburg dulden zu können. Wie
aber sollte er die „Ueberflüfsigen" los
werden? Er machte kurzen Prozeß.
Jeder Hamburger, der nicht die Mit
tel besaß, um sich auf 6 Monate mit
Proviant zu versehen, wurde ausge
trieben. Und so wurden zwanzigtau
send Hamburger Einwohner plötzlich
l och mitten im Winter 1813 —1814
rücksichtslos aus ihrer Heimatsstadt
vertrieben. Die meisten flüchteten nach
dem benachbarten Altona und nach
den Dörfern der nächsten Umgegend,
namentlich auch nach Ottensen. Der-
Chronist Jacobson in Altona schil
dert diese Austreibung in folgender
Weise: „Das Bild der Auswande
rungsszenen wird unvergeßlich in
unserm Gedächtnis sein. Es ergriff
das Gemüt, wenn viele dieser Men
schen in ihren Feierkleidern, in lan
gen Familienzügen von ihrer
Habe nichts als einige Wäsche unter
dem Arm einige vor Verzweiflung
singend, andere jammernd, ihre Kin
der tragend oder auf Schubkarren
fahrend, von Gensd'armen vorwärts
xestoßen, in unsere Stadt einwander
ten. Man dachte unwillkürlich an
den Opferschmuck der Vorzeit, und
heftiger ergriff dieser Gedanke die
Seele, und fast kein Auge blickte trä
nenlos auf die Unglücklichen. Eine
Frau, die 50 Jahre nicht in Altona
gewesen war, betrat die Stadt voll
Hoffnung über ihre zahlreiche Be
kanntschaft unter den angesehensten
Bürgern derselben. Sie nannte den
Vorübergehenden Namen, die nie-
Sie ermüdete nicht, weiter zu fragen,
bis sie Leute traf, die ihr sagen
tonnten, wer von ihr erfragt werde;
Schrecke« de»
wie PHNemon und Baucis aufgesal-!
len waren, und von Kummer und
Jammer lebensmüde sich dort zum
«sterben hingesetzt zu haben schienen,
von denen der eine die andere nur
kurze Zeit überlebte. Vorzüglich
schauderhaft war die Räumung des
großen Hamburger Krankenhofes,
Pesthof genannt. Wenn der Oberprä
sident und der Polizeimeister nicht
schnell Wagen herbeigeschafft hätten,
so wäre eine Menge dieser Unglück
lichen durch die entgegengesetzten Na
turkräfte, Frost und Flammen, um
gekommen. Unglückliche, die aus
Gensd'armen unbarmherzig von den
Wagen in den Schnee der Straßen
gestoßen usw."
Von diesen Vertriebenen nun, deren
Anzahl sich auf 20,0V0 belaufen ha
ben soll, fanden einige Taufende lieb
reiche Aufnahme in Altona und
wurden soweit wie irgend tunlich un
tergebracht, aber viele trugen schon
den Ansteckungsstoff in ihrem Körper,
der unter den Unglücklichen immer
weiter um sich griff, und wie ein
schleichendes Gift das Mark aus den
Wangen trieb. Weder Alter noch Ge
schlecht blieb verschont, in der Luft
brütete das Verderben, und die Ver
triebenen sanken von Seuchen ergrif
fen dahin wie dürre Halme unter der
Sense des Schnitters.
„Sie konnten nicht weiter keuchen,
erschöpft war ihre Kraft,
Frost, Hunger, Elend und Seuchen
die haben sie hingerafft."
Sie fanden ihr Grab auf der Wiese
zu Ottensen; anfänglich wurden sie in
Särgen versenkt, aber als die Anzahl
der Toten wuchs, schichtete man die
Leichen nebenaneinder und bedeckte sie
mit Kalt; das Gras verhüllte bald
mit seinem Grün die allgemeine
Gruft; die Natur, eine liebreiche
Mutter, bedeckte mit der Farbe der
Hoffnung die Stätten des Elends
und Kummers, und die Frühlings
lerche schmetterte ihre Auferstehungs
weisen über dem Ort, wo die erschöpf
ten Pilger die müden Häupter nie
derlegten.
Die Hamburger ließen 1815 aus
der Wiese ein einfaches Monument
errichten; es ist ein Würfel von
Sandstein, auf dem sich zwei Garben
kreuzen, zu beiden Seiten des Steins
sind gesenkte Fackeln eingehauen. Die
Inschrift an der Vorderseite lautet:
Friede den Entschlafenen.
An dieser Stätte ruhen die Gebei
ne von 1138 Hamburgern, welch«
mit vielen taufenden ihrer Mit
bürger von dem französischen Mar
schall Davout im härtesten Winter
181 S und 1814 aus dem belager
ten Hamburg vertrieben, mit men
schenfreundlicher Milde in Altono
her ausgewanderten Landsleuten
in ihrem Elende unterstützt und
verpflegt, demungeachtet aber Opfei
Die Inschrift der Rückseite lautet:
„Diesen Denkstein errichteten Ham
burgs trauernde Bürger ihren
entschlafenen Mitbürgern
im Jahre 1815."
Im Jahre 1841 taufte der Ham
turger Staat die Wiese in Ottensen
für 300 Mark und ließ die Gebeine
der hingeopferten Hamburger nach der
Heimat bringen. Ein Gerücht mel
det, daß die Dänen beim Passitten
der Grenze den Zoll für Knochen er
hoben hätten! Die Reste wurden aus
dem Nicolai - Friedhof in Hamburg
(dicht bei der Sternschanze) beigesetzt
und auch das alte Denkmal aus Ot
tensen ist darüber errichtet worden.
Wenn jetzt ein Autler nicht, der
Weisung entsprechend, an einer be
gen etwas weiter unten am Wege,
Weg. Das ist eine Kette, oder ein
geflochtener Draht, mit vielen her
vorstehenden scharfen Spitzen, Wehe
dem Auto, das mit diesen Stachel
in alle vier Gummiradreifen Löcher
gestoßen werden. Nicht viele Autler
haben Lust, es so weit kommen zu
INeister «ler «au Kunst.
Tie Kathedralen vi» Lao« und St. Quentin.
(Bon Prof. Dr. Arthur Weese.)
Frankreichs künstlerischer Reichtum,
ist nicht bloß Paris mit dem Louvre,
mit Notre-Dame und der stolzen
Schönheit seiner Straßen und Plätze.
Die Franzosen reden allerdings von
Paris und seiner einzigen Herrlichkeit
so überschwänglich und selbstbewußt,
wie von bewunderten und von
lichen Gruß hat, daß sie selbst ganz
Natur so überreich verwöhnte Land
überall, auch in seinen kleinen Dör
fern und Landstädtchen an edlen
Kunstwerken und freundlichen, einfa
chen Stadtbildern besitzt. Man kennt
sie gemeinhin wenig. In Frankreich
spitzt sich alles geistige Streben und
Können von jeher in der alles über
ragenden Einzelsigur zu; im Helden,
im Genie, in dem Königsbau des
Pariser Stadtschlosses, in der schlan
ken Eisengestalt des Eiffelturmes; so
auch in der Riesenkathedrale, die alle
anderen Schwesterbauten i» Schatten
stellt und als unbestrittene Königin
den höchsten Triumph feiern kann.
Beauvais sollte diesen ersten Rang
erreichen. Sie war in der Anlage des
Grundrisses, in der vermessenen
Hochführung der Gewölbe und in der
Breitenspannung der Skizze die un
bedingt größte und mächtigste. Aber
de, Plan überschritt die Grenzen der
technischen und statischen Möglichkeit
so sehr, daß sie zusammenstürzte, ehe
der Schlußstein in die Gewölbe des
Chores eingespannt war. Der Jka
rusflug des kühnen Baumeisters
scheiterte und selbst ein wiederholter
Versuch, ihn durchzuführen, endigte
mit dem gleichen Mißerfolg. Deshalb
blieb Notre-Dame in Paris die frü
heste und im Herzen des französischen
Nationalstolzes die würdigste der go
tischen Kathedralen. ,
Aber die zierlichste und malerisch
bewegteste Schöpfung der gotischen
Kirchenbaukunst ist unbedingt die Ka
thedrale von Laon. Sie ist ein wenig
aus der Art gefallen. In einer Zeit
entstanden, -he die gotische Baukunst
schon in Dogmen festgelegt war, hat
sie sich in höchst eigenartigen und
wunderlichen Trieben ausleben kön
nen und ist daher etwas wunderbar
Seltsames geworden. Auf der Höhe
einer mächtigen, steilen Bergkuppe ge
legen, die gleich einer Meeresküste
über das weite Flachland wuchtig
aufragt und mit den Türmen, die ihr
gleich zu sieben beschert wurden, das
ganze Land als Wahrzeichen beherr
schend, steht sie da wie der Traum
durchbrechen und die Wände in ein
spitzenfeines Gewebe zierlichster For
mel aufzulösen. Die Phantasie, des
Rokokokunst wie eine Vorahnung
künftiger Lieblingsschöpfungen des
französischen Geistes aufgeblüht, um
schnell wieder einzuschlummern und
ihren Tag abzuwarten, der sie erst in
den Zeiten Voltaires wieder wecken
sollte.
Unter den großen Kathedralen der
französischen Gotik gebührt der von
Laon der Preis der Lieblichen, ehe die
Würde und die Majestät des Stiles
die gewaltigen Werke von Chartres,
Veauvais, Amiens und Reims her
vorbrachte. In der Geschichte der Go
tik würde ein edelster Gedanke feh
len, der nur einmal und nur hier sich
hat der Welt zeigen können, wenn
Laon nicht entstanden wäre oder zu
grunde gehen würde. Es ist immer
Glück und Zufall, wenn sich der Stil
von dem großen Schicksalswege, den
er mit eherner Notwendigkeit wan
delt, einmal verlieren und in ein idyl
lisches, sich selbst überlassenes Traum
glück geraten kann. Solch ein Verwei
len zu einer jugendlich reichen und
ungehemmt phantastischen Schöpfung
ist ihm in Laon zuteil geworden. Mit
allen Zeichen unbedenklicher Ver
schwendung, mit einer Fülle schönster
Gedanken, wie sie nur die Jugend er
sinnen kann, ist der herrliche Bau
überschüttet. Der Baumeister und sei
ne Steinmetzen haben das sieht
man den freudigen und mühelosen
Verzierungen an den schweren
Ernst und die drückende Wucht der
manischen Stiles überwinden wollen
und deshalb geriet es ihnen leicht und
gut. Kunstgeschichtlich steht Laon in
der llebergangszeit zum gotischen
Sti! an erster Stelle. Aber künstle-
und Formensinn an einen Platz ganz
für sich stillen und als Schöpfung
„ohne gleichen" feiern.
Das ganze Gegenteil ist die Kathe
drale von St. Quentin, die eigentlich
eine Kollegiat- und leine Bifchofskir
che ist. Obgleich sie durch Grundstein
legung und Weihe auch zu den frü
hen Werten der Gotil zu rechnen ist,
so hat sie doch durch die beiden Quer
fchiffe, den reichgegliederten Chor und
durch den vor der Ausgangsseite vor
geschobenen Glockenturm, der sich wie
ein Torwächter vor diese Empfangs
tür stellt, breit, ungeschlacht und rück
sichtslos, den Charakter langsamen
sind englische Einflüsse in der Grund«
rißbildung. Der Name der Kirche des
heiligen Quentins weist auf Schott-
Aber feit Wochen steht sie, ebenso