Wem nie durch Diebe Leid geschah! <g, Fortsetzung.) Edith sah angelegentlich auf die Lackspitzen ihrer weißen Stiefelchen. .Ich bin ihm eine Last. Papa, und die andre liebt er so heiß und sehn suchtsvoll, wie man eben nur einmal lieben kann; soll ich warten, bis er mich auffordert, zu gehen? Kann es sich mit der Zusendung der Briefe nicht um eine abgekartete Sache han deln?" Und bei sich dachte sie, daß Armin oft recht zerfahren und unberechenbar jener eine Zusammenkunft hatte. Wo zu sich opfern, wo doch alles verloren war! Wernicke überlegte schweigend eine ganze Weile. „Nein," sagte er dann bestimmt, „eine solche Handlungsweise men, daß es sich um einen Racheakt handelt. Ich habe Armin, ehe ich dich, mein einzig geliebtes KjNd, ihm anvertraut«, unauffällig, aber scharf gekommen, daß er ein selten guter Mensch ist, welcher unser Vertrauen und dein« Liebe in vollstem Umfange verdient." „Er ist ein Elender, Papa, Auch du hast dich durch ihn täuschen las sen, ich kann es dir beweisen. Morgen hat er ein Rendezvous nitt jener meine Leichtgläubigkeit belustigen!" „Woher weiht du das?" Diese letz te Mitteilung schien Wernick« doch sehr peinlich zu berühren. .Gut. Du bist im Vorteil. Ich rate dir, ungesehene Zeugin des Rendez vous zu sein. Du mußt hören, was die beiden sich zu sagen haben. Da nach wollen weiter beraten, mein Webling, und was du noch nicht be sitzt, das erringe dir. Dein weibliches Feingefühl und" er fand schon blasse Gesicht. kann nicht, Pa- t I I cht whl was in ihr vorging. „Du bist vor Gott und dem Gesetz Armins etliches Weib, und wenn du liebevoll und zärtlich warst, so erfülltest du nur deine Pslichl. Hüte dich vor unna türlichen, krankhaften Gefühlen, sie zachen kl«inlich und «ngherzig. Kopf hoch, meine Tochter, und nicht ver engt!" „Ich habe das Frühstück serviert, meldete von der Tür her die dünne, .Hoffentlich was recht Gutes!" meinte Wernicke. „Komm, Liebling, d«in« Schreckensbotschaft'hat mir Ap petit gemacht, und du fällst auch fast um vor Hung«r, das sehe ich dir an." „Du kannst scherzen. Papa, wo mein Lebensglück auf dem Spiel steht!" „Glaube ich nicht, Kleinchen, und fe länger ich über die Geschichte nach denke, um so mehr bin ich überzeugt, daß es in deine Hand gegeben ist, al les zum Guten zu wenden. Eine denk« immer." W«rnicke erwog auch, ob es besser sei. wenn er Edith mitteilte, daß Ar min ganz ossen zu ihm über jene Lie brsafsär« gesprochen: doch hielt er «s für richtiger, wenn «r schwieg. Es war Armins Sache. Edith von jener Angelegenheit so viel oder so fand? Ein Dritter kann so leicht mit einem unbedachten Wort Unheil zwischen Eheleuten stiften. Er hätte «s sich ja niemals verziehen, wenn durch seine Schuld die Klnst, welche bereits zwischen den jungen Leuten gähnte, noch erweitert worden wäre. Drum ließ er alles auf sich beru hen und redete seiner Tochter nur zuHarren und den Mut nicht sinken zu lassen. Als Edith v. Selnow eine Stunde später das Haus ihres Vaters ver ließ, war sie zwar noch sehr nikder r»m gab sie ihrem Vater recht, daß «s richtiger sei, wenn sie noch erst prüfte,' wie groß das Unrecht ihres ManneS ehe sie für immer ging. Ungesehen gelangte sie in ihre Woh vung. Alles war. wie sie eS vor «!- Lange lonnte si« jedoch ihren Ge danken nicht nochhängen, es klopft«. und gleich darauf steckte Tante Klo thilde den Kops durch die Tür. .Ich war schon zweimal bei dir oben. Kind, wo hast du nur gesteckt? Weißt du noch gar nichts? Der Papa hat ei nen Schlagansall erlitten, er ist mit- Doktor hosst ja, ihn gänzlich wieder herzustellen. Aber der furchtbar« Schreck ist inir so in die Glieder ge fahren." „O mein Gott," sagte flüsternd di« junge Frau, „das ist heute ein richtiger Unglückstag! Darf ich Papa sehen? Ist er bei Besinnung?" „Vollkommen, Edith, ober «r leidet sehr, die rechte Seite ist gelähmt und das Uebel wird sich nur langsam, durch tägliche Massage, heben lassen." „Ich will zu ihm," sagte kurz ent gischen Art die junge Frau, „am lieb sten würde ich die Pflege übernehmen wenn «r es duldet," setzte si« zö gernd hinzu. „Aber Goldkindchen, darum komme ich ja zu dir, er leidet keinen Frem den um sich. Die Pfl«g«rin, welche der Arzt tel«phonisch herbeirief, hat suche es, Liebe, der Portier ist ganz oft du seine Hilfe brauchst... Du armes Kind, siehst auch ganz verstört Ausfallend blaß sah Edith aus, er wirb dir doch nicht zu viel werden, liebes Herz? Du siehst so angegrif fen strich er über ihr erbleichte noch tiefer? Aber das bildete er sich wohl nur ein. Edith antwortete mit ruhiger „Ich bin froh, daß ich Papa pfle- Dabei sah sie nicht ein einziges Mal auf zu ihm. Allerdings, es gab hier viel zu bedenken und zu über über die strengen Zügen, „Edith ist ein gutes Kind, ein sehr gute? Herz, das hat der alte Wernicke doch gut schlief der Oberst ein, zu Tisch kommen. Edith habe sich Mahlzeit ein. Während der Geschästsslunden hat te es ihn sehr beunruhigt, daß er ver gessen, Julies Brief in seinem Schreibtisch zu verschließen, Wie leicht konnte das Schreiben Edith in die Hände fallen. Der Zufall ist in solchen Dingen oft heimtückisch. Daß Als Armin fort war, nahm sie ih- Und Tante Klothilde hatte nicht zu viel gesagt, eine duldsamere, gewissen aussehen mochte. Vielleicht hatte sein unfreundliches, barsches Wesen ihr so weh getan. Wie eine Vision tauch schaut. „Aber zum Kuckuck mit diesen selbstquälerischen Grübeleien, das war seile ihn ans Lager. Edith ahnte nichts von dem, was in ihreA Schwiegervater vorging, un ablässig waltete sie ihres Amtes, mit einer wohltuenden Herzlichkeit und hüllt. Der Oberst wurde freundlicher, fast zutraulich. Ediths liebe klare Augen schauten ihn dankbar an, doch der wehe Zug wich nicht von ihren fest zusammengepreßten Lippen. tonnte?" Ilnd wieder tauchte die zarte Ge stalt Melittas vor seinem Geiste aus. Er konnte nicht fliehen. Die eigenen Worte, welche er so oft in unbeherrsch tem Zorn gegen sie gebraucht, tönien hin lassen. Endlich glaubte er es nicht mchr ertragen zu können. Er nannte leise Ediths Namen, „Komm her, Kiad. mir altem Tyrannen nicht übel, wenn ich unausstehlich bin. Es ist nicht halb so schlimm gemeint, wie es dir Ein mattes Lächeln teilte Ediths Hand und streichelte sie, Tränen der Der Kranke schloß die Augen. Ihm sich mit der längst verstorbenen Schwester ausgesöhnt. Und jetzt empfand er es auch mit Befriedigung, 13, Kapitel. Der übernächste Tag. an welchem das Rendezvous zwischen Julie v. Makrow und Armin stattfinden soll te, zog in wolkenloser Klarheit Her- Edith hatte sich heute durch Kopf- Lnnge vor der festgesetzten Zeit war sie zur Stelle. Am Fuße des Dennnals wucherte dichtes Buschwerk, das von einem fuß. hohen Eisengitter umschlossen wurde. Vor dem Gebüsch befand sich eine Bank. Edith überstieg kurz entschlossen das Gitter und verbarg sich in dem Gebüsch. Sie konnte von niemand gesehen werden und doch durch meh rere Lücken in den Zweigen die Bank und den Platz davor sehr gut sehen. Ihr Herz klopfte zum^Zerfpringen, Glück, das hier an dieser Stelle ver- Aber trotzdem Edith wußte, daß Trennung von Armin ihr Tod sein FMgel? Julie v. Makrow gebracht hatte. Sie Zweige des Buschwerks, die Blätter Jutte. S . Diese Frau liebte Armin? Oh. Es gab Edith einen schmerzhaften Stich, als er sah, wie er den Hut tief und respektvoll vor der Fremden zog- Sie streckte ihm mit bezaubernder Lebhaftigkeit beide Hände entgegen, „Ich danke dir. daß du gekommen Er stand steif und reserviert vor ihr. „Haben Sie mir so Wichtiges mitzuteilen, gnädige Frau, daß diese tigt erscheint?" Julie lächelte. In ihren rosigen Wangen erschienen Grübchen, aus ihren Augen flammte ihm die Leiden schaftlichkeit der gereisten Frau entge gen. „Ich bitte dich. Herzliebster, sei wieder gut. Ich will mich ganz in deinem Sinne ändern. Mein ganzes Vermögen soll dir gehören. Es war lange dein Wunsch, selbst ein Bank haus zu gründen. Jetzt kannst du es. Die Mittel stehen zu deiner Verfü gung. Ach. Armin, ich habe ja einse hen müssen, daß ich ohne dich nicht leben kann. Und dir geht es sicher ebenso. Was kann die temperament lose, beschränkte Frau dir wohl sein! Trenne dich von ihr. damit wir end lich zu unserm Recht und Glück tom-, men." „Wer hat Ihnen Julie. daß Das klang fast drohend. Edith be kam rasendes Herzklopfen. Am lieb, sten wäre sie aus ihrem Versteck her vorgestürzt, um der andern gehörig die Wahrheit zu sagen. Alle Angst war plötzlich von ihr gewichen, wie eine überslüssige brül lende Last. Armin liebte die Witwe nicht; diese Gewißheit ließ frisch- Lebenslust durch Ediths Adern strömen. Nein, er liebte die andere nicht, sonst hätte er nicht so kalt und steif dagestanden. Und olle Verdächtigungen waren un/Edith zu vertreiben und Armin für sich zurückzugewinnen. Aber sie durfte ihre Gedanken nicht wandern lassen, jetzt nicht. Die schöne Witwe sprach wieder, und davon durfte Edith doch nichts entgehen. „Alle Welt bedauert dich. Armin, und es ist auch bereits tui ofs:n«i Bruder geopfert und das junge Ding mit in den Kauf genommen hast. Und! alles vergeblich, denn Bruno hat bei einer Spekulation schon wieder Tau sende verloren. Ich würde dies« Schuld begleichen, sobald du mir dein Wort gibst, dich von deiner Frau scheiden zu lassen." „Ich habe Bruno einmal geholfen. Wenn er so leichtsinnig ist, sich wie der in Schulden zu stürzen so muß er die Folgen seiner Torheit tragen." „Also, Sie geben selbst zu, nur um Ihren Bruder zu retten, das kleine unbedeutende Mädchen geheira tet zu haben?" frohlockte die schöne Witwe. „Die Sache liegt noch etwas an ders, gnädige Frau, aber ich habe lei nen Grund, etwas davon zu ver schweigen und will Ihnen jede Erklä rung geben, nur dürfen Sie nichts davon übelnehmen." Julie v. Makrow lächelte verführe risch, sie hob und senkte den Blick in wohlberechnetem Spiel. „Sprechen Sie nur, ich bin auf Wunderdinge gefaßt," „Das ist gut, dann kann ich ja ganz offen sein." Sie kicherte. „Sie verstehen es, Spannung zu erregen. Gestern hörte ich, Ihre Gattin habe Sie bereits verlassen. Ist das wahr. Armin? Sind Sie bist du frei für mich?" Sie wollte beide Arme wie selbst verständlich um seinen Hals legen, geschickt wich er der Berührung aus. „Es war mir alles daran gelegen, Frau Julie, eine unübersteiglichc Mauer zwischen uns aufzurichten, denn eine Ahnung sagte mir, daß „Ich war Edith mehrmals in Ge sellschaft begegnet." fuhr er dann fort, „ und ihre lieben braunen Kin- Und ich habe Glück gehabt. Ich Man hat Ihnen gesagt, Edith sei beschränkt? Nun, ich sage Ihnen, daß nur blasser Neid ein solches Urteil prophezeie Ihnen, daß Jetzt war Julie es, welche seine Abre Worte. Herr v. Selnow, zwi» .Wie Sie denlen, gnädige Frau!" „O gehen Sie, gehen Sie! Ich will allein sein!" Wieder zog er tief und respektvoll „Sie haocn zu befehlen. Er ging, ohne ihre Har.d berührt zu haben, Julie hatte Armins hoher, schlan ker Gestalt mit zornfunkelnden Au gen nachgesehen. Doch bald genug brach die künstlich behauptete Faf. sung zusammen. Die schöne Witwt glitt auf die Bank nieder und weinte Elterlich Es war aus, sie fühlte e«. List konnten ihn zu ihr zurückführn sie hatte ihn verloren. Ihr Jammer war grob und schnitt der Lauschenden in die Seele, In ihrer Weife mochte Julie von Makrow Armin sehr liebgehabt haben. In ihrer Weise die weder Ruhe noch die Tiefe hingebender, treusorgender und sich selbst vergessender Liebe Endlich erhob sie sich langsam, trocknete, ihre Augen und schritt da von. Noch bebten ihre roten Lippen vom Weinen, aber die Augen funkel ten schon wieder in beginnendem Trotz, Es war doch wohl mehr ge kränkte Eitelleit als Herzensneigung, worunter sie zu leiden hatte. Edith sah der schmiegsamen, be strickenden Erscheinung nach. Gottlob, das; die Pein überstanden. Nun erst löste sich der Bann. Erst als sie das Davonrollen des in der Nähe halten den Wagens vernahm, wagte sie sich aus ihrem versteck hervor. Kurze Zeit ruhte sie auf der Bank aus. Ihr Gesicht war noch totenblaß von all der Qual, die an ihrem Her zen gerissen, aber ihre Augen strahl, ten in einem fast unirdischen Glänze, die reinste, süßeste Freude durchglühte sie wie ein heiliges Feuer. Sie hatte es nicht nötig, einer andern Platz zu machen, einer Fremden wegen ihr trautes Heim, den geliebten Mann und Brummbärschwiegerpapa, den sie auch durchaus nicht mehr fürchtete, zu verlassen. Gibt es Beseligenderes für eine junge Frau, als zu lieben in dem Bewußtsein, wiedergeliebt zu wer den? Was sie kaum für möglich gehal ten, das hatte sie nun mit eigenen Ohren gehört: Armin gehörte ihr, ganz und ungeteilt. Sie erhob sich und stürmte davon. Wo war die Mattigkeit, die Traurig keit geblieben? Fortgeweht von dem Sturm, der den Liebesfrühling ihres Herzens kündete. Aber auch Bruno sollte nicht leer ausgehen, Sie wollte bei ihrem Va ter für ihn bitten. Er durfte ihr diesen Wünschen nicht abschlagen, Ihre kleinen Füße schienen kaum den Boden zu berühren, in einer knappen halben Stunde hatte sie die Stadt erreicht. Sie fand den Vater im Garten bei seinen Blumen. Ganz erhitzt vom raschen Gehen trat sie zu ihm heran. Als hätten ihre braunen Augen in die Sonne gesehen und der Glanz sei darin hasten geblieben, so erschien sie ihm. Er zuckte zusammen, ohne daß sie es merkte. Auch er sah angegriffen aus. Seit dem Tage, wo Edith wie eine Verzweifelte aus ihrer Häuslich keit geflüchtet, hatte er kaum noch eine Stunde Schlaf gefunden, zu Christi« anes Verzweiflung weder gegessen Dieses glückdurchleuchtete Gesicht Atem alles, alles. Vor dem Vater hatte sie kein Geheimnis, er durste in die verborgensten Falten ihres Her zens sehen. Das Abendgold lag aus allen ein kleiner Boge! sang sich leise in den Schlaf, langsam schlössen sich die Kelche der Blumen. Vater und Tochter wandelten zwi schen den duftenden, liebevoll gepfleg ten Rabatten langsam auf und ab, und so wollenlos wie über ihnen das ein Zufall dir verraten. Edsth?" »Nein, Papa, Das bleibt unser Geheimnis, TageS wird Ar feine Treue unbegrenzt ist," Der alte Herr niitte. .Bleibe auf diesem Wege, dann wird das Glück Bald daraus kam Armin, Inniger als sonst schloß er seine junge Frau in die Arme, „In diesen Tagen habe ich dich so gut wie gar nicht zu sehen bekommen, mein Lieb. Das muß wie der anders werden. Papa geht «S dank deiner aufopfernden Pflege be deutend besser, ich denke, sein Bur sche kann ihn von jetzt ab wieder in seine Obhut nehmen." (Fortsetzung folgt.)
Significant historical Pennsylvania newspapers