Die Venu« von Roussillon. Nach dem ffranzöstlihen t»s Prosper Merimee.vo» O Hainau. Ken untersten Hang des Berges vor mir sah. Doch konnte ich noch im Thalgrund die Häuser des Städtchens wahrnehmen, das sür die nächste Zeit mein Aufenthalt sein sollte. „Ihr wißt bestimmt," sagte ich zu meinem spanischen Führer, „wo Herr v. Peyrehorade sein Haus hat?" Na türlich," rief er lebhaft aus, „ich kenn' es wie mein eigenes; es ist das schön ste in der ganzen Stadt. Ja, der ist schwer reich, und sein Sohn wird durch eine Heirath noch reicher wer den. ..Der junge Herr bekommt das Fräulein von Puygarrig. Da wird's «ine glänzende Hochzeit geben!" Ein Freund in Paris hatte mich an diesen Herrn von Peyrehorade empsoh len. Er hatte ihn als Alterthumslieb haber und grenzenlos einfältigen Menschen geschildert. Unter seiner Führung wollte ich die Umgebung des Städtchens nach Alterthümern durch sorschen. Nun drohte die Hochzeit alle nieine Pläne zu durchkreuzen. Drunten in der Ebene sagte mein Spanier plötzlich: „Wetten wir eine Cigarre, Herr, daß Ihr nach der Stadt gekommen seid, um das Götzen bild zu sehen!" „Was für ein Götzenbild?" Dieser Ausdruck hatte mich neugierig ge inacht. „Ja, hoben Sie's denn noch mcht gehört, daß der alte Herr ein Götzen- ! bild aus der Erde gegraben hat?" „Wohl ein Bild aus Ton?" „Bewahre aus Erz aus be stem Kupfer. Da könnte man viel Kleingeld daraus machen, 's ist so schwer wie eine Kirchenglocke. Unter «inem Oelbaum haben wir's heraus geholt." „Also Ihr war't dabei?' Wie sah das Ding denn aus?" „Es ist eine große, schwarze Frau, ein Götzenbild aus der Heidenzeit... Sie glotzt Euch ins Gesicht mit ihren großen weißen Augen. Wahrhaftig, man muß den Blick wegwenden, wenn sie einen anschaut." „Vielleicht ist eS ein römisches Standbild. Ist es wohl erhalten?" „Das will ich glauben! Aber das Gesicht des Götzenbildes gefällt mir nicht. Es hat etwas boshaftes und sie ist auch boshaft." „Hat sie Euch etwas gethan?" „Nicht mir. Aber als wir vier sie aufrichteten der Herr von Huhn da stürzte sie plötzlich wieder ous den Rücken. Ich schrie: .Achtung!' Aber schon war sie dem Jean Coll aufs Bein gefallen, 's ist richtig ent zwei der Mann wird nie mehr beim Ballspiel mitlaufen können. Er »var nächst dem jungen Herrn der beste Ballspieles Ich hätte Unding mit Liöthigte er mich an die wohlbesetzte Abendtafel, indem er mich seiner Frau vorstellte. Ich langte mit trefflichein Appetit zu, doch war es mir unmög- Herr Alphonse, der Sohn des Hau ses, zeigte sich weniger rührig. Er war ohne Festlichkeit stattfinden sollte. Endlich machte er Andeutungen, die sich nur auf die neuentdeckte Statue nun kein Wort mehr davon." „Das wird auch das Beste sein", warf die Hausfrau ins Gespräch. „Unser Gast hat in Paris schönere von, daß die Zuckerdose neben meinem Bett gefüllt war und daß Kölnisches Wasser auf dem Waschtisch stand. Dann wünschte er mir gute Nacht. Ich öffnete eines der Fenster. Mir gegenüber ragte der Berg, über den ich gekommen war. Ich zögerte einige Minuten in der Betrachtung feiner wunderbaren Umrisse. Dann wollte ich das Fenster schließen da er blickte ich, in einer Entfernung von etwa hundertundzwanzig Schritten, das Standbild der Göttin. Sie erhob kahlen Platze trennte es war, wie ich später hörte, der Ballspielplatz der Stadt. In diesem Abstände vermochte ich die Haltung des Bildwerks kaum Höhe auf mindestens sechs Fuß. Groß und unheimlich stand es dort im we benden Lichte der Mondnacht. Ich erwachte bei hellichtem Tag. Neben meinem Lager stand Herr von Peyrehorade im Schlafrock, und hinter ihm erschien ein Diener mit der Scho kolade, die Frau v. P. heraufgeschickt hatte. Er trieb mich lachend aus dem Bette, zwang mich, die köstliche Scho kolade echte Konterbande au» Spa nien, wie er sagte brühheiß hinun terzugießen, und schleppte mich nach nothdürftig beendeter Toilette in den Garten und vor die wundervolle Sta tue hin. Das war wirklich Frau VenuS sie war von einer berauschenden Schönheit. Die rechte Hand war leicht in Brusthöhe emporgehoben, die linke hielt anmuthig das Gewand zusam men. Ich habe nie etwas Vollkomme neres gesehen. Ich sah ein Meisterwerk aus der besten Zeit der bildenden Kunst vor mir; am meisten verblüffte mich die Naturwahrheit der Haltung. Die Haare, einst gewiß vergoldet, wa ! Ren wellig von der Stirn zurückge kämmt. Der kleine Kopf neigte sich ' etwas nach vorne. Das Gesicht hatte einen eigenthümlichen Ausdruck, den ich nicht beschreiben kann. Es erinner te mich an keine der mir bekannten griechischen Statuen. Es fehlte hier die strenge Harmonie der klassischen Pla stik, dieses Zusammenklingen aller Ge ! fühle zu einer stummen Musik; viel mehr schien der Künstler mit Absicht etwa« Spöttisches und beinahe Grau sames in das schöne Antlitz gelegt zu haben. Man konnte Verachtung, Iro nie, Erbarmungslosigkeit au» diesem Gesicht lesen, und dennoch war es über alle Maßen herrlich! Beim Betrachte» der Statue empfand man es immer schmerzlicher, daß so viel zaubervolle Schönheit mit einem so großen Man gel an menschlichem Gefühl vereint „Wenn das Modell dieses Bildes je gelebt hat," sagte ich zu Herrn von Peyrehorade, „dann dauern mich die Verehrer dieser Dame. Es muß ihr eine Lust gewesen sein, die Unglückse ligen in Verzweiflung und Tod zu treiben. Etwas Wildes und Grausa mes spricht aus diesem Antlitz —und doch habe ich noch niemals so Herrli ches geschaut." „'s ist VenuS, ganz und gar der Beute hingegeben", zitirte der alte chelte. Der Ausdruck teuflischen Spottes wurde wohl noch besonders unterstützt j durch den Gegensatz zwischen dem . Glänze der silbernen Augen und der ! schwarzgrünen Patina, die im Ver ! lauf der Jahrhunderte das ganze l Bildwerk bedeckt hatte. Diese hellschim mernden Augen erzeugten Täuschung, lebendig scheinende Wirklichkeit. Mir fiel die Aeußerung meines Führers ein, sie zwinge einen, die Augen vor ihr zu senken. Ich war erzürnt über mich selbst, denn ich fühlte mich vor dieser Figur aus Bronze nicht ganz behaglich. Jetzt wies mich mein Wirth auf die Inschrift Sockels hin. la» tin möchte ich annehmen, daß der Künstler den Betrachter warnen wollte: „Hüte Dich, wenn sie liebt." Ich will hier nicht die langweiligen Auseinandersetzungen festhalten, mit Ueberfetzung zu bekämpfen' sich ab mühte. Nach dem Frühstück führte mich sein Sohn in die Ställe, zeigte auch auf seine Braut zu sprechen. „Sie sollen sie heute sehen", sagte er. „Sie sind ein anspruchsvoller Großstädter; hier finden sie alle Leute entzückend. Die Tante hat ihr da» Auf der mneren Seite la» ich - in gotischen die Worte: „Immer mit Dir." l „In Paris", bemerkte ich kühl, .pflegt man den VerlobungSreif mög - lichst einfach zu halten." ! „Oh. Madame Alphonse wird schon i zufrieden sein. Zwöllshundert Frank am Finger da» ist kein unangeneh mes Bewußtsein." d d , Braut zum Essen eingeladen. Fräulein , von Puygarrig war 18 Jahre alt; sie war zart und biegsam von Gestalt, ! reckt im Geaensad tu ihrem stattlichen Verlobten. Ich freute mich über die schöne Natürlichkeit jeder ihrer Ant worten; sie konnte bei aller Liebens würdigkeit einen leisen Zug überlege nen Spottes nicht ganz unterdrücken, und das erinnerte mich wieder an die Venus meines Wirthes. Wie schade, dachte ich mir, daß eine so bezaubern de junge Dame ihres Vermögens hal ber von einem jungen Menschen gehei rathet werden soll, der sie ganz und gar nicht verdient. Am nächsten Morgen saß ich schon zeitig mit meinem Zeichenbuche der VenuS gegenüber. Immer wieder be gann ich ihren Kopf zu zeichnen, ohne daß es mir gelungen wäre, den unbe schreiblichen Ausdruck des Gesichtes wiederzugeben. Mein Wirth kam und ging, gab seine Meinung ab, peinigte mich mit seinen phönizischen Deutun gen, dann wieder legte er rothe Rosen vor der Statue nieder und erflehte mit halb komischem Pathos ihre Huld für das junge Paar. Nach einer Stunde ging er ins Haus, um sich In diesem Augenblick ward auf dem Ballspielplatz eine Partie eröff net, die allfogleich die volle Aufmerk samkeit des Bräutigams auf sich zog. Auch ich schaute dem Spiele zu, denn diese Venus konnte ich doch nicht mit dem Stifte festhalten. Ein paar spa nische Eseltreiber, die aus Aragonien stammten, betheiligten sich mit großer Gewandtheit am Spiele. Sie schlugen bald die Einheimischen vollständig, ob wohl letztere durch die Rathschläge des Herrn Alphonse geleitet worden wa ren. Dieser sah auf die Uhr. Es war erst halb zehn. Seine Mutter würde noch nicht fristrt sein. Ohne noch wei ter zu zögern, warf er seinen Rock ab und forderte die Spanier zum Wett kampf heraus. „Die Ehre unseres Landes steht auf dem Spiel!" rief er mir zu. Ich erkannte nun, daß er wirklich ein schöner Mensch war. Die Leiden schaft durchglühte seine Erscheinung. Vor einigen Minuten hätte er den Kopf nicht drehen mögen, damit seine Halsbinde nicht verschoben werde. Jetzt dachte er weder an sein gebrann tes Haar noch an seine blanke Hemd brust. Und seine Zukünftige? Er hätte wohl die Hochzeit auf einen anderen Tag verlegt, wäre es nöthig gewesen. Er zog Sandalen an, streifte die Stulpen zurück, stillte sich siegessicher an die Spitze der Geschlagenen. Den ersten Ball verfehlte er; der kam allerding» mit verblüffender Kraft dahergefaust. Ein Aragonier hatte ihn geworfen; er schien der Füh rer der Spanischen zu sein. Ein Vier ziger, sehnig, fast dürr, sechs Schuh hoch und von so bronzebrauner Haut farbe, daß die Venus neben ihm kaum dunkler erschien. Alphonse riß nicht ohne Anstren gung seinen Diamantring vom Fin ger. „Dieser verwünschte Reif ist daran schuld, daß ich den Ball ver fehlt habe!" Ich wollte den Ring für ihn verwahren, er aber sprang zur Venus hin, streifte ihr den Verlo bungSring über den vierten Finger der Rechten und stellte sich wieder an die Spitze seiner Mitbürger. Er war blaß, doch kalt und ganz und gar Herr seiner Bewegungen. Er beging keinen einzigen Fehler mehr; die Spanier erlebten eine vollkommene Niederlage. Die Freude der Zuschauer nannten ihn den Retter des Landes. Der Unmuth der Besiegten verstärkte noch den Glanz seines Triumphes. diesem Ersolge, sondern warf über müthig hin: „Wir können noch weiter spielen; ich will Euch einige Punkte Der spanische Riese fühlte diese Be- Herr von Peyrehorade rief den Sohn von der Stätte seines Sieges de B t t n> » Teufel hole! Ein Glück, daß dies Götzenbild etwaigen Spitzbuben Furcht einflößt. Da wird ihn keiner stehlen. Bah, hier hab' ich einen ande dem üblichen Gepränge. Beim Nachtessen, daS im Hause des VaierS cingenoii.men wurde, ging es Jh? Freund, Venus ist dopp^^er!" .Sie haben zuviel getrunken." „Das ist nicht. Sie wissen doch wo mein Ring ist?" „Gestohlen?" , .Nein! Die Venus Sie hat den Finger gekrümmt!" Er mußte sich am Fenstecriegel an klammern, um nicht hinzufallen. „Sie ist meine Frau, das ist sicher ...ich hab ihr meinen Ring gegeben ...und sie gibt ihn mir nicht zurück!" Mich überlief es mit einem Male wie ein eisiger Schauer. Alphonse seufzte tief; da schlug mir der starke Weindunst in die Nase, und die Beun ruhigung war fort. „Der Narr," dach te ich, „er hat zu viel getrunken." „Würden Sie nicht die Statue un tersuchen, lieber Herr? Sie sind ja Kenner. Vielleicht hat eine Feder ge schnappt. Bitte, gehen Sie lieber allein!" Ich wollte vors Haus treten. Das Wetter hatte sich verändert; es fing heftig zu regnen an. Ich war im Be griff, um einen Schirm zu bitten. Aber ich sagte mir dann: Wegen die ses betrunkenen Landjünglinas wirst Du Dir doch nicht noch einen Schnup fen holen. Die dunkle Statue der Göttin stand dort triefend vom Gusse. Ich ging geradeswegs aus mein Zimmer und legte mich ins Bett. Die Erlebnisse des Tages wandelten an meinem Geiste vorbei; ich dachte an die schöne, reine Braut, den tölpelhaf ten Bräutigam. Ich hörte das Weg fahren von Wagen, Schritte, das Schließen von Thüren. Aergerlich drehte ich mich aus meinem Lager her um. Eine Weile war es ganz still; dann wurde die Ruhe des Hauses ge stört durch schwere und knarrende Tritte, die auf den Holzstufen der Treppe erklangen. „Welch ein Lümmel!" dachte ich. „Gleich wird er die Treppe hinabstür zen." Ich schlief übel und wurde immer wieder wach. Endlich hörte ich den Hahn krähen. Es mochte fünf Uhr fein. Da vernahm ich genau die glei chen Tritte, das Knarren des Holzes wie vor dem Einschlafen. Das schien mir doch seltsam. Ich war eben im Begriffe, noch ein wenig einzuschlum mern, da störte mich ein merkwürdiges Hinundherlaufen, ein Geklingel, ein Aufreißen von Thüren; zuletzt ver nahm ich dumpfe, verworrene Rufe. „Der Kerl wird in seinem Rausch einen Brand verursacht haben", rief ich und sprang auS dem Bette. Vom entfernteren Ende des Ganges ertönten Schreie und Klagen: „Mein Sohn! Mein Sohn!" Herrn Alphonse mußte ein Unglück widerfahren sein. Ich will nicht mehr auf die furcht baren Szenen eingehen, deren Augen zeuge ich jetzt geworden war. Um kurz zu sagen: Der junge Ehemann war todt. Er lag steif und kalt auf seinem Lager. Sein bläuliches Gesicht trug den Ausdruck der entsetzlichsten Todes angst. Ich sah auf seiner Brust eine bleifarbene Spur, wie von einem metallenen Ringe. Auf dem Teppich lag der Diamantring, den er der Ve nus angesteckt hatte. ES schien mir außer Schweife!, daß Alphonse ermordet worden war. Die Quetschung auf der Brust machte mich allerdings sehr bedenklich. Indessen erinnerte ich mich, daß die „Bravi" Valencia» ihre Opfer mit langen Sandsäcken zu erschlagen Pflegen. Jetzt fiel mir auch der spanische Eseltreiber ein; aber sollte er wirklich einen Scherz auf so fürchterliche Weife er widert haben? Ich fahndete überall nach den Spu ren des Mörder». Der Regen hatte den Boden aufgeweicht und die meisten Fußtapfen verwischt. Doch von der Hecke bis zur Hausthür und umgekehrt liefen tief eingedrückte Schrittlöcher. Hier war die Hecke weniger dicht, die Mörder konnten sie leicht überklettert haben. Einen Augenblick machte ich Grauen vertiefte ich mich in den dä monischen Ausdruck ihrer klassischen Züge. Ich glaubte eine Gottheit der Unterwelt in ihr zu sehen, die über Aussage hin jenen Spanier verhaften. Ich befragte ihn über Alphonfens junge Wittwe. „Die Aermste ist wahn sinnig geworden", sagte er mit trü türlich die Benus sein, von der ja die ganze Bevölkerung spricht. Beim Krä hen des Hahnes ließ die Riesin den Leichnam fallen und schritt zur Thüre großer Kälte und Geistesgegenwart. Er habe bei den Worten: „Du wirst es mir bezahlen" nur an eine Revanche hätte ich nicht bi» zum nächsten Tage zustoßen." Seine Schuhe waren viel größer al» Herr von Peyrehorade Überlebte sei nen Sohn nur kurz« Zeit. In den Manuskripten, die er mir vermacht hat, finden sich keine Aufzeichnungen über die Inschrift an der Venu» von Roussilloi». Carmen. Der letzte Hervorruf und das letzte Beifallklatschen waren verhallt; daS Geräusch scharrender Schritte, das Stimmengewirr das ganze Getöse des Ausbruches, mit dem ein großes Theater sich entleert, rauschte ge dämpft herüber und verebbte mehr und mehr; mit dumpfem Aufprall sank der eiserne Vorhang herab.^ men Triumphe gefeiert hatte, stand in ihrer Garderobe zwischen ein paar Lorbeerkränzen und einigen Blumen sträußen, wie diese Glanzrolle sie ihr zu bringen pflegte. Die Jungfer löste vorsichtig den golddurchwirkten Shawl aus dem wundervollen, rothen, eigenen Haar der Künstlerin, das diese der Tra dition, die eine schwarzhaarige Car men verlangt, entgegen in all sei ner purpurnen Pracht wehen gelassen hatte. Die Garderobefrau öffnete in zwischen mit eiligen und geschickten Händen die einzelnen Theile des rei chen Kostüms und plauderte dabei schmeichlerisch von dem Erfolge dieses Abends. Die Sängerin antwortete nicht; starr war ihr Blick auf das schwere, kreppüberzogene Trauerkleid gerichtet, das dort am Riegel hing. Seit vier zehn Tagen trug sie dieses Trauer kleid, diese Wittwentracht. Bor vier zehn Tagen hatte sie den Gatten be graben und heute hatte sie die Car men gesungen und gespielt und ge tanzt ausgerechnet die Carmen! Sie stöhnte qualvoll auf, so daß die Garderobefrau in ihrem Geplau der abbrach; dem starren Blicke der Künstlerin folgend, begann sie mit gerührten Klagen um den seligen, gnädigen Herrn, der so früh und so ganz unvorbereitet fast fortgemußt habe und wie traurig es sei, daß er den heutigen Abend mit seinen neuen Erfolgen für die gnädig- Frau nicht erlebt habe —! Und der neue Herr Dirigent hätt, auch lange nicht so schön wie der selig- gnädige Herr „Jesus, Maria und Josef!" schrie sie erschrocken und fing mit Hilfe der Jungfer die Wankende auf und ge leitete sie zu einem Sessel. Sie reich ten ihr Wein und rieben ihr die Schläfe mit Essig. Josephine erholte Jungfer steckte nun das '"l« Haar empor; im Lichte der einen eir»- trifchen Flamme, die mit den Schat ten des großen Raumes kämpfte. Der Portier kam, um zu melden, daß der Wagen der gniipigen Frau vorgefahren sei. Die Künstlerin schritt durch die winkligen, langen, bretter verschalten Gänge; die schwarze Kreppschleppe zog schwer hinter ihr her. In der Halle kreuzte der In tendant ihren Weg, der mit dem Be leuchtung? - Inspektor noch die neuen Maschinen für den „Fliegenden Hol länder" besichtigt hatte und jetzt, eine prickelnd- Melodie aus „Carmen fummend, eiligen Schrittes mit s-in-r Primadonna fast zusammengeprallt wäre; der galante Scherz, mit dem er sie begrüßen wollte, erstarb auf feinen Lippen, und fast betroffen sah er auf die dunkle Gestalt im schlep penden Trauerkleide und auf den Witwenschleier, der sich tief in da» leuchtend« Haar schmiegte. „Mein Gott. Gnädigste —!" be gann er besangen „kann mir den ken, daß da» ein harter Abend für Sie war wenn auch wieder ein glorreicher! Nach solchem Trauersall sobald schon spielen, und gerade die Carmen —! Sehr unangenehm in der That! Indessen, Sie wissen ja Königliche Hoheit sind gewohnt, zu höchstseinem Geburtstag« ein für allemal sein Lieblingsstück zu hören, unmöglich daher, „Carmen" vom Spielplane abzusetzen. Die Alkena hätte zwar sehr gern« die Rolle an Ihrer Stelle übernommen, hat mich schrecklich darum gequält, aber das wollte ich Königliche Hoheit doch nicht anthun, besonders da ja schon Ihr Gemahl am Dirigentenput te schwer genug zu ersetzen war!" ES war angebracht, dachte der In tendant, das mit der Alkena zu sagen denn geradezu starr war daS Antlitz der Primadonna geblieben sie Frau v. Weißenburg antwortete einige Worte, höflich, wie ihr zu kam, dann ging sie mit schweren, müden Schritten weiter; die Krepp schleppe zog hinter ihr her. Der Intendant schritt nachdenklich zu seinem Wagen. Sie nahm es sich schrecklich zu Herzen, diese Wei ßenburg! Es hieß schon immer, daß sie sehr aneinander hingen sie und ihr Mann. Der Intendant pfiff leise durch die Lippen; es war ganz Joftsine hatte das schwere Por tal mühsam aufgeschoben, ein hefti- Schleier; durchkältet und naß erreichte sie ihren Wagen. Sie dachte müde daran, wie sorgsam sonst ihr Mann sie zum Wagen geleitet hatte, voller Vorsicht, daß kein Windhauch sie trä fe. daß ihre Stimme nicht gefährdet würde. Vielleicht hielt sie in Zu kunft ihre Jungfer dazu an! Sie lehnte sich erschöpft in die Kis sen. Die Jungfer saß ihr gegenüber, wie sonst auch, wenn schlecht«» Wet ter war, aber da hatte neben ihr ihr Mann gesessen und sie hatte sich müde und doch froh an ihn geschmiegt und sie hatten geplaudert von dem. was sie auf der Bühne und er vom Diri gentenpulte empfunden hatten sie waren ja auch so eins in ihrer Kunst! Der Wagen hielt mit scharfem Ruck, die Jungfer bezahlte den Kut scher und Josefine tastete sich allein die dunkle Treppe empor. Oben, in Ihrem eleganten Speisezimmer war ihr Abendbrod bereit gestellt. Die Jungfer that ihr kleine Han^eichun- und sah mit mitleidigen Augen nach ihrer Frau, ehe si« hinausging, um das Schlafzimmer zu rüsten. Josefi ne war allein. gepreßt und starrte mit schwerem Blick auf den leeren Platz gegenüber. Die Lorbeerkränze und die Blumen hatt« die Jungfer auf den Neben tisch gelegt, wohl, damit Josefine sich daran erfreuen sollte. Aber hart und unerträglich siel d«r scharfe Duft auf ihre erregten Nerven. Vor einigen Tagen hatte dort ihres Mannes Sarg gestanden und dersel be Duft der scharfe Duft d«S Lorbeers und der schwere der welken den Blumen hatte das Gemach durch zogen und lag noch in der Luft. Josefin« stand auf und raffte Blu men und Kränze zusammen; morgen würde sie sie hinaus auf sein Grab legen auf das Grab, daS noch so kahl und öde war! Die Kränze, die vielen, vielen Kränze, die man da rüber gehäuft, begannen gerade gelb und widerlich zu werden, die Schleifen waren verblichen und vom R«gen verwaschen und die Palmzweige zer mürbten. Auch diese Kränze würden den Hügel nicht grün machen daS konnte nur di« Zeit „die Zeit, di« alles heilt" Josefine sagte die Phrase halblaut und gedankenlos dann stutzte si« und lachte schrill auf. Alles? Ach nein! Sie würde so einsam bleiben wie heute. Einsam!. Und sie dachte an damals, als sie zum ersten Male im Leben einsam war! Damals, an ihrer Mutter Sterbe tag! Der Mutter, die sie so innig g«liebt. so zärtlich gehütet hatte! Sie dachte an den großen Schmerz da mals! Aber da war er gekommen und hatte von seiner Liebe gespro chen und von dem neuen Heim, in da» er sie führen wollte! Und Josefine dachte an die zweite dunkle Lebensstunde, di« noch bitterer war, als die an ihrer Mutter Todten bette; als sie beide neben dem einzi gen Kind« knieten, das sein junges, lächelndes Gesichtchen zum furchtlos wunderlichen Ernst des Todes verzo gen hatte. Damals hatte sie ster ben wollen im Mutterzimmer! Aber er hatte sie gehalten, sie geliebt, sie weiter leben gelehrt. Und heut« war er todt! sie aber sie hatte die Carmen gesungen, heut«! fast über seinem Grabe; sie hatte es gemußt und keiner hatte gefragt, ob si« eS auch konnte! Josefine preßte die Hände vor die Ohren wie schrecklich diese wilden, lebenswllthigen Melodien ihr noch in den überreizten Nerven gellten! Sie löst« die Nadeln aus ihrem Haar, da» in seiner Schwere unerträglich auf ihrem schmerzenden Kopf zu drücke« begann so pflegte er wohl zu thun an Abenden, wo sie besonder» glücklich miteinander waren sie wickelte die langen rothen Ringel um ihre Finger, wie er wohl that, wenn sie allein waren. Jetzt war sie im mer allein! immer einsam! und so so würde es immer bleiben! immer so schrecklich wie heute blei ben! te der bittere Todeskampf in ih rer Kunst! Sie kannte es ja, das schreckliche Altern derer, die der Bühne dienen; der aussichtslose Kampf mit versa genden Mitteln! Sie wußte und wi« einst die Mutter, wie damals das Kind, wie jetzt den Gatten! Und die Sängerin wühlte ihre das Haar, das er so gern geküßt! DaS Kaineel. E» schwankt am frühen Morgen «in grüngestrichener Wagen mit gel ben Fensterläden durch das Dörfchen, und hinterher werden von mehreren Zigeunern ein zottiger Bär und ein großes Kameel geführt, auf dessen beiden Höckern einige Aefflein thro- Kinder noch nicht gesehen; der Herr Lehrer begleitet deshalb mit seinen Zöglingen die seltsame Karawane Herr Schulinspektor.' Ei« kluger Bogel. „So ein Papagei ist doch ein merk würdiges Thier. Alles spricht er nach; man sollte meinen, er versteht, was er sagt. Ja, Coro, bist ein gescheidteS Luderchen!" „Luderchen!" Ja, diese Fremdwörter! Ich treffe unlängst Herrn Kohn, und er erzählt mir nach einigen an deren Neuigkeiten, daß er nächsten» nach Triest fahren werde. In Ge schäften aber er freue sich schon, denn zu der Zeit, wo er unten sei, tage dort der Jrredentistenkongreß; das werde er sich ansehen, das müsse doch eine Riesenhetz' sein. „Wieso?" frage ich erstaunt. „Na, erlauben Sie", sagt Herr Kohn „e Kongreß eh so S ganze Menge von meschuggene Zahn arzt' !" Widersinnig. „Seitdem die Müllern um ihren Mann trauert, ist sie sehr lustig." Ailimirung. Richter: Es liegt doch ein ganz klarer Diebstahl Angeklagter: Nun. an der Thür klopfen!" Eigenartige Wechsel wirkung. Dichterling: Diese vier Gedichte, Herr Doktor, sind da» Lebersack.
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