Scranton Wochenblatt. (Scranton, Pa.) 1865-1918, May 15, 1913, Image 2

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    TurckGer»«Nt>.
Nobile von Max Biltrich.
Im vorigen Jahrhundert wohnt«
am Bodens« eine Fischerfamilie, de
ren bestes Besitztum in einem Stück
chen erbärmlichen Landes bestand,
auf dem farbenfrohe Blumen, beson
ders die roten FeuerMinen, besser
emporkamen als stattliches Getreide
mit vollen Aehren. So auch ''tdie-
Heu in der Familie nicht die starten,
sehnigen Arme: die Söhne, deren
Hilfe einst Brot hätte herbeischaffen
scllen, starben im sriihen Alter. Da
gegen blühten die beiden Töchter
ohne Not heran, trotzdem sie nicht
lange eine Mutter besaßen. Eines
der Mädchen ging frühzeitig mit ei
ner französischen Familie von dan
ne», die mit Napoleon am Bodensee
aufgetaucht war, und ward nie mehr
daheim gesehcn; das andere aber
blieb in der Hütte und war vom
Scheitel bis zur Sohle die Feuer
blume im Geireideseld: ein leuchten
de.-, feiner, schn.ieg- und biegsamer
Schmuck. Ringsumher derbe Kraft
und emsiges Bemühen um das täg
liche Brot; das Mädchen lauter Zart
heit und Weichheit. In ihren Auaen
freilich war ein Leuchten, das den
Wanderer wie ein Licht in der Nacht
Vielleicht wäre ein rechter Teufels
braten, eine Hexe, aus Anya Maria
geworden, sofern sie das Liebesgirieo
eines aus weitverzweigte- Familie
stammenden Monyes erhört und so
seine ganze Sippschaft gegen sich ein
genommen hätte. Da jsie jedoch wie
im Schlaf blieb und weil der selber
w!e vor einem Rätsel der Natur sie
bende Vater ohne Murren feine«
Tcchter den Unterhalt gewährte, so
ließ man das Mädchen in Ruhe und
nannte sie nur noch die Feuerblume,
Endlich lam aber doch einer, dem
die nach Gildeswert zu schätzend«
Habe anderer Mädchen nicht so in
die Augen stach und das Verlangen
nicht so aufstachelte, wie der Reich
tum ihrer Erscheinung. Einer, der
nicht allein eine nährende Aebre aus
dem Getreidefeld für sich zur Lebens
xenossin pflücken wollt», sondern du
berückenden Blume Opfer zu bringen
gedachte. Außerdem glaubte er ir
dem Mädchen auch mehr zu erlernen,
als die bloße Schale flüchtigen
Trugs.
Er prüfte ihr Herz.
Und schon daß Anna mit diesem
Manne, dem lediglich auf die Kraf!
seiner Arme angewiesenen Schisse:
Wolter, öfter redete und ging, wäh
»end Leute im sicheren Hafen verge
bens auf diese Bevorzugung gewartel
hatten, zeigte ihren klaren Blick süi
die Welt, wie sie ist. Anna Maris
war überzeugt, ein Mensch in glei
-6 Verhältnisse», wtrde ihr ein we
Niger blinkendes,wdoch beständige?;
Glück bringen, als ein schnell ent
fammter und wohl ebenso rasch er
iiiltender Anbeter.
Doch während in ihrem Herzer
die Zufriedenheit erblühte, Much!
rings umher der Neid empor.
Und so wurde, ehe sie davon er
derungsagenten abgeschlossen: Uebei
das große Wasser zu bringen sin!
der Schiffer Walter und die Ann«
Maria Herold, beide mittellos unk
willens, miteinander zu leben, un!
dabei ohne Aussicht, Kindern Nah
rung zu schaffen und sich selber im
Alter zu unterhalten.
Ein Agent führte das Paar fori
und nahm auf t:r Tour nach Ham
dem zum Meer wallende» Ströme,
dem sich von Zeit zu Zeit ein Bach'
lein vermählt.
Am Hasenplatz ging an den Tager
vor dem Abschied Herr Grotjohan«
auf und ab und betrachtete die Leu»
und ersah aus den Papieren, welche»
Herlunst und welchen Berufes du
waren, deren Zukunft jenseits dei
Wassers liegen sollte. Er blickt«
wohlgefällig auf den sehnigen unt
gebräunten Schiffer Walter uni
forschte nach seinen Plänen.
„Geld verdienen, Herr, und schaf
fen, wüs einen freut!"
.Und was wird dich erfreuen?"
.Auf dem Wasser fahren zu dür
fen. wie auf dem Bodensee, und dazp
«in bißchen Herr zu sein oder dock
einmal dahin zu gelangen."
.Die Hoffnung kannst du mitneh-
New Z):rk hat sein Geschäft auf dem
Wasser wie ich und kann zuverlässig!
Menschen brauchen. Willst du z»
Nim gehen, so wird dir mein Schiffs-
Herr!"
Auf Grund solcher Weisung betrai
der Schiffer Walter vom Bodensei
?:n, ehe er selber ausfahren dürf»
als Verwalter fremden Gutes!
Das wolle er, erklärte Walter.
Nur müsse ihn die Arbeit von
C-tund NN den Unterhalt für zwei
Menscben eintragen.
Grotjohann betrachtet« den Bewer
ber genau.
.Für zwei? Gut! Es hängt von
dir ab, ob du später auch für drei
verdienst. Ich brauche mehr Men
schen, die Lohn für drei heimtragen,
als für einen oder zwei. Aus mei
nen Leuten wird, was sie aus sich
machen. Du wirst zuerst ein paar
mal mit dem Küstenfahrer gehen.
Was man dir später allein anver
trauen kann, muh sich erst zeigen."
Da fuhr Malier einige Jahre lang
an der Küste der neuen Welt, uner
schrocken in Not und Sturm und
hjng treu an seinem Herrn und an
seinem Weibe, das sich in der gro
ßen Stadt verlassener dünkte als frü
her in dem einsamen Oertchen am
Bodensee und allemal mit Freuden
tränen die Heimkehr dessen begrübt«,
der mit ihr bis an das Ende des
L«b«ns wandern wollt«.
Sie hörte von seinen Abenteuern,
und beide schmiedeten Pläne für die
Zu<unft. Denn Walter rückte lang
sam vor auf verantwortungsvollen
Posten. W«nn er erst selber «in
Schiff führen würde, so sagte «r ihr,
sollt« sie einmal mit ihm reisen, ob
wohl das Schiffsvolt ein Lächeln
habe für den Kapitän, der sich auf
dem Ozean nicht vom Wei'c tr«nn«n
wolle. Auf seiner ersten Fahrt wollte
auch Walter im Dienste sein's
Herrn und der „Nix«" stehen; doch
hie zw«ite sollte Anna Maria mit
ihm teitzn auf seinem, dem ihm an
vertrauten Schiff«.
Fortan malten sich beide Menschen
die Wonne aus, »ach Jahren so viel
facher, langer und bang«: Tr«nnung
geraum« Zeit durch di« W« ten des
Weltmeeres zu schwimyie». Anna
Maria wollte ihm, dem die Verant
wortung jiir sichere Fxihrt und die
Ehre des Erfolges zufiel, gewiß nie
mals dein Di«nst abwendig macht»,
stndern nur in «in«m Winkelchen sit
zen und das Meer sehen, auf Wal
ters Kommando lauschen und sich
freuen, w«nn andtr« Männer nach
seinem Befehl die Hände rührten und
nach seinem Wort die Fluten besieg
te».
Sie hatte keinerlei Bedenken, sich
ihm anzuschließen: „Furcht bei dir
sollte ich kennen, die ich so oft verlas
sen war und nach dir gebangt habe?"
Nach Jahren war das Ziel der
Sehnsucht erreicht; si« durst«» ge
miiilfain r«is«n auf weiter Seefahrt,
und monatelang sollte Grotjohanns
nichtiger Segler abwesend sein
Mengen an Gütern in weiter Well
zu löschen und andere heimzubrin
gen.
Stolz stach unt«r Walters Kom
mando die .Nixe" in S'!.
Das Gesühl, in des Lebens Hasen
wohlzeborgen zu sein, ließ Anna
Maria diesmal zur ruhigen Schät
zung aller Herrlichkeiten des Meeres
gelangen; hatte sie doch aus ihrer er
sten Fahrt vom Vaterland aus reich
lich zu tragen gehabt am eigenen Ge
schick und zu beobachten an fremden
Glückssuchern. Und auch Walter,
der in des Wassers Unendlichkeit bis
her viel mehr den zu zähmenden
Feind, den zu bändigenden Träg«!
bedeutender Lasten erblickt hatte, als
ein Gebild der Schönheit, lernte ers!
jetzt sehen, was er nie gewürdigt
hatte, und schätzen, was ihm gleich
gültig gewesen war.
Nach dem leidenschaftlichen Begeh
ren und dem Verlangen, der Well
seinen Sieg über ein auch von ih:
begehrtes Geschöpf zu zeigen, nahm
jetzt eine ruhige, männliche Neigung
fein ganzes Sein gefangen? Anno
Maria wurde 'hm weniger das ein,
lebende Wesen, nach dem sich ei?
Verlassener sehnt, um ein bißchen
Lieb« sür sich zu empfinden, sondern
si stieg empor zur rechten Lebensge
nossin und Kameradin in alleo
Dingen.
Wenn sie in sener Nähe stumm
an Deck lag während traumhaften
L.egelns durch die raunende Nacht, st
begann Walter erst das volle Wun
der treuer Gemeinschaft von Manr
und Weib zu empfinden. Alle Lau
nen und jede geger
ollem.
Da, als die «Nike" vor der brasi
lianischen Küste gelegen hatte unl
Anna Maria den Kops länger unk
schwerer als vorher an Walters
Brust zu legen und er mußte sich ös
si. hielt sanft und in dies«
Schmiegsamkeit fester als vorher
mit heißen Händen, und lehnte di,
er erschrak! „Was ist dir?"
Welche Glut in ihr zur Herrschasi
Doch illes Ringen um den Sieg war
»ergebens: Walter mußte einer Heim
gegangenen die Augen zudrücken und
blieb dicht bei ihr bis zum Abend des
zweiten Tages.
Da aber traten seine beiden Ber
trautesten zu ihm:
»Wir stehen vor dir, weil wir kom
men muffen: die Mannschaft beginnt
.Und ich bin schuldig —?"
„Tote an Bord bringen Schissen
und Schiss«rn Unglück. Darum laß
uns versenken, was irdisch ist!"
Da sprang Walter auf und in sei
nen Augen loderten Flammen: «Nein,
das werdet ihr nicht!"
„Es ist eiif aus der Erfahrung ge
wachsener Brauch, dem sich jeder
unterwirft!"
„Auch ich will ihn sonst billigen
nur in dem einen Falle nicht! Die
de liegt, ist mir mehr als sonst ein
Mensch dem Genoffen sein kann. Ich
will Zeit meines Lebens wenigstens
ihr« letzt« Ruhestätte genau kennen
und will dereinst neben ihr liegen."
„Die Mannschaft der „Nixe" aber
lebt, Herr, und die Lebenden verlan
gen sofort ihr Recht und sind stärker
und wollen ihr« Macht gebrauchen!"
Walter reichte einem der Abgesand-
ten die Rechte und dem andern die
Linke und schaute ihnen in die Augen:
„ Sie w«rd«n Gewalt anwen
den?"
„So will ich iu ihnen treten und sie
fragen, ob sie mir Zeit gönnen, bis
wir Bahia anlaufen. D?rt will ich
an das Land bringen lassen, was mir
cm teuersten ist. um die Stätt« später
einmal wiederzufinden.
Alsbald stand er vor den Matrosen
und sprach lange und ernst zu ihnen.
Sie wußten ihm Beispiel um Beispiel
herzusagen, wie der Arm des Unglücks
die Schisse, aus denen «in Tot«r auch
nur «ine Nacht gelegen, umklammert
und in Verderbnis geschleudert habe.
Doch Walter wurde nicht müde, auf
die glatte See und den blauen Him
mel zu tveisen und auf den voraus
sichtlich in zwei Tagen zu erreichenden
Hafen. Er redete, wie erst zu allen
feinen Leuten, noch mit j«d«m einzel
nen Mann allein, bis er die Zustim
mung befaß: ja, sie wollten mit ihm
und seiner Toten wenigstens bis
Bahia weitersegeln, ehe sie zu den gro
ßen Antillen weiterstrebten.
Walter lebte wieder auf. Das
Pflichtgefühl des Seemanns saß ihm
zwar fest in den Knochen, doch im
Banne ihres Aberglaubens stand er
noch nicht.
In Bahia stieg er an Land und
ließ von hilfsbereiten Kräften die
Tote holen. Er vernahm nicht un
gern den Plan «inesÄroßhändlirs, de:
bald wieder scheidenden „Nixe" eine
größere Fracht :ach New Jork mitzu
geben, und schloß für Grotjohann den
Bertrag ab. Die Mannschaft Hatt«
vollauf zu tun, die vielen Kisten und
Ballen anzunehmen und sie im Lade
raum zu verstauen, und sie las ihrem
Führer die Genugtuung vom Gesicht
ab, so unverhoffte lohnende Rückfracht
zu erlangen. Er kümmerte sich selber
um die Art der Bergung, ließ noch
kurz vor dem Signal die Anker lich
ten, einig« der Lasten anders lagern
und eines der größten Stücke als
Krönung aller Fracht obenauf legen.
Erst dann erklang fein Kommando:
„Abfahrt!" und unter den wie lange,
graue Arme vom Himmel in die Flu
i«n greifenden Wolkengebilden
schwamm die „Nixe" von dann«n.
War in der Natur ein Gären und
stilles Sammeln starker Kräfte, di«
nach Befreiung verlangten unv sich
austoben wollten, s» wuchsen hinfort
auch hinter den unstäten Blicken d«r
Matrosen argwöhnische Gedanken.
Der Sturm der Phantasie wirbelt«,
nachdem Walter weltvergessen im
Laderaum gestanden hatt«, jegliches
Stäubchen ihres Aberglaubens auf,
und als auf der Fahrt zum karibi
fchen Meer, nach ttnigen Tagen ver
dächtiger Ruhe, neue Gewalten g«g«n
die „Nixe" andrangen, da wurde aus
dem Mißtrauen die Auflehnung:
„Unser Schiff kommt nicht mehr von
der Gewalt des Sturmes los und dei
Himmel droht mit. schlimmerem Uw
heil. Du aber, der du unser Führe,
bist, hast wenig Auge und Ohr süi
den Grund unserer Nöte; und doch
scheint gerade di« neue Ladung von
Bahia deine Gedanken zu beeinflus
sen. Was ists, das noch jetzt dein«
Augen hinunterzieht zu jenen Lasten?
Führen wir am ?nde doch einen
Menschen mit uns, ! n dem nur 2u
weißt und d«ssen Nähe du uns ver
heimlichen willst? Welcher Art sind
die in Bahia aufgenommenen Güter,
mit denen wir ohne Unterlaß durch
drohende Mächte segeln?"
Walter versucht mit strengen, Wor!
die Widerspenstigen zu beruhigen, doch
die Ueberlieferung wa. im G«müt der
Leute zu gewaltig an der Arbeit: st«
sahen ihren Untergang voraus. Ol
Walter nun zornig oder mild zu
ihnen kam, das Feuer des leiden
schaftlichen Aberglaubens wurde nui
noch mehr angefacht. In offene«
Empörung stand die Mannschaft vo«
ihrem Führer und verlangte endlich,
alle die letzten Lasten möchten, falls
dei Sturm noch gefährlicher werde,
entfernt werden. Man wolle, sagten
di« Leute, den Wellen freiwillig
opfern, nach dem sie verlangten.
Walters Weigerung wandelte de-s
Tchiffsvolks Argwc'n völlig zur Ge
wißhe't um. Und nicht grundlos.!
Denn Walter wußte, wer mit den
Lasten in Bahia an Bord des Schiff
unverdächtiger Brettirhüll« wohlgebor
gen: sein Weib Anna Maria, das ihn
begleiten sollte bis zum Ausgangs
punkte der Fahrt.
Nochmals suchte er mit leichtem
Ton die Bedenken seiner Kameraden
zu zerstreuen, vergebens! Sein
letzter Zorn prallte nicht minder nb.
Wie die Wogen des Meeres .outeten, s
als suchten sie jede menschliche Habe
zu zerschmettern, so wuchs der Zorn
der von Angst und altem Recht auf
gestachelten Leute: „Ueber Bord mit i
der Ursache unseres Unterganges!
Und wenn es sein muß und wir, ge
gen den Willen unseres Führers, das
Schiff retten können, auch Hand ange
legt an "
Derw«ilen sanken die Wellen des
Verderbens nicht, sondern die Fluten
waren wie mit Kräften der Verzweif
lung gesättigt, schleuderten das Schiff
in weitem Bogen durch die kochende
See, hoben es wie auf Riesenhänben
und ließen es plötzlich fallen oder
drehten die „Nixe" im Kreise, wäh
rend schwere Wogen über Bord schlu
gen.
Die sehnigsten Arme erlahmten in
der endlosen Arbeit und die Gedanken
fanden keinen anderen Ausweg mehr:
ivir sind schuldig durch das Vergehen
d«s einen unter uns; wir müssen süh
nen, ehe wir dem Untergang rettungs
los versallen sind!
Mit seinen Genossen setzte Walter
den Rest der Kraft daran, Herr deS
Fahrzeuges zu werden. An sein
Leben aber dachte er weniger als
seine Kameraden! würde er doch auch
bei ihr bleiben, wenn das Schiss ver
sank, das die Gewalten der Natur ge
packt hatten. Die schlugen es auf den
Grund der Untiefen, zwängten di«
wilden Wasser hinein und jagten die
Beute aufs neue gefahrdrohenden
Klippen entgegen, an denen der stolze
Bau zu Atomen zerschellen konnte, wie
jetzt schon barst und krachte.
Angesichts solcher Not war das
Schiffsvolk nicht mehr zu bändigen:
reite sich, wer >nn!
Ja, hätten sie nur mit dem Sturm
zr tun gehabt! Aber di« Versündi
gung gegen die Majestät des Meeres!
In Todesangst stießen die Leute
ihren Führer zur Seite und rissen in
wahnsinniger Hast Kisten und Kästen
und Ballen auS dem Laderaum und
schrieen dem unglücklichen Mann ihre
Verwünschungen ins Gesicht: „Deine
UnWahrhaftigkeit ist es, die hat
das Unglück über uns gebracht!
Heimlich hast du dein Weib zu uns
zurückbringen lassen. Dein Schwei
gen verrät dich und deine Mienen
sind beredt genug. Durch die du uns
aber dem Tod ausgeliefert hast, sie
soll uns nun zur Flucht aus seiner
Gewalt helfen!'
Und dabei wOfen sie die Güter sns
Meer, sprangen ihnen nach und klam
merten sich daran. Die Flut hofften
sie, würde sie an die Küste -iner der
nahen Inseln spülen; denn sie hatten
die großen Antillen vor dem Ange
sicht-
Walter war einen Augenblick ent
schlossen, seinem Liebsten nachzu
springen zum gemeinsamen Unter
gang; er hätte die flüchtenden Kame
raden von den schwimmenden Lasten
reißen mögen, so feig schienen ihm
die Matrosen. Und die Erkenntnis
ihrer Treulosigkeit flößte ihm selber
wieder Kraft und Mut «in, auf der
„Nixe" weiter auszuharren. „Du
und das Schiff," so sagte «r sich.
„jttzt gehören noch wir beide zusam
men, und wenn wir das Grab im
Wasser finden, so sind wir bei ihr
und haben uns dies Recht verdient!"
Die Wogen hatten inzwisch«n leich
tes Spiel mit den ihnen zugeworfenen
Gütern und fegten sie dem Strand
Jamaikas entgegen, an dem schon
scharfe Augen nach d«n Schiffbrüchi
gen lugten, ehe noch Walter das letzte
gewaltige Bersten des Schiffskörpers
unter sich fühlte und zwischen der
Trümmersaat am Riss ging und doch
noch auszuschauen suchte nach dem
einen Stück allen Verlustes, das ihm
entrissen war, als wärs ein Stück von
ihm.
So blickte er umher und war ein
Träumer im Strudel tosender Zerstö
rung. Er überließ sich d«n Wellen
und wurde mehrfach an den felsigen
Halt zurückgefchleudert, ehe sich ihm
ein Boot näherte.
Ein Tau flog ihm zu; er sollt? das
Ende packen. Doch willen- und kraft
los wurde er umhergeschleudert, und
die Retter kamen mit Gefährdung des
eigenen Lebens näher zu ihm.
„Greif zu! Deine Leute sind ge
rettet, und auch, die das Unglück über
euch gebracht hat, liegt am Strand!"
„Bei euch?"
„Das Holz ist zertrümmert und die
metallene Hülse lag geborgen vor
uns!"
Da packte Walter das Ende des
Strickes, und sie zogen ihn ins Boot.
Am Strand, so wi«derholten sie. er
warte ihn jemand, und ruderten mit
ihm zurück und trafen alsbald mit
seinen Unglücksgenossen Anstalten, der
Crde zu geben, was der Erde war.
Die Gruft auf dem kleinen Strand
friedhof entstand vor 'hren Augen
und lald erhob sich der Hügel nassen
Sundes darauf.
„Und jetzt?" schien Walter alles
Da wuchs der Mann der Treue
und der Tat aufs neu« vor den an
»Wann segelt das nächste Schiff
nach New Aorl?" fragte er.
»Sobald die Gewalt des Sturmes
gebrochen ist!"
»Kameraden, ich habe mit der hier,
Mc«res aussetzte!" !
»Also steht der Schuldige vor euch,
und wer schuldig ist, soll büßen und
ren! Ich habe lein Recht zur
Schuld gestehen, damit er nicht meine, !
ihr seiet schuldbeladen. Nicht will ich
vor ihm treulos in den Tod fluchten,
Die Br«ut iu Trauer.
Skizze von M, Roda Roda.
Um zwölf siel der Sonnenstrahl
auf die Feuermauer. Dann gli'! er
sacht das Eisengitter des Ganges
entlang, und um halb zwei erreichte
er Fräulein Richters Fenster. Dort
blieb er stundenlang sanft losend auf
den Nellenbüschen. Was waren auch
Fräulein Richters Nellen schön!
Es ist eine bucklige Welt: einer
läßt sein Werk unvollendet und geht;
hoffen. Eine bucklig« Welt.
Zuerst ein Schritt und kein
Mensch dazu als eilte der Schritt
seinem Herrn voraus.
hörte sein Zimmer sogar zu
Wohnung. Der Hausherr hatte tes
Eine einfache Tür NM
zurückstieß, hörte sie hörte das
Wasser glucksend aus der Flasche lau
fen und wenn er pfiff und auf und
men? Ich sitz' doch täglich hier."
mand Adieu zu sagen als Ihnen."
Richter faß betäubt im Lehnstuhl.
! Hatte eil. keuchender Atemzug sie ge-
strilst des Ungeheuers, das man Le- >
ben nennt?
Sie horchte. HanS Brady ging
in seiner Stube ab un) zu.
Er öffnete die Schränte, riß Pa
pier entzwei. Rieb ein Zündholz an
und blieb eine Stunde stumm. Dann
ab schritt.
Nun stand er. Es war eine tick
tickende Stille. Erwartungsvoll.
Würgend.
Je>us, Maria, Josef! Da drinnen
bei Hans Brady war ein Schuß ge
fallen. Wer hatte die Menschen
die Frauen die Männer aufge
schreckt, daß sie alle Herbeiliesen? De»
dumpfe Schuß? Mariechens grausiger
Schrei?
Alle drängten ins Zimmer da
lag er mit durchschossener Brust.
! Die Frauen jaulten, die Dienstbo
' ten bargen das Gesicht in den Hän
den und wimmerten vor Entlegen.
Hans Brady schlug die Augen auf,
groß und voll. Sah er? Sah er
nicht?
Sah er Mariechens Gesicht? Eben
war's noch arm und leer gewesen, m
dieser Minute hatte das Leven es nut
seinem ganzen Inhalt gefüllt,
Schmerz und Liebe.
Hans lächelte reich und süß. wie
einer, dem eine große Sehnsucht ge
stillt wird. „Maria." sagte er,
„Maria!" Und seufzte tief, die Ll
oer sanken über die Augenspalten.
Mariechen siel ins Knie und
schluchzte. Ein Besonnener halte
um die Retter telephoniert. Der Arzt
beugte sich über den Verwundeten.
.Steht er Ihnen nahe?" fragte er
teilnehmend,
i Mariechen nickte.
»Er wird kaum den Morgen erle-
— der Schuß geht durch die
Lunge."
! Man legte ihn auf die Tragbahre
und trug ihn fort.
! Vier, sechs, acht Weiber umringten
Mariechen. So gewalttätig, so plötz
lich war's gekommen, daß man sich
zu wundern vergaß, daß man's frag
los hinnahm: er hat ihr nahe ge
standen.
hübsche, lustige Herr Brady. Ma
riechen gab ihre Ersparnisse hin, um
! Sie haltte ihm nah- gestand'n.
! Das ganze Haus begriff sie auk ein-
mal. Und das welke, komische A!t
jungserchen galt den Frauen jetzt sür
l voll, für ebenbürtig.
! In der schwarzen Friedhofskapelle
stand ein Sarg zwischen WachsUch-
Deckel Kranz, krank
bleiche Rosen, und ließ schöne Da
mastbänder auf die anderen armen
Blumen fallen. Gestern war der
Mann noch fremd im Haus gewesen,
fachte ihm jeder Blumen
dar.
Die Einsegnung war vorüber.
Vier pomphafte Schmierfinken
schleppten den Sarg hinaus.
Sie schoben ihn in den Leichenwa
gen und suhren ihn der fernen Reihe
zu, auf der man eben begrub. Die
leeren Wagen krochen hinterdrein, nur
in, ersten faß der Pfarrer.
Mariechen folgte dem Sarge. Ein
xaar Frauen aus der Nachbarschaft
machten sich wichtig und stützten sie.
Es regnete ein wenig, die Wolken am
Himmel schoben sich durcheinander,
eine mißgönnte der anderen den
Platz. Der Wind hob Mariechens
Kreppschleier und schwenkte ihn wie
eine Trauerfahne. Die Leute hatten
graue Gesichter und rote Nasen
spitzen.
, Der Pfarrer beeilte sich, so sehr er
konnte. Er fürchtete sich, nasse Füße
zu kriegen.
Die Trauergesellschas! fuhr zurück.
Mariechen lehnte matt im Fond, ne
ben ihr Frau Witwe Rohrnagel, die
spielte sich als mütterliche Freundin
Die anderen in den nachfolgenden
Wagen guckten links und rechts vor
nehm aus die Fußgänger und woll
ten bemerkt werden,
j Zu Haus küßten sie Mariechen und
hätten sich am liebsten auch bedankt.
Zerstreuten sich in ihre Stuben und
redeten noch Wochen, Jahre, ein Le
ben von Hans Brady und Mariechen
Richter.
j Mariechen schloß die Tür hinter
sich. Machte Ordnung. Brachte den
Nelken Wasser. Legte den^Schleier
gebunden. Es hatte auf dem
Schränkchen neben Bradys Bett ge
legen. Und las in dieser ersten
Feierstunde: von Hans Bradys Lie
besleid um jene »Maria ach. Ma
ria!", die er in seiner Todesstunde so
schmerzlich gerusen halte. Um die er
gestorben war.
j Und Mariechen, das arme, ein
same Mädchen, bückte sich und hob
demütig eine Liebe aus, die eine hof
nichts gegeben hätte. Im Tode
schenkt- er ihr alles, dessen sie se
lräumen ein Grab, das sie
> schmücken durfte.
Frisch gestrigen.
(Drei Bilder ohne Worte.)
Gedinkensvlitter.
Wohltun trägt Zinsen, und doch
brauchen diese Kapitalsanlage so
det, sann sprachlos dastehen.
Rü«is,cht^lsS.
Mutter (die das Kind geküßt
hat): Gott, ist das Kind im Gesicht
— P>>l> YI, xich» Junger Ner-
I-idiger «befangen): „Ich hoffe, n-ine
Sie werden meinem K'i>nlen
De/ Angeklagte wurde freizespri
chen.
Untrügliches Zeichen.
WaS, die gnädige Frau ist nicht zu
Hause? Da ist doch ihr Zopf!
Fatale Begegnung.
Student A.: Mensch, was ist dir auf
einmal? Du schwitzt ja förmlich!
Student B.: Ach, Freund, mein
Schneider, dem ich noch einen Anzug
schulde, folgt uns aus den Fersen!
Student A. (sich umsehend): Auf
den Fersen? Aber er kann doch der
„Elektrischen" nicht nachrennen!
Student B,: Mensch, schaue dich
doch nur nicht so um, er steht ja auf
dem Hinterperron!
Stoßseufzer eine« Pl>nt,sfelhtkden.
»Na, mir soll noch einmatje
mand sagen, daß in meinem »use
nicht alles nach meinem