Das alte Nied. Roman von Diane Tiers. IS. Fortsetzung.) Marianne hatte gut zuspringen wie «in wildes Thier was Frau Bau meister Wedel hatte, das hatte sie auch. „Hm —" machte sie und ging schwer fällig, sich an Wand und Thür hal tend, in die Stube zurück. Dem armen Mädchen war eS, als müsse sie laut ausschreien vor Angst und Weh. Ein Brief vom Bruder Otto! Noch nie hatten Otto's Briefe Ach, sie sah's auch gleich! Die Mut ter ließ den Brief sinken, blaß wurde das liebe, mager gewordene Gesicht, „Er ist seine Stelle los, Ma. Er doch, Ma, so steht'S wieder mit ihm!" „Ja doch, mein Muttchen. Laß nur jetzt. Du weißt, Otto übertreibt seine Leiden gern. Gewiß ist es nicht halb so schlimm. Rege dich nur darum vierundzwanzig Jahren schlafen kann. Als es in ihrer Stube polterte, fuhr sie aus steinschweiein Schlaf mit wüstem leer. „Was ist? Wie viel Uhr ist es?" Marianne wußte nicht, wie sie in Ihre Kleider kam. Am Kaffeetisch saß richtig schon die Mutter, ab«r die lachte wieder einmal auf dem Tisch. „Guten Morgen, Kind. Wie schön du geschlafen hast, armes Thierchen. Aber weißt du mir ist heut« doch noch nicht so recht. Ich werde mich lieber auf's Sofa legen —" Als Wolf kam, fand er einen sehr starken Rückfall. Das ärgerte ihn, weil er es als Borwurf empfand und sich einbildete, Marianne hefte ankla » gende und strenge Blicke auf ihn. Er gab in hochfahrendem Ton seine An weisungen und kam erst am nächsten Tag wieder. Von da an ging es bergab mit Frau Baumeister Wedel. » « » Drei Wochen lang kämpften Men schcnkraft und Menschenkönnen gegen den Gang d«r eisernen Nothwendig keit. Halbe Nächte lang weilte Wolf an diesem Krankenbett, alles, was er durch Leichtsinn versäumt hatte, wollte er durch die stärkste Anspannung seines Willens wieder zurückholen. Aber das geschwächte Herz, das ei nem Blutsack glich, konnte seine Arbeit nicht mehr leisten, din erneuten An prall nicht bewältigen. Draußen war eine heftige Regenzeit eingetreten. Auf den Feldern faulte das gemähte Korn, und wenn Wolf über Land fuhr, rauschten die Räder seines Wagens durch tiefe Lachen, drehten sich durch den zähen Schmutz. ' Diese plötzliche Abkühlung grisf auch schädigend auf Frau Wedels ringenden Organismus über. In diesen Wochen hatte Wolf kaum einen einzigen klaren Gedanken für seine kleine Elfe im grünuinblllhten Pfarrhaus der Heimath. Sein ganzes Sinnen und Wollen standen in äußer ster quälender Anspannung. Einmal, in grauer Morgenfrühe, als es wieder trübselig an die Scheiben sprühte und drinnen eine schwere Nacht überstanden war, kam Marianne, als Wolf gerade fortgehen wollte, ihm im Wohnzimmer mit heißem Kaffee ent gegen. „Trinken Sie ihn erst, ehe Sie gehen," bat sie ihn. Sie hatte ihn schon mehrmals mit Erfrischungen gestärkt, und er hatte sie fast mechanisch hingenommen. Heute rührte es ihn plötzlich, wie sie bracht hatte. feine Kaffeedust. Sie setzte auf den Tisch und schenkte ihm ein. schob Sessel heran. Er sah sind —" mehr in seinen Worten entbalten, Sie 'ah ihm gegenüber, ihre weißen, schlanken Hände lagen ihr schlaff im Ihre Augen. Ein trübes Bild in Aber Wolf dachte jetzt beständig ihr nicht beistehen?" „Der?! Lieber Herr Doktor, dar über muh ich beinah lachen. Der wird Pension." „Und nichts ist da? Kein Vermö g«n?" j , Ab M ' ist in Musik ausgebildet.Sie singt und „Nein." Als ob Wolfs Gedanken sich wie ein Patientin übertragen hätten, fing Frau Wedel noch im Lauf des Tages mit merkwürdig klaren Augen an, Ma. Was wirst du nun ansangen? Was wird Otto anfangen? Ach, Kind, das Sterben ist ja gar nicht so mit liebem, heiterem Gesicht. Diesem klaren Kopf die Sterbensgedanken ausreden wollen, wäre vergeblich« Mühe gewesen. Den zähen Lebens willen der Mutter, der ihr das Sterben so sehr erschwerte, den galt es jetzt auch zu beruhigen und zu stillen. Sie saß am Lager, st« plauderts von ihrer Zukunft. Otto war auch nicht unmusikalisch, er mußte herüberkom keine einzige tüchtige Musiklehrerin. „Ja, Kind, ja. Aber du mit den jungen Mädchen hier, zu denen du doch gar nicht paßt! Wird es wirklich gehen? Werden sie nett mit dir sein?" „Mutter, ich als Lehrerin, das ist Diese Minse hier, er kannte sie alle, alle. Zur Genüge! Und von ihnen wollte dies stolze, feine Mädchen ihre zählte nur noch nach Tagen dies durch ihn leichtsinnig verschleuderte Leben, das so nothwendig noch gewe- Marianne stand auf und machte Platz. Das sorgenvolle Gesicht der Sterbenden mit den noch immer so „Wir sprechen eben von Marian nens Zukunft", sagte die Frau Bau meister mit schwerer Stimme. Hand dabei nicht los, „wenn Sie und Ihre Tochter so viel Ver sehr dankbar machen." „Was —? Was meinen Sie —?" stammelte die Kranke. Wolf sah auf. Marianne die Pul'se." op^ndkn Sie nahm sie nicht, sie trat «Ine» Schritt zurück. Die Farbe wechselt« in ihrem Gesicht, ihreMlenen, ihre ganz« Haltung verkörperten «in« un tobte" ... H sie mich nehmen würde? War ich denn solch eitler Narr, mich auf alle Fälle für unwiderstehlich zu halten? Oder nen Helfershelfer? Pfui! Er entsetzte sich vor sich selbst. )ie ausgestreckte Hand zog er zurück, mit gesenktem Kopf, blaß, zerwühlt bis in's Innerste wandte er sich zur Seite. „Marianne —" sagte die Mutter leise. Mühsam hob sich ihr Kops ein wenig vom Kissen. „Ist dir das recht? Willst du'? Aber nicht, um mich zu Mit Eheschließungen ist ein gutes Sterbesliindchen noch ein bischen zu theuer bezahlt. Spaßt nicht damit, Ihr Kinder." „Nein, Mutter, sorge nicht", sagte Marianne. Sie kam heran, kniete nieder und legte ihren dunkelhaarigen Kopf auf der Mutter bleich« Hand. Wolf stand «rgriffen. Wie verwan delt sie plötzlich war, wie weich. Hatte er denn vorher auch nur bedacht, welche Zartheit und Güte, welche ge schickte und starke Hand nöthig war, um solch weiches, seines, verletzliches Geschöpf zu lösen und zugleich zu ket ten? Zu beruhigen zugleich, indem er es so namenlos beunruhigte? „Lieber Freund lieber Sohn —" sagte Frau Wedel. „Sie sind ja noch ein bischen hitzig und stürmisch, aber Sie hatte verstanden, vor ihm. vor dem Mann, was da! laute Herzklopfen ihres Kindes ihr sagte: ich will ihn! Ja, ja, will ihn über alles und vor allen! An diesem und dem nächsten Tag ward kein Wort zwischen ihnen dar über gesprochen. Es ging schlecht mit der Mutter. ment kurz vor ihrem Ende, sagte sie mit einem Anflug ihres alten, herzigen Lachens, das so oft in ihrem Leben eine so wohlthuende, ansteckende Wir kung geübt hatte: „Kinder, ich will mal sehen, wie Ihr Euch küßt! Braucht Euch nicht vor mir zu geniren, ich plaudere hier nichts mehr aus." nen in seinen Arm ziehen lassen von ihm, den sie mehr liebte, als sie wollte als sie jetzt noch wollte und sie hatten einander zur Zufriedenheit der Mutter geküßt. Es war eine stille, heilige Stim mung in Wolf. Nicht als Arzt, den ohne Bewußtsein. Nach dem Begräbniß erst dachte er zum erstenmal wieder an Else. hätte. Aber man hat keine Zeit, das Leben drängt. Die Zeit des Leicht sinns und der bunten Freuden ist vvr- Jctzt, Mann, stehe fest! um Elfe zu schreiben. Er fing an, aber er konnte nicht. Er fing wieder an es sich wohl anders gedacht Es ist aber gut so. Es mußte so sein und hat sich entwickelt, wie es nicht Ruhe und Erhabenheit in ihn über, und er fühlte sich als besserer Mensch. stirbt —* „Nu drum gerade", sagt der Amtsrichter Nesselholdt, ein loser Junggeselle. 8. Marianne Wedel blieb noch bis zum Herbst in Wüstewalde. Sie ordnete alles, was von dem kleinen Nachlaß zu ordnen war, schickte ein paar Nothgro schen an Otto mit der Nachricht von ihrer Verlobung und der eindringlichen Bitte, jetzt seine Ehre darin zu sehen, auf eigenen Füßen festzustehen. Dadurch, daß sie jetzt gegen eine direkte Schädigung durch ihn und seine Haltlosigkeit gesichert war. fühlte sie nicht milder für feine Sünden, denn nicht um ihretwillen, sondern um sei- fache zum Sterben war dieser Bruder gewesen. Seltsam still, wie lautlos strich diese Zeit an ihr vorüber. Wenn Leute kamen, mußte sie sich oft auf die ein fachsten Antworten und Redewendun gen besiinnen. Sie saß oft in Mut terchens leergewordenem Fensterftuhl und legte ihren Kopf müde an das alte, braune Polster. Manchmal ahnte sie, als ob mit Brausen, mit Stürmen ein neues Le ben käm«. Aber noch war es draußen, noch war sie allein. In diesen ver stummten Räumen saß nicht das Glück bei ihr und nicht der Schmerz. Nur die groß«, große Stille. Wolf war abgereist, und hier war Dr. Schneider wieder auf feinen Den ersten Brief schrieb Wolf von Berlin aus, den zweiten schon von Neuenholz, einen Bericht über seine Dr. Michels. „Ich lasse im October ren." Seine Brief« waren wohlthuend in ihrer schlichten, herzlichen Einfachheit. „Hätte Muttchen sie noch lesen kön nen!" dachte Marianne oft. „Und hätte ich selbst früher so einen gelesen. Wie sehr habe ich ihn verkannt!" Für allerlei kleine, pikante Histör chen, deren Verbreitung manche sonst Scheu so gern betreiben, hakie sie gar kein Ohr. Daß er viel getanzt hatte hier und «in lebenslustig«! Mensch war, wußte sie ja, alles andere glaubte sie so unbedingt nicht, daß sie gar nicht einmal hinhört«. Es war überhaupt kein Grübeln und Sinnen in ihr. Wie sich ihre Liebe aus Abneigung und Vorurtheil kommen, wie ei mußte. Bei den EggerS auf Holzhagen war «in namenloses Staunen, als Wölfs ficht bestätigte. „Herr du meine Güte, Wolf!" rief Frau Lene. „Wir dachten doch natür lich, es würde die kleine Else von Pa stors werden. Na, ich meinerseits Hab's immer bezweifelt. Du bist im „Was? Kein Geld? Und so plötz lich? Ach, das wird natürlich eine rechte Thorheit sein! Ach Gott, ach Gott, man müßte euch Jungens noch immer an der Leine halten. Sie ist „Geschmackssache, Mama. Ich glaube nicht, daß du sie sehr schön fin den wirst." „Aber Wolf. Wolf! Hast du dich da nicht gründlich verrannt. Wie kam es denn?" „Es ist wirklich nichts dabei zu er zählen," sagt« Wolf mit Ungeduld in der Stimme. „Ihre Mutter war meine Patientin. Wie solche Dinge eben kommen, Mama." „Ach, ich sehe schon, es ist natürlich die haarsträubendste Dummheit, die du lieber Else genommen, da wüßtest du, was du hättst." Jemand ging hinaus und warf die Thür hinter sich in'S Schloß. Es war Ulrich. Draußen blieb er stehen, weil sich der Athem ihm plötzlich versetzte. Da! Nun war die Geschichte richtig gekom men, wie er sich gedacht hatte. In der letzten Zeit immer noch hatt« er aus «in gutes Ende gehofft, immer noch wieder an seinen Bruder ge glaubt Götter sind! Glaubt nur an st« und ihr gutes Herz und ihr edles Gefühl, und ihr werdet wunderliche Ueberra über einen Stein zu feinen Füßen. An der Pappel vor dem Pferdestall blieb er stehen. Else, klein« Else vergiß ihn liebes, kleines, armes Mädel Die wilde Lust. Wols berauszuru sen, ihm mit der Faust in's Gesicht zu schlagen sür seine Erbärmlichkeit, die war ihm plötzlich vergangen. Was ging ihn Wolf an? Und vielleicht es konnte die Stunde kommen und war vielleicht schon da, daß Wols auch Else nichts mehr anging. Denn sie hatte ein trotziges Herz, dies blonde Kind! Die Hochzeit war ganz still, nur mit den Dr. Schneiders als Trauzeugen gefeiert. Spät am Abend in dichtem Nebel kam das junge Paar in Neuen holz an. Mariann« war müd« von der langen Fahrt und den wechselnden Eindrücken. Zum erstenmal, seit sie als vierzehn jähriges Kind nach des Baters Tod Wüstewaldc betreten hatte, verließ sie es wieder und verließ es zu einem! Schah alles so geschickt und zart und da bei so selbstverständlich, daß es auch für Marianne selbstverständlich war. Die junge Frau Dr. Eggers war in der That nicht hübsch, das wurde in der ganzen Umgegend bald zur Genüge festgestellt. Wo Wolf mit seiner jun- Was war schließlich das Ganze, was der wilde Wolf anstellte, von dem man sich so großer Dinge versehen hatte? Die Praxis von Dr. Michels hier in Neuenholz übernehmen und Frau Heirathen? Na, das konnten andere Leute auch. Besonders die Neuenholzer Jung frauen waren entrüstet. Die Frau, die Wolf Eggers nahm, die mußte denn doch schon so sein, daß keine hier mit ihr concurriren konnte. Die hier, die stach man ja noch allemal aus. Hätten sie das geahnt, daß es so leicht war, sich den' wilden Wolf zu fangen! Dr. Michels, der alte Geradheraus, hatte Wolf gegenüber auch keine Flau sen gemacht. „Besser wär's gewesen, mein Lieber, Sie wären hier vorläufig als lediger Bursch eingezogen." Dann wäre ich gar nicht eingezogen, dachte Wolf nebenbei. Frau Eggers sen. auf Holzhagen war noch mit am ärgerlichsten. Sie fand Wolfs Wahl geradezu geschmack los. Dies blasse, lange Gestell mit den schweren Augenlidern und dem langsamen, langweiligen Redewerk, das hing sich nun für Lebenszeit an ihren frischen, wilden, lustigen Wolf! Das versperrte ihm die Carriere, das zog ihn gesellschaftlich herab! „Ach der arme, arme, unglückliche Junge!" „Aber Lening", sagte Karl Egger». „Was klagst du nur? Ei war doch sein freier Wille. Und sieh dir doch den Jungen an, wie er mit seiner Frau umgeht! Ich finde sie auch gar nicht so schrecklich. WaS ihr nur alle habt." Karl Eggers war diese ganze Wen dung überhaupt mehr lieb als unlieb. An seine Schwiegertochter legte er ja allerdings auch nicht das schönheitliche Centimetermaß an wie seine Umge bung. Er wunderte sich vielmehr üoer Wolfs soliden und edlen Geschmack. Sie kam ihm immer vor, als habe sie etwas Männliche«, d. h. Vertrauens würdiges. Denn „weiblich" war für ihn, den also Gewöhnten: alles Un selbständige, Unzuverlässige, Klein liche. Kasfeeklatschnaturen. Daß Else Bärenwender frei wurde, war ihm auch ganz erwünscht Ulrichs wegen. Trotz der Lektion, die ihm damals bis auf die Knochen ge gangen war, holte sein alter Kopf die sen dummen Lieblingsgedanken wieder hervor. Aber in aller Stille. Nur beileibe nicht wieder mit der Geschichte hereinfallen. » » » Wolf sagte auch „Ma" zu seiner Frau. Er hatte den Namen gern, und Ke hatte ihn auch gern, weil ihre Mutter sie so gerufen hatte. Daß sie in dieser Gegend, selbst bei Wolfs Mutter kein« Gnade fand, war ihr schnell klar geworden. Sie war es gewöhnt, daß ihr Wesen den Menschen nicht gefiel, und sonst, weil die Men schen ihr auch nicht gefielen, hatte sie sich nicht darum gegrämt; aber bier halte sie es um ihres Mannes willen gern anders gehabt. Ihr Schwiegervater hatte schon recht: etwas unweiblich Schwerfälli ges lag in ihre? Art, sich zu geben, auch sich auszudrücken. Oft, wenn ihr das Herz voll war von ihren Erlebnissen und Empfindungen und sie so gern Wolf alles gesagt hätte, ja sich auf sein Kommen deswegen freute, versagte ihr plötzlich die Sprache, sobald er da war. Wenn sie sich, erzürnt über sich selbst, zwang, d«rüber zu reden, so wurden es ungeschickte, halb unverständlich« und zusammenhanglose Bemerkungen, die er gebührenderweise auch kaum be achtet«. So erfuhr er gar nicht, wie sie sich mit ihrer Unzulänglichkeit den frem den Menschen gegenüber quälte. Nicht einmal zu sagen oder nur auszudrücken, wie lieb sie ihn batt«, war st« im Stand«. Wie aus der Windstille ihres Herzens immer reicher und stärker ihr Gefühl für ihn aus blühte, wie es ihr ganzes Wesen füllte und selbst zum Bestandtheil dieses Wesens wurde das wußte er nicht, und sie hatte nicht die Geschicklichkeit, es ihn zu lehren. In dieser herben, knospenden Vor srühlingsztit ihrer jungen Ehe stand Marianne oft still, unbewußt der Um gebung. umsponnen von süßen, ge heimnißvollenTräumen. Keine Sorge! dacht« sie mit Lächeln. Er wird's schon merken, wie lieb er mir ist! Und leicht zu sehr merken! Sie war Hand zu gehen. Sie folgt« zuerlt die» sen Rufen freudig und mit bestem Willen, aber unter seinen Augen würd« alles schlecht, was sie machte. Er sagte ihr nichts, aber band die Gaze daß er sie bald gar nicht mehr rief. Wie kam dies alles nur? Sie war früher durch diese Mängel doch ni« zu lassen vor einer möglichen Unzu friedenheit von ihm? Diese hilflos«, quälend« Empfindlichkeit gegen ihn? Macht denn die Liebe so unsicher in allem Thun, so wehrlos in sich selbst? Manchmal, wie ein Traum nur, wie sie die Furcht, ob sie ihren Mann wohl nicht nur ein Theil seines Wesens sei, den st« an ihm sah cken überfallen. Denn wenn nicht was war er? Wer war er? 801 l tiefen, lähmenden Grauens wa sich wie im Instinkt, sie auszukosten. Sie wandte sich davon! Nein, nein, Phantasien! »regt und Besuchen herum, Wols." „Es geht aber nicht, Wols!" rief die Mama, ein bischen aufgeregt und sehr bestimmt. „Denkst du denn, es fällt nicht auf, wenn Ihr eine Familie ein fach überschlagt? Ihr müßt hin, auf jeden Fall! Geht's nicht schon mor- ist gut," sagte Wolf, .wir wer« Mama. Ja, ja, ich weiß schon, WaS sich schickt." Sie war so befriedigt durch ihren Aufgabe zu entledigen. Marianne war durch Wolfs Wesen heute Abend besorgt gemacht, er war so sonderbar abgespannt und reizbar dazu. „Ist dir heute nicht gut?" fragte sie ihn in ihrer herben Art, hinter der sich ihr starkes Empfinden verkroch. „Du hast wohl nicht Lust, zu diesen Pastors zu fahren?" Zum erstenmal fuhr er sie an. „Ach warum denn nicht? Meinet wegen können wir fahren. Ich mag die Hausfrau nicht." sagte Marianne, um ihm mit einem Scherz aufzuhelfen. Er blieb aber verdrossen und wort nahm die Zeitung. Sie hals dem Mä dchen den Tisch abräumen, möglichst leise, legte die dunkelgrüne Decke aus, die zu dem ruhigen Ton der Eßzim mereinrichtung so wohlthuend stimmte, trug ihm einen Aschbecher herbei und setzte sich mit einein Buch auf ihren Platz am Tisch. Aber sie las nicht. Ohne daß sie aufblickte, sah sie doch die Umrisse fei nes Kopfes, sie sog die Wölkchen seiner Cigarre ein, ihr Ohr war bei dem lei sen Knistern des Papiers in seiner Hand. Weich und sehnsüchtig wie noch nie stand ihre Seele vor ihm. In seiner Verstimmung heute, seiner Uebellaunigkeit, deren Grund sie nicht kannte, erschien er ihr in einem andern Licht. Nicht mehr so fertig wie sonst, so unverwundbar und groß. Als müsse sie ihm helfen, als könne sie ihm helfen, was es auch sei, was ihn drückte, ob Großes, ob Kleines. Ihr war, sie müsse ihn jetzt an sich heranziehen, den geliebten blonden Kopf in ihre Hände nehmen, seine Au gen küssen, die bösen Falten aus seiner schönen, kühnen Stirn wegtüssen sie! Mit ihren Lippen! Ab«r es blieb bei der Sehnsucht und bei der Liebe und bei dem wunderschö- Das stille Licht ihrer Lampe fiel durch die weißen Borhänge auf die sahen sie unwillkürlich hin und dachten sich: da sitzt nun der Doktor mit seiner jungen Und wenn'» vielleicht schöner Frosttag wie der vorige. Ein eiskalter über die Ebem Tischgespräch. !? Liebenswürdige Wirthe, die es ihren angenehm zu machen wünsch«», sind ganz b«stllrzt, wenn keine recht« Unter» Haltung zu Stand« kommt; trotz d«r erdenklichsten Mühe, die sie sich gegeben haben, um «s an leiblichem Behagen nicht fehlen zu lassen, will keine recht« Stimmung aufkommen! Woran liegt dies? treffendsten Bemerkungen versagen. ' Ein frisches, flottes Tischgespräch erstickt, sobald «r auf prallt. statt das Gegentheil davon, den Ruf Man soll für alles Interesse hegen, sür alles, was die Welt, das Leben bie- Der Fehler vieler Frauen ist, daß sie Kresse sür sie selbst. dürfe unbedingt einer Klimaverände rung." Gatte: „Das trifft sich ja herr lich. Da lese ich eben in der Wett«r-
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