Um ein Wort! -Ok>«lnalr»m«n (U. Forlsttzung.) Einen Moment herrschte tiefe» tenbleich war sie geworden, so angst voll starr war der Blick ihrer brau ne» Augen auf ihn gerichtet. „Sibylle tat nichts Unrechtes. Si bylle ist gut und edel." Mühsam stieb Eva die Worte her vor. Nessel lachte leicht aus. .Gewiß ist sie das, und ich sag« eben sich selbst überlassen. Geht er unter, schön, dann ist die Sache er ledigt, die Welt um einen ärmer, um den es nicht schade war. So denken Sie doch auch, nicht wahr, kleine Eva?" Er sagte eS in seinem gewöhnli chen Tone, der sich über sich und alle Welt lustig zu machen schien. Eva aber blieb todernst. .Nein, so denke ich nicht," sagte sie fest. Er stutzte und wurde ebenfalls wieder ernst. Ihre Blicke ruhten eine Weile fest ineinander, und je der glaubte zu fühlen, was der an dere dachte. Da nahm er wieder das Wort, und seine Stimme llang ungewiß. .Wollen Sie damit sa gen, Eva, daß Sie den verkomme nen und verbummelten Künstler lie ben könnten, und ihm Ihr junge», reines Dasein opfern wollten, weil das vielleicht die Rettung für ihn wäre?" Zu seinem Erstaunen blieb sie auch jetzt ruhig sitzen. Nur ihre Hand, die er immer noch festhielt, zitterte stärker. „Ich will es versuchen. Wenn Sie mich haben wollen, dann..." Sie konnte nicht weitersprechen, die Stim me versagte ihr vor übergroßer Er regung. Wenn er sie jetzt an sich gerissen hätte, wie damals, wild und leiden schaftlich, Eva fühlte, daß ihre Kraft von sich gestoßen, daß sie aufgeschrien hätte: „Nein und tausendmal nein, gen Augen geschrieben, aus denen jetzt Träne aus Träne niederrann, denn mit einer Zartheit, deren nie mand Fritz Nessel für fähig gehal ten hätte, nahm er ihre Hand und lüßte sie. Glauben an mich selbst, denn der Mensch, an den ein Wesen wie Sie bereit ist, sein Leben zu ketten, kann noch nicht ganz verloren sein. Ich ße Braut." Sie wollte lächeln und konnte es nicht. Still ging sie wieder neben ihm her und weinte leise. Nun war der Würfel gefallen. Sie war Fritz Nessels Braut. Und der andere? Vom Walde her, den sie eben verlassen, lam ein Rauschen. War das dn Äbschiedsgruß von ihm'< Unterwegs fanden sie beide ihre ruhige Ueberlegung wieder. Zu ih rer Freude war Fritz Nessel damit einverstanden, daß hier im Hause noch niemand von ihrem Verlöbnis etwas erfahren sollte. Zwei Tage wollte er noch bleiben. „Ich muß mich doch erst an das Glück gewöhnen, daß Du mi: ge hörst, Evchen", sagte er weich, und drückte ihre Hand. „Dann reise ich nach Berlin und arbeite. Erst will ich deiner würdig sein. Erst wenn das Werk, das zu schaffen mir bis her die Kraft fehlte, gelungen is^ meinen Lohn fordern, dich, Evchen. Glaubst du nicht, daß die Aussicht aus diesen Lohn mir die Kraft und Ausdauer geben wird?" Sie sah ihn ernst an. „Wenn es doch so wäre, Fritz." Im Augenblick hatte sie Eberhard vergessen. Eine gewisse, stille Freu digkeit und Zuversicht hatten sie er griffen. Sie war überzeugt, daß sie ihr Opfer nicht umsonst brach te, das bewies die Art, wie Fritz Nessel ihre Verlobung auffaßte. Er hatte den festen, ehrlichen Willen, «in anderer Mensch zu werden. Dann aber, sie schwur es sich zu, sollte er nie erfahren, daß es ein Opfer gewesen, das sie in dieser Stunde gebracht hatte, er sollte dar an glauben, daß sie ihn liebte. Und als sie sich dicht vor dem Hause trennten, bot sie ihm scheu, aber freiwillig, die roten L'ppen. Wohl bebte sie. als er sie küßte, aber das Gefühl, recht zu handeln vor ihrem Gewissen, gab ihr Mut... I» den folgenden zwei Tagen trafen sie sich draußen heimlich noch «in paarmal. Und die ganze Zeit hielt Nessels ernste, hosfnungifroh« Stimmung an. Jetzt erst schien er in Wahrhtii «in a»d«rtt Mensch zu sein, ein ernster, zielbewußter Mensch, der weiß, daß er Pflichten auf sich genommen hat und als ehrlicher sicher. Selbst Alices gehässigen Sti cheleien gegenüber hielt ihre Ruhe stand, bis Eberhard das erste mal wieder ins Haus kam. Er kam mit ruhiger, unbefangener Miene, als sei es die selbstverständtichste Sache von der Welt gewesen, daß er gehalten hatte. Aber es war j>i kein Traum, es war Wirklichkeit, furcht bare Wirklichkeit, daß sie gebunden, als das Gefühl der Schuld des ungeliebten Gatten überzusiedeln. Aber sie brachte es nicht fertig, dem Onkel, der in diesem letzten Jahr« weint... Fritz Nessel hatte ihr nicht ge schrieben. Sie hatte ihn gebeten, es nicht zu tun, und er hatte sich gefügt. Erst wenn sein großes Werk vollen det war, wollte er Eva Nachricht ge ben. Nun teilte sie ihm kurz mit, daß sie in die Heimat zurückkehrte. Er Siegesnachricht senden sollte, die für sie nichts andres als ein Urteil be- Alice war augenblicklich sehr be friedigt, daß Eva fortging. Sie be dachte nicht, daß ihr Vater dadurch merkt Hatte, fühlte sich schuldbewußt. Eines Tages, als er mit Eva zufäl lig allein war, sprach das aus. du nichts zu befürchten." Doch zu seiner Ueberraschung schüttelte Eva deiz Kopf. .Nein, nein, Ernst, deswegen gehe ich nicht. Das ist längst vergessen. Es war ja auch wirklich nichts. Aber Sibylle hat Sehnsucht nach mir und ich nach ihr, das mußt du doch ein sehen." Da atmete er erleichtert auf und schüttelte Eva in alter Kameradschaft die Hand. Es war nun beschlossen, daß Eva an demselben Tage reisen sollte wie Alice mit ihrer Mutter. So kam eS, daß Eva sich nicht von dem Ab schiedsbesuch in der Oberförster« ausschließen konnte, den die Damen am Tage vorher machten. Daß Eva fortwollte, wußte Eber hard bereits. Alice hatte es ihm in Evas Gegenwart mit absichtlicher Bosheit mitgeteilt. Er hatte diese Nachricht völlig ruhig ausgenommen, nur hatk es Eva geschienen, als wenn er sich ein > venig verfärbte. Das aber hatte sie sich wohl nur eingebil det, denn später begann er kühl und zu sprechen und schrieb ihr sogar selbst die Reiseroute auf. Da war es in Eva, deren Herz laut und stür misch geklopft hatte, wieder still ge hatte Eva selbst nicht geahnt. Ihr selten sie auch hier war, jeder Raum hatte seine Bedeutung. Hier hatte sie mit Eberhard geplaudert, liebe, freundliche Worte hatte er da zu ihr gesprochen: dort war die Halle, durch die man das tote Kind hinausgetra gen hatte, und in dem dunkel getä- selten Speisezimmer glaubte sie noch Inges frohei Plauderstimmchen zu mervoll ihr selbst zumute war! Ein Stück ihres Herzens ließ sie hier zurück. Wenn sie Eberhard ansah, wie er dort so ruhig, nur etwas bleicher als mögen. Wie gleichgültig sein Blick über si« hinwegging! Oder täuschte sie sich? War es der Tränenschlei er, der ihren eigenen Blick verdun» Niemand kümmerte sich um Eva. Da stand sie leis« auf und schlich hinaus. Alles wollte sie noch einmal sehen, auch die Wirtschaftsgebäude und die Stallungen, wohin sie da wirbelnden Schnee gegangen war. Da hatte er Inge aus dem Arm ge habt und sie waren nebeneinander mußte!... Jetzt, wo sie allein war hier drau ßen, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Langsam ging sie rings um die Wirtschaftsgebäude. Da drinnen vermißte sie ja doch niemand; wie weh das tat! Die Hühner und Enten, an denen Inge immer solche Freude gehabt, liefen frei im Hofe umher. Eine Weile sah das junge Mädchen dem muntern Treiben derselben zu. Dann Tür in den Pferdestall. Da stand Eberhards Reitpferd, dann der kleine Braune, der immer den Jagdwagen zog und noch ein schweres Arbeitspferd. Aber da! Was war das? Aus dem Hintergrunde des Stalles tönte ihr «in leises, wohlbelanntes Wiehern entgegen und Eva, die sich nun lang sam an die Dämmerung, die hier herrschte, gewöhnt hatte, trat be fremdet näher. Dann aber schrie sie leise auf: „Hekior!" und sie flog auf das Tier zu, das ihr freudig erregt den llugen Kops entgegenstreckte. „Hektar, lieber, alter Heltor, hier bist du! Wie geht das zu?' Sie tonnte sich das wirklich in der ersten Minute nicht recht erklären. Die Erregung, die sie schon den gan zen Nachmittag nur mühsam unter drückt hatte, überwältigte sie. Sie schlang die Arme um Hettors Hals und legte ihr Gesicht an seinen Kovs. So verharrte sie eine Weile in l<mt eine Stimme, die sich vergebens zur Ruhe und Heiterkeit zu zwingen such te, fragte: „Hier also sind Sie, Eva?" Schritte verhallten unhörbar auf der weichen Spreu. Er sah das weinende Mädchen und alles, was er künstlich als Wall zwischen sie und sich ge schoben hatte, versank vor ihren Trä nen. „Evchen, Sie weinen! Was fehlt Ihnen? Gehen Sie so ungern von hier fort? So bleiben Sie doch, blei- Da/ war wieder der alte, liebe, herzliche »lang von früher, der Evas Herz bis in seine Tiefen erbeben machte. Sie sah ihn >,n. verwirrt und ratlos. „Hektar! Daß Sie Hektor hierher genommen haben," stammelte sie. Er nickte. „Ich tat es, weil Inge ihn liebgehabt. Oder nein, ich will die Wahrheit sagen, Eva, nicht an Inge dachte ich dabei, ich tat es, weil ich sah, daß es Ihnen Schmerz bereitete, das alte, treue Tier in fremden Händen zu wissen. Ihretwe gen kaufte ich ihn." in verhaltener Bewegung. Das brachte Eva zu sich. Sie sah, wie seine Augen leuchteten in unendlicher Zärtlichkeit und sie fühlte, daß «s nur des leisesten Anstoßes be durfte von ihrer Seite, um ihn da hin zu bringen, ihr zu sagen: „Bleib, denn ich liebe dich!" Aber das Wort, das sie noch vor kurzem mit unendlicher, jubelnder Seligkeit erfüllt hätte, das durfte sie jetzt nicht hören, um leinen Preis. Eine rasende, jagende Angst kam über sie. Ihr Blick glitt an ihm vor bei ins Freie. Wenn sie dort wäre, fort aus dieser entsetzlichen Situa tion! Aber Eberhard versperrte ihr den Weg, sie konnte nicht an ihm vor über und Heltor stieß sie sanst mit den weichen Nüstern an, als wollte er sie mahnen, die Pflicht der Dank barkeit nicht zu vergessen. Als ob es dessen b-durft hätte! Alles, alles, ihr ganzes Leben hätte sie ihm zum Danke geben mögen und durste es doch nicht, wenn sie nicht treulos wer den wollte gegen einen andern, dann erst in Wahrheit und mit Bewußt sein schuldig. Äa streckte Eberhard die Händ« nach ihr auS. »Evchen," flüsterte er noch einmal, und eine Welt von Zärt lichkeit lag in seiner Stimme. »Sil be, kleine Eva!" Doch entsetzt wich sie zurück. »Nicht, nicht", stammelte sie in To desangst. Trotzdem hätte er sie im nächsten Augenblick an seine Brust gezogen, aber da ertönte draußen Alices Hel les, spitzes Organ. »Ich wette sie sind hier." Und schon in der nächsten Sekunde stand sie lachend auf der Schwelle und ihre Blicke suchten miß trauisch das Dunkel zu durchdringen. Schon wollte sie sich enttäuscht ab wenden, da sah sie Eberhards hohe Gestalt und kam triumphierend nä her. »Ah, ich wußte es doch! Und Eva ist natürlich auch hier." Wie höhnisch und mokant ihre Stimme klang! Eva zuckte erschrocken zusammen. »Ja, sie ist auch hier," gab der Oberförster ruhig zu, und von Neu gierde getrieben, kam Alice noch dich ter heran, sorgsam die Schleppe ih res Kleides aufnehmend und das gol die vor Sensationslust funkelten. Zugleich mit Eva erkannte sie das Pferd und stutzte. Ihre Aufmerksam keit war von dem jungen Mädchen abgelenkt. Sie wandte sich erregt an ihren Mann, der widerstrebend, wie ei schien, hinter ihr den Stall betre ten hatte. »Hektar! Ist das nicht Hektor? Ich denke, du hattest ihn nach Arnstadt verkauft?" sagte sie scharf, während eine dunkle Röte ihre blassen Wan gen färbte. denken noch zu antworten. Auch er staunte das Pferd an wie ein Wun der. An seiner Stelle aber sprach Eberhard: »Ganz recht. Ernst verkaufte Hek tar an den Pferdehändler Hegel in Arnstadt, und ich war so frei, ihn von diesem zu erwerben." Alices Arm ging stürmisch. Man sah ihr an, wie sie sich erboste. Nun lachte sie schrill auf. »Und darf man fragen, aus wel chem Grund« dir das Tier so teuer war denn billig hat Hegel es sicher nicht verlauft?" spottete sie. »Allerdings nicht. Er hat sein gu tes Geschäft dabei gemacht. Wenn du aber wissen willst, liebt Alice, weshalb ich Hektor erstand, so laß dir sagen, daß ich es nicht für rich tig halte, wenn man ein Pferd, das einem Jahre hindurch treu gedient hat und dabei alt und schwach ge worden ist, ohne zwingend« Gründe in fremde Hände gibt, die aus dem armen Tier noch die letzten Kräfte herauspressen, bis es schließlich dem Schinder verfällt. Im übrigen" er klopfte schmeichelnd den hellglän zenden Rücken Hektors »ist er noch recht brav. Den Jagdwagen zieht er noch lange und wenn es einmal nicht mehr geht, so wird das bißchen Ha braucht. auch noch zu erübrigen sein." Ernst hatte sich bereits wieder zu rückgezogen. Offenbar war ihm die Angelegenheit peinlich. Alice aber gab sich nicht so leicht geschlagen. »Du solltest dich um eine Stelle als Ehrenmitglied des Tierschutzver eines bewerben." sagte sie beißend. »Im übrigen ist mir früher an dir diese wie soll ich sage» diese Gefühlsduselei nicht aufgefallen." »Ein Zeichen, daß du trotz deiner berühmten Menschenkenntnis meinen Charakter doch noch nicht voll "erfaßt hattest, liebe Cousine," erwiderte Eberhard, ohne jede Spur von Emp findlichkeit, mit feinem Lächeln. Er schickte sich an, jetzt den Stall zu verlassen, aber Alice ließ noch nicht locker. Bunde. Sie war es wohl auch, die dein Mitleid mit »d«m armen Tier" zu erwecken verstand, ich kann es mir denken," lächelte sie boshaft, sich Eva zuwendend, die ohne ein Wort, mit gesenkten Blicken, der Auseinander setzung gefolgt war. »Doch nicht. Du irrst auch dies mal wieder. Eva war genau so über rascht wie du. als sie Hettor heute hier fand. Aber ich wußte, daß sie sich freuen würde, deshalb ging ich ihr auch hierher nach. Dir hätte ich die Ueberraschung allerdings gern erspart, denn ich lege keinen Wert da rauf, dich beschämt zu sehen." »Bekämt? Ich wüßte nicht Alice sagte es kurz. Aber es war ihr doch die Lust vergangen, weitere Zurechtweisungen herauszufordern. So gab si« endlich den Weg frei, und ohne Umstände ergriff Eberhard Evas Arm und zog ihn durch den Sprechen konnte er nun nicht wei ter mit ihr. Aber er war der Mei nung. daß sie ihn auch so verstanden hatte, das bewies der leise Druck, mit dem er von Zeit zu Zeit sanft ihren Arm an sich preßte. Eva fühlte es erschauernd und zu auch versuchte, einen Blick in ihre braunen Augen zu tun, begegnete er nur den beharrlich gesenkten, dunkel glänzenden Wimpern. Aber beim Ab schied brachte er es doch fertig, ihr zuzuflüstern: »Auf morgen, Evch«n, dann komme ich." Und er preßt« ihre zenSschrei unterdrückt«. Wie betäubt war sie von allem. Was mochte er von ihr denken? Was hatte sie denn getan, ihm Hoffnung zu machen? Nichts! Und dennoch wühle sie. daß er sich mit einem kur zen .Nein" nicht zufrieden geben würde, daß er volle Klarheit Ver den! Wie gebrochen war Eva bei dieser Erkenntnis, zu müde, sich auch nur in Gedanken gegen ihr Schicksal aufzubäumen, das Schicksal, das sie selbst herausgefordert. Aber fort wollte sie, ehe Eberhard kam und sie quälte! Sie bat den Onkel, sie schon früh am andern Morgen mit dem ersten Zuge reisen zu lassen. Er war ja doch der einzige, der noch ein Interesse an ihr hatte, den andern war es egal, wann sie ging. Natürlich wollte der alte Herr die Gründe wissen. Eva aber bat so flehentlich, daß er schließlich nachgab. Er selbst brachte sie zur Station, ehe noch Alice und ihre Mutter aufge standen waren... Wer ihm das damals gesagt hätte, als er sie, halb unwillig über die Störung, vor mehr als einem Jahr hier in Empfang genommen, das kleine, rotlockige Mädel, daß er sie Und während der alte Herr jetzt zu Fuß den Weg nach Hause wieder zurücklegte, da fiel ihm ein, daß diese Bezeichnung jetzt gar nicht mehr recht auf Eva paßte. Sie war eine junge Dame geworden, so ernst, so still und blaß. Fast verwundert blieb er mitten auf dem Wege stehen. Daß er das auch gar nicht bemerkt hatte, wie sehr Eva sich unter seinen Augen verän derte. Er hatte zuviel an sich selbst gedacht, da hatte Eva das Vertrauen zu ihm verloren. Aber jetzt quälte es ihn, wenn er sich ihr Gesichtchen vor stellte, wie sie ihn zuletzt noch aus dem heraus angesehen, wie müde sie gelächelt und wie schmerzlich es um ihren kleinen Mund gezuckt hatte... Noch ganz unter diesem Eindruck langte er zu Hause an, wo er zu sei nem Erstaunen, trotz der frühen Mor genstunde, Eberhard bereits antraf. Unruhig erzählte er diesem, daß Eva bereits mit dem Frühzuge abge reist sei und welche Entdeckung er zuletzt noch gehabt habe. Und weil er so viel von Eva sprach, sah er wieder nicht, wie auch der Oberförster sich verfärbte und plötzlich still und blaß wurde und wie dessen vorher noch so heiteres Gesicht jede Spur des frohen Lächelns verlor, mit dem er ihn vorhin noch begrüßt hatte... 13. Kapitel. .Hast du schlechte Nachrichten, Ma machen? Das Briefblatt knittert ja so in deinen Händen?" Das blasse Kindergesichtchen der kleinen Blinden, die im Wohnzim mer des Doktorhauses am Fenster saß, war mit ängstlich forschendem Ausdruck in das Innere des Raumes zurückgewandt, wo Sibylle Brand, die junge Doktorsfrau, soeben einen Brief entfaltet hatte. .Aber nein, Hannchen, eine sehr, sehr gute Nachricht sogar/ sagte die junge Frau fröhlich und stand auf. hat." Das blinde Kind stieß einen Ju belruf aus. Nun erhob es sich eben falls und kam mit erstaunlicher Si cherheit quer durch das Zimmer. Hanne war ein langaufgeschossenes Mädel von vierzehn Jahren mit ncch unentwickelter Figur, aber mit einem unendlich rührenden Ausdruck der Ergebung und Geduld in dem feinen, blassen Gesichtchen, das trotz ter lichtlofen Augen hübsch zu nennen war. Dichtes braunes Haar hing der Kleinen in zwei langen Flechten über die schmalen Schultern. Sie war in ein lichtblaues Sommergewand ge kleidet, dem man ansah, daß liebende Fürsorge es für sie ausgewählt. Nun war das Kind bei Sibylle .Wie ich mich freue, Mamachen, für dich freue," sagte sie leise. Mit inniger Rührung strich Si bylle ihrem Töchterchen über das ihren Mutterpflichten, fast zu ernst, der Zug tiefer Wehmut, der um ihren schönen Mund gegraben war, galt dem Leiden des Kindes, das niemand -mpfand ihre Blindheit wohl weniger schmerzlich als die junge Stiefmutter. Das sonst so scheue Kind hatte schon nach ganz kurzer Zeit «ine tiefe Liebe zu Sibylle gefaßt. Das sah auch Sibylle» Gatte und «r war b«- ?uchte er seiner jungen Frau von de» Augen abzulesen, so daß Sibyll« wahrhaft glücklich gewesen wäre, wenn nicht Hannchen! Blindheit sie ständig an die Unvollioinnienheit menschlichen Glückes erinnert hätte. der Mutter. von dem, was du mir schnittest. Wenn aber Eva da ist, Eva, die da so lieb hast. . kindliche, sensitiv« Gefühl der Klei ,lch bin wohl recht lindisch, Ma alles, alles für ihn tun lärmte." .Aber Kind, H.nnchen!" rief Si» bylle zum zweiten Male. Doch die Klein« ließ sich nicht un terbrechen. Sie nickte ruhig. „ES ist aber so, Manischen. Sieh' mal. die Tante, bei der ich früher war, ja, die war auch gut zu mir in ih rer Weise, aber si- war es hauptsäch lich, weil Papa sie gut bezahlte und sie das Geld bkauchen lonnte. Ich bin ihr doch oft lästig gewesen in meiner Hilflosigkeit, ich weih dai ganz gewiß, und siehst du, darum hab' ich dich so schrecklich lieb, weil du niemals ungeduldig wirst, weil ich fühle, daß ich dir niemals zuviel und niemals lästig werde. Darum"» wiederholte sie hochatmend. Sie hat te der Mutter Hand ergriffen und preßte diese inbrünstig an ihre Lip pen. Sibylles Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. Armes, armes Kind, wie unheimlich hellsehend es trotz sei trieb. Das Mitleid bewahrt« Sibylle da vor. ungeduldig zu werden, und die Jedenfalls aber sollte EvaS An (Fortsetzun, f-ltt.) <
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