W MMÜM UM mm LZ lIMe. Roma» von H. iL o ur thS-M ahler. IU. Fortsetzung.) Es folgte ein lichtgraues Be suchskleid, dann eine Robe sür Theaterbesuche und schließlich ein sußsreier Regendreß in graumelier tem englischen Stoff. Einige Män tel und Hüte wurden noch probiert und zuletzt kam ein reizendes wein rotes Hauskleid aus feinfädiger Mar quisette an die Reihe. Das mußte Pia gleich anbehalten. Als eine völlig umgewandelte Person verließ sie an Tante Marias Arm ihr Zim mer. . „Heute zu meinem Jour wirst du das erdbeerfarbige Smokkleid tragen, Pia" sagte die Gräsin, als sie wie der in dem kleinen traulichen Salon beisanmensaßen, „Wie du willst, Tante Maria", antwortete die junge Dame. Di: Gräfin lächelte. „Nun im Anfang soll dir hier mein Wille etwas vorschreiben. Später wirst du auch in dieser An legenheit selbst entscheiden lernen." Und dann plauderte sie über die Gesellschaft, mit der Pia nun zu sammenkommen sollte, erzählte auch von der großen Saison in Baden- Baden, von den Rennen im Sommer und dem lebhaften Treiben, das dann in der großen Badener Woche herrsch t», wo alle Hotel mit Fremden über füllt waren und alle Welt hier zu Davon hatte Hans schon erzählt. Pia sollte das nun alles selbst erle ben und war soll Erwartung. Am meisten aber interessierte sie doch, wie sie heute über den Jour Tante Maria hinwegkommen Da die Sonne sehr verlockend schien, machte die Gräfin nach Tisch mit Pia eine Ausfahrt im offenen Wagen. Eine eigene Equipage besaß Eckhofs nicht, das erlaubten ihre bescheidenen Mittel nicht. Aber sie konnte jederzeit auf telephoni schen Anruf einen gemieteten Wagen baben, Er stand ihr auch heute zur Beifügung. Pia trug das elegante Trvtteurko stüm und die slotte, kleidsame Samt toque, dazu die Zobelstola mit dazu passendem Riesenmuff. Sie sah sehr reizend aus, ass sie neben der Grä fin im Wagen saß. Man begegnete verschiedenen Bekannten der Gräfin, die mit mehr oder minder neugierigen Blicken die junge Dame streiften und sichtlich interessiert grüßten. Die Gräfin Eckhoff war eine sehr bekannte Persönlichkeit, und es fiel allgemein auf, daß eine fremde junge Dame in ihrem Wagen saß. „Mein Jour wird heute sehr gut besucht werden," sagte die Gräfin lächelnd. Sie war eine gute Men schenkennerin und wußte, we!che mächtige Triebfeder die Neugier war. Als erster Besuch zu diesem Jour der Gräfin stellte sich Exzellenz Rott heim ein, die Witwe eines verdienst vollen Staatsmannes, die gleichfalls ihr bleibendes Domizil in Baden-Ba den aufgeschlagen hatte. Sie war immer und überall dabei, wo „etwas los" war, und zwar nicht oft zur Er bauung ihrer Mitmenschen. Wegen, ihrer Bosheit und Klatschsucht war sie allgemein gefürchtet und nur aus Furcht ertrug man sie. Rasend neu gierig war die gute Exzellenz auch, und sie hatte kaum die Zeit erwarten können, wo sie erfahren konnte, wer die junge Dame war, die heute mit der Gräfin im Wagen gesessen hatte. So kam sie denn als Erste in das große Empfangszimmer der Gräfin. In starrer Seide rauschte daher, b°aut und umgaben das rote, starkkno chige Gesicht, das seltsam mit der un tersetzten, üppigen Figur kontrastierte, in sehr verdächtiger Fülle. Die klei nen dicken Hände waren reich allzu und auf dem mit cremefarbigem Tüll verhüllten Ausschnitt ihres penseefar bigen Kleides schaukelte sich ein bril lantenfunkelndes Riesenmedaillon an Einen vornehmen Eindruck machte Exzellenz Rotiheim also nicht. Sie rauschte ein wenig atemlos aus die Gräsin zu, die in einem schwarzen Spitzenileid sehr vornehm und hüpsch aussah und die Exzellenz fast um Haupteslänge überragte. „Tag. liebste Gräfin wie geht es Ihnen? Ich bin wohl die Erste? Nun macht nichts, einer muß den Anfang machen. Was Habe ich da , heute für ein« j'mge Dame neben Ih nen im Wagen gesehen?" forschte sie atemlos mi. einer aufdringlichen so angenehm erscheinen ließ. „Es war «omtesse Buchenau, Ex zellenz," ?rzellenz Rottheim sank ächzend in .Buchenau? Buchenau? Warten Sie mal, liebste Gräfin da muß Exzellenz hatte den ganzen Gotha im Kopfe, und nach kurzen Nachden ken war sie orientiert. „Nichtig richtig die Reichi grasen von Buchenau, Steht nur noch auf zwei Augen, das alte Geschlecht, Graf Lothar Buchenau hat eine Komtesse Stettenheim geheiratet, die ziemlich jung gestorben ist und —" „Ganz recht, Exzellenz," fiel ihr die Gräfin schnell in die Rede, um sie an weiterem Nachdenken zu hindern. Es war nicht nötig, daß sie sich auch noch an die unglückliche zweite Ehe des Grafen erinnerte und diese Erin tesse Pia ist die einzige Tochter, über haupt das einzige Kind des Grafen Lothar Buchenaua." „Hm, hm! Also eine glänzende Partie, die Buchenaus sind sehr begü tert, soviel ich weiß." „Allerdings, Exzellenz, daran fehlt es nicht," antwortete die Gräfin lä chelnd. Sie wußte, daß Exzellenz Rottheim ein paar start verschuldete Neffen hatte, die sie gern glänzend verheiraten wollte. „Nun, liebe Gräfin, sagen Sie mir auch, wie Sie dazu kommen, mit der Komtesse auszufahren," trompetete die neugierige Exzellenz. Gräfin Eckhoff berichtete, was sie für gut fand. „Komteß Pia ist in ländlicher Ab geschiedenheit in Schloß Buchenau aufgewachsen, weil ihr Vater leidend ist und seh» zurückgezogen lebt. Nun soll sie in die Gesellschaft eingeführt werden, und ich habe es übernommen, sie zu chaperonieren." „Oh das ist ja interessant! Aber sagen Sie mir, liebste Gräsin, wie kommen gerade Sie zu diesem Ami?" forschte Exzellenz unentwegt weiter. Die beiden Damen merkten n'.cht, daß in diesem Augenblick unter der Portiere, die den Eingang in das Nebenzimmer halb verdeckte, Pia er schien. Als sie aber die laute Stim me der Exzellenz vernahm, trat sie erschrocken und unangenehm berührt wieder hinter die Portiere zurück und ließ sich in einen Sessel nieder, war tend, daß Tante Maria sie dann selbst hervorholte. Und so wurde sie ungewollt ZuHörerin des folgenden Gesprächs: „Wie ich dazu komme, Exzellenz," sagte Tante Maria mit ihrer wohl tuenden Ruhe, „ist schnell erklärt. Mein Nesse, Herr v, Ried, ist der di rekte Gutsnachbar des Grafen Buche nau und sehr mit ihm befreundet. Er bat mich, die Komtesse einige Zeit unter meinen Schutz zu nehmen." „Ah so ah so! Hans Ried v, Riedberg, der Kosmopolit. Zöo steckt er denn jetzt? Man hat ihn so lange nicht bei Ihnen gesehen, liebste Grä fin. Ist er wieder auf einer Welt reise begriffen?" „Nein, er lebt schon fast seit einem Jahr in Schloß Riedberg." „Ah schau, schau, schau will er sich endlich zur Ruhe setzen? Ist er denn nun verheiratet?" „Nein, bis jetzt noch nicht/ „Hm, hm! Noch nicht? Aber er in St. Moritz begegnete, drauf und dran, sich zu verlobeii. Er reiste zwar meinen beiden Neffen ankam, aber wir hörten, daß er in St. Moritz sich ernstlich und mit Erfolg um eine sehr ' schöne junge Witwe beworben hatte. Man wollte wissen, daß er ganz ra send verliebt gewesen wäre und daß er nur abgereist war, um seiner An gebeteten zu folgen und sie zu heira- I ten. Er soll ganz von Sinnen gewe sen sein vor Leidenschaft." Die Gräfin ahnte nicht, daß Pia diese Worte hörte. „Es wird so viel gesprochen, Exzel lenz, worauf man nichts geben kann. Man weiß ja, wie solches Gerede oft aus dem Nichts entsteht." „Nein, nein, liebe Gräfin, solch ein Gerede war das nicht. Ich weiß es aus positiver Quelle. Einer seiner Freunde hat ihn in St. Moritz zurück gereist war, aber er hat sich nicht hal ten lassen. Wie gesagt, er soll rasend veviiebt gewesen sein" „LH, ich denke doch, der beste Ge genbeweis ist der, daß mein Neffe diese Dame weder geheiratet hat, noch „Nun, nun jedenfalls steht sest, ganj erregt darüber, daß er ihr über all wie ein Schatten gefolgt ist, zu mal er sich sonst sehr zurückhaltend lobt ist, scheint mir kein Gegenbeweis. Vielleicht hat er sich einen Korb ge holt. Die Dame soll ja sluchteitig abgereist sein." Am liebsten hätte die Gräfin die klatschsüchtige Exzellenz dadurch zum Schweigen gebracht, daß sie ihr er klärte, daß ihr Neffe mit Komteß Bu chenau verlobt sei. Aber djefe Ver lobung sollte noch nicht publsl werden, «>d so mußte sie schweigen. Sie be jnu-!,'. PH, z» sagen: ,Ei wird kaum viel an der Sache gewesen sein, sonst wüßte ich davon/ Wieder lachte die Exzellenz so schrill, daß Pia zusammenzuckte auf ihrem Lauscherposten. „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer, liebste Gräfin. Aber das Thema scheint Ihnen unangenehm zu sein. Wir wollen es fallen lassen. Und um wieder auf Ihre Schutzbefohlene zu kommen wird man sie zu sehen bekommen heute?" Als Pia diese Worte hörte, floh sie erschrocken aus dem Zimmer, in dem sie sich befand. Es war ihr un möglich. jetzt in diesem Augenblick vor diese fremde Frau mit der unan genehmen Stimme und dem häßlichen Lachen hinzutreten. Nun stand sie mit klopfendem Her zen am Fenster ihres Stübchens und sah mit großen, erschrockenen Augen vor sich hin. Von alledem, was sie ge hört hatte, war ihr nur eins hasten geblieben, daß Hans Ried eine schöne >unge Wittwe wahrsinnig geliebt ha ben sollte. Sie verstand in ihrer Un ktfahrenheit nicht, was in diesen Worten lag. Aber sie waren ihr schmerzhaft tief ins Herz gedrungen wie eine feindliche Botschaft, gegen die sie sich nicht wehren konnte. Ihr war so weh zumute, als ob sie etwas Liebes und Schönes verloren hätte. Sie mußte immer darüber nach sinnen, seit dieser Stunde, wie das wohl sein mochte, wenn ein Mann eine Frau „wahrsinnig liebte," ganz seltsam klang das für sie. Es rüt telte an ihrer Ruhe .ihrem Frieden, dies sonderbare Wort, und zwang sie, darüber nachzudenken. Zum erstenmal trat vor ihre reinen Augen dieser fremde Begriff und zwar in Verbindung mit Hans Ried. Das war ein inneres Erlebnis für sie und es wirkte um so nachhalti ger, weil sie sich zu niemand darüber aussprechen konnte. Auch zu Tante Maria nicht darüber nicht. Eine wahnsinnige Liebe? Was mußte das nur sein? Und Hans Ried hatte diese schöne Dame heiraten wol len und hatte wohl einen Korb bekommen! Und nun nun sollte sie seine Frau werden? Durch eine unerklärliche Jdeenver bindung mußte sie an die Stunde denken, da sie sich mit Hans verlobt hatte und sein Herz so ruhig und gleichmäßig hatte klopfen hören. Wie Wie ein Schauer flog es über sie hin. Sie wollte diese Gedanken von sich wehren. Ach wenn doch Tante Maria jetzt allein wäre, daß sie zu ihr gehen könnte und sie fragen Ja was wollte sie eigentlich fra gen? Ob es wahres«, daß Hans eine sie wollte auch nicht mehr daran den aarstigc alte Exzellenz gesagt hatte. Tante Maria war ja auch so ruhig vergessen. Aber auf den Willen kommt es dabei meist nicht an. Gedanken sind Dort fand sie Tante Maria noch immer allein mit Exzellenz Rottheim. Die letztere hielt ein Schildplattlorg non in den dicken, ringgefchmückien gen. Die Gräfin stellte Pia vor, die sich e ». ' ß , Stunde erinnern. Und zugleich schau derte sie vor der häßlichen, fetten Hand zurück und legte impulsiv ihre eigenen Hände auf den Rücken, als fürchte sie sich, diese Hand berüh ren. Sie wußte mit Bestimmtheit, Tante Maria machte ihr verstohlen ein Zeichen, das sie daran erinnern sollte, welche Art der Begrüßung sie ihr alten Dame» gegenüber vorge schein und faßte mit heimlichen Wi derstreben nach der dargebotenen Hand, Aber sie konnte sich nicht d>izu entschließen, ihre Lippen darauf ru hen zu lassen. Schnell ließ sie die Hand wieder aus der Ihren gleiten und verbarg diese in den plissierten Falten ihres Aleides. .Exzellenz müssen Nachsicht haben mit meinem tleinen weltfremden Schützling/' sagte die Gräfin ruhig, Pia entschuldigend. Exzellenz Rottheim hatte schon ei nen zornigen Blick in Bereitschaft, aber die Worte der Gräfin besänftig ten sie. Aber dann dachte sie auch an ihre Neffen. Die Kleine war nicht übel und sehr reich. Außerdem hatte sie ihr die schuldige Huldigung anscheinend nur aus Unkenntnis der Formen versagt. Exzellenz beschloß also, Nachsicht zu haben, und wollte gerade vertraulich scherzend Pias Wangen klopfen, als zum Glück an dre Gäste eintraten und sie ablenk ten von ihrem Opfer. Pia hatte sich entsetzt geflüchtet, als ihr ausgestreckt hatte. Die Gräsin legte aber schnell ihren Arm um ihre Schultern und raunte ihr zu: „Tapfer, kleine Pia." Dann wurde diese andern Gästen vorgestellt. Und nun lieh sie sich lei nen Verstoß mehr zu schulden kom men. Nur als nach einer Weile Ex zellenz Rottheim wieder an sie her antrat und sich vertraulich mit ihr unterhalten wollte sie wollte Pia von ihren Neffen erzählen —, da ent floh die junge Dame wieder mit ei ner hervorgestoßenen Entschuldigung. Die Gräfin glich auch das wieder aus mit der lächelnden Versicherung, daß Pia so gar nicht gewöhnt sei, mit Respektspersonen umzugehen und sich daher gerade Exzellenz gegenüber so befangen zeige. Noch war Exzellenz Rottheim gnä dig gestimmt. Sonst kvnnte die Gräfin mit Pia sehr zufrieden sein. Sir benahm sich sehr gul, wenn auch im Anfang ein wenig scheu und verzagt. Es siel der Gräfin auch auf, daß sie ein wenig bleich aussah und daß die goldschim mernden Augen zuweilen wie im schmerzvollen Grübeln vor sich hm starrten. Aber je weiter der Ab?nd vorschritt und je mehr Gäste kamen, je lebhafter und freier wurde sie. Keine Ahnung kam der Gräfin, daß Pia ihre Unterredung mit Exzellenz Rotlheim gehört hatte und daß nun der erste leichte Sturm über diese jun ge Mädchenseele dahingebraust war. unbekümmert, als sie die beiden Ba ronessen Lindau, blonde, rosige Zwil lingsschwestern, und noch einige andre tige etwa in Alter. Die Gräsin hatte ihnen gleich bei de« Vorstellung gesagt, daß Pia eine küh ne Reiterin sei und gern mit ihnen ausreiten würde, wenn es das Wetter erst erlaubte. So war schnell ein Anknüpfungspunkt zwischen den Schwestern und Pia geschaffen. Baron Lindau war Oberhofstall meister, und seine F>?au und seine Töchter bewohnten eine Villa in Ba den-Baden. Er selbst kam, sooft er dienstfrei war,von Karlsruhe Heruber. nel Gefallen aneinander und in die ser Stunde trat zum ersten Male auf leisen Sohlen die Mädchen freundschast an Pia heran, jenes duftige, schaumgeborene Etwas, das aus Lachen und Scherzen, aus wich tigen, unwichtigen Geheimnissen und tausend süßen Torheiten gemischt ist. Die Anküpfung dieser Freund schaft, das lebhaste Gespräch über Pferde und allerlei Sport, das frohe ! Lachen der Baronessen und andrer vorläufig wieder den Eindruck der belauschten Unterredung und Pia sich ganz der munteren Unterhal tung hin. Die Baronessen fanden Pia in ihrer drolligen Ursprünglich keit, die sich zwischen dem jungen Volk schnell Bahn brach, goldig. Nach Art junger Mädchen wurde man schnell vertraut Auch die Ba ronessen waren erst diesen Winter bei Hofe vorgestellt und in vie Gesell schaft eingeführt worden, nachdem^sie waren. Sie waren aber sehr viel weltgewandter und weltklüger als Pia, staunten jedoch über deren tiefes Wissen, das bei einigen De batten, an denen sich auch einige Herren beteiligten, zum Vorschein Man fand die reizende kleine Kom tesse famos. Die Art, wie sie ei nige Komplimente der jungen Herren auffaßte in ihrer Naivetät, entfes selte Lachstürme. Und Pia lacht fröh lich mit. Tie Gräfin hörte zufrieden ihr warmes, klares Lachen aus der lusti en Ecke herüberklingen, wo sich die jungen Leute zusammengefunden hat ten. Pias Anwesenheit belebte den tleinen Kreis. Wenn sie irgend etwaS falsch ge macht hatte, bat sie heiter um Be lehrung, unv jeder beeilte sich, das kleine reizende Landsaulein, das seine gesellschaftliche Unwissenheit so ehrlich und offen eingestand, auf zuklären. .Wir gründen eine Vereinigung Erziehung dieser kleinen Welt fremden", schlug Baronesse Hilde, eine zer Zwillinge, lachend vor. Der Vor schlag wurde jubelnd akzeptiert. Exzellenz Rottheim ärgerte sich. daß Pia gleich auch von den jungen «Man wird den Goldfisch schnell einsangen wollen", dachte sie. Und sie wollte doch so gern „den Goldfisch" für einen ihrer Neffen re nach Baden-Baden kommen würden. Sie rauschte resolut auf die fröh liche Gruppe zu und fetzte sich neben Pia, lebhaft mit ihrer Trompeten stimme auf sie einredend. Das frohe Lachen verstummte so fort. Die jungen Leute machten mißvergnügte Gesichter und unter hielten sich steif und gezwungen. Exzellenz wirkte entschieden atembe klemmend. Pia aber saß blaß und entsetzt, wie erstarrt, neben der alten Dame und sah mit flehenden Augen zu Tante Maria hinüber. Diese hatte bereits bemerkt, wie still es da drüben geworden war, und als sie nun Pias Blick begeg nete, erbarmte sie sich und kam her über. „Exzellenz, Sie sind doch eine Kennerin echter Spitzen. Ich habe in einem alten Koffer, der noch aus dem Nachlaß meiner Eltern herrii^t, weiß, ob sie wertvoll sind oder nicht. Würden Sie sich dieselben einmal an sehen?" sagte sie liebenswürdig mit lnsem, schalkhaftem Lächeln die jungen Gesichter streifend. Die Schwäche der guten Exzellenz, sich für eine Kennerin alter Spitzen auszugeben, war allgemein bekannt. Man benutzte diese Schwäche oft ge nug, sie für eine Weile unschädlich zu machen. Die Gräfin wußte sehr wohl, daß ihre Spitzen durchaus kei nen Hohen Weit hatten. Aber sie beschäftigten Exzellenz Rottheim ein Stündchen. Sie saß dann, die Lorg nette vor den Augen, mit wichtiger Miene in irgendeinem stillen Neben zimmer und gab meist ein total fal sches Urteil ab, wenn sie die Spitzen betrachtet hatte. Man verwahrte über all für diesen Zweck ein Bündchen Auch jetzt wirkte der kleine diplo matische Kniff. Exzellenz erhob sich sofort mit wichtiger Miene und folgte der Gräsin ins Nebenzimmer. Ein verstohlenes Kichern folgte ihr. Es wurde wieder lustig in der Ecke der jungen Leute. Einer der jungen Herren fragte die langsam wieder zu sich kommende Pia mit dem harmlo sesten Gesicht: „Wie gefällt Ihnen Exzellenz Rott- Heim, gnädigste Komtesse?" Alle lauschten auf ihre Antwort. Und Pia antwortete aufatmend, im Brustton ehrlichster Ueberzeu- „Oh, sie ist eine gräßliche alte Frau!" Eine Lachsalve folgte diesen Wor ten. Man war einfach entzückt da v?n. Was bisher jeder nur still für sich gedacht hatte, das sprach das kleine Landsräulein ohne Umschweife Dieser Ausspruch wurde eifrig kol portiert und verbreitete sich im gan zen Bekanntenkreise der Exzellenz wie ein Lauffeuer. Leider kam er auch nach einigen Wochen auf einem weiten Umweg der Exzellenz selbst zu Ohren. Und das trug Pia die erbitterte Feindschaft der alten Dame ein. Sie strich Pia seit diesem Tage energisch aus der Liste der Erbinnen, die sie sür ihre Neffen aufgestellt hatte, Sie überhäufte Pia seit die ser Zeit mit boshaften, spitzfindigen Redensarten, die Pia zu ihrem Glücke meist nicht verstand. Die junge Dame merkte nur, daß ihr Erzellenz nie mehr huldvollst die Hand zum Kusse reichte, seit, sie das erfahren hatte Darüber war Pia aber sehr stoh, denn Tante Maria hatte ihr gleich am' Tage nach diesem ersten Jour nochmals dringend ans Herz gelegt, solche Höflichkeitsbezei gungen nicht zu unterlassen. Alles in allem hatte Komteßchen aber brillant abgeschnitten bei diesem ersten Jour. Pia an diesem Abend zu Bette. Erst dacht.' sie froh darüber nach, daß die beiden Baronessen einen Freund schaftsbund mit ihr geschlossen hat ten und mit ihr fleißig ausreiten wollten. Dann aber, als sie schon in. Halbschlaf lag, hörte sie die Trompetenstimme der Exzellenz sa gen: „Er soll sie wahnsinnig geliebt Sie schrak zusammen, kam aber nicht mehr recht zum Bewußtsein und schlief ein. Im Traume erschien ihr Exzellenz Rottheim wieder. Sie steckte fetten, häßlichen Hän^ ten sich zu Klumpen und sahen auS wie qroße Mauersteine. Schließlich warf sich die graue verwitterte M^e -in schrei aus Pi „Hans hilf mir die Mau er!" Und da beugte sich Hans Ried über sie, hob sie mit starten Armen empor und trug sie hinweg, Sie schmiegt- sich im Traume wie erlöst an ihn und hörte sein Herz tlopfen ganz ruhig und gleichmäßig und laut und start. Monate waren vergangen, seit Pia in Baden-Baden weilte. Je wei ter die Jahreszeit vorwärts schritt, larmillionäre, die märchenhafte Preise zahlten, Das wurde alles noch viel schlim- Pia hatte sich überraschend schnell mit der Elastizität ihrer Jugend un» hafte GesellschaftStreiben geschickt. Sie erinnerte jetzt in keiner Weise ganten und geschmackvollen Toiletten, die sie selbst auswählte, mit derselben Anmut iNld Selbstverständlichkeit wie andre vornehme Damen. Die Gräfin Eckhoff Hatte es wirk lich leicht gehabt, Pia den nötigen Za>icl deizuvringen, viel leichier, als sie selbst geglaubt yatte. Schneller, als sie für möglich gehalten halte, war Pi» mit den Gewohnheitest einer eleganten, vornehmen Dame betannt geworden. Dabei büßte sie aber, dank dem verständnisvollen und vorsichtigen Wallen der Gräfin, nichts von ihrer lösllichen Frische und Ursprünglichkeit ein. Komteß Pia war bald in dem Kreise der Gräfin eine bekannte und beliebte Erscheinung. Man suchte ihre Gesellschaft wie einm Jungbrun nen, an dem man sich erfrischen tonnte, und man amüsierte sich Uder ihre treffenden und ungeschminkte» " Lügen yatte Komteß Pia zu ih rem Glück noch nicht gelernt. . Das Höchste, was sie leisten konnte, war schweigen, wenn sie einmal aar nicht mit der Wahrhei herauSloinmen durfte. Rur eine Feindin besaß Pia das war Exzellenz Rottyeim. Diese hatte zwar noch einmal feurige Köh len auf Pias Haupi gesammelt, als ihre Reffen zu Besuch eintrafen. Sich und ihren Groll bezwingend, hatte sie ihre Reffen Pia vorgestellt und es sichtlich unterstützt, daß diese der jungen Dame auf Tod und Le ben den Hof machten. Pia blieb aber allen verartigen Bemühungen gegenüber vollständig kalt und unge rührt. Das hatten schon andre Her ren erfahren müssen. Die beiden Ref fen der Exzellenz waren nun vol lends nicht danach angetan, ihr ge fährlich zu werden, und sie halte sie mit derselben Unbelümmertheit und Harimosigleit abblitzen lassen wie die andern vielleicht etwas weniger liebenswürdig. So mußten die Neffen nach er folglosem Belagerungszustand wie der abreisen. Und das vergaß Ex zellenz Pia noch weniger als die „gräßliche alte Frau". Jedenfalls beruhte die Antipathie Zwilchen Pia und ihr auf Gegenseitigteit. Pia hatte jedoch alle Sympathien aus ih rer Seite, denn die gute Exzellenz war wirklich eine Art Landplage. Pias Ausspruch über sie kursierte längst als geflügeltes Wort. Mit den beiden Baronessen Lin dau war Pia innig befreundet. Die Zwillinge hatte sie ins Herz geschlos sen. Sie fühlten sich zuerst, laum selbst flügge geworden, in einer Art Befchützerrolle Pia gegenüber. Und wehe dem, der ihr zunahegetreten Der eifrig betriebene Reitsport bil dete dann weiter ein festes Band. Meist begleiteten die Baronin und ein Stallmeister die jungen Damen. Zuweilen ritt aber auch Baron Lin dau selbst mit ihnen. „Gouvernan te" war als erstklassiges Rassepferd sehr bewundert worden und hatte entschieden, wie ihre junge Herrin, ei niges Selbstbewußtsein erlangt. Auch die Baronessen ritten edle Tiere, und bei Baron Lindau war das selbstverständlich. Der stattliche muskulöse Mann mit dem scharfkan tigen Reitergesicht und die drei jun gen, feschen Reiterinnen gehörten zu ten interessantesten Typen des Bade ortes Jeder neu Angekommene wur de aus dies reitende Kleeblatt auf merksam gemacht. orei jungen, kühnen Reiterinnen Auf sehen und Bewunderung. Pia faß jetzt drillant im Damensattel und sah in ihrem eleganten, tadellos sit (Fortsetzung folgt). Vor der Musterun g. Ach Gott, habe ich Angst, daß sie mich Hab' keine Angst, dann nehme ich dich!
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